PrEP: Aids und die Rolle der Pharma-Industrie – ein Traum wird wahr …

PrEP: Aids und die Rolle der Pharma-Industrie – ein Traum wird wahr …

Aids-Organisationen und Aids-Medikamente herstellende Pharma-Industrie arbeiten oftmals eng zusammen. Zu eng? Einige Aids-Organisationen bemühen sich, kritische Punkte (wie das potentielle Risiko von Einflussnahmen auf Inhalte und Positionen) zu umgehen, zu thematisieren oder mit ihnen gezielt umzugehen, z.B. indem sie entsprechende Richtlinien erarbeiten. Andere haben keinerlei Regelungen. Manchmal scheint selbst das entsprechende Problembewußtsein gering ausgeprägt zu sein.

Doch selbst wenn Richtlinien zum Verhältnis von Aids-Organisationen und Pharma-Industrie vorhanden sind: diese lösen das strukturelle Problem nicht: Aids-Organisationen (die i.d.R. auch in der HIV-Prävention engagiert sind) und Aids-Medikamenten-Hersteller (die eher an der Behandlung derer verdienen, die sich infiziert haben) stehen auf „getrennten Seiten des Tisches“, haben im Kern völlig unterschiedliche, wenn nicht konträre Interessen.

Der langjährige Aids-Aktivist Mike Barr (u.a. lange Herausgeber von ‚TAGline‘ und ‚POZ‘-Autor) wies 2009 in einem Interview mit dem Schwulen-Magazin ‚Frontiers LA‘ (online auf critpath) auf diesen Interessenkonflikt hin, der dem Verhältnis von Aids-Organisationen und Pharmaindustrie innewohnt:

„Successful prevention efforts are seen as ‘threats’ to earnings, and the leitmotif sprinkled over and over again throughout their strategic plans is ‘guarding against sales erosion.’ These are the same folks who fund and fly and feed just about every high-profile AIDS research, every AIDS clinician, every AIDS educator, every AIDS activist, every AIDS foundation in this country. If that doesn’t make the hair stand up on the back of your neck …“

Erfolgreiche HIV-Prävention bedroht potentiell den Umsatz und damit den Gewinn der Hersteller von Aids-Medikamenten. Ein nahezu nie offen ausgesprochener, zudem selten thematisierter Konflikt zwischen Pharmaindustrie und Prävention.

Doch diesen strukturellen Konflikt scheint die Pharmaindustrie bald ‚elegant umschifft‘ zu haben: indem sie danach trachtet, auch die Prävention zu übernehmen – mit ihren Medikamenten.

„treatment as prevention“ und PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe): Aids-Medikamente werden eingesetzt bei ‚Gesunden‘, sprich  Nicht-HIV-Infizierten.

Ein Traum vieler Pharma-Marketing-Manager wird wahr. Schließlich ist das Potential der Gesunden viel größer als das der Kranken – und damit auch der potentielle Umsatz …

Und der strukturelle Konflikt zwischen Präventions-Organisationen und Arzneimittel-Herstellern wäre auch gelöst – zugunsten der Pharma-Industrie …

… es sei denn, die Geschichte von der Pharma-Industrie und den Pillen der Prävention nimmt noch eine andere Wendung …

8 Gedanken zu „PrEP: Aids und die Rolle der Pharma-Industrie – ein Traum wird wahr …“

  1. “treatment as prevention”: Aids-Medikamente werden eingesetzt bei ‘Gesunden’, sprich Nicht-HIV-Infizierten.

    Treatment as prevention“ Die Perversion des Begriffes von Gesundheit. Die Nebenwirkungen von HIV Medikamente, und da lege ich mich jetzt mal ganz weit aus dem Fenster sind alles andere als das was man unter „Gesund“ versteht.

    Gesund ist – auf der körperlichen Ebene die Abwesenheit von Krankheiten, um einen Punkt/Frage aus der Eröffnungsrede Rede von Bernd Aretz in Leipzig 2006 aufzugreifen.
    Gesund ist – ein Körper mit einem intakten Immunsystem
    Gesund ist – ein Körper der im Falle einer Krankheit auf Körper eigene Stoffe/Produktion zurückgreifen kann
    Gesund ist – ein Körper sich der Hilfe der in der Natur vorkommenden Stoffe, Mittel im Falle eine Krankheit zum Zweck seiner Gesundung/Genesung zurückgreifen kann
    Gesund ist – ein Körper der auf keine auf einem chemischem Prozeß hergestellten Mittel zurückgreifen muß

    Ich empfehle allen Vertretern der Pharmaindustrie die sich für „HIV Medikamente als Prävention“ stark machen mal n halbes Jahr HIV Medikamente zu nehmen . . .Wenn mich nicht alles täuscht so haben ja auch Viele dieser Spezies GV mit ihren PartnerInnern, FreundenInnen One Night Stands etc

    Danach können wir weiterreden . . .

    Bis dahin empfehle ich dieser Spezies mal den „Dieter Nuhr“ zu machen . . . und uns i.e. „Menschen mit HIV“ und vor allen Dingen die Gesellschaft nicht für dumm zu verkaufen. Es geht ausschließlich den Profit.

  2. Auch ich sehe das Profitstreben der Pharmaindustrie als einen der stark beeinflussenden Faktor an – keine Frage! Dennoch sollte mit den Begriffen sorgfältiger umgegangen werden, auch in einem Meinungsbeitrag, der ja durchaus pointiert sein kann und sollte. Nur dann lässt sich das bereits erreichte und vor allem das angestrebte Ausmaß der verschiedener Behandlungs- und Präventionsstrategien erkennen.

    Im obigen Artikel heißt es: „‚treatment as prevention‘: Aids-Medikamente werden eingesetzt bei ‚Gesunden‘, sprich Nicht-HIV-Infizierten.“ Nun, das ist ja wohl die Präexpositionsprophylaxe, also eine Behandlung gesunder Menschen mit Wirkstoffen, deren Potential an Nebenwirkungen bisher nur unzureichend bekannt ist. Siehe alivenkickns Kommentar.

    „Treatment as prevention“, das ist in meinem Verständnis dann die Behandlung HIV-Positiver um das Übertragungsrisiko schnellstmöglich zu minimieren. Insofern ist es nichts Neues, jede HAART ist Prävention. Die Frage stellt sich nur, wann mit der Therapie anfangen? Hier ist zumindest in den USA ein Trend einer frühzeitigen und damit auch wieder umsatzträchtigen Behandlung zu erkennen: in den US-amerikanischen Leitlinien zur Ersttherapie wird eine HAART entgegen den z.B. europäischen Leitlinien auch bei hohen CD4-Werten (optional) empfohlen.

    Die Steigerung ist dann aber die Maßnahme „test and treat“: eine Behandlung unmittelbar nach einem positiven Testergebnis, auch bei noch so guten Laborwerten und klinischen Befunden. Auch hier spielt das Thema Nebenwirkungen eine Rolle. Aber noch mehr die Frage, wie diese Tests ablaufen sollen. Ich will nicht von möglicher Zwangsuntersuchung und -behandlung sprechen, aber doch ist nicht ausschließen, dass eine solcher Gedanke in den Köpfen der Entscheider herum spukt und auch wiederum eher in den USA als in Deutschland umsetzbar ist; das fängt schon mit der Frage nach „opt-in“ bzw. „opt-out“ an.

    Alle genannten Strategien haben unter zu definierenden Bedingungen ihre Berechtigung, müssen aber auf alle Fälle als nur ein Teil umfassender Präventionsmaßnahmen verstanden werden und den Willen der Betroffenen berücksichtigen. Dass die Pharmaindustrie Gedanken über besonders Präexpositionsprophylaxe und „test and treat“ durch massive Lobbyarbeit vorantreibt, ist wohl klar. Aber es greift zu kurz, nur in bewährter und einfacher Weise auf Gilead & Co. zu zeigen – das ist zu einfach. Vielmehr muss ein möglicher „Stufenplan“ deutlich gemacht werden: frühe Therapie, „test and treat“ und wenn das alles so wunderbar klappt: Präexpositionsprophylaxe. Da ist die DAH gefordert und damit wiederum die Betroffenen. Denn die DAH muss einen Spagat üben mit einem Bein als Präventionsorganisation, mit dem anderen als Interessenvertretungsorganisation. Mit zunehmendem Alter soll die Gelenkigkeit ja schon mal nachlassen.

  3. @ flaneur:

    an der stelle „treatment as prevention“ war ich ungenau, du hast recht – ich habe dort dezidiert PrEP ergänzt

    was „test and treat“ angeht, und die problematik opt-out / opt-in, da stimme ich dir zu, diese habe ich ja hier schon in einigen beiträgen behandelt

    besonders problematisch scheint mir u.a. die gefahr, dass sich begründungen für einen therapiebeginn „verschieben“, von medizinischen gründen (mit nutzen für den positiven) zu sozialmedizinischen, epidemiologischen, präventiven gründen (mit oft fraglichem nutzen für den positiven – bei über 500 cd4 ist der zusatz-nutzen wohl eher niedrig http://www.aidsmap.com/Only-modest-benefits-from-starting-HIV-therapy-with-a-CD4-cell-count-above-500-compared-to-350/page/1847967/ )

    weitere potentielle gefahr: wenn es wirksame pillen zur prävention geben sollte – wer braucht dann noch „sozialwissenschaftliche“ prävention?
    (das ist bewusst zugespitzt formuliert, um darauf hinzuweisen, dass mit diesen szenarien auch die gesamte bisherige prävention inkl. dem konzept der strukturellen prävention ins rutschen kommen könnte)

    hier ist die dah gefordert, ja 🙂
    und wir betroffene … sollten vielleicht auch mal „den arsch hoch bekommen“ …

  4. Ach, so überspitzt ist das leider gar nicht, diese Gefahr sehe ich auch. Die DAH scheint sich ja auch zu bewegen, zumindest erkennt sie, dass für eine gescheite Prävention eine differenziertere Ansprache der Zielgruppen erforderlich ist (ich weiß nicht, ob du darüber schon berichtet hast):
    http://www.aidshilfe.de/de/shop/kontexte-von-hiv-neuinfektionen-bei-schwulen-maennern

    Und ja, den Arsch hoch bekommen … Das scheint mir heute noch schwerer als vor 25, 30 Jahren. Die Situation hat sich verändert, es sterben nicht mehr halbe Freundes- und Bekanntenkreise Innerhalb kurzer Zeit einfach mal so weg, AIDS ist nicht mehr die Bedrohung, HIV hat seinen Schrecken verloren – es gibt ja bald die PrEP … Ich möchte es einmal mit Arbeitnehmerinteressen vergleichen: auch da sieht meine gewisse Sättigung oder einfach falsches Vorgehen der entsprechenden Organisationen. Es ist also die Frage, was es an gemeinsamen Interessen der HIV-Positiven gibt und mit welchen zeitgemäßen Mitteln sich diese Erreichen lassen. Der Blick zurück auf die „seligen“ Act-Up-Zeiten und die Beschwörung des Denver-Manifests wird Jüngere, die jetzt ihre Zukunft gestalten sollten, wohl kaum aktivieren.

    Ich persönlich werde sehen, was für mich machbar ist. Als Flaneur schaue ich ja immer mal wieder hier vorbei …

  5. Es ist also die Frage, was es an gemeinsamen Interessen der HIV-Positiven gibt und mit welchen zeitgemäßen Mitteln sich diese Erreichen lassen.

    Hallo Flaneur

    das „gemeinsame“ interesse ist den individuellen Interessen gewichen. Und die sind dank der zur verfügung stehdnen Therapien jetzt für die meisten erreichbar. ein gemeisames interesse das auf grund einer lebensbedrohlichen situation wie z.b. die forderung nach verfügung stellung von medikamenten vor beendigung der studie 3 ist nicht vorhanden.

    die gemiensamen interessen die es geben „könnte“ sind auf der politischen eben zu finden. diese gemeinsam einzufordern . .davon habe sich die meisten wie auch die gesellschaft andererseits verabschiedet. ergo richtet man sich in seinem seinem politisches umfeld – familie, freunde – ein so gut es geht.

  6. alivenkickn pessimistisch wie immer ;-))

    ich glaube schon, dass es gemeinsame interessen auch heute gibt
    und ich glaube auch, dass dies vielen positiven bewusst ist

    die frage ist für mich eher, wie wir diese interessen greifbar, erlebbar machen – und in handeln umsetzen

    da ist ein unreflektiertes ‚revival‘ von aktionsformen früherer jahre vermutlich wenig zielführend, da stimme ich dir zu, flaneur
    aber es gibt ja auch „heutige“ formen … und es gibt auch junge positive, die erleben, dass sie manche probleme und interessen mit anderen positiven teilen

  7. Das eigentliche Thema war ja nun Prävention und die Pharmaindustrie. Daher versuche ich den Bogen wieder zurück zu führen. Das Thema Aktivisten werde ich in meinem Blog näher betrachten.
    ( http://diego62.blog.de/2011/07/06/positive-aktivisten-11432848/ )
    Die Profitgier der Industrie kennt in der Tat keine Grenzen. Was ja auch nicht anders zu erwarten ist. Warum werden Studien in der Richtung PrEP und EKAF sonst gemacht. Die Industrie kann daran nur verdienen. Inwiefern das für den Konsumenten der Medikamente sinnvoll ist, bleibt dabei zweitrangig.
    Wie weit dürfen sich indessen HIV/Aids-Organisationen wie die DAH u.a. in diese Kampagnen einbinden lassen. Man hat wohl ein Positionspapier in dem man offen sagt, dass man auch Mittel der Industrie annimmt, aber sich davon nicht beeindrucken lassen will. Sicher, die Organisationen sind auf Spenden angewiesen um auch in Zukunft effektiv arbeiten zu können. Aber niemand kann sagen, dass er sich durch üppige Spenden nicht doch irgendwie beeinflussen lässt. Und sei es nur in Beratungsgesprächen auf die Möglichkeit einer PrEP oder die EKAF-Richtlinien hin zu weisen. Er eine oder andere wird dann schon vorzeitig Medikamente nehmen, auch wenn er von der Notwendigkeit eine Therapie noch weit weg ist. Genauso wird es mit der PrEP aussehen, wenn denn die Finanzierung geklärt ist.
    Was mich bei der PrEP stört sind nicht nur die möglichen Nebenwirkungen, sondern auch die unter Umständen unbemerkt gezüchteten Resistenzen. Hier wird der Fehler der Jahrzehnte beim Antibiotika gemacht wurde als HIV-Prävention verkauft.

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