Patientenbeteiligung im Gemeinsamen Bundesausschuss

Der Gemeinsame Bundesausschuss wird immer mehr zu einem der zentralen Entscheidungsgremien der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Doch – wie funktioniert die Einbeziehung von Patienten-Interessen?

Bis zur Gesundheitsreform 2004 waren die Interessen von Patienten in den Entscheidungen des Bundesausschusses nicht vertreten, Einflussnahme kaum möglich (wenn man einmal davon absieht, dass sicher sowohl Ärzte als auch Kassen der Ansicht sind, sie vertreten Patienten-Interessen). Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Methadon-Beschlüsse, Viagra) fand die Arbeit des Bundesausschusses weitgehend ohne Beteiligung der Öffentlichkeit statt.

Die Zeit vor dem G-BA
Schon bald nach Einführung der Gesetzlichen Krankenversicherung (1884) wurde deutlich, dass Regelungen und Strategien der Konfliktbewältigung erforderlich werden. Um die Vertragsbeziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen zu regeln, wurde deswegen 1913 durch das ‚Berliner Abkommen‘ ein paritätisch von Kassen und Ärzten besetzter Ausschuss gegründet. Dieser konstituierte sich 1923 als öffentlich-rechtliche Arbeitsgemeinschaft unter dem Namen ‚Reichsausschuss‘. Nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland und Gründung der Bundesrepublik wurde (mit ähnlichen Aufgaben) 1956 der ‚Bundesausschuss Ärzte und Krankenkassen‘ (BAK) gegründet. Im Laufe der Zeit wurden seine Aufgaben zunehmend erweitert; zudem wurde mit der Gesundheitsreform 2000 ein Ausschuss Krankenhaus sowie ein Koordinierungsausschuss gegründet. In Folge der Gesundheitsreform 2003 wurde 2004 der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gegründet, in dem die ehemaligen Bundesausschüsse aufgegangen sind. Erstmals sind nun auch Patientenvertreter beteiligt.

Mit der Gesundheitsreform 2003 sollte auch die Patientenorientierung im Gesundheitswesen verbessert werden. Dabei war Ziel die Vertretung kollektiver (nicht individueller) Patientenrechte. Im Ergebnis der Gesundheitsreform 2003 arbeiten erstmals seit Beginn 2004 auch Patientenvertreter in den Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) mit.

Wer in welcher Weise als Patientenvertreter im G-BA mitwirken kann, ist in einem Benennungsverfahren geregelt.
Die Patientenbeteiligung soll dabei auf allen Ebenen des G-BA erfolgen:
Spruchkörper
Unterausschüsse
– Arbeitsgruppen
– Themengruppen

Die Mitarbeit der Patientenvertreter erfolgt ehren- oder nebenamtlich. Sie erhalten für ihre Mitarbeit Reisekosten sowie ein Tagegeld und einen Pauschbetrag (Aufwandentschädigung) in Höhe von derzeit 49,-€ erstattet. Beschäftigte Patientenvertreter erhalten auf Antrag einen etwaigen Verdienstausfall erstattet.

Die Mitarbeit von
Patientenvertretern im Gemeinsamen Bundesausschuss legt die Frage nahe, wer denn ‚die‘ Interessen ‚der‘ Patienten vertreten kann bzw. soll.

Die Frage der Benennung von Patientenvertretern ist im Sozialgesetzbuch 5 (SGB-V) sowie in der ‚Patientenbeteiligungsverordnung‚ (PatBeteiligungsV vom 19. Dezember 2003) geregelt.

Im Sozialgesetzbuch V (SGB V) §140f Abs. 2 wird hierzu gesprochen von „Organisationen, die auf Bundesebene maßgeblich sind für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen“. Diese sollen demnach einvernehmlich „sachkundige Personen“ (Patientenvertreter) benennen.

Bisher sind als solche gem. §140(2) SGB-V und PatBeteiligungsV maßgebliche Organisationen anerkannt
für den Bereich der ‚Betroffenenverbände‘:
– der Deutsche Behindertenrat (DBR)
(Im DBR sind vertreten die BAG Selbsthilfe und ihre Mitgliedsorganisationen, die Sozialverbände (SoVD, VdK) sowie die freie Selbsthilfe (IG selbstbestimmtes Leben, Weibernetzwerk).

für den Bereich der ‚Beraterverbände‘:
– die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen BAGP),
– die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG), und
– der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv).

Diese vier Verbände sind per se als maßgeblich im Sinne des §140f anerkannt. Doch der Kreis der die Patienteninteressen vertretenden Verbände ist damit nicht abschließend festgelegt.
Der etwaigen Anerkennung aller weiteren Organisationen liegen nach PatBeteiligungsV folgende Kriterien zugrunde:
– Ziel & Aufgabe der Organisation
– Innere Ordnung (z.B. demokratischer innerer Aufbau)
– Mitgliederkreis
– Dauer des Bestehens und (bundesweiter) Wirkungskreis
– Neutralität und Unabhängigkeit
– Gemeinnützigkeit

Anerkannte Organisationen können Patientenvertreter benennen.

Diese Patientenvertreter müssen gem. PatBeteiligungsV von den Organisationen als
– sachkundigen Personen
– gemeinsam und
– einvernehmlich benannt werden.
Die Benennung erfolgt im Koordinationskreis. Dabei ist festgelegt, dass mehr als die Hälfte der sachkundigen Personen aus dem Bereich der Selbsthilfe kommen muss.
Für jedes Gremium des G-BA können dabei maximal so viele Patientenvertreter benannt werden, wie Kassenvertreter benannt sind.
Derzeit sind über 200 Personen als PatientenvertreterInnen benannt.

Wichtige Dokumente:
Patientenbeteiligungsverordnung als pdf hier