Beschneidung ist für Heterosexuelle eine mögliche Strategie zur Reduzierung des HIV-Infektionsrisikos. Für schwule Männer allerdings scheint Beschneidung keine wesentliche Reduzierung des Infektionsrisikos zu bringen, zeigt eine neue Studie – die aber Fragen offen lässt.
Alle Ergebnisse insgesamt betrachtet, ergebe sich kein Schutz-Effekt durch Beschneidung bei Sex zwischen Männern, resümiert Dr. Jorge Sanchez, Leiter der bisher größten Studie zu Beschneidung und HIV-Übertragung bei Homosexuellen, die Ergebnisse. In der Studie an über 1.800 schwulen Männern in den USA und Peru hatten die Forscher über einen Zeitraum von 18 Monaten keinen signifikanten Unterschied des HIV-Infektionsrisikos bei beschnittenen Männern im Vergleich zu unbeschnittenen Männern festgestellt.
Beschneidung kann für heterosexuelle Männer das Risiko einer HIV-Übertragung deutlich reduzieren. Der HIV-Report der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) vom 30. April 2010 (Nr. 4/2010) stellt fest
„Bei heterosexuellen Männern ist das Risiko, sich mit HIV zu infizieren, für Beschnittene um 60 % geringer als für Unbeschnittene. Die Beschneidung von Heterosexuellen ist daher v.a. in Regionen, in denen die HIV-Prävalenz bei Heterosexuellen hoch ist (südliches Afrika) fester Bestandteil der Prävention.“
Für Homosexuelle allerdings ist die Situation anders – es gab bisher kaum verlässliche Daten:
„Die Studie der Australier (Jin 2010) weist auf einen gewissen Schutzeffekt der Beschneidung bei insertivem Analverkehr für den eindringenden (insertiven) Partner hin. Dies unterstützt die Ergebnisse einer Studie von Templeton aus der gleichen Kohorte von MSM aus Sydney, bei der die Beschneidung bei MSM insgesamt zwar in einer ersten Berechnung zu keiner signifikanten Reduktion des HIV-Risikos führt. Templeton hat daraufhin aber nur die Subgruppe von MSM, die vorwiegend insertiv Risiken eingehen, untersucht und konnte -nur in dieser Subgruppe, die ca. ein Drittel der untersuchten MSM ausmachte- eine deutliche und signifikante Senkung des HIV-Übertragungsrisikos feststellen.“
Der HIV-Report kam entsprechend kam zu dem Resümee
„Insgesamt aber ist die Datenlage zur Beschneidung bei MSM nach wie vor dünn und auch widersprüchlich. … Randomisierte kontrollierte Interventionsstudien liegen -anders als bei Heterosexuellen- für MSM nicht vor.“
Die jetzt publizierte Studie (online JAIDS 15. November 2010) untersuchte über 1.800 Männer aus den USA und Peru, die Sex mit Männern haben. Im Verlauf der Studie infizierten sich 5% der 1.365 unbeschnittenen Männer mit HIV und 4% der 457 beschnittenen Männer – ein Unterschied, der nicht signifikant war.
Die Forscher fanden leichte Hinweise auf einen eventuellen Schutz-Effekt der Beschneidung für schwule Männer, die überwiegend insertiven Sex haben (die ‚aktive‘ Rolle einnehmen, „den Partener ficken“). Die Unterschiede waren hier aber nicht signifikant, weitere Studien sind erforderlich.
Das us-amerikanische Blog „Box Turtle Bulletin“ warf den Forschern ein unsinniges Studien-Design vor. Sie wären u.a. nicht auf die Lebensrealitäten schwuler Männer eingegangen – hätten deutlicher die ‚aktive‘ und die ‚passive‘ Rolle beim Sex auseinander halten müssen, um relevantere Daten zu produzieren. Ob ein schwuler Mann am Penis beschnitten sei oder nicht, sei für das Infektionsrisiko völlig irrelevant, wenn er sich (mit Aufnahme von Sperma) ficken lasse. Studien, die sich nur auf den Penis konzentrieren, ohne die jeweilige sexuelle Praxis korrekt einzubeziehen, produzierten nutzlose Informationen, so Box Turtle Bulletin.
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weitere Informationen:
POZ 13.12.2010: MSM HIV Circumcision Study Disregards Roles in Anal Sex
HIVplus 08.12.2010: Circumcision May Not Help Gay Men Prevent HIV
Box Turtle Bulletin 08.12.2010: Another ill-contrived circumcision study
Reuters 07.12.2010: Circumcision may not curb gay HIV transmission
HIV-Report vom 30. April 2010 (Nr. 4/2010) (pdf)
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