Essen: HIV-Positiver angeklagt

Ein 33-jähriger HIV-posituiver Mann steht seit 27.8.2012 vor dem Essener Landgericht. Ihm wird vorgeworfen, seine Partnerin mit HIV infiziert zu haben.

Der HIV-Positive bestreitet und betont, immer ein Kondom benutzt zu haben. Ein virologischzes Gutachten (Abstammungs-Untersuchung) soll nun Klarheit schaffen.

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WAZ Essen 27.08.2012: HIV-Infizierter soll Partnerin heimtückisch angesteckt haben

Österreich: Seit 1.1.2012 Zwangs-Hiv-Tests

Seit 1.1.2012: Zwangs-Hiv-Tests
Rechtskomitee LAMBDA (RKL) unterstützt Antrag an den Verfassungsgerichtshof

Das Terrorismuspräventionsgesetz bringt auch eine Novelle der Strafprozessordnung. Seit 1.1.2012 sind gewaltsame Blutabnahmen bei Verdacht einer Ansteckung mit Hiv zulässig, obwohl die Verfassung zwangsweise Blutabnahmen verbietet. Eine Beschwerde liegt bereits beim Verfassungsgerichtshof.

Mit dem im Oktober 2011 verabschiedeten Terrorismuspräventionsgesetz wurden Zwangsblutabnahmen bei Verdacht des Vergehens der Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten (§ 178 Strafgesetzbuch) erlaubt. Bisher waren zwangsweise Blutabnahmen (bei nicht berauschten TäterInnen) nur bei Verdacht auf ein Sexualverbrechen oder auf ein (anderes) Verbrechen zulässig, das mit mehr als 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist.

Das ist seit 1. Jänner anders, obwohl der Verfassungsgerichtshof zwangsweise Blutabnahmen verbietet, weil niemand gezwungen werden darf, seinen Körper als Beweismittel gegen sich selbst zur Verfügung zu stellen. Die erste Beschwerde gegen die neue Befugnis der Kriminalpolizei liegt bereits beim Verfassungsgerichthof.

Der unbescholtene Antragsteller ist Hiv-positiv und beantragt die Aufhebung der Gesetzesnovelle. Die Staatsanwaltschaft (StA) hat gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts gem. § 178 StGB eingeleitet, weil ihn ein anderer Hiv-positiver Mann beschuldigt, ihn mit Hiv angesteckt zu haben. Tatsächlich hatte der Mann mit diesem anderen Mann vor Jahren einvernehmlichen sexuellen Kontakt, jedoch entsprechend den vom Gesundheitsministerium und den Aids-Hilfen propagierten Safer Sex Regeln, also mit Sexualpraktiken, bei denen eine Ansteckung nicht möglich ist (Oralverkehr ohne Ejakulation in den Mund).

Erpresst und angezeigt

Der mehrfach wegen Gewalt-, Suchtgift- und Vermögensdelikten vorbestrafte Anschuldiger hat die Anzeige, in der er ungeschützten passiven Analverkehr behauptete, erst Jahre nach dem sexuellen Kontakt erstattet und erst nachdem der Beschuldigte nicht bereit war, seine erheblichen finanziellen Forderungen zu erfüllen. Zudem hat er selbst in seiner Einvernahme angegeben, anderweitig ungeschützte sexuelle Kontakte gehabt zu haben und hatte er im Internet flüchtige sexuelle Kontakte („Sexdates“) gesucht mit einem Profil, auf dem angegeben war: „Safer Sex: Niemals“. Darüber hinaus ist dieser Mann nach seinen eigenen Angaben heroinsüchtig, und war daher, außer dem sexuellen noch anderen Übertragungswegen für eine Hiv-Infektion ausgesetzt.

Das gegen den Anschuldiger (wegen des Verdachts der schweren Erpressung) eingeleitete Strafverfahren wurde „wegen der widerstreitenden Aussagen“ sogleich nach Einvernahme der beiden Männer eingestellt. Nicht jedoch das Verfahren gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Gefährdung durch übertragbare Krankheiten (wofür bereits unsafer Sex ausreicht, ohne dass es zu einer Ansteckung gekommen ist). Auch hier bestanden widerstreitende Aussagen, jedoch begehrte der Staatsanwalt eine Blutuntersuchung (phylogenetische Untersuchung).

Gefahr der Verurteilung Unschuldiger

Eine phylogenetische Untersuchung kann aber eine Ansteckung nicht beweisen. Und phylogenetische Untersuchungen bergen das Risiko falscher Ergebnisse und von Fehlinterpretationen zu Lasten des Beschuldigten Es gibt (noch) keine Standards (Richtlinien) für die Durchführung dieser Analysen zu gerichtlichen Zwecken und ihre Ergebnisse werden von Gerichten leider immer wieder missverstanden und fehlinterpretiert. Darauf weisen UNAIDS und die EU-Grundrechteagentur seit Jahren hin.

Der Mann hat daher einer Blutabnahme nicht zugestimmt, weil er befürchten muss, auf Grund der Testergebnisse unschuldig verurteilt zu werden. Seit 1. Jänner muss er nun jederzeit die gewaltsame Abnahme einer Blutprobe fürchten und hat sich daher an den Verfassungsgerichtshof gewandt.

„Es ist unglaublich, dass die Regierungsparteien, gegen die Opposition, diese verfassungswidrige Regelung beschlossen haben“, sagt der Präsident des RKL und Rechtsanwalt des Antragstellers Dr. Helmut Graupner, „Es bleibt, wie so oft, die Hoffnung auf den Verfassungsgerichtshof“.

(Pressemitteilung Rechtskomitee LAMBDA)

HIV-‚Fingerabdruck‘: Experten fordern Richtlinien für Verwendung vor Gericht

Zahlreiche Experten fordern in einem Brief an die US-Fachzeitschrift ‚Nature‘ Richtlinien für die Anwendung der ‚phylogenetischen Analyse‘ (auch ‚HIV-Fingerabdruck‘). Die Grenzen der Technologie müssten deutlich gemacht und ihre Nicht-Eignung für einen direkten Übertragungs-Nachweis aufgezeigt werden.

In zahlreichen Staaten Europas stehen HIV-Positive vor Gericht. In Strafverfahren wird ihnen vorgeworfen, HIV auf andere Personen übertragen zu haben. Als Mittel der Beweisführung dienen dabei immer häufiger so genannte phylogenetische Analysen. Bei diesen ‘Abstammungs-Untersuchungen’ wird analysiert, wie nahe ‘verwandt’ das Erbgut des HIV von Person A mit dem Erbgut des HIV von Person B ist. Oft werden daraus Schlüsse gezogen, ob eine Person durch eine andere mit HIV infiziert worden ist. Diese Gutachten werden dann in strafrechtlichen Verfahren verwendet.

In einem Brief an das Wissenschafts-Magazin ‚Nature‘ betonen zahlreiche Experten nun, diese Technik solle nur innerhalb ihrer Möglichkeiten eingesetzt werden, man müsse sich ihrer Grenzen bewusst sein. Insbesondere sei kein Nachweis einer direkten Übertragung möglich – die phylogenetische Analyse könne nicht ausschließen, das HIV von Person A auf Person B durch unbekannte (in der Infektionskette dazwischen liegende) Dritte übertragen wurde, die nicht untersucht wurden.

Thomas Leitner vom Los Alamos National Laboratory und einer der Autoren des Briefes, betonte gegenüber Aids-Beacon

„We stress that there are limitations to what can be done, and that it is important that this type of analysis is done properly, and that the court is made aware of what can and cannot be inferred …“

Prof. Annemie Vandamme (Katholische Universität Leuven, Abt. Klinische und Epidemiologische Virologie), eine der Mit-Autorinnen des Briefes, kündigte gegenüber Aids Beacon an, sie arbeite bereits an einem Entwurf für eine Richtlinie, der in den kommenden Monaten vorgelegt werden solle.

Auch in einem im Februar 2011 in der Fachzeitschrift ‘The Lancet’ publizierten Artikel wiesen Experten darauf hin, dass es mit Hilfe einer phylogenetischen Analyse nicht möglich sei, definitiv festzustellen, ob eine Person durch eine konkrete andere Person mit HIV infiziert worden sei.

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weitere Informationen:
Nature 19.05.2011: Guidelines for HIV in court cases (abstract)
The Aids beacon 08.06.2011: Experts Call For Guidelines On Use Of “HIV Fingerprinting” In Criminal Cases
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Phylogenetische Untersuchungen bei HIV: Experten widersprechen eindeutiger Aussagekraft

Bei vielen Ermittlungen und Strafprozessen wegen des Verdachts auf HIV-Übertragung stellt sich die Frage, ob und wie nachzuweisen ist, dass Person A durch Person B mit HIV infiziert wurde. Hier kommen oft so genannte ‚phylogenetische Analysen‘ ins Spiel: bei diesen ‚Abstammungs-Untersuchungen‘ wird analysiert, wie nahe ‚verwandt‘ das Erbgut des HIV von Person A mit dem Erbgut des HIV von Person B ist. Nun jedoch äußern Experten Zweifel an der Aussagekraft dieser phylogenetischen Untersuchungen. Ein eindeutiger Beweis sei nicht möglich.

In einem jüngst in der Fachzeitschrift ‚The Lancet‘ publizierten Artikel weisen Experten darauf hin, dass es mit Hilfe einer phylogenetischen Analyse nicht möglich sei, definitiv festzustellen, ob eine Person durch eine konkrete andere Person mit HIV infiziert worden sie.

Phylogenetische Analyse: 'Abstammungs-Baum' am Beispiel der Verwandtschaft von HIV und SIV (Grafik: wikimedia / Theoretical Biology and Biophysics Group, Los Alamos National Laboratory)
Phylogenetische Analyse: 'Abstammungs-Baum' am Beispiel der Verwandtschaft von HIV und SIV (Grafik: wikimedia / Theoretical Biology and Biophysics Group, Los Alamos National Laboratory)

Prof. Anne-Meike Vandamme vom ‚Rega Institute for Medical Research‘ an der ‚Katholieke Universiteit Leuven‘, eine der Ko-Autorinnen des Artikels, wies darauf hin, phylogenetische Analysen seien eher geeignet, bestimmte Szenarien auszuschließen, sie könnten jedoch nie den positiven Beweis einer erfolgten Infektion erbringen:

„Phylogenetic analysis is more powerful in its ability to exclude certain scenarios. Phylogenetics can prove that people cannot have infected each other, but it can never prove that people infected each other.“

Die Experten warnen in dem Artikel vor missbräuchlicher Verwendung dieser ‚Fingerabdruck-Technik‘ und verweisen auf zahlreiche (im Artikel aufgeführte) Richtlinien für wissenschaftliches Arbeiten. Anders als DNA oder Fingerabdrücke seien HI-Viren eben nicht einzigartig nur jeweils in einem Individuum. Mehrere Menschen könnten äußerst ähnlich aufgebaute HI-Viren haben. Selbst innerhalb eines Individuums mutiere HIV so sehr, dass zwei zu verschiedenen Zeitpunkten genommene Proben verschiedene Ergebnisse lieferten. Dies bedeute, dass zwei HIV-Proben, selbst aus dem gleichen Individuum, niemals völlig identisch sein würden. HIV sei nicht identifizierend.

Prof. Vandamme erläuterte an einem Beispiel die Konsequenz: ein Mann (Person 1) infiziert einen anderen (Person 2). Dieser hat mit einem dritten Mann Sex, bei dem diese 3. Person ebenfalls infiziert wird. Wenn man das HIV des zweiten Mannes (der ‚in der Mitte‘ der Infektionskette ist) nicht habe, sondern  nur Proben von Person 1 und Person 3, dann werde man zu dem Schluss kommen, Person 1 habe Person 3 infiziert. Im Ergebnis könne nie zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass eine Person direkt eine konkrete andere Person infiziert habe.

Prof. Hills, Autor eines früheren Papers zu Verwendung phylogenetischer Analysen (sog. PNAS-Artikel) widersprach den Schlussfolgerungen aus dem Lancet-Paper. Er betonte, in bestimmten Fällen seien phylogenetische Analysen mit multiplen Stämmen beider Beteiligter sehr wohl geeignet, einen konkreten Infektionsweg nachzuweisen. Viele andere Forscher auf dem Bereich phylogenetischer Analysen waren hiervon nicht überzeugt.

Phylogenetische Untersuchungen werden auch in Deutschland vor Gericht in Strafprozessen gegen HIV-Positive eingesetzt (wie z.B. im März bei der Verurteilung eines 25jährigen Mannes in Rastatt).

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Auch in Deutschland werden phylogenetische Untersuchungen eingesetzt, auch mit dem Versuch, nachzuweisen dass Person A die Person B mit HIV infiziert habe. Folgt man dem Artikel in The Lancet, so ist mit diesen phylogenetischen Analysen genau dies jedoch eben nicht zweifelsfrei nachzuweisen – wohl aber unter Umständen, dass eine Infektion durch eine andere Person nicht erfolgte.
Angesichts zunehmender Kriminalisierung HIV-Positiver ein bedeutender Befund. Zumindest könnte der Lancet-Artikel bedeuten, dass die Interpretation der Ergebnisse phylogenetischer Untersuchungen (hinsichtlich eines Nachweises) umstritten ist.
Die Lancet-Autoren kommen zu dem Schluss: Negativ-Beweis möglich, Positiv-Beweis nicht eindeutig möglich. Dieses Ergebnis des Lancet-Artikels könnte weitreichende Konsequenzen für die Rechtsprechung haben.

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weitere Informationen:
The Lancet Vol. 11 Issue 2: Science in court: the myth of HIV fingerprinting, Abecasis A. et al. (online, nur mit Abo)
The AIDS Beacon 15.02.2011: Experts Express Concerns Over Use Of HIV Fingerprinting To Establish Proof Of HIV Criminal Transmission
Proceedings of the National Academy of Science (PNAS) Oktober 2010: Source identification in two criminal cases using phylogenetic analysis of HIV-1 DNA sequences, Scaduto et al. (abstract)
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HIV-Übertragung: Frische HIV-Infektionen hochgradig an Neu-Infektionen beteiligt

Eine neue Studie zeigt erneut, dass frisch erworbene HIV-Infektionen zu einem bedeutenden Teil an neuen HIV-Übertragungen beteiligt sind.

Forscher um Frederick Hecht untersuchten, welcher Zusammenhang zwischen der Viruslast einer neu mit HIV infizierten Person und der des übertragenden Partners besteht. Ein eindeutiger Zusammenhang, stellten sie fest: die Viruslast bei einer frischen HIV-Infektion wird bestimmt von der Viruslast des übertragenden Partners.

Die Forscher stellten in ihrer Studie etwas weiteres fest: nahezu zwei Drittel der Teilnehmer, die HIV übertrugen, waren selbst erst kurze Zeit mit HIV infiziert.

Die Forscher hatten 24 HIV-Positive identifizieren können, die erst sehr kurze zeit mit HIV infiziert sind. Diese teilten freiwillig mit, von welcher Person sie möglicherweise HIV erworben haben könnten. Diese wiederum wurden auf freiwilliger Basis kontaktiert; so konnten insgesamt 23 „Quell-Individuen“ identifiziert werden (einer hatte zwei Studienteilnehmer identifiziert). Die Übertragungen wurden mit phylogenetischen Untersuchungen bestätigt. Alle Teilnehmer waren schwule Männer.

Damit verstärken sich Hinweise, dass Menschen mit frischer HIV-Infektionen zu einem bedeutenden Teil an HIV-Neu-Infektionen beteiligt sind. Unterschiedlichen Studien gehen davon aus, dass die Hälfte bis zwei Drittel aller Neu-Infektionen mit HIV erfolgen im Kontakt mit Menschen, die selbst frisch mit HIV infiziert sind.

weitere Informationen:
Hecht et al.: „HIV RNA level in early infection is predicted by viral load in the transmission source“, AIDS 24 (abstract)
aidsmap 08.03.2010: Viral load in early HIV infection predicted by that of transmitting partner
aidsmap 26.03.2007: Primary HIV infection responsible for half of all HIV transmission in Quebec
iwwit-Blog 10.03.2010: Die Last mit der Viruslast
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Bemerkenswerterweise berichten weder die Studie noch der Bericht auf aidsmap, wie mit dem Problem der durch das Studiendesign bedingten Dokumentation von potentiell straf- oder versicherungsrechtlich relevanten Fragen umgegangen wurde.

Rastatt: 25jähriger HIV-Positiver wegen Körperverletzung verurteilt

Ein 25jähriger HIV-positiver Mann wurde in Rastatt zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, seinen Partner wissentlich mit HIV infiziert zu haben.

Am 8. März 2010 wurde ein 25jähriger Mann vom Amtsgericht Rastatt zu zweieinhalb Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Er habe seinen Partner wissentlich mit HIV infiziert.

Der 25jährige Mann wusste von seiner HIV-Infektion. Mit seinem 28jährigen Partner hatte er zwischen Juni 2007 und April 2008 wiederholt ungeschützten Sex. Zudem soll der vorbestrafte 25Jährige auch mit mindestens 13 weiteren weiteren Männern ungeschützten Sex gehabt haben, wie im Verlauf des Prozess deutlich wurde.

Seinen Sexpartnern soll er auf Nachfrage jeweils angegeben haben, nicht mit HIV infiziert zu sein. Seinem Partner soll er vor Beginn der Beziehung zudem versichert haben, er habe sich mehrfach auf HIV testen lassen, immer mit negativem Ergebnis, und habe Sex ausschließlich mit seinem Partner.

Der Partner des Angeklagten erfuhr bei einer Blutspende von seiner HIV-Infektion. Eine Abstammungs-Untersuchung der Viren (‚phylogenetische Untersuchung‘) hatte gezeigt, dass die HIV-Übertragung zwischen den beiden Männern stattgefunden habe.

Man habe mit einem „außergewöhnlichen Fall“ von gefährlicher Körperverletzung zu tun, bemerkte die Richterin in der Urteilsbegründung. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Zwei Jahre und sechs Monate lautete das Urteil der Richterin.

Das Land Baden-Württemberg veröffentlicht Urteile auf einem eigenen Server (html). Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels (09.03.2010) war das Urteil des Amtsgerichts Rastatt dort noch nicht online verfügbar.

Ein bestürzender Fall.
Bestürzend leider nicht nur wegen des Falles und des Verhaltens des Angeklagten.
Sondern auch wegen der Haltung der Staatsanwaltschaft. Diese
ist dem Bericht der Lokalpresse zufolge der Ansicht „der Angeklagte habe auch dann vorsätzlich gehandelt, wenn er nichts von seiner Infektion gewusst hat“. Was in der Prävention sinnvoll ist („es könnte ein Risiko bestehen oder bestanden haben, also schütze ich mich und den Partner“), kann damit noch lange nicht sinnvoller Maßstab des Strafrechts sein.

weitere Informationen:
Badisches Tageblatt: Mann infiziert Freund mit HI-Virus
iwwit-Blog 12.03.2010: Körperverletzung
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HIV-Abstammung allein nicht genug vor Gericht

Bei Verurteilungen wegen fahrlässiger HIV-Verbreitung stellt sich die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen den HI-Viren der beiden beteiligten Personen besteht. Zunehmend kommen neue Untersuchungsverfahren zum Einsatz. Doch wie sicher sind ihre Ergebnisse?

Auch in Prozessen in Deutschland, in denen es um eine etwaige Verurteilung wegen fahrlässiger HIV-Infektion geht, kommen so genannte phylogenetische Tests teilweise zur Anwendung. Mit ihnen soll vermeintlich gezeigt werden, wie eng die HI-Viren von Angeklagtem und Kläger mit einander verwandt sind, und ob die Infektion des Klägers durch den Angeklagten verursacht worden sein kann.

Ein Editorial in der medizinischen Fachzeitschrift British Medical Journal (BMJ) Anfang September 2007 (Bericht NAM hier) betont, Verurteilungen wegen fahrlässiger HIV-Infektion, die auf phylogenetischen Tests beruhen, seien „inhärent unsicher“.
Die drei Autoren betonen, bei der Beurteilung der Ergebnisse dieser Untersuchungen sei Vorsicht angebracht, wenn diese eine Verbindung zwischen dem HIV des Angeklagten und dem des Klägers zu zeigen scheinen. Jeglicher Hinweis, der auf dieser Untersuchung beruhe, sei niemals so genau, wie dies von DNA-Untersuchungen bekannt sei. Sie warnen vor voreiligen oder verkehrten Schlussfolgerungen.

In Großbritannien sind phylogenetische Untersuchungen inzwischen gängig bei Ermittlungen gegen Positive wegen fahrlässiger HIV-Verbreitung. Auch in Deutschland kommen sie zunehmend zum Einsatz.
Ob eine ausreichende Sensibilität besteht, die Ergebnisse dieser Untersuchungen kritisch zu betrachten, ist unklar.

Pillay D et al. HIV phylogenetics: criminal convictions relying solely on this to establish transmission are unsafe. BMJ 335: 460 – 461, 2007

HIV vor Gericht: 2 – ist die Abstammung wirklich alles?

Ein einziges virologisches Untersuchungsverfahren (siehe erster Teil des Artikels) hat in Großbritannien die strafrechtliche Situation für Positive in der Praxis drastisch verändert. Angeklagte bekennen sich in Prozessen, in denen es um die Frage einer bewussten HIV-Infektion einer anderen Person geht, bewusst schuldig, um so zumindest (straf-) mildernde Umstände erreichen zu können.

Aber – ist wirklich alles nur noch „eine Frage der Abstammung“? Reicht es, die ‚Verwandtschaft‘ zweier HI-Viren nachzuweisen, um die Schuldfrage zu beantworten? Kann das Verfahren der phylogenetischen Analyse dazu helfen, oder werden hier Inhalte in seine Ergebnisse hinein interpretiert, die nicht vorhanden sind?

Es lohnt sich also, auch hierzulande darüber nachzudenken, welche Relevanz diese Technik eigentlich für die Beurteilung einer ‚Schuldfrage‘ haben kann.

Bei einer phylogenetischen Analyse kann mit Hilfe eines phylogenetischen Baums dargestellt werden, wie eng verwandt zwei Spezies eines Virus miteinander sind.
Im Gegensatz z.B. zur menschlichen Erbinformation DNA allerdings verändert sich HIV ständig – eine „definitive“ Zuordnung ist nicht möglich.

Zudem finden HIV-Infektionen i.d.R. in so genannten Clustern statt (Gruppen von Menschen), Untersuchungen zeigen, dass die Mehrzahl der HIV-Infizierten Teil solcher ‚Netzwerke‘ sind. Bei allen Mitgliedern eines Cluster oder Netzwerks werden also hochgradig ähnliche HIV-Spezies zu finden sein.

Zeigt eine phylogenetische Analyse, dass zwei HIV-Spezies miteinander (evtl. auch eng) verwandt sind, so zeigt dies zunächst nur, dass beide Personen evtl. dem gleichen Cluster angehören.
Und – selbst bei engster Verwandtschaft zweier HIV-Spezies kann die phylogenetische Analyse nichts aussagen über die Infektions-Richtung, also ob A den/die B infiziert hat, oder umgekehrt. Nicht einmal darüber, welcher von beiden zuerst infiziert wurde / länger infiziert ist.

Damit ist eine phylogenetische Analyse nicht geeignet, einen „sicheren Beweis“ zu schaffen, dass eine Person eine bestimmte zweite Person mit HIV infiziert hat.

Vielmehr könnte die infizierte Person auch (selbst bei nahe verwandten HIV-Spezies) z.B. von einer anderen Person des gleichen Clusters infiziert worden sein. Oder beide Personen, A und B, wurden unabhängig voneinander mit ähnlichen HIV-Stämmen von anderen Personen des gleichen Clusters infiziert.

Ergebnis: eine phylogenetische Analyse, die zunehmend vor Gericht in Strafprozessen Verwendung findet, scheint nicht geeignet, um einen definitiven Beweis zu führen, dass eine Person von einer anderen mit HIV infiziert wurde.

Diese Einschätzung der Bedeutung phylogenetischer Test führte in Großbritannien dazu, dass erstmals im August 2006 ein Strafverfahren wegen HIV-Infektion trotz Verwendung phylogenetischer Tests mit „nicht schuldig“ beendet wurde.

Weiterführende Informationen gibt es in dem (englischsprachigen) Paper „The use of phylogenic analysis as evidence of HIV transmission“, erstellt von NAM und NATals html hier, als pdf hier.

Eine erfreuliche Nuance immerhin ist dem phylogenetischen Verfahren abzugewinnen: dass zwei HIV nicht oder nur sehr entfernt miteinander verwandt sind, für diese Aussage ist es einsetzbar – und kann damit durchaus den Negativ-Beweis führen: dass A den/die B nicht infiziert haben kann.

Nachsatz: Teil zwei dieses Artikels stützt sich wesentlich auf den Artikel „hiv forensics“ in der März-Ausgabe von ‚aids treatment update‘

HIV vor Gericht: 1 – alles eine Frage der Abstammung

In Strafverfahren vor Gericht, in denen es um die Frage geht, ob ein Angeklagter eine Person mit HIV infiziert hat, kommt zunehmend ein Verfahren zur Anwendung, mit dem die Verwandtschaft zweier HI-Viren untersucht werden kann.

Zahlreiche Positive wurden in den vergangenen Monaten wegen Übertragung von HIV verurteilt, besonders in Großbritannien (siehe u.a. hier und hier). Bei den meisten Prozessen in Großbritannien spielte ein recht neues Untersuchungsverfahren eine wesentliche Rolle, die phylogenetische Analyse.

Strafverfahren mit dem Vorwurf der HIV-Übertragung haben in der Regel ein Problem: für die Vorgänge beim Zeitpunkt der Infektion gibt es keinen Zeugen (der bezeugen könnte, dass A den oder die B infiziert hat). Deswegen müssen die Verfahren auf Indizien und andere Beweisverfahren zurückgreifen.

Hier kommt die phylogenetische Analyse ins Spiel: mit Hilfe einer phylogenetischen (übers.: stammesgeschichtlichen) Analyse kann untersucht werden, wie eng verwandt zwei HIV-Varianten miteinander sind (dargestellt über einen so genannten phylogenetischen Baum).

Bereits seit längerem spielt diese phylogenetische Untersuchung eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung einer HIV-Übertragung durch Bluttransfusionen (pdf hier, Literatur u.a. hier).

In jüngster Zeit jedoch beginnen sie auch in zivilrechtliche Verfahren Einzug zu halten: mithilfe phylogenetischer Analysen kann in einem Verfahren wegen HIV-Infektion auch untersucht werden, wie eng z.B. das HIV eines Angeklagten und des Klägers miteinander verwandt sind.
Anwälte und Staatsanwaltschaft könnten also versucht sein, diese Methode zu benutzen, um ihr Beweisproblem zu lösen – die Ergebnisse einer phylogenetischen Analyse als vermeintlicher ‚Beweis‘, dass der Beklagte den Kläger infiziert haben müsse.

Diese Idee ist keineswegs ein Hirngespinst – in Großbritannien wurden bereits zahlreiche Prozesse wegen absichtlicher oder fahrlässiger HIV-Infektion geführt, in denen die phylogenetische Analyse eines der wesentlichen Beweisverfahren war. Staatsanwaltschaften versuchten, mit Hilfe der Ergebnisse einer phylogenetischen Untersuchung die Vorgänge rund um die in Frage stehende Infektionskette zu rekonstruieren.

Dieses Untersuchungsverfahren wird jedoch wird nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Deutschland angewandt. So soll ein Labor in Mecklenburg-Vorpommern mit diesen Untersuchung bereits große Umsätze machen.

Dass die Folgen dieser neuartigen Untersuchungsmethode gravierend sein können, zeigt wiederum der Blick nach Großbritannien: hier hat dieses Verfahren inzwischen drastische Auswirkungen. In einem Großteil der Fälle, die vor Gericht landen, erklären sich die Angeklagten schon vorab für schuldig, um so zumindest auf mildernde Umstände (und damit ein niedrigeres Strafmaß) wegen ihres Geständnisses hoffen zu können.

Die phylogenetische Analyse der HIV-Verwandtschaft kann also die Situation in Strafprozessen u.U. gravierend verändern. Aber – ist also alles nur „eine Frage der Abstammung“? Ist es in Zukunft nur noch die Frage einer biochemischen Analyse, um eine Infektion(skette) nachzuweisen? Dazu mehr im zweiten Teil des Artikels.