Die Deutsche Aids-Stiftung unterstützt eine Berliner Gruppe HIV-positiver Schwimmer – doch diese fürchten nun um ihre Anonymität und Vertraulichkeit. Die Stiftung verlangt neuerdings Fotos – auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung.
20 Jahre wird sie dieses Jahr alt, die Schwimmgruppe ‚Positeidon‘ der Berliner Aidshilfe. Was Ende der 1980er Jahre als reine Selbsthilfe gegen zunehmende Probleme HIV-Positiver und Aids-Kranker beim Besuch öffentlicher Bäder begann, entwickelte sich zur heute mit über 70 Mitgliedern größten Selbsthilfegruppe der Berliner Aidshilfe. Der Schwimmgruppe steht die historische Halle des Stadtbades Berlin – Charlottenburg mit ihrem 25-m-Becken zur alleinigen Nutzung zur Verfügung.
Positeidon schreibt selbst:
„Ende der achtziger Jahre gab es für HIV-positive und an Aids erkrankten Menschen zunehmend Probleme bei der Benutzung von öffentlichen Bädern; entweder wurden sie von anderen Badegästen wegen begleitender, äußerlich sichtbarer Erkrankungen gemieden oder sie trauten sich selbst damit nicht in die Öffentlichkeit. Vom Berliner Senat wurde daher seit dem Jahr 1990 auf Initiative der Berliner Aids-Hilfe einer Gruppe von SchwimmerInnen die kleine Halle des Stadtbades Charlottenburg jeweils für eine Stunde in der Woche zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt. Dieses Angebot der BAH wurde von Anfang an gern und rege in Anspruch genommen. Hieraus hat sich bis heute unter dem Namen Positeidon die größte Selbsthilfegruppe der Berliner Aids-Hilfe entwickelt, die eine Möglichkeit zur ungezwungenen und diskriminierungsfreien Begegnung für Menschen mit HIV und Aids bietet. Auch heute noch bietet die körperliche Bewegung im Wasser eine gute Möglichkeit zur ganzheitlichen Gesundheitsvorsorge.“
Während der Berliner Senat die Halle ursprünglich ohne zusätzliche Kosten zur Verfügung stellte, war damit einige Jahre nach der Privatisierung der Bäderbetriebe Schluss. Inzwischen muss die Berliner Aidshilfe für die Nutzung des Bades durch ‚Positeidon‘ zahlen, jährlich ungefähr 2.000€ an Eintrittsgeldern plus seit März 2009 eine ‚Wassergebühr‘ pro Nutzungs-Tag von 100€.
Die Berliner Aidshilfe, die die Gelder zunächst aus eigenem Spendenaufkommen aufbrachte, wandte sich an die Deutsche Aids-Stiftung DAS mit der Bitte um Unterstützung, und diese erklärte sich dankenswerterweise auch bereit das Projekt finanziell zu unterstützen. Doch – die Stiftung hat ihre Bewilligungs-Bedingungen scheinbar geändert.
Die Deutsche Aids-Stiftung benötigt für ihre Unterlagen Nachweise darüber, dass ihre finanziellen Leistungen zweckgemäß eingesetzt werden. Dafür fordert sie nun von der Berliner Aidshilfe BAH nicht nur schriftliche Nachweise und Belege ein, sondern auch eine namentliche (!) Liste der Teilnehmer sowie Fotos, die die teilnehmenden (HIV-positiven) Schwimmerinnen und Schwimmer das geförderte Projekt zeigen sollen. Diese Fotos sollen nicht nur zur internen Dokumentation verwendet werden, sondern auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung.
Mitglieder der Schwimmgruppe reagierten zunächst überrascht und schockiert. Mit Unmut und Unverständnis wurde die Forderung nach Fotos zur Kenntnis genommen. Die Ängste von Teilnehmern rühren auch daher, dass bei weitem nicht alle offen mit ihrer HIV-Infektion umgehen. Sie erwarten, dass ihre Anonymität auch weiterhin gewahrt werden kann – und dass Aidshilfe und vor allem auch Aids-Stiftung dieses Schutzbedürfnis respektieren. Einige Teilnehmer äußerten die Befürchtung, nun nicht mehr an der Schwimmgruppe teilnehmen zu können – da dies nun anonym nicht mehr möglich sei, sie sich mit den Fotos als HIV-Positive ‚outen‘ müssten.
Die Berliner Aidshilfe AH konnte die Forderung der Namensliste zunächst abwenden – die Fotos werden von der Stiftung jedoch weiterhin gefordert. Die BAH ist weiterhin in Kontakt mit der Deutschen Aids-Stiftung, um eine für die HIV-positiven Teilnehmer tragbare Lösung für das ‚Foto-Problem‘ zu finden.
Update
(1) 12.02.2010 14:00 : Die Stiftung verlangt nach Aussage der BAH keine namentliche Teilnehmerliste – hier wurden von Personen, mit denen ich gesprochen habe, zwei verschiedene Sachverhalte vermischt. Die Stiftung fordere allerdings auch weiterhin nachdrücklich „Bildmaterial“, jedoch nicht explizit mit identifizierbarer Abbildung aller Teilnehmer. Siehe dazu auch Kommentar #3 von Jens Ahrens, HIV-Referent der BAH.
(2) 12.02.2010 15:45 : Die Stiftung hat inzwischen u.a. wie folgt Stellung genommen: „Um Fotos bitten wir bei nahezu jeder Projektbewilligung. Dass wir uns hier im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch der Teilnehmer nach Anonymität und den Erfordernissen für eine erfolgreiche Spendenakquise bewegen, ist uns bewusst. Dem tragen wir jedoch Rechnung, indem wir die Übersendung von Fotos immer als Bitte und nicht als Auflage formulieren. Wir akzeptieren, wenn einzelne Teilnehmer oder die gesamte Gruppe keine Fotos von sich machen lassen wollen oder nur zu solchen bereit sind, bei denen die Person/die Personen nicht zu erkennen ist/sind.“
Die Fotos hält die Stiftung für gerechtfertigt: „Von Ihrer Kritik an unserer aktuellen Vergabepraxis bleibt allenfalls die Frage, ob schon die Bitte um Fotos den Teilnehmern solcher Projekte zuviel abverlangt. Wir meinen nein.“
Hinweis: Die Deutscher Aids-Stiftung wurde am 11.02. um Stellungnahme angefragt, die bisher nicht eingegangen ist. Nach Vorliegen werde ich den Text entsprechend aktualisieren. erl., siehe Update 2
Outing als HIV-Positiver – unfreiwillig, für den Mittelnachweis, gar für die Öffentlichkeitsarbeit der Aids-Stiftung? Das Vorgehen der Deutschen Aids-Stiftung bestürzt. Ob ein HIV-Positiver mit seinem Serostatus offen umgeht oder nicht, sollte ausschließlich ihm allein überlasen bleiben. Das Recht auf Anonymität ist zu wahren, gerade auch in und von Aids-Organisationen. Ein offener Umgang kann nicht aus verwaltungstechnischen Gründen oder gar für das eigene Marketing erzwungen werden.
So sehr ein wirtschaftlicher Umgang mit Spendengeldern sinnvoll und begrüßenswert, das Bemühen um Akquisition neuer Spenden verständlich ist – eine Sensibilität im Umgang mit dem für viele HIV-Positive wichtigen Thema Diskretion und Datenschutz scheint hier seitens der Deutschen Aids-Stiftung nicht gerade deutlich ausgeprägt zu sein. Schon für den internen Nachweis scheint das Verlangen von Namenslisten und Fotos davon zu zeugen, dass in der Stiftung Mitarbeitern die Lebenssituation von Menschen mit HIV vielleicht nicht recht vertraut ist. Diese Fotos auch noch für die Öffentlichkeitsarbeit zu verwenden, und dies zur Bedingung für eine Unterstützung zu machen, scheint inakzepatbel.
Dies gilt umso mehr, als dieser Vorfall nicht der einzige dieser Art zu sein scheint – die Stiftung scheint generell ihre Bewilligungs-Bedingungen geändert zu haben. Auch von einem von der Aids-Stiftung unterstützten Bowling-Projekt wurden Fotos zur Dokumentation verlangt. Die Bowler konnten sich behelfen, indem sie für die Fotos (die bisher noch nicht an die Stiftung weitergegeben wurden) Bowling-Kugeln vor ihre Gesichter hielten – eine Alternative, die den Schwimmerinnen und Schwimmern mangels ‚Hilfsmitteln‘ kaum bleibt.
Da die Änderung der Bewilligungs-Bedingungen der Aids-Stiftung wohl bundesweit gelten dürfte, ist zudem auch von der Stiftung geförderten Projekten in anderen Städten zu empfehlen, aufmerksam zu prüfen, welche Nachweise verlangt werden, und wofür diese verwendet werden sollen.
Der Vorgang zeigt darüber hinaus wieder einmal deutlich, dass die Deutsche Aids-Stiftung gut beraten wäre, offen HIV-Positive Menschen in ihre Strukturen beratend einzubinden – auch um die Sensibilität für Themen wie Datenschutz zu erhöhen und eine größere Nähe der Stiftungsarbeit zu Alltagsproblemen von Menschen mit HIV zu gewährleisten. Ganz im Sinn der Satzung der Stiftung – dort ist zu lesen „Die Deutsche Aids-Stiftung will die Lebensbedingungen von HIV-positiven und an Aids erkrankten Menschen verbessern …“.
weitere Informationen:
Berliner Aidshilfe: 20 Jahre Positeidon
.
Absurd sowas! Sind wir im Zoo das wir Menschen zeigen müssen? Wenn Projekte es wollen gezeigt zu werden, ist das legitim, aber so nicht. Besonders da auch noch ALTHIVLER unter ihnen sind, die halt gedeckt bleiben müssen, aber auch bei NeuHivler sollte der Schutz wenn sie nicht Öffentlich sein wollen gewahrt bleiben.
Ich als Privat Person, den es mega scheiße ging in den 90ern mit 180 T4 Zellen hatte mal ein Antrag gestellt, zur Nebenkostenabrechnung, da ich Heizkosten so hoch hatte gefroren hatte wie ein 80 jähriger und ob Sie mir helfen. Ich musste mein HIV Staus per Einschreiben schicken, das ich auch positiv bin. Dafür zahlte ich beim Arzt damals 15 DM noch! Nee, is klar!? Dachte 2010 wären wir menschlicher geworden! Gruß Uwe Görke
Kommentar von Jens Ahrens (HIV-Referent, Berliner Aids-Hilfe e.V.)
Die Deutsche AIDS Stiftung (DAS) bittet in der Tat seit geraumer Zeit um Material, das durch die DAS geförderte Projekte, wie zum Beispiel Positeidon, bildhaft darstellt. Jedoch wurde seitens der DAS gegenüber der Berliner Aids-Hilfe e.V. (BAH) zu keinem Zeitpunkt gefordert, Menschen in diesen Projekten so abzulichten, dass diese erkennbar wären. Die BAH würde einem solchen Begehren auch niemals nachkommen. Es ist grundlegend und selbstverständlich für die BAH und ich denke, für alle Aids-Hilfen, die Anonymität von Menschen mit HIV/Aids zu sichern und ein unfreiwilliges Outing unter allen Umständen zu verhindern. Dies gilt selbstverständlich auch für die das namentliche Nennen von Personen.
Die im obigen Artikel enthaltene Information, die DAS hätte Namen der Mitglieder der Schwimmgruppe eingefordert, ist falsch.
Personenbezogene Daten erhebt die DAS bei Einzelanträgen. Dazu zählen auch Gruppenreisen, wie der Krankenreise, da auch diese Reiseform von der DAS wie ein Einzelreiseantrag der Teilnehmenden aufgefasst wird. Die Reisenden müssen, um den Stiftungszuschuss zu erhalten, einen Einzelantrag stellen. Das in obigem Artikel gezeigte Bild stammt von der Krankenreise der BAH. Alle auf diesem Bild gezeigten Personen haben ihre Zustimmung zur Veröffentlichung gegeben.
Die DAS begründet ihre Bitte um Bildmaterial mit dem Wunsch, das Wirkungsfeld der DAS potenziellen SpenderInnen besser darstellen zu können. Aus meiner Sicht ergibt sich hier die eigentliche Frage. Ist es Aufgabe der regionalen Aids-Hilfen und anderer Organisationen, die Projektförderungen aus Mitteln der DAS erhalten, die Öffentlichkeitsarbeit der DAS mit zu bedienen? Meine Antwort lautet: es gehört nicht zu deren Aufgaben. Es ist die Verpflichtung der DAS, ihrem Stiftungszweck zu entsprechen und geeignete Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit umzusetzen.
Kooperation ist immer möglich. Meinerseits besteht kein Einwand, zusammen mit den Projekten zu überlegen, wie die Umsetzung von Projektmitteln der DAS medial aufbereitet werden kann, solange es von den Projekten getragen und gewollt ist, zweitens unberührt von der Projektmittelzusage erfolgt und drittens die Projekte von ihrem eigentlichen Handlungsziel nicht abgehalten werden.
Die Zusicherung von Anonymität ist, wie gesagt, grundlegend.
Jens Ahrens
@ Jens Ahrens
danke für die zusätzlichen und korrigierenden Informationen – die ich nach unserem Telefonat auch oben im Text berücksichtigt habe.
die forderung der stiftung nach bildmaterial scheint mir bei projekten, die sich direkt an menschen mit hiv wenden, weiterhin unsensibel und fragwürdig. bei wohnprojekten kann man sicherlich ein haus abbilden – schwimmgruppen jedoch finde ich ein fragwürdiges anliegen
finde ich auch. Und da sind wir als Aidshilfe gefordert. Wir stehen dazu mit der DAS in regem Kontakt
Ja, die Deutsche AIDS-Stiftung….*seufzzz* In früheren Zeiten haben die ja wirklich gut und viel geholfen. Heute ist das eher zäh geworden. Man fragt sich, wofür die noch gut sind? Um so wichtiger finde ich, dass wir Schwulen (und Lesben) mit der ARCUS-Stiftung unsere „eigene“ Stiftung gründen, damit Hilfe und Förderung irgendwann mal wieder schnell und unbürokratisch laufen kann.
http://www. arcus-stiftung.de (Top!), nur leider nicht für jeden Zahlbar 250,00€ um Bronce zubekommen übig….(gehöre auch dazu).
LG, Uwe
Die Stiftung fragt doch sogar bei jedem Antrag auf Einzelhilfe nach einem HIV-Nachweis!
„Bitte legen Sie einem Erstantrag einen Original HIV-Nachweis (keine Kopie) mit Unterschrift und Stempel des Arztes bei.“
und dann wollen die auch noch (freiwillig) wissen, wie man sich infiziert hat.
Alles nachzulesen im Antrag für Einzelhilfe
http://www.aids-stiftung.de/fileadmin/redaktion/pdfs/Einzelhilfe-Antrag_Direkt.pdf
Ich möchte nicht wissen, welche Sammlung an Daten über HIV-Positive sich dort inzwischen aufbgebaut hat – dagegen sind Rosa Listen bestimmt gar nix!
Die Stiftung will schon lange ein Attest von Antragsteller und speichert die Daten aus dem Antrag. Seit wann auch die Daten der „im Haushalt lebenden Personen“ abgefragt werden, ist mir nicht bekannt, aber sicher werden auch diese Daten gespeichert. Zumindest enthalten die Anträge seit einiger Zeit den Hinweis, dass die Daten gespeichert werden – aber auch dazu musste die DAS aufgefordert werden.
Es bleiben doch viele Fragen: Warum ist die Angebe des Geburtslandes nicht freiwillig? Warum ist die Satzung geheim und wird nur „an Gerichte und Finanzämter versandt“? …..
2002 hat „Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz“ die „telefonische Auskunft über Anträge und Antragsteller“ moniert – heute gibt es sogar eine Hotline mit „Sprechzeiten der Mittelvergabe“.
@Kai
Welche Satzung meinst Du? Diese hier? http://www.aids-stiftung.de/ueber-uns/satzung/
@ alivenkickn – DANKE, da hab ich nicht richtig auf der Seite nachgesehen, mein Post bezog sich auf ein Schreiben der DAS von 2002, da war die Satzung noch geheim.
Nun, da ich mir die Seite nochmal genauer angesehen habe, stellen sich nur noch mehr Fragen.
In der Satzung steht: „Es ist sicherzustellen, dass im Kuratorium auch Mitglieder vertreten sind, die fachliche Kompetenz im Bereich der HIV-Infektion und AIDS-Erkrankung aufweisen (…)“ nun ja, ich möchte weder Frau Köhler, Frau Elsner oder den anderen Mitglieder fachliche Kompetenz absprechen aber…..
Und sicher leistet beispielsweise eine Oberkirchenrätin der Nordelbischen Kirche im Stiftungsrat eine gute Arbeit – aber auch in diesem Gremium kein Vertreter der s.g. Community zu finden, verwundert mich schon.
Wenn ich es recht sehe, sind nur im s.g. Fachbeirat Vertreter aus dem Bereich HIV/AIDS aber nicht im Stiftungsrat oder Kuratorium.
Ich finde auch keine Stelle an die sich ein Antragsteller bei Unstimmigkeiten (wie im o.g. Fall) wenden kann.
ich hab ja schon lange den Eindruck, dass wir Positive hierzulande der Stiftung inzwischen nur noch lästig sind, eine Pflicht, die man abarbeiten muss, aber für die man sich nicht engagiert.
Muss man ja auch verstehen, diese Stiftung, mit Bildern vom armen, ausgehungerten farbgen Kindern in Südafrika lässt sich bestimmt besser Geld einweben als mit diesen lästigen Schwulen, Drogis und sonstigen Schmuddelkindern. …