Schwein gehabt! – als Positiver auf Islolier-Station mit Schweinegrippe

Die ‚Schweinegrippe‘ (A/H1N1) geht durch die Medien. Die Impfung wird nach und nach in den Arzt-Praxen verfügbar. Schweinegrippe und HIV – geht das gut? Das Robert-Koch-Institut empfiehlt auch Menschen mit HIV, sich impfen zu lassen.

Aber – soll ich wirklich?, fragen sich viele.

Inzwischen haben sich in Deutschland auch die ersten HIV-Positive mit ‚Schweinegrippe‘ infiziert, sind erkrankt und im Krankenhaus behandelt worden.
Ein Erfahrungsbericht von Sven Hanselmann (vermutlich der erste HIV-Positive mit ‚Schweinegrippe‘) über seine Zeit auf der Isolierstation:

Schwein gehabt!
von Sven Hanselmann

„Schwein gehabt!“ hat jeder schon mal, auch ich vor einer Woche. Mich hatte es voll erwischt: die Schweinegrippe brachte mir die Isolationshaft der Klinik ein. Wer jetzt glaubt das Schwänzchen ringelt sich oder es wachsen einem Schweinsohren (die bekomme ich beim Bäcker ums Eck), der irrt.

Sie kam spektakulär und schnell mit Fieber und Schüttelfrost und ging auch so schnell wie sie gekommen war.

In der Presse war ja viel zu lesen in den letzten Wochen, kein Tag ohne Schweinegrippe-Meldungen oder Artikel. Jetzt kommt einer hinzu.

Der Verlauf ist ganz kurz beschrieben, sie verläuft wie eine ganz normale Grippe, bei mir genau und typisch wie die normale Influenza. Erst ein bisschen Schwächegefühle am ersten Tag. Dann langsam das Fieber hochfahren und am Ende hilft noch nicht mal das Paracetamol am dritten Tag um die Symptome zu lindern.
Der Tag an dem ich mich entschied in die Klinik zu gehen war besagter Morgen des dritten Tages, den ich erst mal 4 Stunden mit Mundschutz in der Notaufnahme verbringen durfte. Ich weiß jetzt zumindest,  dass meine Lunge altersentsprechend ausschaut und keine Spuren des intensiven Zigaretten-Konsums zu sehen sind (das Alter des Autors wurde auf Wunsch heraus genommen, es ist altersentsprechend so viel sei verraten). Da schmeckt einem die Zigarette gleich doppelt so gut.

Abgeholt wurde ich von einer komplett vermummten Pflegefachkraft des Vertrauens, die mich dann samt Bett in die Isolationshaft fuhr.
Nach 2 Liter Infusionen und Fieberfreiheit fühlte ich mich auch schon wieder so fit, am späten Nachmittag Besuch zu empfangen. Meine Freunde pilgerten in Scharen zu mir in die Isolation und fanden es nur amüsant,  Ganzkörperschutzkleidung überziehen zu müssen, um mich zu sehen zu können. Das einzige, was einem bei dem Anblick der vermummten Gestalten noch einfällt ist „Rita reichen sie mir bitte das Skalpell“. Ich kam mir vor wie in einem OP.

Besuch auf Isolierstation ...
Besuch auf Isolierstation ...

Schlimmer als drei Tage auf- und abfiebern und das ewige Schwitzen machte mir doch am 2. Tag des Aufenthaltes die Isolationshaft zu schaffen, Langeweile machte sich breit. Das Zimmer schien doch vom Vortag zu heute geschrumpft zu sein. Am 2. Tag war ich schon wieder fieberfrei und hatte nur noch meinen Husten und wenn ich zu viel erzählte keine Stimme mehr, der ein oder andere hätte sich jetzt sicher gefreut, mich mal sprachlos zu sehen. Leider muss ich diejenigen enttäuschen: Sie ist wieder voll da.

Ich fand es diesmal auch mal nicht schlimm das Essen mit Latexhandschuhen serviert zu bekommen, was gerne wegen der bestehenden der HIV-Infektion geschah, hier war ja dann die Schweinegrippe vorrangig. Mein Lieblingssatz im Arztbrief lautet: „Ferner hat der Patient eine tablettenpflichtige HIV Infektion“. Klingt ein wenig nach einer tablettenpflichtigen Diabetes Erkrankung.

Kleines Mitbringsel
Kleines Mitbringsel

Eine willkommene Abwechslung war der Besuch der Seelsorgerin. Sie erschien ohne Mundschutz und Haube und zuckte nur kurz als ich ihr mitteilte wegen dem Verdacht der Schweinegrippe isoliert zu sein. Der Blick ging dann auch öfters zur rettenden Tür, ob sie mittlerweile weiß das ich wirklich Schweinegrippe hatte ließ sich leider nicht in Erfahrung bringen.

Nach sechs Tagen kam die Erlösung, die Entlassung mit den Worten, dass heute früh endlich der bestätigte Befund der Schweinegrippe eingetroffen ist. Da es mir so schnell wieder besser ging, war mir Tamiflu erspart geblieben. Ich hätte da auch gerne meine Erfahrung mitgeteilt, dies muss ich leider verwehren. Vielleicht klappt es ja beim nächsten mal.

Mein Resumee: Man(n) muss sie nicht haben, liegt aber im Trend, wenn man sie hatte. Und es lohnt seine Freunde komplett vermummt zusehen, ein verkannter Modetrend des Winters 2009, den man sicher öfter zu sehen bekommt.

Danke an Sven für den Bericht!

4 Gedanken zu „Schwein gehabt! – als Positiver auf Islolier-Station mit Schweinegrippe“

  1. Wie, noch nicht mal Tamiflu? Jedenfalls bin ich froh, dass es Sven wieder gut geht. Liebe Grüße aus Berlin….

    Ich frage mich allerdings, ob die Schweinegrippe nicht doch ein gut zu verkaufendes Medienprodukt geworden ist. Sicher, ein bei Mensch und Tier funktionierendes Virus ist einigermaßen neu (nun gut, die Geflügelgrippe hatten wir auch schon), aber wie viele „normale“ Grippetote gibt es in Deutschland jedes Jahr (laut rki durchschnittlich 9-11 Tsd – in Jahren mit heftigen Grippewellen durchaus auch das Doppelte). Da spricht niemand von Pandemie. Die Impfung gegen die „normale“ Grippe wird von den wenigsten genutzt. Aber schön wenn Medien und die Politik sich um die Gesundheit sorgen und nebenbei noch Schlagzeile um Schlagzeile produzieren können. Lass ich mich gegen H1N1 impfen? Ich weiß es nicht.

  2. Pingback: Stationäres Update (I) » Station 9.111
  3. So sehr mich die Vorstellung fasziniert, Sven mal sprachlos zu erleben:
    ich bin froh, daß Du´s hinter Dir hast – wir brauchen deine Stimme!

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