HIV-Übertragung: Frische HIV-Infektionen hochgradig an Neu-Infektionen beteiligt

Eine neue Studie zeigt erneut, dass frisch erworbene HIV-Infektionen zu einem bedeutenden Teil an neuen HIV-Übertragungen beteiligt sind.

Forscher um Frederick Hecht untersuchten, welcher Zusammenhang zwischen der Viruslast einer neu mit HIV infizierten Person und der des übertragenden Partners besteht. Ein eindeutiger Zusammenhang, stellten sie fest: die Viruslast bei einer frischen HIV-Infektion wird bestimmt von der Viruslast des übertragenden Partners.

Die Forscher stellten in ihrer Studie etwas weiteres fest: nahezu zwei Drittel der Teilnehmer, die HIV übertrugen, waren selbst erst kurze Zeit mit HIV infiziert.

Die Forscher hatten 24 HIV-Positive identifizieren können, die erst sehr kurze zeit mit HIV infiziert sind. Diese teilten freiwillig mit, von welcher Person sie möglicherweise HIV erworben haben könnten. Diese wiederum wurden auf freiwilliger Basis kontaktiert; so konnten insgesamt 23 „Quell-Individuen“ identifiziert werden (einer hatte zwei Studienteilnehmer identifiziert). Die Übertragungen wurden mit phylogenetischen Untersuchungen bestätigt. Alle Teilnehmer waren schwule Männer.

Damit verstärken sich Hinweise, dass Menschen mit frischer HIV-Infektionen zu einem bedeutenden Teil an HIV-Neu-Infektionen beteiligt sind. Unterschiedlichen Studien gehen davon aus, dass die Hälfte bis zwei Drittel aller Neu-Infektionen mit HIV erfolgen im Kontakt mit Menschen, die selbst frisch mit HIV infiziert sind.

weitere Informationen:
Hecht et al.: „HIV RNA level in early infection is predicted by viral load in the transmission source“, AIDS 24 (abstract)
aidsmap 08.03.2010: Viral load in early HIV infection predicted by that of transmitting partner
aidsmap 26.03.2007: Primary HIV infection responsible for half of all HIV transmission in Quebec
iwwit-Blog 10.03.2010: Die Last mit der Viruslast
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Bemerkenswerterweise berichten weder die Studie noch der Bericht auf aidsmap, wie mit dem Problem der durch das Studiendesign bedingten Dokumentation von potentiell straf- oder versicherungsrechtlich relevanten Fragen umgegangen wurde.

12 Gedanken zu „HIV-Übertragung: Frische HIV-Infektionen hochgradig an Neu-Infektionen beteiligt“

  1. Ich halte das für nur gut ! Endlich ein Beleg dafür, dass die Ignoranten der massgebliche epidemiologische Faktor sind, nicht die positiv Diagnostizierten.

    Mit dem EKAF Statement und weiteren solchen Mosaiksteinen lässt sich bald endlich ein realistisches Verständnisbild erstellen.

  2. Warum sind es die „Ignoranten“? Eine weitere aktuelle englische epidemiologische Studie stellt fest, dass 50% der Transmissionen auf 25% der Infizierten zurückgeht, nämlich die, die frisch infiziert sind bzw. noch gar nichts von ihrer eigenen Infektion wissen.

  3. Es ist die mangelnde Verwendung von Kondomen, aufgrund psychosexueller Träume und Vorstellungen von Männlichkeit und Liebesbeweisen, die das verursachen. Der Übertragung ist es egal, ob frisch infiziert oder nicht. Nach dieser Logik könnten viele auf den Gedanken kommen, dass schon länger Infizierte ja harmlos sind…

    Ich staune immer wieder über solche Gedankenspiele, die ganz anders interpretiert werden, als die Diskutierenden je denken würden…

    Ich empfehle nach wie vor: Phil Langer: Beschädigte Identität, VS-Verlag 2009

  4. @ Thommen:
    nein – widerspruch!
    das ist einer der mythen, die nicht durch tatsachen gedeckt sind, im gegenteil.
    leider ist es der übertragung nicht egal ob frisch oder chronisch …
    in der phase mit frischer hiv-infektion ist die infektiosität im gegenteil besonders hoch
    siehe (als eine quelle unter vielen)
    „Hohe Infektiosität während HIV-Primoinfektion dauert lange“
    http://www.infekt.ch/index.php?artID=1335

  5. Bitte erklär mir mal den Unterschied! Hohe Infektiosität und normale Infektiosität. Aendert das etwas an der grundsätzlichen Infektion?

  6. @ Thommen:
    ich bin kein arzt, deswegen müsste ich dir jetzt anworten „… fragen Sie Ihren Arzt oder …“ 😉

    als medizinischer laie, zur vereinfachten erläuterung des sachverhalts und nicht als medizinischer rat: ja, es ändert sich etwas. die infektiosität ist m.w. abhängig von der menge virus (viruslast) an der region der infektion (sperma, blut, schleimhaut …). höhere viruslast = höhere infektiosität (und umgekehrt: es ist eine mindest-menge an virus erforderlich, um überhaupt eine infektion zu ermöglichen). in der phase der frischen infektion ist die viruslast zunächst im blut, anschließend im sperma (siehe link oben) sehr, tlw. extrem hoch.

    heißt in praxi:
    nicht bei jedem potentiell risikobehafteten kontakt findet eine infektion statt
    in der phase der frischen infektion ist die wahrscheinlichkeit einer tatsächlich stattfindenden infektion aufgrund der höheren viruslast deutlich höher
    und in der situation einer erfolgreich behandelten infektion sehr sehr sehr sehr … reduziert

    dies ist relevant, und zwar sehr. denn prävention, wenn sie erfolgreich sein will, bemüht sich nicht um dogmen, sondern um nähe zur lebensrelaität der menschen

  7. Vielen Dank! Das ist zwar sehr interessant. Aber daran denkt keiner, der geil oder verliebt ist. Schliesslich interessierte uns auch nie, mit welcher Geschwindigkeit das Sperma in der Gebärmutter auf das Ei trifft. Da hilft auch kein coitus interruptus mehr…

    Daher glaube ich nicht, dass das medizinisch Wichtige und Interessante auch zur breiten Prävention tauglich ist (sh. auch EKAF). Selten hat jemand Zeit genug, sich das alles vorher zu überlegen. Viele Leute verstehen schon diesen Zusammenhang nicht mehr.

    Was wir brauchen, sind Informationen, die jeder verstehen kann. Der Glaube an die Magie von männlichem Sperma oder das Gefühl, etwas Männliches in den Arsch zu zu bekommen, sind noch immer stärker als alle Prävention. Aber deswegen finden eben die Infektionen statt. Dies sind die Dogmen der Lebensrealität in einer heterosexuell dominierenden Kultur. Dass jeden Montag Mädchen und Frauen in die Bahnhofsapotheke in Zürich rennen, um die Pille danach zu kaufen, ergänzt es um die heterosexuelle Variante. Von Kondomen keine Spur.

  8. Und WAS brauchen wir Deiner Meinung nach? Informationen, die jeder verstehen kann? NUn dann mach doch mal ein Vorschlag wie solche eine „Information“, wie der Inhalt einer solchen Information Deiner Meinung nach lauten müßte. Kurz, knapp, prägnant und einprägsam . . . . . verständlich . . .

  9. Ich bin einer der „alten Bewegungsschwestern“, die nicht nur in der Liberalisierung „herumficken“ gelernt haben, sondern auch gemeinsame Gespräche darüber, wie und unter welchen Bedingungen gefickt werden soll…
    Anonymität ist schön und gut, aber das erfordert Verantwortung. Diese Verantwortung nicht nur für sich, sondern auch für den jeweiligen Sexualpartner ist etwas, wovor sich die meisten Heteros, Bisexuellen und Homosexuellen fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Ganz im Gegensatz zu den paar Wenigen, die sich am anderen Extrem der Homoehe festklammern.
    Aber die Heteroehe wäre schon längst demontiert, wenn es das Rotlichmilieu mit der exotischen Auswahl von Nutten aus allen Kontinenten nicht gäbe…

    Damit will ich zeigen, dass das Problem bei den Heteros einfach den Frauen zugeschoben wird (wie schon weiter oben erwähnt!). Und die meisten der heterosexuell lebenden Männer schieben es demnach den Homosexuellen zu. Also ist es im Männersex noch eine Stufe komplizierter, vor allem, weil trotz der Liberalisierung mit der Homosexualität, die meisten Ausübenden noch lange nicht „liberalisiert“ sind. Dazu kommt, dass am Verbindungspunkt zu den heterosexuellen Männern, diese meist „nur aktiv“ sind, wie bei ihren Frauen (ich weiss, kann nicht zahlenmässig belegt werden, ist aber von der gelernten Rolle her zu vermuten!). Dafür sehe ich sehr viele Homosexuellen, die sich in der Frauenrolle, oder einfach passiv anbieten und da fährt ER dann ganz schön ein – der Virus nämlich. (Siehe mein posting oben!)

    An diesem Beispiel sollte klar werden, dass es mit „Vorschlägen“ und mechanischen Handlungsanweisungen allein eben nicht getan ist, vor allem nicht von den Experten von oben herab!
    Das Internet wäre eine grosse Chance, aber die Männer sehen viel eher die Chance, sich anonym und „unbeeinflusst“ von Informationen, DEN Sex rasch zu holen, auf den sie so lange und so oft verzichten mussten! Ich sehe das an den negativen Reaktionen in Chats und Foren auf Hinweise zu Infektionsgefahren. Das zweite Argument nach der „Belästigung“ ist gleich dasjenige, es sei alles ja nur Fantasie und Spass. Wie wenn das alles ganz unschuldig vom Himmel fallen würde und keine Ausgeburt von homosexgeilen Männerhirnen wäre…

    Ob solche Männer überhaupt verstehen können und wollen, was EKAF verkündet hatte (besonders die Bedeutung der ärztlichen Begleitung und Kontrolle!) und was eine Primoinfektion bedeutet (Wir hatten eine Informationskampagne in der Schweiz über die erhöhte Ansteckung am Anfang) wage ich zu bezweifeln – besonders an den anonymen Reaktionen von Leuten.

    In unserer durchgeregelten Gesellschaft bleibt für die meisten die Sexualität immer noch DER Bereich, indem sie alle Regeln vergessen und sich einfach mal fallen lassen können…

  10. @ thommen
    unterdessen kommt sogar unaids und die who auf die idee, eine erfolgreiche therapie als mögliche prävention anzusehen.

  11. Da würde ich aber aufpassen: Eine Therapie ist nicht einfach Prävention. Eine wirksame Therapie senkt die Transmissionswahrscheinlichkeit gegen Null. Sonst sind wir bald bei den Vorstellungen einer Zwangstherapie. Machtphantasien alter public health Art…

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