Die Zahl der Menschen über 50 mit HIV steigt an. Neue Fragen treten auf, von anderen Erkrankungen über Anforderungen an die Prävention bis zur Frage, ob Kombi-Therapien bei älteren Menschen ebenso gut wirken wie bei jüngeren.
Therapien gegen HIV werden immer erfolgreicher, Menschen mit HIV haben die Aussicht, immer länger leben zu können. Eine erfreuliche Konsequenz des medizinischen Fortschritts der letzten Jahre – gerade für den, der sich an den Horror der frühen Aids-Jahre erinnert.
Eine Folge dieser Entwicklung ist auch: es gibt immer mehr ältere Menschen mit HIV und Aids. Sowohl, weil Positive länger leben, ein höheres Lebensalter erreichen – aber auch, weil zunehmend auch bei Menschen über 50 Jahren HIV neu diagnostiziert wird.
So stieg der Anteil der über 50jährigen an den HIV- Neudiagnosen in Großbritannien von 5% (1995) auf nahezu 10% (2005). Und auch das Robert-Koch-Institut schreibt zur Zahl der HIV-Neu-Diagnosen 2006 „Bezogen auf die Altersverteilung der Neudiagnosen erfolgte die größte Zunahme an Meldungen in der Altersgruppe der 40- bis 60-Jährigen (117 Fälle mehr als 2005).“ (Epidemiologisches Bulletin, 29. Mai 2007).
Dabei fällt auf, dass ein vergleichsweise hoher Anteil von HIV-Erstdiagnosen bei Menschen über 50 Jahre bei Homosexuellen vorlag, aber besonders deutlich auch bei Menschen, die sich der Risikogruppe „heterosexuell“ zuordneten.
Andere Krankheitsbilder
Älter werdende Positive bedeuten auch andere Krankheitsbilder – je höher die Lebenserwartung von Menschen mit HIV und Aids steigt, desto mehr werden vermutlich auch andere als die bisher bei HIV gewohnten Erkrankungen auftreten. Zudem kommt hinzu, dass auch das Immunsystem ‚altert‘, Immunfunktionen abnehmen.
Werden schon aufgrund des ‚Alters-Faktors‘ zukünftig Herzerkrankungen, Krebs und Demenz eine weit größere Rolle spielen? Haben Menschen mit HIV im Alter andere, größere Erkrankungsrisiken? Demenz, Alzheimer und Parkinson z.B. könnten bei älteren Menschen mit HIV häufiger auftreten, warnen Ärzte.
Und die Therapien?
Oftmals wird davon ausgegangen, dass bei älteren Menschen anti-HIV-Therapien schlechter wirksam seien als bei jüngeren Menschen.
Wohl eine falsche, nicht zutreffende Annahme. Eine erst jüngst publizierte französische Studie zeigte, dass an Jahren ältere Menschen mit HIV genauso gut von anti-HIV-Therapien profitieren wie jüngere Menschen. Die Compliance (wie genau Medikamente genommen werden) sei bei älteren Positiven sogar besser als bei jüngeren, zeigte eine us-amerikanische Studie.
Allerdings, so die Studie, wechselten über 50jährige ihre Medikamenten tendenziell häufiger aufgrund von Nebenwirkungen. Insbesondere Blutbild-Veränderungen sowie neuropsychologische Beschwerden traten häufiger auf. Da ältere Menschen tendenziell vermutlich häufiger bereits auch Medikamente gegen andere Erkrankungen nehmen, könnte zudem das Risiko von Wechselwirkungen steigen.
Späte HIV-/Aids-Diagnose
Die gleiche französische Studie stellte allerdings auch fest, dass bei Menschen über 50 wesentlich häufiger die HIV-Diagnose erst in einem späteren Stadium erfolgt (‚late diagnosis‘, Diagnose HIV bei CD4-Wert von weniger als 200 CD4-Zellen).
Diese späte HIV-Diagnose ist oftmals mit der Folge verbunden, dass Immunschäden bei Therapiebeginn bereits ausgeprägter sind, antiretrovirale Therapien bei diesen Patienten dann immunologisch und virologisch weniger wirksam sein können.
Einer der möglichen Gründe für diese späte Diagnose: ältere Menschen halten es oftmals für wenig wahrscheinlich, dass sie HIV-infiziert sein können. Dies korrespondiert mit dem Bild, das sich die Öffentlichkeit von Menschen mit Aids macht – oftmals werden hier eher junge Menschen dargestellt.
Ein weiterer möglicher Grund: auch viele Ärzte dürften bei gesundheitlichen Beschwerden ihrer älteren Patienten tendenziell wohl seltener an HIV denken, eine entsprechende Diagnostik deswegen seltener erwägen.
Prävention
Auch die HIV-Prävention sieht sich mit Fragen konfrontiert.
Einige wenige Untersuchungen scheinen darauf hinzudeuten, dass bei älteren Menschen die Kondombenutzung seltener ist als bei jüngeren Menschen. Werden ältere Menschen überhaupt durch Kampagnen erreicht, die sich in der Gestaltung ihrer Motive und Inhalte oftmals an jüngere Menschen wenden, mit Körper und Jugend operieren?
Verbirgt sich unter dem steigenden Anteil von HIV- Erstdiagnosen bei heterosexuellen Menschen über 50 auch ein Anteil an Männern, die Sex mit Männern haben, dies aber nicht offen leben (und deswegen ‚hetero‘ als Infektionsweg angeben)? Wie können diese Menschen mit Präventionsbotschaften erreicht werden?
Oder bedarf es generell auch anderer, mehr an die Gewohnheiten und Belange älterer Menschen angepasster Kampagnen?
Ändert sich das Sexualverhalten von Menschen über 50 durch die Verfügbarkeit von Medikamenten gegen erektile Dysfunktion (Viagra & Co.)? Muss Prävention hierauf reagieren?
Menschen mit HIV werden älter. Und Menschen infizieren sich auch in höherem Alter mit HIV. Medizinsystem, Aids- Hilfen, und Politik sollten sich auf neue Anforderungen einstellen.
hi Ulli,
klasse Beitrag! Dein Blog ist ja eine wahre Fundgrube! 🙂
Der WDR Hörfunk widmet sich dem Thema „Alt werden mit HIV“ innerhalb der Sendung „In unserem Alter“ am Samstag, 1.12. von 8:0o-9:oo Uhr, auch im Internet mitzuhören auf http://www.wdr4.de
LG Michael
@ michael:
oh – danke!
na – in einer fundgrube findet man halt so manchen alten plünnen ;-))