Der Iran hat eine Aids-Statistik vorgelegt – mit unerwartet detaillierter Offenheit.
18.320 Menschen sind der offiziellen Statistik zufolge im Iran HIV-positiv. Die reale Zahl dürfte weitaus höher sein, räumte ein Vertreter des Gesundheitsministeriums ein. UNAIDS schätzt die zahl der HIV-Infiziertem im Iran auf ca. 86.000.
69% der HIV-Positiven seien Drogengebraucher. Die verbleibenden 30% seien auf „illegale sexuelle Kontakte“ zurückzuführen.
Homosexualität ist im Iran (ebenso wie Prostitution und außerehelicher Sex) gesetzlich verboten (Höchststrafe Todesstrafe), Schwulenverfolgung im Iran alltäglich. Immer wieder kommt es zu Prozessen, Verurteilungen, Hinrichtungen Homosexueller im Iran. Asyl im Ausland scheint für viele homosexuelle Iraner der einzig gangbare Weg.
Angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit der iranischen Bevölkerung sehr jung sie, befürchte er eine dritte Welle der HIV-Epidemie, äußerte Gesundheitsminister Lankarani. Mehr als die Hälfte der ca. 70 Millionen Iranerinnen und Iraner sind jünger als 25 Jahre.
Iran, so überraschend es scheinen mag, ist andererseits unter Experten bekannt für eine bemerkenswert pragmatische Aids-Politik.
Der scheidende UNAIDS-Direktor Peter Piot hat Iran schon vor einiger Zeit als ‚Musterland‘ bezeichnet. Piot sagte bereits 2006:
„Im Iran gibt es eine wachsende Zahl junger Menschen, die Drogen injizieren. Das Rauschgift stammt aus dem Nachbarland Afghanistan und ist beliebt, weil es billig zu haben ist. Die Gefängnisse im Iran sind voll mit jungen Drogenkonsumenten. Die Regierung im Iran geht allerdings pragmatisch mit dem Problem um: In allen Provinzen werden Methadon-Programme angeboten, auch in den Gefängnissen. Spritzen und Nadeln werden ausgetauscht. Und überall stehen Kondome unentgeltlich zur Verfügung. Ich wünschte, alle Länder der Region wären dazu bereit.“
.
Ich bin sprachlos, selbst wenn ich durch Interviews mit Peter Piot von der iranischen Entwicklung wusste.
Dass jedoch dieses streng shiistische Land heute offen von „illegalem sex“ spricht , und somit indirekt eingesteht, dass es mehrer „Spielarten der Freude“ gibt, ist ein wirklicher Fortschritt. Wie schön: irgendwo und irgendwann flackert dann doch mal ein zartes Licht.
Wie sagt unser geliebter Hafez:
„Ne remets pas à demain, mon coeur, la joie d’aujourd’hui;
Qui serait garant, demain, de la valeur de la vie?“
(Pardon, dies ist schon eine Übersetzung aus dem Persichen. Ich wage nicht, es daraus noch ins Deutsche zu übersetzen. Ist Ulli damit einverstanden dass es dem deutschen Sprichwort: Verschiebe nicht auf morgen, was du heute tun kannst“ nahekommt? In etwa.)
@ Ulysse:
ja, ich stimme dir zu – wenn mann aufmerksam die debatten und entwicklungen verfolgt, ist es bemerkenswert, entwicklungen festzustellen (zb das anerkennen von anderem als dem „zugelassenem“ sex). ein ‚zartes licht‘, du formulierst es sehr treffend.
was mich immer traurig stimmt: so sehr mich dieser kleine fortschritt freut -wie viele leben kostet es, dass der fortschritt nicht größer ist?
ja … ich denke die (dt.) übersetzung kommt dem (frrz.) nahe …
Pardon: bei Kopieren des Hafez-Gedichtsteiles ist mir ein Tippfehler unterlaufen:
Es muss in der zweiten Linie heissen „…… de la valeur de TA vie.“ ( … Deines Lebens ) und nicht … de la valeur de la vie: … des Lebens.) Ein wichtiger Unterschied.
Ja, Du has Recht: die kleine Freude macht die oft grosse Traurigkeit nicht geringer. Siehe im September bei ARTE: „Djihad de l’amour“. Nicht zu vergessen: in fast allen Ländern, in denen der Islam Staatsreligion ist, wird heute noch Homosexualität mit Todesstrafe bestraft.
Was den Fortschritt betrifft: ich glaube kaum, dass er wesentlich grösser werden wird – solange man nicht den Coran UND die Hadith ändert. Und das ist ausgeschlossen!