Macht Aids etwa sexy? Oder die Aids-Medikamente? So manche Pharma-Werbung scheint den Eindruck zu erwecken – nun auch beim CSD.
Viel zu selten wird diskutiert, welche Rolle Pharma-Werbung für Aids-Medikamente (da nach Heilmittelwerbegesetz untersagt, oft mühsam verbrämt als „Image-Werbung“ für das Engagement des jeweiligen Unternehmens) spielt. Welche Bilder sie vermittelt, welche Wirkungen und Folgen diese Bilder zeitigen.
Der geschätzte Blogger-Kollege Clamix hat beim Besuch des Kölner CSDs auch Beobachtungen zum Auftreten der Pharmaindustrie gemacht und seinen Eindruck auf den Punkt gebracht:
„Ein vom HIV-Medikamenten-Hersteller Abbott gesponsorter Wagen hat ein besonders erfolgreiches Casting schöner, durchtrainierter Tanzkörper hinbekommen. Ein echter Hingucker! Fast wünscht man sich, auch infiziert zu sein, um endlich diese Pillen schlucken zu dürfen.“
Aids macht sexy?
Attraktive Pillen?
Harmloses Aids?
Die Realität: alles andere als das.
Aids-Medikamenten-Werbung, die mit den Realitäten des Lebens mit HIV nicht viel zu tun hat. Die falsche Bilder vermittelt, verharmlost. Aids-Medikamenten-Werbung, wie wir sie aus den USA seit dem legendären „strunzigen Proteasehemmer-Bergsteiger“ (natürlich nur fit dank xyz) kennen, wie sie leider immer mehr auch hier Einzug hält.
Solcherlei verharmlosende, beschönigende, irreführende Bilder füllen bereits seit langem die Seiten zahlloser Homo-Magazine, besonders der gratis-Blättchen. Im übelsten Fall noch gekoppelt mit einem Artikel im Heft, der selbstverständlich nicht als „Werbung“ deklariert ist, vielmehr auf den unbefangenen, wenig kritischen Leser als redaktioneller Artikel scheinen mag (und wohl auch soll).
Dass solcherlei nun auch noch als „Party-Wagen“ in CSDs auftaucht, macht diese falschen, in die Irre führenden Bilder nicht besser, ganz im Gegenteil.
Ob es sich lohnt, mit der Pharmaindustrie über ihre Werbepraxis zu sprechen? Ich hab da meine Zweifel.
Aber CSD-Veranstalter: ein CSD-Veranstalter, der meint, sich für seine Communities einzusetzen, sollte sich fragen, ob nach Körperpflege, Bier und Fitnessriegel nun auch Pharmawerbung „einfach so“ tatsächlich Bestandteil eines CSDs sein sollte. Vor allem, wenn sie verharmlosende Bilder propagiert, die Gefahr laufen, erfolgreiche Präventionsbemühungen zu konterkarieren.
Und es wird erneut deutlich, warum das Vorhaben der EU, an Patienten gerichtete Pharma-Werbung zu erlauben, mit allergrößter Skepsis zu sehen ist.
Weitere Informationen:
Clamix 06.07.2009: Christopher Street Day
Steven Milverton 08.07.2009: CSD Köln: Laute(r) Einfallslosigkeit
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Das erinnert mich an die Werbung/Anzeigen für HIV Medis die die Pharmaindustrie ab Mitte der 90er Jahre in vielen Scene/Gay Magazinen geschaltet hat. „Durchtrainierte, braungebrannte Körper mit Six Pack in Party Stimmung“ dank Medis von XYZ. Seht her HIV is doch gar nicht so schlimm. Dieserart war das Bild das die Anzeigen implizierten. Chefredakteure die Kritik daran übten das dieses Bild nicht der Realität entsprach, HIV verharmlosten und sich Mitsprache erbaten, wurden seitens der Pharmaindustrie damit gekontert das man ja auch woanders seine Anzeigen schalten könne. „Entweder so oder gar nicht“. Für viele Magazine hätte dies das „Aus“ bedeuted.
Diese Art der verharmlosenden Botschafte von HIV hat u.a. imo auch dazu beigetragen das in den Köpfen Vieler ein Bild entstanden ist, das HIV doch gar nicht so schlimm ist. Frei nach der WerbeKampagne eines großen Pharmaunternehmens:“HIV? Da gibts doch was“.
Solche sichtbaren Scenarien – ob in der Werbung TV, Kino oder wie auf dem CSD fließen unbewußt in das Bewertungsverhalten von Entscheidungsträger in der Politik, den Behörden, Ämtern wie z.b. der medizinischen Dienste, die für das placet einer Rente oder den Grad der Behinderung in einem Schwerbehindertenausweis zuständig sind, mit ein.
Pillen sind allenfalls bunt, nicht hübsch. Wer will schon ne chronische Krankheit mit allen Nebenwirkungen?
Auf dem CSD (Parade und Straßenfest) waren ja auch verschiedene Gruppen, die das Thema HIV/AIDS von der Präventionsseite her beackerten (lassen wir mal dahingestellt, ob immer mit dem ‚richtigen‘ Ansatz). Wenn dann der Abbott-Showtieflader vorbeirauscht, stellt sich der gemeine Sexsucher schon die Frage, warum all die Umstände mit Kondomen und so, wenn’s doch so hübsche bunte Pillen gibt….
Mir fällt nur ein Wort ein: Zynisch!