‚Superinfektion‘ – immer wieder wird dieses Thema gerne reißerisch dargestellt, zur großen Gefahr für HIV-Positive aufgebaut. Was ist dran am Risiko, sich erneut mit HIV zu infizieren? Und für wen?
Superinfektion, das bedeutet im Kontext HIV zunächst, dass ein Mensch, der bereits mit HIV infiziert ist, sich erneut mit einem weiteren HI-Virus ansteckt.
‚Hat er ja schon, ist er halt doppelt positiv, aber was solls‘, mag man zunächst denken.
Doch es gibt verschiedene HIV -Stämme, die auch unterschiedlich virulent sein können. Und es gibt Resistenzen – HIV kann sich so verändern, dass Medikamente nicht mehr wirksam sind. Bei einer Superinfektion könnte also auch ein weiteres HIV übertragen werden, die (super-) infizierte Person plötzlich Therapie-Optionen verlieren.
Schon aufgrund dieses Risikos ist die Frage einer Superinfektion immer wieder Diskussionsthema unter Positiven, nicht nur in Bareback-Debatten.
Aber – wie konkret ist dieses Risiko?
Immer wieder berichten Wissenschaftler von Einzelfällen, in denen eine Superinfektion beobachtet wurde. Nachdem mehrere Studien Anlass zu der Vermutung gegeben hatten, dass eine Superinfektion vermutlich nur in einem relativ frühen Infektionsverlauf erfolgen kann, wurde nun auch über HIV-Superinfektionen bei chronisch HIV-infizierten Positiven berichtet.
Doch – für wen besteht ein Risiko einer Superinfektion?
Wenn eine erfolgreiche Therapie (Viruslast unter der Nachweisgrenze) die Infektiosität senkt, müsste dies auch für die Frage der Superinfektion relevant sein. Das Risiko einer HIV-Superinfektion müsste bei erfolgreich durchgeführter antiretroviraler Therapie vermutlich niedriger sein, oder?
‚Keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs‚, hatte die Schweizer Aids-Kommission erst jüngst festgestellt. Gilt dies also auch für die Frage der Super-Infektion?
Prof. Heribert Kentenich zu dieser Frage:
„Nach derzeitigem Kenntnisstand ist eine Superinfektion in der chronischen Phase der Infektion wahrscheinlich selten. Wenn beide Partner erfolgreich antiretroviral behandelt werden, kann eine Superinfektion als extrem unwahrscheinlich eingeschätzt werden.“ (‚Erfahrungen des Reproduktionsmediziners‘, in: MedReport Nr. 4, 32. Jg. 2008)
Auch Prof. Hirschel, einer der Autoren des Schweizer Beschlusses, hat sich dazu auf thewarning in einem Interview geäußert:
Kann man die Aussage, dass das HIV-Übertragungsrisiko unter den Bedingungen Viruslast unter der Nachweisgrenze und keine STDs vernachlässigbar gering ist, auch darauf ausdehnen, dass ein HIV-Positiver (unter den genannten Bedingungen) einen ebenfalls HIV-Positiven Sexpartner nicht superinfizieren kann (unabhängig davon ob dieser selbst eine erfolgreiche Therapie durchführt oder nicht), fragte thewarning, und Hirschel antwortet kurz und eindeutig „Ja“.
Entsprechend betont die Deutsche Aids-Hilfe für den umgekehrten Fall:
„Menschen mit HIV, die noch keine Therapie machen oder gerade in einer Therapiepause sind, können sich beim ungeschützten Sex mit einem HIV-positiven Partner mit einer weiteren Virusvariante anstecken (‚Superinfektion‘) …“ (Deutsche Aids-Hilfe e.V., „therapie? 2008 – Basis-Informationen zur Behandlung der HIV-Infektion“)