Rita Süßmuth: Zeichen gegen die Ausgrenzung

‚Zeichen gegen die Ausgrenzung‘ setzen sei ein Anliegen der Opern-Gala, betont Rita Süssmuth. Auch ihre Aids-Politik ließe sich wohl u.a. unter diesem Motto summieren.

Anlässlich der Opern-Gala der Deutschen Aids-Stiftung äußerte sich Prof. Rita Süssmuth in einem Interview zur Aids-Bekämpfung in Deutschland.

Süssmuth war als Bundesgesundheitsministerin maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass sich Mitte der 1980er Jahre in der Aids-Bekämpfung in Deutschland die Linie der Information und Aufklärung durchsetzte.

„Die größte Schwierigkeit aber war, dass HIV und Aids eng mit der Sexualität verbunden war. Hier drangen wir in ein gesellschaftliches Feld vor, das überwiegend negativ besetzt war, wo wir noch nicht einmal die angemessene Sprache gefunden hatten. Rückblickend denke ich, dass die Sexualität erst durch HIV und Aids auch ein Thema in der Öffentlichkeit wurde. Es wurde nicht weiterhin als Schmuddelthema behandelt.“

Rita Suessmuth bei der Frankfurter Ethik-Konferenz im Juni 2008
Rita Süssmuth bei der Frankfurter Ethik-Konferenz im Juni 2008

In der damaligen Debatte zur Aids-Bekämpfung wurden auch ganz andere Wege des Umgangs mit diesem ‚Schmuddelthema‘ und vor allem mit von HIV Betroffenen diskutiert.

„Die Vorstellungen, die da entwickelt wurden, die Betroffenen müssten kaserniert werden, das war für mich wirklich ein Schock. Das waren Aussagen, wo ich dachte: Da muss was entgegengesetzt werden.“

(Anmerkung: für die von ihr  angesprochenen ‚Vorstellungen‘ standen damals u.a. Namen wie Peter Gauweiler oder Michael Koch; siehe Aids-Zeiten 1980-1986)

Süssmuth geht im Interview u.a. auch auf die heutige Situation HIV-Positiver in Deutschland ein. Auf die Frage „gibt es immer noch Ausgrenzung“ bemerkt sie:

„Ich nenne es mal latente Ausgrenzung. Wir haben nach wie vor Probleme bei Wohnungen, beim Arbeitsmarkt. Selbst wenn wir heute wissen, dass viele mit der medikamentösen Behandlung viel länger erwerbstätig sein können, haben sie erhebliche Schwierigkeiten, ihren Beruf weiter auszuüben.“

Rita Süssmuth im Interview mit der ‚Welt‘ (Ausgabe vom 10.11.2008, online-Ausgabe).

Menschenbilder

Prof. Dr. Rita SüßmuthProf. Dr. Rita Süßmuth sprach am 20.6.2008 im Rahmen der Ethik- Konferenz über das Thema „Gender und Aids“.

Rita Süssmuth (geb. 17.2.1937) war u.a. in den entscheidenden Jahren von 1985 bis 1988 Bundesministerin für Gesundheit. In ihre Zeit als Ministerin fallen die großen Streits zwischen repressiver und aufklärerischer Aids-Politik, fiel die Entscheidung, Information und Beratung zu Grund- Bausteinen des Umgangs mit HIV und Aids in Deutschland zu machen.
Von 1987 bis 2002 war Rita Süssmuth Mitglied des Deutschen Bundestags, 1988 bis 1998 Präsidentin.

Einige ihrer bemerkenswerten Gedanken aus Süssmuths Rede auf der Ethik-Konferenz:

„… auch ein irrendes Gewissen hat eine Berechtigung …“

“ … das Menschenbild, der Mensch sei von Natur aus böse, ist tief in die politische Ethik eingegangen. Zum Beispiel in der Vorstellung, dem Einzelnen nicht zu viel Freiraum zuzugestehen, selbst die Grundrechte immer wieder zu relativieren.“

… wertschätzen, „was denn sexuell anders lebende Menschen an Bereicherung sein können …“ … „auch was alles mit dem Männlichkeitsideal nicht verbunden sein muss … das ist mir wichtig, das immer wieder zu sagen“ …