Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der Therapien gegen Aids stellen eine bedeutenden Sorgen-Faktor bei der Entscheidung über eine Therapie dar – und werden zugleich von Positiven unter Therapie als gravierende Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität erlebt. Besonders herausstechend: die Lipodystrophie und ihre Folgen.
Die britische HIV-Zeitschrift „hiv treatment update“ befragte ihre LeserInnen, u.a. zu Fragen von Therapie, Therapiebeginn und Therapie-Problemen.2.194 Personen beteiligten sich an der Befragung – und ihre Antworten zeigten unter anderem, dass Nebenwirkungen der Therapien weiterhin ein bedeutendes Problem darstellen.
Haben Sie Sorgen wegen möglicher Nebenwirkungen der Therapien? „Ja“ (‚major‘ und ‚important‘) sagten 78% der Befragten. Und, noch überraschender, es zeigten sich keine Unterschiede zwischen Befragten, die antiretrovirale Therapien neu beginnen oder denen, die eine Therapie wieder aufnehmen wollten. Die Sorgen um Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen gleich deutlich ausgeprägt – eine Entscheidung für und Erfahrung mit den Therapien scheint keineswegs die Sorge um Nebenwirkungen zu mindern. Ebenso war die Sorgen um Nebenwirkungen (im Gegensatz zu anderen Sorgen wie Wechselwirkungen oder Stigmatisierung) nahezu gleich hoch ausgeprägt bei Teilnehmern aus Industriestaaten und aus weniger entwickelten Ländern (in denen 22%.der Teilnehmer lebten).
Bei denjenigen Befragten, die zum Zeitpunkt der Befragung eine antiretrovirale Therapie durchführten, war die Sorge um Nebenwirkungen deutlich geringer (38 bzw. 50%) – allerdings war in dieser Gruppe dafür die Sorge um Langzeit-Folgen der HIV-Therapien mit 60% deutlich höher ausgeprägt.
Die Teilnehmer, die bereits antiretrovirale Therapien nahmen (77% in Industriestaaten, 49% in weniger entwickelten Staaten), wurden auch befragt danach, welche Nebenwirkungen sie erfahren haben, und deren Schwere.
Die mit Abstand am häufigsten irgendwann während der Therapiezeiten erlebten Nebenwirkungen waren Übelkeit und Durchfälle (80-90%) sowie psychologische Wirkungen, Erschöpfung / Anämien und Hautprobleme.Über 60% gaben zudem an, an sexuellen Funktionsstörungen zu leiden; über 60% (Industriestaaten) bzw. nahezu 75% (weniger entwickelte Staaten) gaben zudem an, an Fettumverteilungs-Störungen (Lipodystrophie) zu leiden.
Zudem wurden die Positiven unter Therapie befragt, welche Nebenwirkungen die gravierendsten Auswirkungen auf ihre Lebensqualität hätten.Spitzenreiter hier mit 28% (sowohl in Industriestaaten als auch weniger entwickelten Staaten): Lipodystrophie (Fettansammlungen und Fettverlust).
Einer der Befragten brachte es folgendermaßen auf den Punkt:
„Trotz des Erfolges der hochwirksamen Therapien hat Lipodystrophie verheerende Auswirkungen.“
„the nam treatment survey“, hiv treatment update Nr. 183, Januar / Februar 2009
Diese Befragung dürfte sicherlich nicht repräsentativ sein, zumal sie ’nur‘ die LeserInnen eines britischen Magazins für HIV-Positive umfasst. Dennoch zeigt sie eindeutig, dass das Thema Nebenwirkungen der antiretroviralen Therapien für viele HIV-Positive ein großer Sorgen-Faktor bei der Frage einer Therapie-Entscheidung ist – und, wie die Befragung zeigt, kein unberechtigter.
Eine Nebenwirkung sticht durch ihre Bedeutung besonders hervor – die Lipodystrophie, die Fettansammlungen an Bauch und Nacken bzw. Fettverlust an Extremitäten und im Gesicht. Dass angesichts der Bedeutung dieses Themas sowie der stigmatisierenden Folgen die Kassen sich immer noch weigern, die Kosten der verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten zu übernehmen, ist nicht hinnehmbar. Nebenwirkungs-Management, höhere Lebensqualität darf nicht -wie in diesem Fall- zur Luxus-Medizin für wenige werden.
Dass der Anteil an HIV-Positiven, die an Lipodystrophie leiden, in den weniger entwickelten Staaten zudem nochmals deutlich höher ist als in Industriestaaten, zeigt auf bestürzende Weise, in welchem Umfang hier zwar Therapien zur Verfügung stehen, aber eben suboptimale (u.a. auf Basis von d4T)
Die Frage der Versorgung HIV-Infizierter in weniger entwickelten Staaten mit antiretroviralen Therapien ist eben nicht nur eine Frage des ‚ob‘ und des ‚wie viel‘, sondern auch der Qualität der verfügbaren Therapien.