Nadja Benaissa: war Outing durch Staatsanwaltschaft unzulässig?

Mitte April 2009 wurde die Popsängerin Nadja Benaissa ohne ihr Wissen und Wollen durch die Staatsanwaltschaft Darmstadt als HIV-positiv geoutet. War dies zulässig? Nein, meint eine juristische Seminararbeit.

Mitte April 2009 wurde Nadja Benaissa, Sängerin der Pop-Band ‚No Angels‘, unter dem Vorwurf der fahrlässigen HIV-Übertragung verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wandte sich mit Informationen zu dem Fall, insbesondere auch zur HIV-Infektion von Frau Benaissa, an die Presse und Öffentlichkeit.

War dieses ‚Outing‘ durch die Staatsanwaltschaft zulässig?
War das Verhalten, die Medien proaktiv zu informieren, vom Informationsrecht der Medien gedeckt?
Oder kollidierte es mit dem höher einzuschätzenden Recht auf Privatspähre, gerade in einer solch stark die Privatheit angehenden Angelegenheit weie eine HIV-Infektion?

Die Staatsanwaltschaft geriet bald in Kritik, und auch der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn – der die Vorwürfe jedoch als „unbegründet“ zurück wies.

Die grundlegende Frage, gerade im aktuellen Fall, wie steht es um das Verhältnis von Informationsrecht der Öffentlichkeit und Recht der Person auf Privatsphäre ist damit jedoch weiterhin nicht beantwortet.

Eine Seminararbeit an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock fragt nun dazu, wie es um die „Rechtliche Zulässigkeit der staatsanwaltschaftlichen Offenlegung der HIV-Infektion im Fall Nadja Benaissa“ steht.

Die 17seitige Seminar-Arbeit beschäftigt sich mit Ansprüchen und Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit der Ermittlungsbehörden sowie den Grundrechten der Pressefreiheit und den allgemeinen Persönlichkeitsrechten der Beschuldigten.

Bei der Abwägung von Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechten betont der Autor

„Der freiwillig Auskunft gebende Staatsanwalt kann sich nicht ohne weiteres auf den Informationsauftrag der Presse oder das Informationsinteresse der Öffentlichkeit berufen. Eine vom Leiter einer Staatsanwaltschaft veranstaltete Pressekonferenz mit der Preisgabe persönlichkeitsbezogener Daten kann nicht ohne weiteres mit dem Grundrecht der Pressefreiheit gerechtfertigt werden, das eine offensive Informationspolitik fordere.“

Er betont den (höheren) Rang der Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten und konstatiert eine

„Ungleichrangigkeit der widerstreitenden Rechtsgüter …: während das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschuldigten Verfassungsrang genießt, ist ein solcher für einen Informationsanspruch der Presse gegen die Staatsanwaltschaft nicht gegeben“. Und später: „Vielmehr setzt sich das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als gegenüber dem Informationsinteresse der Presse höherrangiges Gut regelmäßig durch.“

Der Autor kommt nach mehrfachen Abwägungen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu dem Schluss

„Deshalb sei hier abschließend betont, dass es sich bei der Meldung der Darmstädter Staatsanwalt bezüglich der HIV-Infektion einer jungen Frau um eine jener grundrechtliche geschützten Information handelt, die niemals ein so hohes öffentliches Interesse hervorrufen können, dass sie in der Abwägung zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht zulässig sind. Frau Benaissa stünde damit ein verfassungsrechtliches Auskunftsverbot seitens der Staatsanwaltschaft zu.“

Danke an MgN!

weitere Informationen:
„Rechtliche Zulässigkeit der staatsanwaltschaftlichen Offenlegung der HIV-Infektion im Fall Nadja Benaissa“, Seminararbeit zum Kommunikationsrecht am Juristischen Seminar der Universität Rostock (Prof.Dr. Gersdorf) (Sommersemester 2009)

7 Gedanken zu „Nadja Benaissa: war Outing durch Staatsanwaltschaft unzulässig?“

  1. Auf alle Fälle setzt es imo einen Top Anwalt und einen langem Atem voraus. Beides dürfte mit immensen Kosten verbunden sein. Grundsätzlich ist es an der Zeit hier wie auch in anderen Bereichen die HIV Positive betreffen bzw Aspekte die mit HIV immer wieder in Verbindung gebracht werden endlich einige Grundsatzurteile zu erwirken.

  2. Sorry, aber ich möchte hier einfach mal vermuten, dass auch Pinarello nicht unbedingt einen rechts- oder Staatsanwalt darstellt. wer Hiv diagnostiziert bekommt, der wird auch über die Krankheit aufgeklärt. unter anderem auch darüber, dass die Krankheit ansteckend sein kann, besonders bei ungeschütztem sex. wer dies billigend in kauf nimmt, selbst wenn die Ansteckungswahrscheinlichkeit ’nur‘ bei maximal 0,82% liegt, der handelt imho nicht fahrlässig oder grob fahrlässig, sondern einfach vorsätzlich. ich kann bei dem Krankheitsbild schlecht damit argumentieren, dass es kurzfristig entfallen war, dass man infiziert ist. Für mich ist das vorsätzlicher Mord auf Raten!

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