26.06.2010 – Weltdrogentag

Der kürzlich publizierte Weltdrogenbericht der UN konstatiert zwar auf der einen Seite einen Stillstand bei der Anzahl der Konsumenten harter Drogen. Andererseits leben weltweit, wie auch in unserem Land, noch immer zu viele Drogengebraucher unter oftmals elendsten Lebensumständen. Dies insbesondere für die große Gruppe der intravenös Konsumierenden zu verändern, ist die neue Option einer Behandlung mit dem Originalstoff , also medizinisch reinem Heroin. Andere Länder hatten den Erfolg dieses Behandlungsangebots bereits demonstriert.

Allerdings dürfte es auf Grundlage der unlängst beschlossenen Richtlinien des GBA (Gemeinsamer Bundesausschuss) schwierig werden, die Möglichkeit zur Heroinbehandlung möglichst flächendeckend anzubieten. Unsere Bedenken teilt auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Mechthild Dyckmans, in ihrer Pressemitteilung vom 18.03.2010.

„Wir sind überzeugt, dass die praktischen Auswirkungen der vorgelegten Richtlinien die Befürchtungen der Drogenbeauftragten in negativer Hinsicht noch bei weitem übertreffen werden. Diese unnötig strengen Richtlinien übertreffen nicht nur die Auflagen, die in der Heroinstudie Verwendung fanden. Nein, auch die vom Bundesgesetzgeber formulierten Vorgaben werden deutlich und überaus praxisfern verschärft“, befürchtet Mathias Häde vom JES Bundesvorstand.

Diese Praxisferne verdeutlichen u.a. folgende Regelungen: Die Forderung der ständigen Anwesenheit eines Arztes während der 12-stündigen Öffnungszeit an sieben Tagen der Woche, sowie die Einrichtung von 3,0 Arztstellen unabhängig von der Anzahl der zu behandelnden Patienten sind Auflagen, die für viele potentielle Träger der Heroinambulanzen nicht erfüllbar sein dürften – und die in dieser Form zudem fachlich nicht begründbar sind.

„Wir fordern die politisch Verantwortlichen daher auf, die nach 15 Monaten anstehende Bewertung der Auswirkungen der GBA Richtlinien eng zu begleiten und kritisch zu überprüfen, so Marco Jesse vom JES Bundesvorstand.

„Trotz einiger positiver Entwicklungen fristen Strategien der Überlebenshilfe und Schadensminderung in vielen Ländern weiterhin ein Schattendasein. Die Aufgabe der Bundesregierung muss darin bestehen, die menschenverachtende Drogenpolitik in einigen asiatischen, lateinamerikanischen und osteuropäischen Ländern zu skandalisieren und über eine ‚Koalition für Menschenwürde‘ dringend erforderliche Veränderungen zu bewirken“, erläutert Jochen Lenz als JES Bundesvorstand abschließend.

(Pressemitteilung JES Bundesvorstand)

Stephanie Schmidt ist tot

Am 22. Januar starb Stephanie Schmidt, langjährige JES-Aktivistin.

Stephanie Schmidt, Mutter zweier Kinder, engagierte sich seit Mitte der 1990er Jahre für akzeptierende Drogenarbeit und für die Interessen drogengebrauchender Menschen mit HIV. Stephanie arbeitete hauptamtlich in der Aids-Hilfe Braunschweig und war u.a. engagiert bei JES (sowohl lokal als auch als Bundessprecherin).

Stephanie Schmidt (c) Dirk Schäffer
Stephanie Schmidt (c) Dirk S.

Ich habe vor einigen Jahren mit Stephanie Schmidt eine Zeit lang enger zusammen gearbeitet, im Rahmen des Community Boards beim Deutschen Aids-Kongress 1999 in Essen. Ich habe dabei Stefanie sehr zu schätzen gelernt – ihre offene, dem Leben zugewandte Art, ihre Fähigkeit sich auch in andere Menschen und ihre Anliegen hinein zu denken – und vor allem ihre Fähigkeit, die Belange drogengebrauchender Menschen mit HIV verständlich zu machen und aktiv und engagiert zu vertreten. Durch Stephanie lernte ich ein wenig Einblick zu bekommen, zu verstehen aus Welten, die mir eher fremd schienen.

Solidarität der Betroffenengruppen – Stefanie lebte sie. Danke!

siehe auch:
DAH-Blog 03.02.2010: Nachruf auf Stephanie Schmidt
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20 Jahre JES-Netzwerk

20 Jahre Netzwerk von drogengebrauchenden Menschen – der Forums-Band „20 Jahre JES“ widmet sich dem Jubiläum einer erfolgreichen Selbsthilfe-Struktur.

Juli 1989 – Junkies (viele von ihnen HIV-positiv), Ex-User und Substituierte schließen sich während eines Seminars der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) zusammen. Ihr Ziel: Belange und Interessen selbst und gemeinsam zu vertreten und für eine Verbesserung der Lebens- und Konsumbedingungen Drogen gebrauchender Menschen zu kämpfen.

2009 – das Netzwerk JES besteht 20 Jahre.  Die DAH würdigt das Jubiläum mit einem umfassenden Forums-Band.

Aus dem Vorwort:

„2009 wird das bundesweite JES-Netzwerk 20 Jahre alt. Hand aufs Herz: Wer hat bei der Geburt der Selbsthilfe von „Junkies, Ehemaligen und Substituierten“ damit gerechnet, dass sie nach zwei Dekaden immer noch existieren würde! Dabei hat JES nicht einfach nur „überlebt“: Was einmal klein anfing, hat sich im Lauf der Jahre zu einem bundesweit agierenden Selbsthilfe-Netzwerk entwickelt, dem heute etwa 25 Gruppen und Vereine angehören.“

Die DAH erläutert zum Band „20 Jahre JES“:

„Der vorliegende Band will die Haltungen, Ideale und Ziele von JES transparent machen und die positiven Wirkungen des Selbsthilfe- Engagements ins Blickfeld rücken. Zugleich stellt er JES-Projekte vor und greift Themen auf, mit denen sich JES in den vergangenen 20 Jahren beschäftigt hat.“

Aids-Forum DAH Band 56: „Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen – 20 Jahre JES-Netzwerk„, DAH-Bestell-Nr. 030056 (pdf, ca. 4 MB)

21. Juli: Gedenktag für verstorbene Drogenabhängige

Gedenktag für verstorbene Drogenabhängige am 21. Juli

Ein Zeichen für Humanität und Miteinander

Berlin. Anlässlich des 11. bundesweiten Gedenktages für verstorbene Drogenabhängige am 21. Juli 2009 fordert der „Initiativkreis 21. Juli“ (Deutsche Aids-Hilfe e.V., Berliner Aids-Hilfe e.V., Notdienst Berlin e.V., Fixpunkt Berlin e.V. und JES Berlin) mit Nachdruck eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung um die gesundheitliche und soziale Situation Drogen gebrauchender Menschen sowie wirksame Maßnahmen zur Reduzierung von Drogentodesfällen.

Im Gedenken an die verstorbenen Drogenkonsumenten in Berlin führt der Initiativkreis am 21. Juli 2009 um 12:00 Uhr eine Veranstaltung im Oranienpark (Oranienplatz) in Kreuzberg durch. Die Schirmherrin der Veranstaltung ist Frau Katrin Lompscher – Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Neben Dr. Ingo Michels vom Bundesministerium für Gesundheit werden Knut Mildner-Spindler (Sozialstadtrat Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin) und Kerstin Dettmer (Fixpunkt) reden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht ein Zeichen zu setzen und den Tod hunderter Menschen nicht schweigend hinzunehmen sowie die Öffentlichkeit über die Belange und Interessen Drogen gebrauchender Menschen zu informieren und zu sensibilisieren.

„Es ist schmerzhaft und nicht hinzunehmen, dass nach einem Anstieg der Drogentodesfälle in 2007 im Jahr 2008 wiederum ein Anstieg der Zahl der verstorbenen DrogengebaucherInnen auf 1449 Tote zu verzeichnen ist „, so Dirk Schäffer, Referent für Drogen der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. Mit 152 Drogentoten in Berlin hat sich die Zahl im Jahr 2008 gegenüber dem Vorjahr leicht reduziert. „Gründe für den leichten Rückgang sind auch in den professionellen Angeboten für die Zielgruppe der Schwerstabhängigen zu finden. So gibt es in Berlin wirklich eine Vielzahl von ambulanten und aufsuchenden Hilfen.“, erläutert Heike Krause, Pressesprecherin vom Notdienst Berlin e.V.

„Der Drogenkonsumraum in der Dresdener Straße war nicht Ursache für die Zunahme der drogenszenen-bedingten Belastungen am Kottbusser Tor“, so Kerstin Dettmer vom Verein Fixpunkt e. V. “Die Gründe sind vielmehr in unzureichenden bzw. fehlenden Angeboten für Drogengebrauchende Menschen zu sehen. Aufgabe der Politik muss es aber sein, dafür Sorge zu tragen, d.h. notwendige Angebote zu schaffen, damit aus Minderheiten nicht unerwünschte Randgruppen werden“, so Dettmer weiter.

„Wenn nicht schnell ein neuer Standort für den Drogenkonsumraum in Szenenähe gefunden wird, könnte dies vermehrte HIV- und Hepatitisinfektionen sowie ein Anstieg der Drogentodesfälle in Berlin zur Folge haben“, so Claudia Rey von der Berliner Aids- Hilfe e.V. Auch für die Betroffenen selbst ist diese Schließung nicht nachvollziehbar, und die Mitarbeiter vor Ort werden viel Zeit aufwenden müssen, um Kontakte zu Drogenkonsumenten wieder herzustellen, erläutert ein Mitglied der Berliner JES Gruppe. Um der vielen tausend verstorbenen Freundinnen und Freunden, Bekannten und Angehörigen zu gedenken und zugleich für eine weit reichende Änderung der Drogenpolitik zu demonstrieren, veranstalten Aids- und Drogenhilfen, JES- und Elterngruppen im Rahmen des Gedenktages am 21. Juli in über 40 Städten Mahnwachen, Informationsveranstaltungen, Gottesdienste, Trauermärsche und andere öffentliche Kundgebungen, um damit den dringenden Handlungsbedarf anzuzeigen.

(Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe, pdf)