Sicheres Vergnügen

„Sicheres Vergnügen“ – eine neue Schweizer Broschüre gibt „Sextipps von Mann zu Mann“. Und behandelt dabei auch Möglichkeiten, safer Sex ohne Kondom zu haben.

Die Broschüre „Sicheres Vergnügen – Sex-Tipps von Mann zu Mann“  vermittelt im praktischen Taschenformat (halbe Postkartengröße) eingangs eine wesentliche Botschaft:

„Anonymer Sex und schnelles Vergnügen? Oft braucht es dafür keine Worte. Deshalb wissen beide Partner, wie sie sich schützen, und jeder übernimmt die Verantwortung für sich selbst.“

sicheresvergnuegen01

Die Broschüre thematisiert pragmatisch verschiedene Situationen des Sex zwischen Männern, von der „großen Liebe“ bis zu „anonymer Sex und schnelles Vergnügen“, oder auch die (gern auch als ‚Schutz‘-Möglichkeit gedachte) Konstellation regelmäßiger Sexpartner (wie Fuckbuddies, geschlossene Sex-Zirkel etc.):

„Wiederholt Sex mit Freunden oder Bekannten, die du schon länger kennst? Vertrautheit verführt zu falschen Schlüssen punkto Sicherheit.
Wer beim letzten Test HIV-negativ war, muss es heute nicht mehr sein. Rede mit deinen Partnern, wie ihr euch schützt.“

Vor allem geht der Text auch auf Möglichkeiten ein, Safer Sex ohne Kondom zu haben:

„Sex ohne Gummi? Sicher möglich!
Bumsen ohne Gummi mit deinem festen Partner kann sicher sein. Das geht so:
1. Gemeinsamer Test und Beratung im Checkpoint oder bei einer Teststelle mit Beratung
2. 3 Monate lang Safer Sex – konsequent mit allen Partnern
3. Gemeinsamer HIV-Test mit Partner
4. Seid ihr beide HIV-negativ, dann sagt einander klar: Entweder seid ihr euch treu oder ihr macht mit anderen Sexpartnern nur Safer Sex.
5. Wer die Vereinbarung nicht einhält, teilt das dem Partner sofort mit. Legt im Voraus fest, wie ihr das machen wollt. Dann gelten wieder die Safer-Sex-Regeln, bis eine Infektion mittels Test ausgeschlossen
werden kann.
Wie sicher ist diese Methode? Sehr sicher, wenn ihr beide die Vereinbarung einhaltet.“

Die Broschüre thematisiert auch ansatzweise, dass viele Männer versuchen, von Aussehen und Körper auf den HIV-Status zu schließen, sich danach ihre Sexpartner auszusuchen. Vom eingefallenen Gesicht bis zum tastenden Griff an den Arsch – individuelle Strategien bzw. Versuche von Risikominderung, die leicht daneben gehen können.

„Auf gesundes Aussehen achten
Eine HIV-Infektion ist nicht sichtbar. Du siehst keinem an, ob er HIV-positiv oder HIV-negativ ist. Jugend, gutes Aussehen oder kräftiger Body sagen nichts über den HIV-Status oder andere sexuell übertragbare Infektionen.“

Die Broschüre behandelt erfreulicherweise auch die Situation, die nach dem EKAF-Statement (‚keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs‚) entstanden ist:

„HIV-positiv und nicht ansteckend?
HIV-positive Menschen mit wirksamer antiretroviraler Therapie übertragen das Virus beim Sex nicht unter drei Bedingungen:
1. Die Viruslast ist seit mindestens sechs Monaten nicht mehr nachweisbar.
2. Die HIV-Therapie wird eingehalten und regelmässig vom Arzt kontrolliert.
3. Es liegen keine anderen sexuell übertragbaren Infektionen vor (z.B. Syphilis).
Und wen betrifft das?
– Menschen in festen Partnerschaften, bei denen ein Partner HIV-positiv und der andere negativ ist.
-Denn nur in einer vertrauensvollen Beziehung kann der HIV-negative Partner sicher sein, dass die drei Bedingungen erfüllt sind.
-Nur so kann ein gemeinsamer Entscheid zusammen mit dem beratenden Arzt für oder gegen Kondome gefällt werden.
Mit Gelegenheitspartnern und in neuen Partnerschaften schützt weiterhin nur Safer Sex.“

Die Broschüre geht auf viele weitere Themen ein, wie Beschneidung und Mikrobizide zur Senkung des Infektionsrisikos, und findet insbesondere zur so genannten PrEP [ein (evtl. vermeintlich) HIV-Negativer nimmt antiretrovirale Medikamente, um sich vor einer HIV-Infektion zu ’schützen‘] deutliche Worte:

„Schlucke auf keinen Fall HIV-Medikamente, wenn du nicht HIV-positiv bist! Sie nützen dir nichts, ihr Schaden kann hingegen gross sein.“

Sicheres Vergnügen – Sextipps von Mann zu Mann
Herausgegeben von der Aids-Hilfe Schweiz © 2008
Mitarbeit: Thomas Bucher, Urs Witwer, Lukas Meyer, Claire Comte, Steven Derendinger, Benedikt Zahno, Roger Markowitsch, Vincent Jobin, Andrea Ostinelli
Gestaltung: schloss-ludwig.ch
Mit Unterstützung des Bundesamtes für Gesundheit
Download als pdf Sicheres Vergnügen (4,17 MB)
Alternativ kann die Broschüre auch über den Online-Shop der Aids-Hilfe Schweiz bestellt werden.

Die Grundhaltung der Broschüre erinnert stark an die Bezeichnung der Präventionskampagne der DAH für MSM „ich weiss was ich tu„.
Viele der Botschaften und die Gestaltung der Broschüre sind ansprechend. Besonders an dem Punkt „Sex ohne Gummi? Sicher möglich!“ ist die Broschüre ein begrüßenswerter Schritt in neue Realitäten. Und der (bundesdeutsche) Leser fragt sich, warum haben wir eine solche Broschüre nicht in Deutschland?
Eine Frage, die sich erst recht stellt, wenn es um die Frage geht, welche Auswirkungen das Statement der EKAF für das eigene Sex-Verhalten hat.
Gerade bei dieser Frage allerdings erweist sich die Broschüre als letztlich zaghaft, beinahe mutlos. Reduziert sie doch das Statement der EKAF allein auf praktische Informationen für eine bestimmte Konstellation: den „festen Partner“. Alles andere („Ohne Gummi mit mehreren Partnern“) wird reduziert auf ein „theoretisch schon, aber …“.
Die Aussagen des EKAF-Statements rein auf feste Partnerschaften zu reduzieren scheint eine verengte Wahrnehmung der Aussagen der Eidgenössichen Aids-Kommission, zudem angesichts der Realitäten vieler schwuler Männer und ihrer Beziehungen zumindest in Teilen realitätsfremd. Hier scheint die Broschüre ein Schritt in die richtige Richtung, wirkt allerdings ein wenig mutlos, mehr an Ausagen auch für andere Lebensrealitäten zu treffen.

3 Gedanken zu „Sicheres Vergnügen“

  1. Hallo Ulli

    Ein gutes, gesundes und blog themen mäßiges weitehin interressantes Jahr 2009 das wünsch ich Dir.

    Tolle Broschüre sag ich jetzt einfach mal so. Zumal der Inhalt für ALLE – i.e. Männer, Frauen, Heten, Schwule, HIV kordante – diskordante Paare Gültigkeit besitzt. Deinen Einwand der Zaghfatigkeit teile ich allerdings nicht. Hat doch selbst Prof Vernazza im Rahmen der auf das EKAF Papier folgenden Diskussionen festgestellte das er a) mit solchen das Papier auslösenden Reaktionen nicht gerechnet hat und b) viele Fragen noch offenstehen bzw es abzuklären bzw zu untersuchen gilt. Der Begriff „Theoretische“ bedeuted ja in der Prävention das es in der Praxis nicht vorkommt bzw vorgekommen ist. In sofern finde ich schon das im Jahr 25 nach HIV Zeit wird zu verstehen was mit bestimmten Aussagen gemeint ist. Und wer s nicht weiß . nun der mache sich auf den Weg und informiere sich. Soviel Beweglichkeit darf sein. 😉

    „Alles andere (”Ohne Gummi mit mehreren Partnern”) wird reduziert auf ein “theoretisch schon, aber …”.
    Die Aussagen des EKAF-Statements rein auf feste Partnerschaften zu reduzieren scheint eine verengte Wahrnehmung der Aussagen der Eidgenössichen Aids-Kommission, zudem angesichts der Realitäten vieler schwuler Männer und ihrer Beziehungen zumindest in Teilen realitätsfremd.“

    Was das betrifft – nun dies wird solange der Fall sein solange das Feedback von den entsprechenden Gruppen weiterhin verhalten ist. Hier ist auch die Erfahrung vieler HIV Schwerpnkutärzte gefragt. Wenn diese aus ihrer Erfahrung sagen könne das viele ihrer Patienten in Gesprächen diese Realität bestäigen, dann werden sich auch die Inhalte – Botschaften in solchen Broschüren ändern.

    LG Dennis

  2. Die Erfahrung der Ärzte scheint zu sein – mein Eindruck bei einem HIV-Ärzte-Treffen -, dass sie bei schwulen discordanten Paaren, bei denen der positive Partner eine Viruslast unter der Nachweisgrenze aufweist, seit Jahren keine Transmission feststellen konnten.

Kommentare sind geschlossen.