Angst zur Prävention … oder für den Umsatz?

Ein Pharmakonzern macht eine Präventions-Kampagnen. Oder ist es Marketing? Über eine umstrittene Hepatitis-Kampagne.

An viele Stellen der Stadt, besonders auf U.Bahn-Stationen, finden sich derzeit Plakate, die Angst machen (sollen).
Plakate mit Botschaften wie „Das Virus wartet, wo man es nicht erwartet“ wecken das Interesse. Und suggerieren, man müsse ein Virus, nein, das Virus erwarten. Und zwar da, wo man gar nicht mit ihm rechnet:

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Das Virus wartet, so die Plakate, wartet, nein lauert, im verborgenen natürlich, auf Nassrasierern, oder Nagelscheren. Rasierer oder Nagelset werden so zur heimtückischen Gefahrenquelle hochstilisiert.

Die Gefahr? Hepatitis B. Im unteren Bereich der Plakate wird informiert, u.a. über Infektionswege und dass nach einem test eine Behandlung möglich ist.

Die Plakate sind „eine Initiative“ der Deutschen Leber-Stiftung, der deutschen Leber-Hilfe e.V. sowie des Pharmakonzerns BMS (Bristol-Myers Squibb). Die Internetseite der Kampagne vermerkt zwar alle drei Träger, führt als Copyright aber auf jeder Seite BMS an, ebenso im Impressum BMS als (einzigen) Verantwortlichen.

BMS ist unter anderem Hersteller des Hepatitis-Medikaments Baraclude (Entecavir) und baut sein Hepatitis-Geschäftsfeld derzeit aus (u.a. Vereinbarung mit ZymoGenetics, das ein Medikament gegen Hepatitis C entwickelt, peg-Interferon lambda). International fährt das Unternehmen eine Kampagne unter dem Titel „Hope for Hep B.

Die Kampagne hat treffenderweise das Motto „Hepatitis B? Am besten testen!“.

Warum BMS diese Kampagne mit unterstützt, ist u.a. auf einer Marketing-Seite zu erfahren:

„Der Grund für diese Premiere sind neue Medikamente (aus dem eigenen Hause) – ist von BMS zu erfahren.“

Die Plakate sind nicht die einzige Aktivität von BMS zur Hepatitis. Radio-Redaktionen zum Beispiel bietet das Unternehmen z.B. einen „Kollegen-Talk“ (mit fertigem Ton-Material) als redaktionellen Beitrag an, mit O-Ton von Herrn Professor, und selbstverständlich hinweis auf wirksame Medikamente – und die Internetseite der Kampagne.

Als PR-Agentur ist an der Kampagne ‚Pleon‘ beteiligt. Jene PR-Agentur, in die einst im Jahr 2006 die frühere Bundes-Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) als Partnerin wechselte – als Leiterin des Gesundheits-Resorts.

Das Robert-Koch-Institut berichtet aktuell zur Hepatitis B in Deutschland:

„Generell zeigte sich in Deutschland in den vergangenen Jahren eine abnehmende Inzidenz der Hepatitis B. Besonders bemerkenswert ist der Rückgang des Anteils übermittelter Hepatitis-B-Erkrankungen unter
Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu früheren Jahren. … Sowohl die Inzidenz im jüngeren Erwachsenenalter als auch die angegebenen Expositionen deuten darauf hin, dass die sexuelle Übertragung von Hepatitis-B-Infektionen für Deutschland aktuell den häufigsten Übertragungsweg darstellt.“

Prävention ist sinnvoll, und wenn sich Partner aus der Industrie an Präventions-Kampagnen beteiligen, mag das unter Umständen auch sinnvoll sein.

Ob Angst ein Mittel der Prävention sein sollte, steht schon viel mehr in Frage.
Und wenn jede zweite Hausfrau demnächst aufgeregt in ihrer Waschtasche, in Necessaire oder Fußpflege-Set stochert, schaut, auf ihre Nagelschere blickt, hast du etwa …, ob das sinnvoll und zielführend ist, mag auch bezweifelt werden.

Wenn dann noch ein Hersteller Präventionskampagnen unterstützt, die zum Test (und damit indirekt zur Behandlung) aufrufen – letztlich mit von ihm hergestellten Medikamenten, dann bleibt da mindestens ein „Geschmäckle“.

Eine Konstellation, in der die Hersteller von Medikamenten, in der internationale Pharmakonzerne direkt die Präventions-Kampagnen für die Indikationsgebiete ihrer eigenen Produkte machen – kann nicht wünschenswert sein. Kaum vorstellbar, dass dann Marketing und Gesundheitsförderung noch auseinander gehalten werden können, dass dann nicht die ökonomischen Interessen überwiegen.

Nebenbei, sich als Selbsthilfe-Gruppe in derlei Marketing-Aktivitäten einbinden zu lassen, könnte sich schnell als zweifelhaftes ‚Vergnügen‘ erweisen …

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weitere Informationen:
Robert-Koch-Institut 18.05.2009: „Virushepatitis B, C und D im Jahr 2008“, in Epidemiologisches Bulletin 20/2009
Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (Hrsg.): Leitlinie „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus-(HBV)-Infektion“ (pdf)
Pleon 06.07.2006: Bundesgesundheitsministerin a. D. Andrea Fischer wird Partnerin am Standort München
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2 Gedanken zu „Angst zur Prävention … oder für den Umsatz?“

  1. Da wird wieder mal eine Krankheit völlig hirnrissig instrumentalisiert, mit der Angst vor einer Krankheit den Um – Absatz eines neuen Medikaments zu pushen. Und unsere ExPoltiker sind da natürlich an vorderster Front mit dabei. Und die Affen in der Regierung werden da natürlich auf diesen Zug aufspringen. Schließlich muß man ja an die Zeit nach der nächsten Wahl denken.

    „Die Übertragung geschieht heutzutage in den entwickelten Industriestaaten in den meisten Fällen durch ungeschützte Sexualkontakte oder bei Drogengebrauch durch verunreinigtes Drogenbesteck.“

    Es würde genügen wenn man in einer Präventions Kampagne der BzgA, des BMG und der entsprechenden Stiftungen bzw Leber Selbst Hilfe Organisationen thematisiert wie man sich schützen kann. Safer Sex Regel einhalten und Hygiene beachten. Sollte in einem Land ein erhöhtes Hep B Risiko bestehen – dann genügt es wenn die Bundesregierung entsprechende Empfehlungen sich impfen zu lassen lassen bzw Warnungen wenn man in ein solches Land zum Urlaub fahren will oder seine Tätigkeit dorthin verlegt herausgibt.

    Da die Gefahr bei med Personal sich mit Hep B zu infizieren die häufigste Ursache einer Berufskrankheit darstellt – könnte man bei bestimmten Gruppen, Op Bereich, Krankenschwestern eine „Hep B Impfung“ als Standard einführen.

    Wenn sich die Pharmaindustrie jedoch solch einer PräventionsPanik bedient bzw ihr die Prävention überläßt, dann werden die Kosten im Gesundheitswesen weiterhin explodieren. Die Forderungen der KK nach mehr Geld ist voraussehbar.
    Der HPV Panik Hype auch durch die Phramaindustrie initiiert ist ja noch nicht so lange her. Da wurden die Schulen ja regelrecht von AussendienstmitarbeiterInnen überschwemmt um vor den Gefahren von HPV unter Kids hinzuweisen mit dem Ziel nur eine Impfung ist die Lösung.

    Das ist schlicht und einfach nur zum kotzen.

  2. Ach, wirklich? Danke für die Erklärung! Ich hatte schon beim eiligen Gang durch den Berliner S-Bahn-Dschungel gedacht, dass da unten die HEP lauert. Na, da kann das Fahrrad ja wieder inn Keller und ich morgen wieder mit der S-Bahn zur Arbeit. Santé miteinand!

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