sexuelle Gesundheit Berlin 3 – Syphilis in Berlin (akt.)

Immer wieder gehen Artikel durch die Homo-Gazetten – ‚Syphilis-Welle in …‘. Aber wie sieht die Realität in Zahlen für Berlin aus?

Für die Jahre von 2001 bis 2007 schwankt die Zahl der in Berlin gemeldeten Syphilis-Fälle zwischen gut 300 und annähernd 700 pro Jahr. Ein Höhepunkt in diesem Zeitraum war das Jahr 2004 mit 663 Fällen, seitdem sinken die zahlen wieder (2007 bisher 362 für Berlin gemeldete Fälle).

Syphilis in Berlin 2001 bis 2007, absolutSyphilis in Berlin 2001 bis 2007, relativBei der Verteilung der Fälle nach Risiken fällt ein vergleichsweise hoher Anteil an Männern die Sex mit Männern haben (MSM) auf. Inzwischen entfallen 80% aller Syphilis-Fälle auf diese Gruppe.
Für eine vergleichsweise große Gruppe (2007 immer noch 14,1%) liegen zudem keine Angaben zum Infektionsrisiko vor. Auch in dieser Gruppe dürften sich noch Fälle aus der Gruppe MSM ‚verbergen‘.

Wie bei HIV ist dabei folgendes zu beachten: es handelt sich um Melde-Zahlen, die keine direkten Aussagen über den Infektionszeitpunkt zulassen. Zudem beziehen sich sämtliche RKI-Daten auf den Wohn- bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort, nicht den Ort der Infektion (ein Kölner, der sich bei einem Wochenend-Besuch in Berlin mit Syphilis infiziert, sich aber an seinem Wohnort Köln behandeln lässt, würde als ‚Kölner Fall‘ registriert werden) sowie den Diagnosezeitraum basierend auf dem Diagnosemonat, nicht auf den Infektions-, Erkrankungs- oder Meldezeitraum.
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Risikogruppe 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
unbek. 138 185 153 150 100 92 57
hetero 22 26 32 54 20 36 24
MSM 158 262 429 457 445 443 323
MTCT 0 0 0 2 0 0 0
gesamt 318 473 614 663 565 571 404
Anteil relativ
unbek. 43,4% 39,1% 24,9% 22,6% 17,7% 16,1% 14,1%
hetero 6,9% 5,5% 5,2% 8,1% 3,5% 6,3% 5,9%
MSM 49,7% 55,4% 69,9% 68,9% 78,8% 77,6% 80,0%
MTCT 0,0% 0,0% 0,0% 0,3% 0,0% 0,0% 0,0%

Tab.: gemeldete Syphilis-Fälle Berlin nach Risikogruppen, 2001 bis 2007 ((Quelle: Robert Koch-Institut: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 05.02.2008))

Ein Teil der gemeldeten Syphilis-Fälle sind dabei keine erstmaligen Infektionen, sondern Re-Infektionen (erneute Syphilis-Infektion nach vorheriger erfolgreich behandelter Syphilis).
Das RKI hat bereits bei der Beurteilung der Situation 2006 darauf hingewiesen, dass der Anteil der gemeldeten Syphilis-Fälle, der vom Arzt als Re-Infektion eingeordnet werde, in den Großstädten Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt bei 50% liege ((Syphilis in Deutschland im Jahr 2006 und Trends seit 2001, in: Epidemiologisches Bulletin 29/2007, als pdf online hier)). Das RKI vermutet, dass hinter der hohen Rate an Reinfektionen auch in steigendem Umfang unzureichend behandelte Syphilis-Fälle (gerade auch bei gleichzeitiger HIV-Infektion) verbergen könnten.

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Zahlen von 500, gar über 600 Syphilis-Fällen pro Jahr in Berlin mögen auf den ersten Blick enorm hoch erscheinen. Ein Blick in die jüngere Geschichte relativiert dies vielleicht ein wenig.

Syphilis Fälle Berlin 1971 - 2005Wie die nebenstehende Abbildung des RKI deutlich macht, waren Ende der 1970er Jahre weitaus höhere Syphilis-Fallzahlen in Berlin zu vermelden (bis zu annähernd 1.400 Fällen im Jahr 1978). Dies soll die aktuellen Fallzahlen nicht verharmlosen, wohl aber in ihrer Höhe einordnen helfen. (Grafik (c) RKI ((Quelle: Meldungen von Syphilis in Berlin 1971 bis 2005, www.rki.de)) ).

Annähernd 1.400 Fälle von Syphilis wurden in Berlin Ende der 1970er Jahre gemeldet (gesamt, knapp 1.000 bei Männern). Damals wurden Spitzenwerte der Inzidenz von Syphilis bei Männern in Berlin von über 110 Fälle pro 100.000 Einwohnern erreicht. Altersmäßiger Schwerpunkt war auch damals schon die Gruppe der 30- bis 40Jährigen.
Ein starker Rückgang der Syphilis-Fallzahlen folgte dann Ende der 1980er Jahre bis Ende der 1990er Jahre, vermutlich auch in Folge der Aids-Krise. Zu einem erneuten Anstieg der Fallzahlen kam es ab dem Jahr 2000 (vermutlich 1997/98 von Hamburg ausgehend ((Aktuelle Syphilis-Situation in Deutschland, 15. Mai 2003 RKI, online als pdf hier)) ).
Bei den Zahlen ist allerdings zu berücksichtigen, dass ab 2001 mit dem Infektionsschutzgesetz eine Labor-Meldepflicht für Syphilis eingeführt wurde ((gemeldet werden vom Labor Geburtsmonat und -jahr sowie die ersten drei Stellen der Postleitzahl des Patienten)).

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Nach einem Höhepunkt 2004 sinken in den letzten Jahren die Zahlen der Syphilis-Fälle in Berlin. Allerdings ist der Anteil der MSM inzwischen auf über 80% der Fälle gestiegen.
Ein nennenswerter Anteil der Syphilis-Meldungen bezieht sich auf Re-Infektionen – Fälle von erneuter Infektion mit Syphilis. Sie könnten gerade auch bei gleichzeitig bestehender HIV-Infektion auch Hinweis auf ggf. nicht ausreichend therapierte frühere Infektionen sein.

Aktualisierung 05.02.2008: Stand Datenabfrage 05.02.2008

Dieser Artikel ist Teil der Serie „Sexuelle Gesundheit in Berlin“:
Intro
Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen