Älter werden mit HIV

Dank Medikamenten werden HIV-positive Menschen heute älter, und ihre Lebensqualität hat sich im Laufe der letzten Jahre verbessert. Die Kehrseite dieser guten Nachricht: Mit zunehmendem Alter leiden sie häufiger an chronischen Krankheiten, an Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislaufstörungen. Zu diesen Ergebnissen kommen Forschende der Universität Zürich und ihre Kollegen der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie. Für die passende Betreuung von Betroffenen sind diese, soeben im Fachmagazin «Clinical Infectious Diseases» publizierten Erkenntnisse wichtig.

Das Spektrum der Komplikationen wie auch der möglichen Todesursachen bei HIV-positiven Personen hat sich in den letzten Jahren deutlich geändert. Dies als Folge davon, dass HIV-Therapien heute oft erfolgreich sind, was dazu führt, dass sich das Immunsystem der Betroffenen verbessert oder gar normalisiert hat. Damit werden heute auch jene Krankheiten seltener, welche früher oft als Folge der Immunschwäche auftraten, wie Infektionen, Hauttumore oder Lymphdrüsenkrebs.

In den Vordergrund gerückt sind dafür die Langzeitnebenwirkungen der HIV-Medikamente und andere nicht direkt mit HIV assozierte Erkrankungen. Die Infektiologin Barbara Hasse von der Universität Zürich hat zusammen mit Forscherkollegen der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie die heutige Situation analysiert. Die Forschenden wollten wissen: Von welchen Erkrankungen und Komplikationen sind HIV-Positive wie häufig betroffen? Besteht eine Altersabhängigkeit der Komplikationen? Und welche Konsequenzen sind daraus für eine optimierte Betreuung der Patienten zu ziehen? Die Antworten haben sie soeben im Fachmagazin «Clinical Infectious Diseases» publiziert.

HIV-positive Menschen werden älter

Der Anteil an älteren HIV-positiven Personen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Zählten bei der Gründung der Schweizerischen HIV Kohortenstudie im Jahre 1988 kaum fünf Prozent der Teilnehmenden mehr als 50 Jahre, so sind es heute 30 Prozent.

Mehr chronische Krankheiten mit zunehmendem Alter

Während drei Jahren wurden bei 8’444, im Schnitt seit 15 Jahren HIV-infizierten Personen, folgende Krankheiten diagnostiziert: 201 Lungenentzündungen, 55 Herzinfarkte, 39 Schlaganfälle, 70 Zuckerkrankheiten, 160 Knochenbrüche, 61 Osteoporose-Fälle, 57 schwere Leberprobleme, 31 schwere Nierenerkrankungen und 115 Krebserkrankungen. Insgesamt wurden 994 Erkrankungen gefunden, die nicht direkt als Folge der HIV-Infektion auftreten. Im Gegensatz dazu betrug die Zahl der in direktem Zusammenhang mit der HIV-Infektion stehenden Erkrankungen lediglich 195. Diese Erkrankungen traten dabei häufiger bei Personen zwischen 50 und 64 Jahren sowie bei Personen über 65 Jahren auf als in der jüngeren Vergleichsgruppe. Diese Altersabhängigkeit zeigte sich auch nach der statistischen Korrektur für verschiedene andere die Krankheit beeinflussende Risikofaktoren, wie zum Beispiel der Schweregrad der Immunschwäche.

Ein erhöhtes Risiko für Komplikationen, so kommen die Wissenschaftler zum Schluss, waren die Menge der Viruspartikel im Blut, Rauchen, Drogengebrauch und die Dauer der HIV-Infektion. 12 Prozent der über 65-jährigen Personen hatten neben den HIV-Medikamenten vier oder mehr andere Medikamente und 5 Prozent der über 65-jährigen Personen litten zusätzlich zur HIV-Infektion an vier oder mehr anderen Erkrankungen.

Krankheitsprävention wird wichtig

Die wesentliche Erkenntnis dieser vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Untersuchung ist, dass Nicht-HIV-Erkrankungen – allen voran Herz-Kreislauferkrankungen, Zucker- und Krebskrankheiten – bei HIV-positiven Personen altersabhängig zunehmen.

Aus diesem Wissen können wertvolle Hinweise für die Betreuung von HIV-positiven Menschen abgeleitet werden, wie Barbara Hasse veranschaulicht: «Diese zusätzlich zur HIV-Erkrankung auftretenden Komplikationen führen dazu, dass die Betreuung dieser Betroffenen zahlreiche andere, oft gleichzeitig auftretende Krankheiten berücksichtigen muss. Dies wiederum kann zu speziellen Proble men führen, wie etwa Interaktionen oder Nebenwirkungen zwischen den verschiedensten Medikamenten. Zudem ist es besonders bei dieser Personengruppe wichtig, Krankheitsprävention zu betreiben und Risikofaktoren wie den Bluthochdruck, das hohe Cholesterin und den Nikotinkonsum zu vermeiden oder zu behandeln.»

(Pressemitteilung IDW)

Kurz notiert … Juli 2011

26. Juli 2011: Alexander McQueen, am 11. Februar 2011 verstorbener britischer Modedesigner, hat aus seinem 16 Millionen Pfund umfassenden Nachlass 100.000 Pfund der britischen Aids-Organisation Terrence Higgins Trust vermacht.

25. Juli 2011: Dem Kondom-Hersteller Durex werden die Kondome knapp, aufgrund einer bereits seit Mai 2011 andauernden Auseinandersetzung mit einem indischen Lieferanten.

20. Juli 2011: Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat dem Hepatitis-C- Proteasehemmer Boceprevir (Handelsname Victrelis®) die Zulassung erteilt.

18. Juli 2011: Der Pharmakonzern Abbott kündigt an, eine Kombi-Pille aus Kaletra® und 3TC zu entwickeln.

14. Juli 2011: Die Regionen in den USA mit den höchsten HIV-Infektionsraten zählen zugleich zu den ärmsten Regionen der USA, berichten US-Medien. In den am meisten von HIV betroffenen Regionen im Süden der USA lebe einer von fünf HIV-Positiven unterhalb der Armutsgrenze.

13. Juli 2011: Zwei große Studien zur Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) haben gezeigt, dass Tenofovir bzw. Tenofovir plus Emtricitabine das Risiko einer sexuellen HIV-Übertragung bei heterosexuellen Paaren um 62 bzw. 73% reduzieren können.

12. Juli 2011: Liza Minelli wurde zum ‚Offizier‘ der französischen Ehrenlegion ernannt, u.a. wegen ihrer Verdienste um die Aids-Bekämpfung. Die Ehrenlegion ist die höchste Auszeichnung Frankreichs.

11. Juli 2011: Australien: HIV-positiver Mann zu 3 Jahren Haft verurteilt wegen Gefährdung von 3 Frauen durch ungeschützten Sex. Keine der Frauen wurde mit HIV infiziert.

Wissenschaftler haben in Japan einen Gonorrhoe- (auch: Tripper) Stamm entdeckt, der gegen die eingesetzten Antibiotika resistent ist.

Jerry Herman, offen HIV-positiver Hollywood-Erfolgs-Komponist u.a. der Musicals „Hello Dolly“ oder „La Cage Aux Folles“ (Ein Käfig voller Narren) wurde am 10. Juli 80 Jahre alt.

08. Juli 2011: Schweiz: eine 32jährige Frau aus Ostafrika wurde wegen schwerer Körperverletzung zu einer „teilbedingten Freiheitsstrafe“ von drei Jahren verurteilt. Falls das Urteil rechtskräftig wird, droht der Frau die Abschiebung aus der Schweiz.

05. Juli 2011: Millionen HIV-Positive, die auf günstige Aids-Medikamente angewiesen sind, werden sterben, falls Indien aufgrund des Handelsabkommens mit der EU aufhören muss, generische Aids-Medikamente herzustellen. Dies betont UNAIDS-Direktor Michel Sidibé.

04. Juli 2011: Eine Gruppe von 55 US-Ärzten fordert die US-Arzneimittelbehörde FDA auf, Truvada® nicht als ‚Präventions-Pille‚ zuzulassen.

03. Juli 2011: „Will Karel De Gucht be responsible for millions deaths ?“ EU-Handelskommissar Karel de Gucht wurde am frühen Sonntag Morgen von Aktivisten von ACT UP Paris geweckt (Video), die gegen die (von de Gucht vertretene) Position der EU in Handelsabkommen protestierten. Die Haltung der EU gefährde die Versorgung von Millionen HIV-Positiven mit preiswerten Generika.

02. Juli 2011: „Die gestoppten Gelder für den Globalen Fonds schnellstens freigeben“, fordert (nicht nur) die Deutsche Aids-Hilfe von Bundesentwicklungsminister Niebel.

01. Juli 2011: Der Schmuck der am 23. März 2011 verstorbenen Filmschauspielerin Elizabeth Taylor soll im Dezember 2011 versteigert werden. Der Erlös soll der Elizabeth Taylor Aids Foundation zugute kommen.

Einige Aids-Medikamente der Klasse der NRTIs können bei HIV-Positiven zu vorzeitiger Alterung beitragen. Die durch sie verursachten Veränderungen an den Mitochondrien könnten irreversibel sein, so Wissenschaftler.

Kurz notiert … Juni 2011

21. Juni 2011: Ein HIV-positiver Pilot klagt vor dem Obersten Gerichtshof der USA wegen des Verlusts seiner Fluglizenz.

19. Juni 2011: HIV und Hepatitis – Aktivisten in Europa und den USA fordern einen schnelleren Zugang zu neuen Medikamenten gegen Hepatitis C.

15. Juni 2011: Fidschi hat eine Verordnung erlassen, die die Diskriminierung HIV-Positiver bei Versicherungen und Pensionskassen untersagt.

13. Juni 2011: Der Aids-Medikamenten-Hersteller Gilead hat eine Strafandrohung des US- Justiz-Ministeriums erhalten, das damit Informationen zu Herstellung, Qualität sowie Vertriebspraktiken mehrerer Medikamente des Konzerns (u.a.a auch Aids-Medikamente) erhalten will. Zu Gründen machte Gilead bisher keine Angaben.

07. Juni 2011: Studien an neuen Krebs-Medikamenten schließen Menschen mit HIV häufig aus, neue Krebs-Medikamente werden selten auf Wirkungen und Nebenwirkungen bei HIV-Positiven untersucht. Anders bei experimentellen Substanz gegen Nierenkrebs, die auch an HIV-Positiven untersucht wird.

06. Juni 2011: TheraTechnologies hat die Zulassung von Tesamorelin (vermarktet unter den Handelsnamen Egrifta(R)) in Europa beantragt. Tesamorelin wird eingesetzt bei Fettansammlungen infolge Lipodystrophie-Syndrom.

Die globalen Mittel für den Kampf gegen Aids müssten kurzfristig um ein Drittel erhöht werden, langfristig um 20% – dann könnten bis zum Jahr 2012 15 Millionen HIV-Infizierte weltweit antiretroviral behandelt werden. Dies betont UNAIDS-Generaldirektor Michel Sidibé.

01. Juni 2011:Der langfristige Anstieg der CD4-Zell-Zahl ist bei HIV-Positiven mit einem Lebensalter von über 50 Jahren niedriger, zeigt eine US-Studie.

„Das Kondom schützt nicht“, zu diesem Ergebnis kommt ein zweitägiger Kongress zu HIV/Aids im Vatikan – 30 Jahre nach der ersten wissenschaftlichen Publikation zu Aids.

Gil Scott-Heron, der ‚Godfather of Rap‘, stirbt am 27. Mai 2011. Er lebe seit vielen Jahren mit HIV, hatte er dem ‚New York‘ Magazin 2008 berichtet.

Aufregung bei Londoner HIV-Präventions-Projekten: das Budget für HIV-Prävention 2011/12 soll um 20% gekürzt werden.

Kurz notiert … Februar 2011

27. Februar 2011: Der deutsche Zahlungsstopp bedroht nach internen Berechnungen des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria mindestens 43.000 Leben.

25. Februar 2011: Die US-Medikamentenbehörde FDA hat die Packungsbeilage von Kaletra® hinsichtlich Frühgeborener überarbeitet. Die Packungsbeilage für Viracept® (Nelfinavir) wurde um Wechselwirkungs-Angaben für Warfarin ergänzt.

23. Februar 2011: Pharmaunternehmen entschädigen Bluter mit Hepatitis C.

21. Februar 2011: Nur gut ein Fünftel der HIV-Positiven in der Ukraine erhält antiretrovirale Therapie – und selbst sie sehen sich jetzt massiven Versorgungsproblemen ausgesetzt.

19. Februar 2011: Die bisher detaillierteste dreidimensionale Darstellung von HIV durch ein Team des russischen Unternehmens Visual Science gewann in der Kategorie ‚Illustration‘ den Preis der ‚International Science and Engineering Visualization Challenge 2010‘.

18. Februar 2011: Die Bestimmung von CD4-Zellzahlen ist elementar, u.a. für Therapieentscheidungen. Für Positive in nicht oder weniger industrialisierten Staaten sind kostengünstige Tests besonders wichtig. Doch ein Medizintechnik-Konzern macht Probleme.

16. Februar 2011: Der Impfstoff Silgard/Gardasil kann bei jungen Männern das Entstehen von Feigwarzen deutlich vermindern.

15. Februar 2011: ACT UP Paris demonstriert vor dem französischen Pharma-Verband LEEM dafür, dass zwei neue Substanzen gegen Hepatitis C auch an Menschen getestet werden, die mit HIV und Hepatitis C koinfiziert sind.

In Südafrika beginnt eine Phase-IIb-Studie mit Sutherlandia frutescens (Ballonerbse). Sutherlandia wird in Südafrika als traditionelle Medizin eingesetzt (und ist auch einigen Positiven hierzulande seit langem bekannt). Die Studie des ‚South African Herbal Science and Medicine Institute‘ (SAHSMI) soll die Pflanze auf ihr Potential zur Behandlung von Begleiteffekten der HIV-Infektion untersuchen.

14. Februar 2011: Auf der Berlinale, die vom 10. bis 20. Februar 2011 in Berlin stattfindet, laufen auch Filme zu HIV / Aids: u.a. „We were here“ sowie der erste chinesische Dokumentarfilm zu HIV „Be together“.

11. Februar 2011: ‚Würden die (US-amerikanischen Medikamentenbehörden) FDA ein Verhütungsmittel zulassen, dass zu 44% wirkt?‘, weist Aids Healthcare Foundation auf viele Fragen zur derzeitigen Situation bei PrEP hin.

10. Februar 2011: Cornelia Yzer, bisher Cheffin des Verbands forschender Pharmaunternehmen (VfA), beendet ihre Tätigkeit Ende Juni 2011 – nach Medienberichten ’nicht ganz freiwillig‘.

HIV kann die Immunabwehr von Neugeborenen auch schwächen, ohne dass diese mit HIV infiziert werden, stellt eine US-Studie fest.

In Los Angeles sollen mit einer städtischen Vorschrift Porno-Produzenten zur Kondom-Verwendung bei Porno-Dreharbeiten gezwungen werden.

08. Februar 2011: Jugendliche in der Schweiz schützen sich besser vor einer HIV-Infektion. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit.

Eine kleine Studie in den USA untersucht, ob Disulfiram (Handelsname Antabuse®) geeignet ist HIV aus viralen Reservoirs auszuwaschen.

07. Februar 2010: Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat Lopinavir / Ritonavir (Handelsname Kaletra®) in eine ‚watch list‘ wegen möglicher Sicherheitsprobleme bei Neugeborenen aufgenommen.

Tesamorelin (Handelsname Egrifta®) soll zukünftig in Europa nach Unterzeichnung eines entsprechenden Lizenzabkommens vom spanischen Unternehmen Ferrer International vermarktet werden.

Mord wegen HIV? Brachte ein 55 Jahre alter Frührentner zwei Cruiser um, weil er nach einer HIV-Infektion Schwule hasste?

06. Februar 2011: Kürzungen bei Krankenversicherungs-Programmen in den USA – laufen immer mehr US-Amerikaner mit geringem Einkommen Gefahr, keine wirksame HIV-Therapie mehr zu bekommen? Regan Hofmann sorgt sich in der Huffington Post über „The Alarming State of AIDS in America„.

Ein HIV-positiver Ugander befürchtet, aus Großbritannien nach Uganda abgeschoben zu werden – und dort um sein Leben fürchten zu müssen.

04. Februar 2011: Nach Vorwürfen der Zweckentfremdung von Mittel kündigt der Präsident des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose Michel Kazatchkine, an, die Zahl seiner Mitarbeiter, die für die Abwicklung der Hilfszahlungen zuständig sind, zu erhöhen

03. Februar2011: Erstmals seit Beginn der Aids-Krise ist in San Francisco die Mehrzahl der Menschen, die mit einer Aids-Diagnose leben, über 50 Jahre alt. 53% aller Menschen, bei denen im Jahr 2010 Aids diagnostiziert wurde, seien 50 Jahre oder älter gewesen, berichtet der Bay Area Reporter.

01. Februar 2011: Der Pharmakonzern Gilead hat die Laufzeit einer Phase-III-Studie seines experimentellen Integrasehemmers Elvitegravir auf Empfehlung der US-Medikamentenbehörde FDA von 48 auf 96 Wochen verlängert.

Ratgeber HIV und Alter: ‚Coming of Age‘

Ein Ratgeber für Menschen mit HIV im Alter von über 50 Jahren steht im Internet zur Verfügung: „Coming of Age“.

Die Zahl der Menschen mit HIV im Alter von über 50 Jahren steigt. Menschen mit HIV leben u.a. aufgrund hochwirksamer Therapien länger, und auch Menschen in höherem Lebensalter infizieren sich neu mit HIV. Bei beiden überlappen HIV-bezogene oder durch HIV und HIV-Therapie verursachte Probleme und Störungen mit altersbedingten Problemen.

Der englischsprachige Ratgeber „Coming of Age – a guide to ageing well with HIV“ wendet sich speziell an Menschen mit HIV im Alter von über 50 Jahren.

Themen des Buches sind a.u. „Ageing and HIV infection“, „Ageing well“ sowie „aspects of medical care“.

Coming Of Age
Coming Of Age

Das Buch steht im Internet als pdf zum unentgeltlichen Download zur Verfügung. Da das Feld „HIV und Alter“ vergleichsweise neu ist und ständig neue Erkenntnisse verfügbar werden, kündigen die Verfasser indirekt Aktualisierungen bereits für Ende 2010 an.

Mike Youle und Gabrielle Murphy (Hg.)
The HIV Training and Resource Initiative
Coming of Age (pdf) (2,71 MB)

Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurz-Berichte 21.07.2010

In Wien findet vom 18. bis 23. Juli 2010 die XVIII. Welt-Aids-Konferenz statt. Im Folgenden Kurzberichte über einige wichtige Themen, die auf der Konferenz behandelt wurden. Diese Übersicht wird im Verlauf der Konferenz fortlaufend aktualisiert – Tag 3, 21. Juli 2010:

Huren schlagen US-Aids-Koordinator in die Flucht

Am Dienstag, 20. Juli nachmittags stürmte eine Gruppe Demonstrantinnen das Medien-Center der XVIII. Welt-Aids-Konferenz in Wien. Die Gruppe, die sich selbst „Star Whore III“ nannte, kritisierte US-Aids-Koordinator Eric Goosby. Mit roten Regenschirmen ‚bewaffnet‘ und mit Rufen wie “PEPFAR kills sex workers!” and “Face us, Goosby!” wandten sich die vom Global Network of Sex Work Projects organisierten Demonstrantinnen (nachdem sie die Sicherheitskräfte überrumpelt hatten) direkt an Goosby. Alle Gruppierungen, die aus dem von ihm koordinierten PrepFAR-Plan Geld erhalten, müssen explizit Prostitution ablehnen – ein Relikt aus der Zeit der konservativen Bush-Regierung, das Obama bisher nicht hat ändern lassen. Goosby ergriff durch einen Hinterausgang die Flucht. Die Demonstrantinnen erklärten, sie forderten eine Ent-Kriminalisierung der Prostitution sowie besseren Zugang zu HIV-Tests, Behandlung und Therapie.

Advocate 20.07.2010: Protesters Storm AIDS Conference
Global Network of Sex Work Projects 21.07.2010: Denial of Service: Sex Workers Confront Dr. Eric Goosby and Protest the Anti-Prostitution Pledge
no-racism.net 31.07.2010: Sexarbeiter_innen stürmen Internationale AIDS Konferenz in Wien

Globaler Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose mit Finanzierungs-Problemen – weil reiche Staaten weniger zahlen …

UNAIDS und der ‚Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria‘ beklagen eine nachlassende Unterstützung durch die Geberländer. Die General-Direktoren Michel Sidibé (UNAIDS) und Michel Kazatchkine (Globaler Fonds) betonten, die Finanzierungslücke sei groß. Erstmals seien im vergangene Jahr weniger Mittel als im Vorjahr bereit gestellt worden. Insbesondere die Staaten Europas seien zunehmend zurückhaltend – aus Europa seien 2008/09 über 600 Millionen US-$ weniger an Mitteln bereit gestellt worden als im Vorjahr. Statt zurückgehender Mittel mache die Situation jedoch vielmehr eine weitere Steigerung den finanziellen Einsatzes erforderlich. Das derzeitige Defizit gefährdet insbesondere das Ziel, möglichst vielen HIV-Positiven weltweit Zugang zu antiretroviraler Therapie zu ermöglichen.

aidsmap 20.07.2010: ‘Big gap’ in contributions to the Global Fund

Modernere Aids-Medikamente sind effizient – auch in Afrika

Der Zugang zu antiretroviraler Therapie in Subsahara-Afrika verbessert sich. Doch oftmals werden dort Medikamente eingesetzt, die in Industriestaaten schon längst nicht mehr zum Therapie-Standard gehören, besonders Therapien auf Basis von Stavudin (d4T, Handelsname Zerit®) – aus Kostengründen, denn Stavudin ist deutlich billiger als andere Aids-Medikamente.
Doch zwei Forscher-Teams kamen unabhängig von einander in Studien (in denen sie die Kosten pro gewonnenem ‚quality-adjusted life year‘ (QALY) verglichen) zu dem Schluss, dass der Einsatz ‚modernerer‘ und nebenwirkungsärmerer Aids-Medikamente auch in Staaten mit wenig Ressourcen effizient sein kann. Einer der Gründe: nebenwirkungsreiche Substanzen führen eher zu Therapie-Versagen und häufigerem umstellen auf kostspieligere Medikamente.

aidsmap 20.07.2010: Newer HIV drugs cost-effective for Africa

Positive über 50 haben mehr Probleme

HIV-Positive über 50 haben maßgebliche Nachteile verglichen mit der Allgemeinbevölkerung. Dies zeigte die Studie „50 plus“, die erste britische Studie über Altern und HIV. Ältere Positive haben eine schlechtere Gesundheit, sind finanziell schlechter gestellt und leiden unter Zukunftsängsten. Die Studie und ihre Ergebnisse wurden von ‚Terrence Higgins Trust‘ (THT) und ‚Age UK‘ am 21. Juli auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz vorgestellt. Für die Untersuchung wurden 410 HIV-Positive über 50 Jahren, die antiretrovirale Therapie erhalten, interviewt.

pinknews 20.07.2010: Older people with HIV ’substantially more disadvantaged than peers‘

GIPA 2.0

2008 wurde auf der XVII. Welt-Aids-Konferenz das „Mexico Manifest“ präsentiert. Daraus habe sich in den von HIV betroffenen Communities unter anderem der Bedarf an vorurteilsfreien Informationen ergeben, auch über Sexualität und sexuelle Gesundheit. Dies war auch eine der Grundlagen der ‚Denver Prinzipien‘ – die mit neuem Leben gefüllt werden müssen. Das EKAF-Statement und die daraus folgenden Diskussionen sei ein gutes Beispiel dafür, welche Bedeutung GIPA habe, die Beteiligung von Menschen mit HIV und Aids in sie betreffenden Fragen auf allen Ebenen. Doch Regierungen und Organisationen reagieren mit Zurückhaltung – GIPA 2.0 wird erforderlich, mehr Stolz als Graswurzel-Bewegung. In einer Poster-Präsentation stellte die niederländische Gruppe ‚Poz and Proud‘  Überlegungen hierzu vor.

GIPA 2.0 Towards better understanding of the needs and comprehensive involvement of HIV-positive gay men (HPGM) in the 21st century: a Dutch example (pdf)

Hochkarätige UNAIDS-Kommission für HIV-Prävention

UNAIDS will nicht weniger als eine „HIV-Präventions – Revolution“. Zu diesem Zweck hat die UN-Organisation eine „Top-Level-Kommission“ ins Leben gerufen. Die Mitglieder sollen im Verlauf des kommenden Jahres ihre Kontakte und Erfahrungen einbringen, und sich für effektive und wirksame Präventionsprogramme einsetzen.
Mitglieder der Kommission sind Dr Michelle Bachelet (ehemaliger Präsident Chile), Jacques Chirac (ehemaliger Präsident Frankreich), Vuyiseka Dubula (Generalsekretärin der Treatment Action Campaign), Dr. Mohamed ElBaradei (Träger des Friedens-Nobel-Preises), Elena Franchuk (Ukrainische Geschäftsfrau und Gründerin der Elena Franchuk ANTIAIDS Foundation), Pau Gasol (Spanischer Basketball-Star), Nizan Guanaes (führender Kommunikations-Unternehmener Brasiliens, Chairman der ‚Grupo ABC de Comunicação‘), Chris Hughes (Generaldirektor Jumo International udn Mit-Gründer von Facebook), Magic Johnson (früherer Basketball-Star, offen HIV-positiv lebend), Irene Khan (Menschenrechts-Aktivistin und frühere Generalsekretärin Amnesty International, Robin Li (Unternehmer und Mit-Gründer der populärsten Suchmaschine in China, Baidu Inc.), Rita Süssmuth (frühere Bundestags-Präsidentin, Gesundheitsministerin), Festus Mogae (früherer Präsident Botswana), Jean Ping ( Chairman der African Union), Professor Peter Piot (früherer Executive Director UNAIDS und bald Direktor der London School of Hygiene and Tropical Medicine), Vladimir Vladimirovich Pozner (bekannter Russischer Journalist), Meechai Viravaidya (Thailändischer  Politiker und Aktivist).

UNAIDS 21.07.2010: Top world personalities join UNAIDS’ High Level Commission to bring about a prevention revolution

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siehe auch XVIII. Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurzberichte 20.07.2010
siehe auch XVIII. Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurzberichte 19.07.2010

Welt-Aids-Konferenz: Foto-Impressionen

In Wien findet derzeit die XVIII. Welt-Aids-Konferenz statt. Neben vielen Vorträgen und Veranstaltungen, ‚Greet and Meet‘ und Parties auch ein optischer Bilderbogen.

Vom ‚Methadone Man‘ bis ‚Sodoma‘, Vorbereitungen für den ‚March for Human Rights‘ bis zur ‚Checkliste für gesundes Altern‘ – Foto-Eindrücke aus Wien …
(mit Dank an die Fotografen!):

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Methadone Man, Buprenorphine Babe (Foto: Carsten Schatz)
zwei Konferenzteilnehmer aus Kanada bereiten sich vor für den Rally for Human Rights (Foto: HIV Human Rights 2010)
zwei Konferenzteilnehmer aus Kanada bereiten sich vor für den Rally for Human Rights (Foto: HIV Human Rights 2010)
Sodoma (Foto: Carsten Schatz)
Sodoma (Foto: Carsten Schatz)
I'm HIV+ - and you? (Foto: Dirk Sander)
I'm HIV+ - and you? (Foto: Dirk Sander)
Checkliste Gesundes Altern (Foto: Dirk Sander)
Checkliste Gesundes Altern (Foto: Dirk Sander)

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Älter werden und Trauma Aids

„Das Trauma AIDS muss im Gespräch mit schwulen Senioren einen Platz haben“, betont termabox. „Zum “In Würde alt werden” braucht es Selbstakzeptanz und Bejahen auch des nicht-gelebten Lebens. Es muss möglich sein, sich selber und anderen gegenüber klar sagen zu können: “Ja, so war es!” Und es muss möglich sein, darin verstanden zu werden.“

Ein sehr lesenswerter Artikel mit spannenden, zur Diskussion einladenden Gedanken:

termabox 13.07.2009: „Das Trauma AIDS muss im Gespräch mit schwulen Senioren einen Platz haben

termabox‘ Text war Vortrag auf dem Fachtag “Leben im Alter – In Würde alt werden”, über den alivenkickin berichtet unter dem Titel „Klein aber fein„.

HIV im Alter – eine Geschichte des Verdrängens

Unter Menschen in höherem Lebensalter ist die HIV-Prävalenz in einigen Staaten überraschend hoch. Warum? Wo liegen Risikofaktoren? Mit diesen Fragen beschäftigte sich eine Studie im Auftrag der Welt-Gesundheits-Organisation WHO.

Auch in höherem Lebensalter sind Menschen zunehmend sexuell aktiv – und haben ein Risiko, sich mit HIV zu infizieren. Die Zahl der HIV-Infizierten in höherem Lebensalter steigt. Prävention und Behandlung halten scheinbar nicht Schritt mit den veränderten Situation.

Etwa 8 Prozent der neu diagnostizierten HIV-Infektionen in Europa werden bei Menschen festgestellt, die älter als 50 Jahre sind. In den USA liegt der Prozentsatz bei 11%.
In Deutschland waren Zahlen des RKI zufolge im Jahr 2008 sogar 12,1% der HIV-Neudiagnosen bei Menschen von 50 Jahren und älter (336 von 2.774 gemeldeten HIV-Neudiagnosen; eigene Abfrage RKI SurvStat am 03.03.2009, Datenstand 1.3.2009).

Die wesentlichen Gründe, warum Menschen in höherem Lebensalter ein größeres HIV- und HIV-Erkrankungs-Risiko haben, lassen sich der Studie zufolge auf einige wenige Punkte verdichten:

– viele Ärzte versäumen es, älteren Patienten einen HIV-Test anzubieten / bei Bedarf vorzuschlagen,
– die HIV-Infektion kann bei Menschen in einem Alter über 50 Jahren schneller voran schreiten, und
– ältere Menschen haben mit höherer Wahrscheinlichkeit unsafen Sex.

Eine  HIV-Infektion als Ursache? Viele Menschen in höherem Lebensalter kommen überhaupt nicht auf den Gedanken, sie könnten mit HIV infiziert sein, wenn sie erkranken. Und – leider oftmals auch ihre Ärzte nicht.

Die Folge: bei älteren Positiven ist der Zeitraum zwischen HIV-Diagnose und der Diagnose Aids wesentlich kürzer als bei jüngeren HIV-Positiven. Ältere Positive werden später diagnostiziert, erhalten dadurch später Zugang zu wirksamen Therapien, haben ein Risiko früher zu erkranken.

Bei Menschen in höherem Lebensalter erfolgt die HIV-Übertragung dabei überwiegend auf sexuellem Weg, konstatiert die Studie. Dazu trage auch eine höhere sexuelle Aktivität älterer Menschen bei, auch dank neuerer Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion (sog. Potenzpillen). Bei Frauen spiele zudem eine Rolle, dass die Vaginalschleimhaut mit höherem Alter dünner und empfindlicher werde.

Zudem praktizierten ältere Menschen mit geringerer Wahrscheinlichkeit safer Sex.

Das Sexualverhalten älterer Menschen sei auch in den Industriestaaten bisher kaum erforscht, es gebe kaum wissenschaftliche Studien, konstatiert die WHO. Noch weniger zuverlässige Daten  gebe es HIV-spezifisch.

Die Erfolge moderner antiretroviraler Therapien, bessere Lebensqualität und höhere Lebenserwartung, kommen insbesondere Menschen in höherem lebensalter nicht oder nur ungenügend zugute. Die Grümde sind vielfacher Natur – einige hat die Studie der WHO aufgezeigt.

Das Thema HIV und Alter wird seit längerer Zeit diskutiert – nun ist es an der Zeit, dass dem Reden Taten folgen, dass sich Prävention und Behandlung verbessern, auch für ältere Menschen. Und dass sich in Aidshilfen und Arztpraxen eine neue Aufmerksamkeit, ein neues Bewußtsein für diesen Themenbereich bildet, und auch in praktischem Handeln umsetzt. Wirksame Prövention, wirksame HIV-Behandlung – auch ältere Menschen haben ien Recht darauf.

Weitere Informationen:
WHO: The unexplored story of HIV and ageing
queer.de 04.03.2009: ‚Viagra ist schuld
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‚Geburtstage, die man noch Ende der achtziger Jahre für unmöglich hielt‘ – über das Langzeit-Leben mit Aids

„Die erste Generation der Langzeit-Infizierten feiert heute Geburtstage, die man noch Ende der achtziger Jahre für unmöglich hielt“ – Laura Weißmüller berichtet in der Süddeutschen Zeitung über die heutigen Leben von Langzeit-Positiven, von frühzeitig an Aids Erkrankten aus München und Würzburg, über alltägliche Diskriminierung und den Wandel von Aids:

„Statt Sterbebegleitung geht es bei ihr jetzt ‚ums ganz normale Leben‘. Das ist für viele Klienten jedoch das Schwierigste“.

„‚Du musst einfach mit dem Saukerl übereinkommen‘ – Das Virus, die Angst und die Einsamkeit – Wie Menschen, die vor langer Zeit an Aids erkrankt sind, mit ihrer Krankheit im Alter zurechtkommen“
Laura Weißmüller in der Süddeutschen Zeitung, 08.01.2009

Schwule Männer im Alter

„Schwule Männer im Alter“, so lautete der Titel eines Fachkongresses, der am 24.10.2008 in Berlin stattfand.

Über den von der Schwulenberatung Berlin veranstalteten Kongress (pdf) berichtete die private Site top-medien-berlin mit einigen Videos (OKB) zu folgenden Reden:

– Martina Schmiedhofer (Sozialstadträtin Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf)

– Dr. Michael Bochow: „Biographien und Lebenssituation älterer schwulen Männer“

– Prof. Dr. Martin Dannecker: „Schwule Sexualität im Alter“

– Dr. Marco Pulver: „Netzwerk Anders Altern“

Podiumsdiskussion HIV & Alter

‚Älter werden mit HIV‘ – eine nicht nur medizinische Herausforderung, sondern auch viele Positive bewegendes Thema, wie eine Podiumsdiskussion am 13. September in Berlin zeigte.

Im Rahmen des Kongresses ‚HIV im Dialog‘ fand am Samstag, 13.9.2008 eine Podiumsdiskussion unter dem Thema ‚HIV und Alter – Herausforderungen aus medizinischer und psychosozialer Sicht‚ satt. Es diskutierten unter Moderation von Stefan Reck (Berlin): Dr. Christoph Mayr (Berlin), Hardy Selzer (Berlin), Michael Jähme (Köln) und Torsten Denter (AVK Berlin).

Podiumsdiskussion HIV und Alter
Podiumsdiskussion HIV und Alter

Dr. Mayr berichtet ausführlich insbesondere über die medizinische Situation bezüglich HIV und Alter. Alter, das heißt dabei medizinisch: über 50 Jahre alt zu sein…
Die CDC (Centers for Disease Control, USA) berichten über eine 5fache Zunahme des Anteils der Menschen über 50 Jahren an der Gesamtzahl der Menschen mit HIV von 1990 bis 2000. Einer der Gründe ist eine eigentlich erfreuliche Errungenschaft: während Positive früher eine vergleichsweise kurze Lebenserwartung hatten, ist diese seit Zeiten erfolgreicher Therapien deutlich gestiegen. Zudem steigt die Zahl der HIV-Neudiagnosen bei Menschen über 50 Jahre.

Gesundheitliche Probleme im Kontext von HIV und Alter bewegen sich potenziell in einem Feld. das durch die Begriffe HIV/Aids, Kombitherapien mit ihren Neben- und Langzeitwirkungen, physiologische Folgen des Alterns sowie Komorbiditäten (zusätzlich zur Grunderkrankung vorliegende Erkrankungen) beschreiben lässt.
Dabei sei zu beachten, dass der virologische Therapieerfolg (Veränderung der Viruslast) einer wirksamen Kombitherapie im Alter durchaus mit dem in jüngerem Lebensalter vergleichbar sei, die Adhärenz sei oftmals sogar besser als bei jüngeren Menschen. Allerdings sei die immunologische Wirkung (Veränderung der CD4/CD8-Werte) oftmals nicht vergleichbar gut, u.a. da das Immunsystem allgemein im Alter schwächer werde (z.B. verringerte Thymus-Funktion, geringere Anzahl naiver Zellen).

Wichtige Komorbiditäten im Kontext HIV und Alter seien u.a. koronare Herzerkrankungen, das metabolische Syndrom / Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Osteopenie und Osteoporose, Malignome sowie Demenz und neuropsychologische Störungen. Diese Komorbiditäten haben bei HIV eine besondere Bedeutung, da sie tendenziell (im Vergleich zu nicht HIV-Infizierten) mit HIV häufiger auftreten.

Koronare Herzerkrankungen seien allerdings gut vorhersehbar, betonte Dr. Mayr. Wichtig seien hierbei wenige, konkret benennbare Faktoren: Alter, LDL- und HDL-Cholesterin, Triglyceride, Diabetes mellitus, familiäre Belastung, Blutdruck und insbesondere auch Rauchen.

Mit der Bemerkung „es ist nicht nur die Frage, wie alt wir werden, sondern auch wie wir alt werden“ illustrierte Dr. Mayr die Bedeutung, die Sport für ein gesünderes längeres Leben mit HIV haben kann.

In der Versorgung Positiver müsse sich der Arzt zunehmend auch den ‚ganz normalen‘ internistischen Erkrankungen zuwenden und auch hier kompetent sein. Für eine Betreuung HIV-positiver Patienten komme der adäquaten Krebs-Vorsorge zudem eine immer stärkere Bedeutung zu. Insbesondere die Zahl der nicht-HIV-definierenden Krebserkrankungen steige an.

Michael Jähme forderte Positive dazu auf, mehr an Fragen des Alterns zu denken, und selbst aktiver zu werden, auch dem eigenen Arzt gegenüber.

Torsten Denter wies darauf hin, dass im psychologischen Bereich bisher kaum Fakten zum Thema HIV und Alter vorliegen. Die Frage stelle sich, was ist die ’natürliche Angst vor dem Älterwerden‘,  und was sei zusätzlich durch HIV bedingt? Wichtig sei hierbei auch die Frage der selbst-Aktivität, des nicht Verharrens in Rückzug und Isolation, sondern der eigenen Aktivierung.

„Mein Körper ist alt, aber ich fühle mich noch nicht alt!“, darauf wies eine weibliche Zuhörerin hin. Sie beschrieb damit weit mehr als ’nur‘ ein etwaiges Gefühl, dass ‚gefühltes Alter‘ und ‚Ausweis-Alter‘ nicht überein stimmen. Besonders bei positiven Frauen mehren sich Hinweise, dass der körperliche Alterungsprozess in früherem Stadium und ausgeprägter als bei nicht HIV-infizierten Frauen einsetzt.

Eine „zunehmende seelische Erschöpfung“ wurde aus dem Publikum betont. In der Diskussion entspann sich daraus auch die Frage, wie gehen wir in unseren eigenen Communities mit einander (und  mit ‚Alter‘) um, sowie das Spannungsfeld ‚ausgegrenzt werden‘ vs. ’sich selbst ausgrenzen‘.

Die große Anzahl an Teilnehmern wie besonders auch die intensiven Diskussionen zeigten deutlich, dass das Thema ‚HIV und Alter‘, das auf medizinischen Kongressen bereits seit einiger Zeit intensiver diskutiert wird, inzwischen auch bei den Positiven massiv angekommen ist. Es besteht deutlicher Informations- und Diskussions-Bedarf, dieser Eindruck lag auf der Hand.

weitere Informationen:
HIV und Alter
Vortrag von Dr. Mayr als pdf hier
Ein Text von Michael Jähme ‚HIV und Aids werden alt“ als pdf hier
Bericht über die Workshops ‚HIV und Alter‘ I und II sowie ‚Alles unter einem Dach – In Würde alt werden‚ bei alivenkickn
Blog-Posts von Termabox ‚Jenseits der Miflife-Krise – Alt werden mit HIV‚ sowie über eine bundesweite Studie zum Thema ‚älter werden mit HIV‘.

HIV und Alter

Die Zahl der Menschen über 50 mit HIV steigt an. Neue Fragen treten auf, von anderen Erkrankungen über Anforderungen an die Prävention bis zur Frage, ob Kombi-Therapien bei älteren Menschen ebenso gut wirken wie bei jüngeren.

Therapien gegen HIV werden immer erfolgreicher, Menschen mit HIV haben die Aussicht, immer länger leben zu können. Eine erfreuliche Konsequenz des medizinischen Fortschritts der letzten Jahre – gerade für den, der sich an den Horror der frühen Aids-Jahre erinnert.

Eine Folge dieser Entwicklung ist auch: es gibt immer mehr ältere Menschen mit HIV und Aids. Sowohl, weil Positive länger leben, ein höheres Lebensalter erreichen – aber auch, weil zunehmend auch bei Menschen über 50 Jahren HIV neu diagnostiziert wird.

So stieg der Anteil der über 50jährigen an den HIV- Neudiagnosen in Großbritannien von 5% (1995) auf nahezu 10% (2005). Und auch das Robert-Koch-Institut schreibt zur Zahl der HIV-Neu-Diagnosen 2006 „Bezogen auf die Altersverteilung der Neudiagnosen erfolgte die größte Zunahme an Meldungen in der Altersgruppe der 40- bis 60-Jährigen (117 Fälle mehr als 2005).“ (Epidemiologisches Bulletin, 29. Mai 2007).
Dabei fällt auf, dass ein vergleichsweise hoher Anteil von HIV-Erstdiagnosen bei Menschen über 50 Jahre bei Homosexuellen vorlag, aber besonders deutlich auch bei Menschen, die sich der Risikogruppe „heterosexuell“ zuordneten.

Andere Krankheitsbilder
Älter werdende Positive bedeuten auch andere Krankheitsbilder – je höher die Lebenserwartung von Menschen mit HIV und Aids steigt, desto mehr werden vermutlich auch andere als die bisher bei HIV gewohnten Erkrankungen auftreten. Zudem kommt hinzu, dass auch das Immunsystem ‚altert‘, Immunfunktionen abnehmen.
Werden schon aufgrund des ‚Alters-Faktors‘ zukünftig Herzerkrankungen, Krebs und Demenz eine weit größere Rolle spielen? Haben Menschen mit HIV im Alter andere, größere Erkrankungsrisiken? Demenz, Alzheimer und Parkinson z.B. könnten bei älteren Menschen mit HIV häufiger auftreten, warnen Ärzte.

Und die Therapien?
Oftmals wird davon ausgegangen, dass bei älteren Menschen anti-HIV-Therapien schlechter wirksam seien als bei jüngeren Menschen.
Wohl eine falsche, nicht zutreffende Annahme. Eine erst jüngst publizierte französische Studie zeigte, dass an Jahren ältere Menschen mit HIV genauso gut von anti-HIV-Therapien profitieren wie jüngere Menschen. Die Compliance (wie genau Medikamente genommen werden) sei bei älteren Positiven sogar besser als bei jüngeren, zeigte eine us-amerikanische Studie.
Allerdings, so die Studie, wechselten über 50jährige ihre Medikamenten tendenziell häufiger aufgrund von Nebenwirkungen. Insbesondere Blutbild-Veränderungen sowie neuropsychologische Beschwerden traten häufiger auf.
Da ältere Menschen tendenziell vermutlich häufiger bereits auch Medikamente gegen andere Erkrankungen nehmen, könnte zudem das Risiko von Wechselwirkungen steigen.

Späte HIV-/Aids-Diagnose
Die gleiche französische Studie stellte allerdings auch fest, dass bei Menschen über 50 wesentlich häufiger die HIV-Diagnose erst in einem späteren Stadium erfolgt (‚late diagnosis‘, Diagnose HIV bei CD4-Wert von weniger als 200 CD4-Zellen).
Diese späte HIV-Diagnose ist oftmals mit der Folge verbunden, dass Immunschäden bei Therapiebeginn bereits ausgeprägter sind, antiretrovirale Therapien bei diesen Patienten dann immunologisch und virologisch weniger wirksam sein können.

Einer der möglichen Gründe für diese späte Diagnose: ältere Menschen halten es oftmals für wenig wahrscheinlich, dass sie HIV-infiziert sein können. Dies korrespondiert mit dem Bild, das sich die Öffentlichkeit von Menschen mit Aids macht – oftmals werden hier eher junge Menschen dargestellt.
Ein weiterer möglicher Grund: auch viele Ärzte dürften bei gesundheitlichen Beschwerden ihrer älteren Patienten tendenziell wohl seltener an HIV denken, eine entsprechende Diagnostik deswegen seltener erwägen.

Prävention
Auch die HIV-Prävention sieht sich mit Fragen konfrontiert.
Einige wenige Untersuchungen scheinen darauf hinzudeuten, dass bei älteren Menschen die Kondombenutzung seltener ist als bei jüngeren Menschen. Werden ältere Menschen überhaupt durch Kampagnen erreicht, die sich in der Gestaltung ihrer Motive und Inhalte oftmals an jüngere Menschen wenden, mit Körper und Jugend operieren?

Verbirgt sich unter dem steigenden Anteil von HIV- Erstdiagnosen bei heterosexuellen Menschen über 50 auch ein Anteil an Männern, die Sex mit Männern haben, dies aber nicht offen leben (und deswegen ‚hetero‘ als Infektionsweg angeben)? Wie können diese Menschen mit Präventionsbotschaften erreicht werden?
Oder bedarf es generell auch anderer, mehr an die Gewohnheiten und Belange älterer Menschen angepasster Kampagnen?

Ändert sich das Sexualverhalten von Menschen über 50 durch die Verfügbarkeit von Medikamenten gegen erektile Dysfunktion (Viagra & Co.)? Muss Prävention hierauf reagieren?

Menschen mit HIV werden älter. Und Menschen infizieren sich auch in höherem Alter mit HIV. Medizinsystem, Aids- Hilfen, und Politik sollten sich auf neue Anforderungen einstellen.