BMS-986094 : Studie wegen Sicherheitsproblemen gestoppt (akt.)

Der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) hat eine Studie mit einem experimentellen Wirkstoff gegen Hepatitis C (BMS-986094) „freiwillig ausgesetzt“ – unter Hinweis auf die „Entstehung einer ernsthaften Frage zur Sicherheit“ („based on the emergence of a serious safety issue“).
Aktualisierung: Nach Todesfall Entwicklung gestoppt

Weitere Angaben zum Gesundheitszustand des betroffenen Patienten machte BMS nicht. Ein Pressebericht spricht davon, der Patient (der 200mg der Substanz erhalten habe) habe eine Herz-Insuffizienz erlitten.

Die Ursache der Frage zur Sicherheit wie auch ein etwaiger Zusammenhang mit der Studien-Medikation sei derzeit unbekannt, äußerte ein BMS-Sprecher CDC-NPIN zufolge. Das Unternehmen prüfe derzeit die Daten aller Teilnehmer an der Studie, alle Studien-Teilnehmer würden zudem kardiologisch untersucht, alle Auffälligkeiten würden mit Kardiologen geklärt. Entscheidungen zur weiteren Vorgehensweise würden nach Evaluation der Daten getroffen.

BMS-986094 (früher INX-189) ist eine Substanz aus der Klasse der Nukleotidsequenz Polymerase-Inhibitoren (NS5B-Inhibitor) und wurde in dieser Phase-IIb-Studie als mögliche Behandlung von Hepatitis C untersucht. Die Substanz war früher unter dem Namen INX-189 von dem Unternehmen Inhibitex entwickelt worden. BMS hatte Inhibitex Anfang 2012 für 2,5 Milliarden US-$ erworben.

BMS-986094 wird derzeit in Studien untersucht in Kombination mit Ribavirin, mit pegyliertem Interferon plus Ribavirin sowie mit Daclatasvir, einem experimentellen ebenfalls von BMS entwickelten NS5a-Inhibitor. Zudem hat BMS eine Vereinbarung mit dem Pharmakonzern Johnson&Johnson (Janssen) über eine klinische Zusammenarbeit (mit Janssen-Substanzen gegen Hepatitis C wie TMC435).

In der Dosis-Findungs-Studie (AI472-003) wurde BMS-986094 untersucht an Patienten mit Hepaitits C – Virus Genotyp 2 und 3, deren HCV-Infektion zuvor nicht behandelt worden war. Im ersten Teil der doppelblinden Studie mit 90 Teilnehmern wurden vier Arme verglichen (pegyliertes Interferon plus Ribavirin in Kombination mit 25, 50 oder 100mg BMS-986094 oder Plazebo). Der zweite Teil der Studie war ‚open label‘, auf 12 Wochen angelegt und für 120 Teilnehmer in fünf Studien-Armen konzipiert (100 oder 200 mg BMS-986094 plus Ribavirin, oder mit Daclatasvir, oder (im fünften Arm) 50mg BMS-986094 plus Ribavirin plus Daclatasvir).

Weitere Studien mit BMS-986094 sind waren in Vorbereitung.

Der Aktienkurs von BMS fiel nach Bekanntwerden der Studien-Unterbrechung. BMS-986094 galt bisher als eine der vielversprechendsten experimentellen Substanzen des Pharmakonzerns mit Hoffnung auf völlig neue Kombinations-Therapiene gegen Hepatitis C. Erste Analysten stellen nun genau dies in Frage.

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Aktualisierung
24.08.2012: Nach Todesfall: Entwicklung von BMS-986094 „aus Gründen der Patienten-Sicherheit“ gestoppt. Der Patient mit Gesundheitsproblemen ist verstorben. Weitere neun Studienteilnehmer müssen bzw. mussten wegen Herz- und Nieren-Problemen im Krankenhaus behandelt werden.
BMS kündigte an, die Entwicklungskosten der Substanz (geschätzt 12,9 Milliarde US-Dollar) abzuschreiben.

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weitere Informationen:
BMS 01.08.2012: Bristol-Myers Squibb Suspends Administration of Study Drug in Clinical Trial of Investigational NS5B Nucleotide for the Treatment of Hepatitis C (Pressemitteilung)
CDC NPIN 02.08.2012: Bristol-Myers Halts Hepatitis C Drug Study on ‚Serious‘ Safety Issue
MedPageToday 02.08.2012: Safety Issues halt Study of BMS HCV Drug
ClinicalTrials.gov: Phase 2b Study of BMS-986094 and Daclatasvir, With or Without Ribavirin for the Treatment of Patients With Chronic Hepatitis C
FierceBiotech 02.08.2012: Analyst reads last rites after heart failure scuttles Bristol hep C study

BMS 23.08.2012: Bristol-Myers Squibb Discontinues Development of BMS-986094, an Investigational NS5B Nucleotide for the Treatment of Hepatitis C
SpON 24.08.2012: Nach Todesfall: Entwicklung von Hepatitis-C-Mittel gestoppt
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BMS übernimmt Hepatitis-C-Spezialisten Inhibitex (akt.)

Der Pharmakonzern BMS übernimmt für 2,5 Milliarden US-$ die Firma Inhibitex, einen Spezialisten für Hepaititis-C- Medikamente.

2,5 Milliarden US-$ investiert der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS), um das Unternehmen Inhibitex aus Atlanta (USA) zu übernehmen. Ein entsprechendes Abkommen wurde, wie beide Unternehmen mitteilten, Anfang Januar 2012 unterzeichnet.

Wichtigste Substanz von Inhibitex ist ‚INX-189‘, ein oraler Nukleotid-Polymerase-Inhibitor (NS5B). Die Substanz wird derzeit in Phase-II-Studien zur Behandlung der Hepatitis C untersucht. Sie soll ersten Daten zufolge gegen verschiedene Genotypen von Hepatitis C wirksam sein und eine hohe Resistenzbarriere haben.
BMS sieht in dieser Substanz-Klasse den potentiellen Grundbaustein einer möglichen zukünftigen Standard-Therapie gegen Hepatitis C. Inhibitex hat weiterer Substanzen der Klasse der Nukleotid-Polymerase-Inhibitoren in der vorklinischen Entwicklung.

BMS ist im Bereich der Infektionskrankheiten bisher u.a. mit Aids-Medikamenten am Markt. Der Blockbuster von BMS, ein Blutverdünnungsmittel, hat nach Auslaufen von patenten zunehmdenden Wettbewerbsdruck durch Generika.

Der Börsenwert von Inhibitex hatte sich 2011 verdreifacht. Den Aktionären von Inhibitex bot BMS am 7.1.2011 einen Kaufpreis von 26$ je Aktie in bar, dies entspricht einem Aufpreis von 163% zum Schlusskurs vom vorangegangenen Freitag.

Der Pharma-Markt steht derzeit unter grossem Kostendruck. Weitere Überhamen und Fusionen werden erwartet. Zudem bauen zahlreiche Unternehmen Personal ab; allein BMS hat sein Personal in der jüngeren Vergangenheit von 40.000 auf 26.000 deutlich reduziert.

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weitere Informationen:
BMS 07.01.2012: Bristol-Myers Squibb to Acquire Inhibitex
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Umsatz mit Aids-Medikamenten weltweit 2009 und 2010

Das umsatzstärkste Aids-Medikament weltweit war im Jahr 2010 Atripla® des Pharmakonzerns Gilead. Auf Platz 2: Truvada®, ebenfalls von Gilead.

Nahezu 3 Milliarden US-Dollar Umsatz erzielte der Pharmakonzern Gilead im Jahr 2010 allein mit seinem Aids-Medikament Atripla® (2.927 Mio. $ 2010 gegenüber 2.382 Mio. $ 2009, plus 23%). Auf Platz zwei der umsatzstärksten Aids-Medikamente weltweit: das ebenfalls von Gilead vertriebene Truvada® mit einem Umsatz von 2.650 Mio. $ (plus 6,4% gegenüber 2.489 Mio. $ 2009).

Auf den weiteren Plätzen der Umsatz-Statistik 2010: Sustiva® (BMS) mit 1.368 Mio. $ (+7,1% gegenüber Vorjahr), Kaletra® (Abbott) mit 1.255 Mio. $ (minus 8,2%) und Isentress® (Merck/MSD) mit 1.090 Mio. $ (+45%). Es folgen Kivexa / Epzicom® (die Kombination aus den Wirkstoffen Abacavir und Lamivudin wird in den USA unter dem Handelsnamen Epzicom®, in den meisten anderen Staaten unter dem Handelsnamen Kivexa® vermarktet) mit 860 Mio. $ (+0,9%), Prezista® mit 857 Mio. $ (+45%), Viread® mit 732 Mio. $ (+9,7%) und Combivir® mit 563 Mio. $ (minus 15%).

Nooch im Jahr 2006 waren Truvada® (Gilead) und Kaletra® (Abbott) die beiden umsatzstärksten Aids-Medikamente weltweit.

Daten für die Umsätze des Jahres 2011 liegen noch nicht vor.

(Quelle der Daten 2009 & 2010: Statista, zitiert hier)

Kurz notiert … April 2011

28. April 2011: Ein Richter hat die vom New Yorker Bürgermeister vorgenommenen starken Kürzungen im Aids-Budget der Stadt zurück genommen.

Bereits am 13. April 2011 unterzeichnete Israel erstmals eine Kooperations-Vereinbarung mit UNAIDS.

20. April 2011: Der Pharmakonzern Abbott einigte sich in einem ‚class action lawsuit‘ mit Groß-Einkäufern von zweien seiner Aids-Medikamente auf eine Zahlung von 52 Millionen US-$.

18. April 2011: In Köln stirbt die Schauspielerin Stefanie Mühle an den Folgen von Krebs. In der Rolle der „Chris Barnsteg“ (1987 – 1991) hatte sie in der ARD-„Lindenstrasse“ den CSU- Politiker Peter Gauweiler wegen seiner Aids-Politik als „Faschisten“ bezeichnet.

17. April 2011: Zum Eurovision Song Contest ESC (früher Grand Prix) will die Düsseldorfer Aids-Hilfe mit einer besonderen Aktion präsent sein: „safer sex 12 points“.

16. April 2011: In Großbritannien bekommen erstmals serodifferente Paare Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP), um auf natürliche Weise ihren Kinderwunsch realisieren zu können.

14. April 2011: Atazanavir kann das Risiko für Nierensteine vierfach erhöhen, berichten britische Forscher.

13. April 2011: Die britischen Pfadpfinder habe ein neues Programm zur Sexualaufklärung bei 14- bis 18-Jährigen gestartet unter dem Titel „My Body, My Choice“.

12. April 2011: Die Zahl nicht Aids definierender Krebserkrankungen bei HIV-Positiven ist am Steigen, betont das National Cancer Institute der USA.

Trotz einer Finanzkrise des Medikamenten-Programms ADAP hat der Pharmakonzern Gilead in den USA die Preise für seine Aids-Medikamente zum Teil deutlich erhöht.

05. April 2011: Der kalifornische Porno-Produzent „Hustler Video“ wurde zu über 14.000 US-$ Geldstrafe verurteilt, weil bei Porno-Dreharbeiten keine Kondome verwendet wurden.

02. April 2011: „Du hattest ungeschützten Sex? Verhindere eine HIV-Infektion!“, wirbt eine Kampagne der New York School of Medicine für Post-Expositions-Prophylaxe (PEP).

Zwei Drittel aller Kinder, die nach Geburt gestillt wurden und mit HIV infiziert wurden, und deren Mütter antiretrovirale Therapie erhielten, hatten HIV mit Resistenzen gegen ein oder mehrere Medikamente, berichten Forscher.

01. April 2011: HIV-Positive sind bisher von Organspenden ausgeschlossen. Ist dies noch zeitgemäß?, fragt eine Studie – vor dem Hintergrund langer Wartelisten bei HIV-positiven potentiellen Organempfängern.

Eine sinkende Rate an neuen HIV-Infektionen, über sechs Millionen HIV-Positive weltweit erhalten antiretrovirale Therapien – die umfangreichen Investitionen in die globale Aids-Bekämpfung beginnen Früchte zu tragen, betont UN-Generalsekretär Ban ki-Moon.

Kurz notiert … Dezember 2010

22. Dezember 2010: Eine in Kenia geborene 28-jährige Frau wurde in Finnland zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Frau, die als ‚Erotik-Tänzerin‘ arbeitete, wurde vorgeworfen, zwischen 2005 und 2010 kondomlosen Sex mit 16 Männern gehabt zu haben, ohne ihren HIV-Status mitzuteilen.

Die US-Medikamentenbehörde FDA hat für die USA eine 200mg-Tablette von Etravirine (Handelsname Intellence®) zugelassen.

Die US-Medikamentenbehörde FDA hat erstmals einen Impfstoff auch zur Prävention von Anal-Karzinomen zugelassen (zur Anwendung bei Männern und Frauen im Alter von 9 bis 26 Jahren).

21. Dezember 2010: Der Pharmakonzern BMS erwirbt vom japanischen Unternehmen Oncolys BioPharma die Lizenz für den NRTI Festinavir. Die Substanz ist ein Derivat von d4T (Stavudin, Handelsname Zerit®). Festinavir soll Phase-I-Studien-Daten zufolge auch wirksam sein bei Resistenzen gegen Abacavir und Tenofovir. Für die weiteren Entwicklungsrechte zahlt BMS bis zu 286 Millionen US-$.

20. Dezember 2010: In den Vorgängen um die Verhaftung von Wikilekas-Gründer Julian Assange rückt immer mehr die Frage von Kondom-Benutzung und HIV-Test in den Vordergrund.

Ein Angeklagter vor dem Strafgericht Lüttich drohte dem Vorsitzenden, er werde den Richter mit HIV infizieren. Bevor er den Richter erreichte, überwältigten ihn Sicherheitsbeamte.

17. Dezember 2010: Auf den Zusammenhang zwischen der Verhaftung von Wikileaks-Gründer Julian Assange und den sehr repressiven HIV-Gesetzen in Schweden weist Edwin J. Bernard in seinem Artikel auf ‚Criminal HIV Transmission‘ hin.

In San Francisco hat am 10. Dezember 2010 das GLBT History Museum eröffnet. Betrieben wird es von der GLBT Historical Society.

16. Dezember 2010: Die USA und Südafrika haben eine auf fünf Jahren angelegte Partnerschaft zur Bekämpfung von Aids vereinbart.

15. Dezember 2010: Ein HIV-infizierter Amerikaner, der mit mehreren Frauen Sex ohne Kondom gehabt haben soll, wurde vom Landgericht Nürnberg-Fürth zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt. Damit wurde das Urteil erster Instanz des Amtsgerichts Neumarkt bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig.

14. Dezember 2010: Richard Holbrooke stirbt im Alter von 69 Jahren. Der US-Star-Diplomat war neben vielen anderen Aktivitäten auch gegen Aids engagiert, war z.B. maßgeblich am Zustandekommen der Sitzung (wie der daraus folgenden Resolution) des Welt-Sicherheitsrates zu Aids im Jahr 2000 beteiligt.

HIV-Positive mit erhöhten Triglyzerid-Werten haben auch ein erhöhtes Risiko für Neuropathien, so eine (online auf AIDS publizierte) Studie.

9. Dezember 2010: In Südafrika startet 2011 ein „real life“ – test der ‚test-and-treat‚-Strategie (möglichst viele Menschen auf HIV testen, als HIV-positiv diagnostizierte Menschen direkt antiretroviral behandeln). Die Studie wird von der französischen ANRS durchgeführt.

8. Dezember 2010: In London solle ein Aids-Memorial errichtet werden, dass an diejenigen erinnert, die an den Folgen von HIV-Infektion und Aids verstorben sind, fordert eine neue Kampagne.

6. Dezember 2010: Tabu, Scham & Co. – eine im Auftrag der DAH erstellte Studie untersucht, warum viele HIV-Infektionen spät erkannt werden.

„Großer Erfolg“ – die DAH berichtet über erste Ergebnisse der EMIS-Befragung.

4. Dezember 2010: Die European Medicines Agency (EMA) weitet die Zugangsmöglichkeiten der Öffentlichkeit zu Unterlagen über Medikamente aus.

3. Dezember 2010: Die US-Medikamentenbehörde FDA erteilt einem „1-Minute – HIV-Schnelltest für die USA die Zulassung.

Schweiz: R. Staub, im Bundesamt für Gesundheit zuständig für Prävention und Promotion im BAG, benennt den gewünschten „kulturellen Wandel“ in der HIV-Prävention: Menschen mit neuer HIV-Diagnose sollen sich per SMS bekennen und Sexpartner zu informieren.

In New York wurden am Rand eines Benefiz-Events mehrere Aids-Aktivisten verhaftet. Sie hatten gegen die Aids-Politik von New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg protestiert.

2. Dezember 2010: Die Polizei in Russland hat am Welt-Aids-Tag zehn HIV-Positive festgenommen, die gegen die Politik des Gesundheitsministeriums protestiert hatten.

Das Pharmaunternehmen Vertex hat in den USA einen Zulassungsantrag für den Hepatitis-C – Proteasehemmer Telaprevir gestellt.

1. Dezember 2010:Auch Menschen ohne einen legalen Aufenthaltsstatus haben Anspruch auf Behandlung, darauf weist die Bundesärztekammer hin („Patientinnen und Patienten ohne legalen
Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis“, pdf)

Der Pharmakonzern MSD hat nach Empfehlung des Sicherheits-Komitees eine Phase-III-Studie zur einmal täglichen Anwendung von Raltegravir (Isentress®) vorzeitig abgebrochen. Insbesondere bei HIV-Infizierten mit hoher Viruslast sei die virologische Antwort weniger gut gewesen als bei der zweimal täglichen Dosierung.

Pünktlich zum Welt-Aids-Tag startet auf Kuba eine neue Kampagne für Sexual-Aufklärung und Aids-Prävention.

In China wird ein Erstklässler wegen seiner HIV-Infektion nach Protesten anderer Eltern der Schule verwiesen.

Kurz notiert … September 2010

29. September 2010: Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria lässt seinen neuen Verwaltungssitz in Genf bauen, für 92 Mio. sFr. Die Fertigstellung ist für 2015 geplant.

Langwierige und kostspielige Bürokratie behindert in China eine adäquate medizinische Versorgung und Betreuung HIV-Positiver, so US-Forscher David Ho.

28. September 2010: Mit dem ‚Positive Justice Projectwendet sich erstmals ein landesweites Projekt in den USA gegen HIV-Positive kriminalisierende Gesetze. Das Projekt wurde gegründet vom ‚Center for HIV Law and Policy‚.

Francoise Barré-Sinoussi, Medizin-Nobelpreis-Trägerin und Mit-Entdeckerin des HIV, fordert in ‚Le Monde‘ für Frankreich Druckräume für Drogengebraucher: „Il est urgent d’ouvrir des centres d’injection supervisée de drogues“

27. September 2010: Mit dem Pharmahersteller Gilead hat erstmals ein Medikamenten-Hersteller im Aids-Bereich für noch Patent-geschützte Medikamente (hier: Atripla®, Truvada®) einen Rabattvertrag abgeschlossen, mit der AOK Berlin (gültig seit Juli 2010).

Robert Mugabe, diktatorischer Staatschef von Simbabwe, beabsichtigt die Einführung von HIV-Zwangstests im Land.

26. September 2010: Zukünftig soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Kostenübernahme für ein neues Medikament nur noch ablehnen können, wenn er dessen Unzweckmäßigkeit beweisen kann. Eine entsprechende als pharmafreundlich betrachtete Änderung plant die Bundesregierung.

20. September 2010: Das Mikrobizid ‚Pro2000‘, ein vaginal anzuwendendes Gel, hat in einer Studie keine Wirkung gezeigt.

18. September 2010: In Russland wurden Aids-Aktivisten verhaftet. Sie hatten gegen Versorgungsprobleme bei Aids-Medikamenten protestiert. Die Versorgungsprobleme haben bereits zu Therapie-Unterbrechungen geführt.

In einem Film über den an den Folgen von Aids verstorbenen Sänger der Gruppe ‚Queen‘  Freddy Mercury soll Sascha Baron Cohen (bekannt u.a. aus ‚Borat‘) die Hauptrolle übernehmen.

16. September 2010: HIV-positive Patienten hatten einen ähnlichen Verlauf wie HIV-Negative bei Infektionen mit H1N1 („Schweinegrippe„), berichten spanische Forscher.

US-Forscher berichten, dass inzwischen über ein Drittel der Fälle von Kaposi Sarkom bei HIV-Positiven mit mehr als 250 CD4-Zellen auftreten.

Die HIV-Prävention bei schwulen Männern in Frankreich benötigt neue Ansätze – die Neu-Diagnosezahlen sind hoch. Wissenschaftler des französischen Public Health Instituts behaupten, die HIV-Infektion sei bei schwulen Männern in Frankreich „außer Kontrolle“.

14. September 2010: Das Durchfallmittel Loperamid ist unter bestimmten Voraussetzungen wieder verordnungsfähig.

10. September 2010: Apotheken dürfen ihren Kunden in geringem Umfang Preisnachlässe auf verschreibungspflichtige Medikamente gewähren, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. I ZR 193/07, 72/08 u.a.). Über die Frage, ob die deutscher Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente auch für im Ausland sitzende Internetapotheken gilt, wird der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe später befinden.

9. September: Die Bundesregierung plant offenbar, sich aus dem Global Fonds zur Bekämpfung von Aids. Tuberkulose und Malaria zurückzuziehen. Zahlreiche Organisationen protestieren.

8. September 2010:  Der US-Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) erwirbt die Biotech-Firma Zymo Genetics für 885 Mio. US-Dollar. BMS will damit u.a. sein Portfolio an Substanzen gegen Hepatitis C stärken.

7. September: Bei der Entlassung des IQWIG-Chefs Peter Sawicki spielte auch das Bundeskanzleramt eine Rolle, berichtet SpON.

6. September 2010: Ein Drittel aller HIV-Positiven haben posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). Darauf weisen britische Forscher hin.
Im Epidemiologischen Bulletin 35/2010 des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden Ergebnisse zur Erarbeitung von Standards in der Prävention von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) durch die Arbeitsgemeinschaft „Sexuelle Gesundheit“ vorgestellt.

4. September 2010: Dürfen Kliniken HIV-Patienten ambulant behandeln? Nein, sagt das Sozialgericht Hannover – und setzt damit einen Streit fort, der seit langem zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken entbrannt ist.

2. September 2010: „Wenn einer verantwortlich ist, dann bin ich das.“ Der Staatspräsident Kubas Fidel Castro bedauert die Hetze gegen Schwule in Kuba und übernimmt die Verantwortung. Zu einer etwaigen Entschädigung äußert er sich nicht.

BMS reagiert auf Proteste

Versorgungs-Krise mit Didanosin? Zahlreiche Organisationen protestieren, der Pharmakonzern BMS wiegelt ab.

Der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb plant, eine Fabrik in Frankreich zu schließen. In dieser wird eine Formulierung des Aids-Medikaments Videx® hergestellt, die insbesondere bei Babys und Kleinkindern eingesetzt wird. Experten befürchten durch die Schließung und Verlagerung der Produktion eine monatelange Versorgungskrise bis zur Wiederaufnahme der Produktion in den USA Mitte 2011..

Experten der Organisation UNITAID sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen forderten daraufhin den Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) auf, seine Fabrik in Frankreich nicht zu schließen. Die Versorgung mit einem wichtigen Aids-Medikament dürfe nicht unterbrochen werden.

ACT UP Paris protestierte am 23. Juni 2010 vor dem französischen Konzern-Sitz von BMS gegen die Schließung und das Verhalten des Konzerns.

23. Juni 2010 – ACT UP Paris protestiert gegen BMS (Foto: ACT UP Paris)

Inzwischen reagierte der Pharmakonzern BMS auf seiner Internetseite auf die Proteste. Das Unternehmen teilte mit, man sei zusammen mit allen Beteiligten engagiert dabei, für Patienten die Versorgungssicherheit zu garantieren. Es gebe derzeit eine angespannte Situation, aber keine Versorgungs-Unterbrechungen.

ACT UP Paris bezeichnete die Stellungnahme von BMS als wenig überzeugend. BMS bestätige vielmehr erneut seine Verachtung für die Belange von Menschen mit HIV und Aids.

weitere Informationen:
ACT UP Paris 29.06.2010: Videx : BMS ne convainc pas, mais confirme son mépris pour les malades du sida
ACT UP Paris 23.06.2010: 7000 enfants en danger de mort – Bristol Myers Squibb : profits criminels
BMS Frankreich 23.06.2010: Information concernant Videx® (Didanosine) et son changement de lieux de production
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UNITAID und Community-Organisationen fordern Pharmakonzern auf, Fabrik für Aids-Medikament nicht zu schließen (akt.)

Experten der Organisation UNITAID sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen fordern den Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) auf, seine Fabrik in Frankreich nicht zu schließen. Die Versorgung mit einem wichtigen Aids-Medikament dürfe nicht unterbrochen werden.

Der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) beabsichtigt, seine Fabrik in Frankreich zu schließen. Diese Schließung droht nun, die Versorgung von Babys und Kleinkindern mit einem lebenswichtigen Aids-Medikament zu gefährden.

In der Fabrik in Frankreich wird das Aids-Medikament Didanosin (Handelsname Videx®) hergestellt, u.a. in der Dosierungen 25mg. Die Organisation UNITAID erwirbt diese Medikamente mit Unterstützung der Clinton Health Access Initiative (CHAI), um damit 4.000 bis 7.000 Babys unter 10kg Gewicht in 40 Ländern zu behandeln.

UNITAID befürchtet, dass durch die Fabrik-Schließung bis zur Eröffnung einer neuen Produktionsanlage zwischen Juni 2010 und April 2011 die Behandlung und damit das Leben dieser Kindern aufgrund des fehlenden Medikaments gefährdet seien könnte. Didanosin sei für diese Babys die letzte Therapieoption.

UNITAID

UNITAID fordert in einem offenen Brief, der online auf dem Internetangebot der Fachzeitschrift The Lancet publiziert wurde, den Präsidenten von BMS Lamberto Andreotti auf, umgehend auf Anfragen zu reagieren. Die Schließung der Fabrik ist seit 2008 bekannt. UNITAID fordert vor allem aufzuzeigen, wie eine Unterbrechung der Therapie vermieden werden kann. Zudem bitten sie um Bestätigung, dass die Produktion von Didanosin in einer neuen Produktionsanlage in den USA 2011 wieder aufgenommen wird.
BMS-Sprecherin Sonia Choi betonte unterdessen, die neue Fabrik in den USA werde sofort nach der Zustimmung der Behörden im Februar 2011 ihren betrieb aufnehmen. Die Fabrik im französischen Meymac werden wie geplant im Rahmen von Produktions-Rationalisierungen in diesen Monat endgültig geschlossen.

Vor der Schließung habe BMS die Produktion von Didanosin erhöht, um einen Vorrat entsprechend dem zweifachen Bedarf des Jahres 2009 vorrätig zu haben. Dennoch werde es voraussichtlich zu Versorgungsproblemen kommen, da die Nachfrage nach dem Produkt jüngst unerwartet gestiegen sei. Gegenwärtig könne die Nachfrage aber befriedigt werden; man unternehme alles, um Störungen möglichst gering zu halten. Generische Versionen von Didanosin 25mg würden auch von anderen Unternehmen hergestellt, diese seien von der Weltgesundheitsorganisation WHO jedoch bisher nicht für die Verwendung durch US-Behörden zugelassen.

Didanosin war einst eines der ersten zugelassenen Aids-Medikamente. In den meisten industrialisierten Staaten spielt Didanosin in der Therapie der HIV-Infektion u.a. aufgrund von Nebenwirkungen (Lipoatrophie) kaum noch eine Rolle. Da es kostengünstig bei hoher Wirksamkeit ist, hat es jedoch insbesondere in wenig entwickelten Staaten eine Bedeutung als Aids-Medikament der zweiten Wahl (wenn erste Therapien versagt haben).

UNITAID ist eine internationale Einrichtung zum Erwerb von Medikamenten gegen HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose. Sie wurde im September 2006 auf Initiative Brasiliens und Frankreichs hin gegründet.

weitere Informationen:
The Lancet online 07.06.2010: Open letter to Lamberto Andreotti, Chief Executive Officer, Bristol-Myers Squibb (pdf, ai)
UNITAID
guradian 07.06.2010: HIV babies‘ lives at risk in drug giant’s plans to close factory, claim NGOs
usinenouvelle.com 30.09.2008: BMS ferme deux sites en France
Reuters new media 07.06.2010: Group urges Bristol to protect HIV-drug for babies

ACT UP Paris 09.06.2010: sida : Bristol Myers Squibb, Children serial killer
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Merck Top, Abbott Flop – US-Aktivisten bewerten Pharma-Konzerne

Gute Noten für den Pharmakonzern Merck, letzter Platz für den Multi Abbott – so lautet das Resüme eines Rankings von Pharmakonzernen, das US-Aids-Aktivisten vorgenommen haben.

Wie gut sind die Bemühungen führender Pharmakonzerne im Kampf gegen Aids in den USA?
US-amerikanische Aids-Aktivisten der Gruppe ATAC (Aids Treatment Advocacy Coalition) bewerteten neun auf dem Gebiet der Aids-Medikamente bedeutende Pharmakonzerne (Abbott Laboratories, Boehringer Ingelheim, Bristol-Myers Squibb, Gilead Sciences, GlaxoSmithKline, Merck, Pfizer, Roche und Tibotec Therapeutics).

Die Unternehmen wurden in 5 Kategorien bewertet: Entwicklungs-Portfolio neuer Substanzen und Vorhaben, Zugang zu Medikamenten, Preispolitik, Beziehungen zu HIV-Communities sowie Marketing-Praktiken.

Eindeutiges Resultat: der Pharmakonzern Merck (in Deutschland MSD auf dem Markt) gewann den ersten Platz, während der US-Multi Abbott das eindeutige Schlusslicht bildete.

ATAC Report Card (c) ATAC
ATAC Report Card (c) ATAC

Das ernüchternde Resüme von ATAC:

„the majority of pharmaceutical companies are not developing innovative, new long-term treatment options that offer improved efficacy, safety and tolerability when taken for decades“

Bob Huff, einer der Leiter von ATAC, wies darauf hin, dass selbst die besten der derzeit verfügbaren Aids-Medikamente nicht dafür entwickelt wurden, auf sichere Weise für einen derart langen Zeitraum eingenommen zu werden, wie Menschen mit HIV sie voraussichtlich benötigen werden.

Der Report zeige, so ATAC, dass einige Pharmakonzerne einen eindeutig besseren Job verrichten würden als andere Unternehmen. Ein Kriterium, das den erfolgreicheren Unternehmen gemeinsam sei, sei ein frühzeitiges Einbinden von Communities schon während früher Phasen der Medikamenten-Entwicklung.

ATAC gibt in dem Report auch klare Empfehlungen an Pharma-Unternehmen, wie sie den Bedürfnissen der Patienten besser gerecht werden könnten. Dies betreffe insbesondere Sicherheit und Wirksamkeit neuer Substanzen.

weitere Informationen:
ATAC 10.09.2009: Most Pharmaceutical Companies Receive Poor Grades on HIV/AIDS Drug Development Innovation, According to AIDS Treatment Activist Coalition Report Card (pdf)
New York Times 10.09.2009: AIDS Activists Issue Grades to Drug Companies
POZ 10.09.2009: ATAC Releases Pharmaceutical Company HIV/AIDS Report Card
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Enthaltsamkeit vom Pharmakonzern?

Pharmakonzerne stellen Medikamente her. Und betätigen sich gelegentlich in sozialen Projekten und Zusammenhängen. In Kanada gibt’s von einem Pharmakonzern, der auch Aids-Medikamente herstellt, auch Enthaltsamkeit empfohlen.

„Are you at risk?“ lautet der englische Untertitel der Kampagne „One Life – Une Vie“, mit der sich der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS), Hersteller zahlreicher Aids-Medikamente, schon seit einiger Zeit in Kanada in der HIV-Prävention engagiert.

Die Kampagne weist einige Merkwürdigkeiten auf, wie die französische Organisation „the warning“ in einem Artikel betont.

One Life - Screenshot (Ausschnitt)
One Life - Screenshot (Ausschnitt)

So kann der interessierte Leser, die interessierte Leserin auf der (englischen und französischen) Website der Kampagne in einem Test das individuelle HIV-Risiko ermitteln.
Oder?
Gefragt wird u.a. danach, ob man/frau jemals ungeschützten Sex hatte, Sex unter Drogen, oder Sex mit einem/r HIV-Positiven.
Fragen nach Risiko-Faktoren, die insgesamt sinnvoll erscheinen mögen (wenn man sich auch als HIV-Positiver ungern als Risikofaktor bezeichnen lässt).
Bemerkenswert allerdings: selbst wer unverändert alle Antworten auf die 10 Fragen bei „nein“ belässt, bekommt (auch unabhängig vom angegebenen Geschlecht) als Antwort

„Your result: Based on your answers you are at risk of contracting the HIV virus.“

Ooops – keine Risikofaktoren, nichts angegeben – aber doch ein HIV-Risiko?
Wozu dann die Fragen?
Seriöse Tests sehen anders aus?

Erstaunt fragt sich der Betrachter zudem, wie denn die kurz darauf angegebene Auswertung aller bisherigen Test-Teilnehmer

Overall results:
62 % of respondents are at risk
42 % of males respondents
20 % of females respondents

zustande kommen kann – wenn alle Ergebnisse des Tests immer zu dem Resultat „you are at risk“ führen?

Noch spannender wird die Site, wenn es zu konkreten Ratschlägen kommt, wie man/frau sich denn vor HIV schützen könne.

„Wer hätte je gedacht, dass das ABC auch vor HIV schützt?“, fragt dort der Pharmakonzern BMS. Und hat auch gleich die Antwort parat: vor HIV-Infektionen schützen Abstinenz (sexuelle Enthaltsamkeit), (sexuelle) Treue (nur ein Partner), sowie Kondome.

Abstinenz, Treue, Kondome – die einzigen Strategien, sich vor einer HIV-Infektion zu schützen? Die wirksamsten? In dieser Reihenfolge?

„the warning“ zeigt sich in dem Bericht erstaunt, dass zahlreiche Aids- und Community-Organisationen (auch Organisationen von HIV-Positiven) laut Angaben der Sites „Partner“ dieser Kampagne sind. Die französische Organisation hat den Pharmakonzern aufgefordert, sich zu den Merkwürdigkeiten zu äußern.

Ist der Papst neuerdings Vorstandsvorsitzender von BMS?, mag man sich angesichts dieser Kampagne, ihrer Merkwürdigkeiten und Ratschläge erstaunt fragen.

Soziales Engagement auch von Unternehmen, Pharmakonzernen mag begrüßenswert sein, und eventuell auch Präventionskampagnen. Aber so?

Abstinenz, Treue und Kondome – das alte ABC einer Präventions-Politik, wie sie die US-Regierung unter dem früheren US-Präsidenten Bush vertreten hat. Eine Präventions-Politik, die nur zu oft schon ihr Versagen erwiesen hat.

Dass BMS diese „Informationen“ unter der Aufforderung „seperate fact from fiction“ präsentiert, mutet schon  beinahe zynisch an.  Abstinenz macht krank, ist kein tauglicher weg der HIV-Prävention, dies zeigen immer wieder Studien.

So werden Virus-Mythen befördert.
Wirksame HIV-Prävention sieht vermutlich anders aus …

weitere Informationen:
TheWarning 14.07.2009: Une vie… One life : BMS n’aime pas les séropos et les étrangers
„One Life – Une Vie“ – Kampagne in Kanada (englische Site are you at risk – französische Site)
TheWarning 21.07.2009: BMS n’y comprend vraiment rien à la prévention et ferait mieux de s’abstenir
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Angst zur Prävention … oder für den Umsatz?

Ein Pharmakonzern macht eine Präventions-Kampagnen. Oder ist es Marketing? Über eine umstrittene Hepatitis-Kampagne.

An viele Stellen der Stadt, besonders auf U.Bahn-Stationen, finden sich derzeit Plakate, die Angst machen (sollen).
Plakate mit Botschaften wie „Das Virus wartet, wo man es nicht erwartet“ wecken das Interesse. Und suggerieren, man müsse ein Virus, nein, das Virus erwarten. Und zwar da, wo man gar nicht mit ihm rechnet:

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Das Virus wartet, so die Plakate, wartet, nein lauert, im verborgenen natürlich, auf Nassrasierern, oder Nagelscheren. Rasierer oder Nagelset werden so zur heimtückischen Gefahrenquelle hochstilisiert.

Die Gefahr? Hepatitis B. Im unteren Bereich der Plakate wird informiert, u.a. über Infektionswege und dass nach einem test eine Behandlung möglich ist.

Die Plakate sind „eine Initiative“ der Deutschen Leber-Stiftung, der deutschen Leber-Hilfe e.V. sowie des Pharmakonzerns BMS (Bristol-Myers Squibb). Die Internetseite der Kampagne vermerkt zwar alle drei Träger, führt als Copyright aber auf jeder Seite BMS an, ebenso im Impressum BMS als (einzigen) Verantwortlichen.

BMS ist unter anderem Hersteller des Hepatitis-Medikaments Baraclude (Entecavir) und baut sein Hepatitis-Geschäftsfeld derzeit aus (u.a. Vereinbarung mit ZymoGenetics, das ein Medikament gegen Hepatitis C entwickelt, peg-Interferon lambda). International fährt das Unternehmen eine Kampagne unter dem Titel „Hope for Hep B.

Die Kampagne hat treffenderweise das Motto „Hepatitis B? Am besten testen!“.

Warum BMS diese Kampagne mit unterstützt, ist u.a. auf einer Marketing-Seite zu erfahren:

„Der Grund für diese Premiere sind neue Medikamente (aus dem eigenen Hause) – ist von BMS zu erfahren.“

Die Plakate sind nicht die einzige Aktivität von BMS zur Hepatitis. Radio-Redaktionen zum Beispiel bietet das Unternehmen z.B. einen „Kollegen-Talk“ (mit fertigem Ton-Material) als redaktionellen Beitrag an, mit O-Ton von Herrn Professor, und selbstverständlich hinweis auf wirksame Medikamente – und die Internetseite der Kampagne.

Als PR-Agentur ist an der Kampagne ‚Pleon‘ beteiligt. Jene PR-Agentur, in die einst im Jahr 2006 die frühere Bundes-Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) als Partnerin wechselte – als Leiterin des Gesundheits-Resorts.

Das Robert-Koch-Institut berichtet aktuell zur Hepatitis B in Deutschland:

„Generell zeigte sich in Deutschland in den vergangenen Jahren eine abnehmende Inzidenz der Hepatitis B. Besonders bemerkenswert ist der Rückgang des Anteils übermittelter Hepatitis-B-Erkrankungen unter
Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu früheren Jahren. … Sowohl die Inzidenz im jüngeren Erwachsenenalter als auch die angegebenen Expositionen deuten darauf hin, dass die sexuelle Übertragung von Hepatitis-B-Infektionen für Deutschland aktuell den häufigsten Übertragungsweg darstellt.“

Prävention ist sinnvoll, und wenn sich Partner aus der Industrie an Präventions-Kampagnen beteiligen, mag das unter Umständen auch sinnvoll sein.

Ob Angst ein Mittel der Prävention sein sollte, steht schon viel mehr in Frage.
Und wenn jede zweite Hausfrau demnächst aufgeregt in ihrer Waschtasche, in Necessaire oder Fußpflege-Set stochert, schaut, auf ihre Nagelschere blickt, hast du etwa …, ob das sinnvoll und zielführend ist, mag auch bezweifelt werden.

Wenn dann noch ein Hersteller Präventionskampagnen unterstützt, die zum Test (und damit indirekt zur Behandlung) aufrufen – letztlich mit von ihm hergestellten Medikamenten, dann bleibt da mindestens ein „Geschmäckle“.

Eine Konstellation, in der die Hersteller von Medikamenten, in der internationale Pharmakonzerne direkt die Präventions-Kampagnen für die Indikationsgebiete ihrer eigenen Produkte machen – kann nicht wünschenswert sein. Kaum vorstellbar, dass dann Marketing und Gesundheitsförderung noch auseinander gehalten werden können, dass dann nicht die ökonomischen Interessen überwiegen.

Nebenbei, sich als Selbsthilfe-Gruppe in derlei Marketing-Aktivitäten einbinden zu lassen, könnte sich schnell als zweifelhaftes ‚Vergnügen‘ erweisen …

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weitere Informationen:
Robert-Koch-Institut 18.05.2009: „Virushepatitis B, C und D im Jahr 2008“, in Epidemiologisches Bulletin 20/2009
Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (Hrsg.): Leitlinie „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus-(HBV)-Infektion“ (pdf)
Pleon 06.07.2006: Bundesgesundheitsministerin a. D. Andrea Fischer wird Partnerin am Standort München
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