Dank Medikamenten werden HIV-positive Menschen heute älter, und ihre Lebensqualität hat sich im Laufe der letzten Jahre verbessert. Die Kehrseite dieser guten Nachricht: Mit zunehmendem Alter leiden sie häufiger an chronischen Krankheiten, an Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislaufstörungen. Zu diesen Ergebnissen kommen Forschende der Universität Zürich und ihre Kollegen der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie. Für die passende Betreuung von Betroffenen sind diese, soeben im Fachmagazin «Clinical Infectious Diseases» publizierten Erkenntnisse wichtig.
Das Spektrum der Komplikationen wie auch der möglichen Todesursachen bei HIV-positiven Personen hat sich in den letzten Jahren deutlich geändert. Dies als Folge davon, dass HIV-Therapien heute oft erfolgreich sind, was dazu führt, dass sich das Immunsystem der Betroffenen verbessert oder gar normalisiert hat. Damit werden heute auch jene Krankheiten seltener, welche früher oft als Folge der Immunschwäche auftraten, wie Infektionen, Hauttumore oder Lymphdrüsenkrebs.
In den Vordergrund gerückt sind dafür die Langzeitnebenwirkungen der HIV-Medikamente und andere nicht direkt mit HIV assozierte Erkrankungen. Die Infektiologin Barbara Hasse von der Universität Zürich hat zusammen mit Forscherkollegen der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie die heutige Situation analysiert. Die Forschenden wollten wissen: Von welchen Erkrankungen und Komplikationen sind HIV-Positive wie häufig betroffen? Besteht eine Altersabhängigkeit der Komplikationen? Und welche Konsequenzen sind daraus für eine optimierte Betreuung der Patienten zu ziehen? Die Antworten haben sie soeben im Fachmagazin «Clinical Infectious Diseases» publiziert.
HIV-positive Menschen werden älter
Der Anteil an älteren HIV-positiven Personen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Zählten bei der Gründung der Schweizerischen HIV Kohortenstudie im Jahre 1988 kaum fünf Prozent der Teilnehmenden mehr als 50 Jahre, so sind es heute 30 Prozent.
Mehr chronische Krankheiten mit zunehmendem Alter
Während drei Jahren wurden bei 8’444, im Schnitt seit 15 Jahren HIV-infizierten Personen, folgende Krankheiten diagnostiziert: 201 Lungenentzündungen, 55 Herzinfarkte, 39 Schlaganfälle, 70 Zuckerkrankheiten, 160 Knochenbrüche, 61 Osteoporose-Fälle, 57 schwere Leberprobleme, 31 schwere Nierenerkrankungen und 115 Krebserkrankungen. Insgesamt wurden 994 Erkrankungen gefunden, die nicht direkt als Folge der HIV-Infektion auftreten. Im Gegensatz dazu betrug die Zahl der in direktem Zusammenhang mit der HIV-Infektion stehenden Erkrankungen lediglich 195. Diese Erkrankungen traten dabei häufiger bei Personen zwischen 50 und 64 Jahren sowie bei Personen über 65 Jahren auf als in der jüngeren Vergleichsgruppe. Diese Altersabhängigkeit zeigte sich auch nach der statistischen Korrektur für verschiedene andere die Krankheit beeinflussende Risikofaktoren, wie zum Beispiel der Schweregrad der Immunschwäche.
Ein erhöhtes Risiko für Komplikationen, so kommen die Wissenschaftler zum Schluss, waren die Menge der Viruspartikel im Blut, Rauchen, Drogengebrauch und die Dauer der HIV-Infektion. 12 Prozent der über 65-jährigen Personen hatten neben den HIV-Medikamenten vier oder mehr andere Medikamente und 5 Prozent der über 65-jährigen Personen litten zusätzlich zur HIV-Infektion an vier oder mehr anderen Erkrankungen.
Krankheitsprävention wird wichtig
Die wesentliche Erkenntnis dieser vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Untersuchung ist, dass Nicht-HIV-Erkrankungen – allen voran Herz-Kreislauferkrankungen, Zucker- und Krebskrankheiten – bei HIV-positiven Personen altersabhängig zunehmen.
Aus diesem Wissen können wertvolle Hinweise für die Betreuung von HIV-positiven Menschen abgeleitet werden, wie Barbara Hasse veranschaulicht: «Diese zusätzlich zur HIV-Erkrankung auftretenden Komplikationen führen dazu, dass die Betreuung dieser Betroffenen zahlreiche andere, oft gleichzeitig auftretende Krankheiten berücksichtigen muss. Dies wiederum kann zu speziellen Proble men führen, wie etwa Interaktionen oder Nebenwirkungen zwischen den verschiedensten Medikamenten. Zudem ist es besonders bei dieser Personengruppe wichtig, Krankheitsprävention zu betreiben und Risikofaktoren wie den Bluthochdruck, das hohe Cholesterin und den Nikotinkonsum zu vermeiden oder zu behandeln.»
(Pressemitteilung IDW)