Homosexualität als Verbrechen – die Situation von Schwulen und Lesben im Iran

Nach kurzen Jahren mit beginnender homosexueller Emanzipation ist die Lage schwuler Männer und lesbischer Frauen im Iran seit Amtsantritt des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad zunehmend von staatlicher Verfolgung und Lebensgefahr geprägt. Die heute in Kalifornien lebende Iranerin Janet Afary berichtet in Lettre über die Situation Homosexueller im Iran.

Janet Afary ist Iranerin, studierte in Teheran Linguistik, ging 1978 ins Exil in die USA. Sie promovierte über die iranische Revolution von 1906 und lehrt derzeit an der University of California. Afary ist Mitarbeiterin von The Nation und Guardian.

Afary befasst sich in ihrem Artikel in Lettre International Nr. 88 neben Themen wie „Frauen, Reformen, Menschenrechtsdiskurs“, der „Politik der Geburtenkontrolle“ und „Heiratskonventionen und sexuelles Erwachen“ auch in zwei ausführlichen Kapiteln mit der Situation männlicher und weiblicher Homosexueller im Iran: „“Diskurs über die Rechte von Homosexuellen“ sowie „“Staatliche Verfolgung sexueller Transgression“.

Lettre88

Afary folgt in ihrer Analyse stellenweise Gedanken des französischen (1984 an den Folgen von Aids verstorbenen) Philosophen Michel Foucault, z.B. dem Gedanken (aus „Sexualität und Wahrheit“), die „wahrhafte Explosion des Diskurses“ über Sexualität im Europa des 17. Jahrhunderts habe stattgefunden auf der Basis eines „funktionierenden Apparats zur Erzeugung eines noch umfangreicheren Diskurses der Sexualität, dessen Ökonomie er zu beeinflussen trachtete“. Diese Darstellung Foucaults auf den heutigen Iran anwendend, beschriebt sie die Situation von Frauen und Homosexuellen im Iran.

In ihrem „Diskurs über die Rechte von Homosexuellen“ im Iran berichtet  Afary zunächst besonders über die Bedeutung der nur zwei Jahre (vom Dezember 2004 bis 2006) existierenden bahnbrechenden Publikation und Website ‚MAHA: The First Iranian GLBT E-Magazine“. Die mutige Rolle MAHAs werde deutlich an frühen Aussagen wie

„Wir leben in einer Gesellschaft, in der Pädophilie legal ist und durch die Scharia begründet wird, während eine freie und freiwillige sexuelle Beziehung zwischen zwei homosexuellen Erwachsenen als Verbrechen gilt.“

MAHA habe nicht nur das Verhalten des klerikalen Iran kritisiert, sondern auch das der säkularen Intellektuellen und Künstler:

„Würden, wenn ein/e Künstler/in oder jede/r andere wegen des ‚Verbrechens‘ der Homosexualität in Haft käme, iranische Künstler und Linke sich öffentlich zu seiner/ihrer Verteidigung äußern? Die definitive Antwort lautet: Nein!“

Allerdings habe MAHA auch betont, „es gebe unter den verschiedenen NGOs und politischen oppositionellen Gruppen eine eine größere Toleranz für moderne Homosexuellenrechte.“

MAHA sei nach nur zwei Jahren Bestehen eingestellt worden – vor allem aus Furcht vor Verhaftung und Hinrichtung der Mitarbeiter. Organisationen aus dem Exil (wie Cheraq oder Iranian Queer Organisation) würden sich bemühen, die Arbeit fortzusetzen. Im Iran selbst hingegen habe sich die Situatiuon ab 2005 deutlich verschärft:

„Der Krieg gegen die Homosexualität und eine offen zur Schau getragene homosexuelle Lebensweise eskalierte nach der Wahl des basidsch [basidsch: Abteilung bzw. Mitglieder der iranischen Revolutionsgarde, d.Verf.] Ahmadinedschad zum Präsidenten.“

Seit Ahmadinedschad würden basidsch als Agents Provocateurs eingesetzt, um Homosexuelle mit verdeckten Aktionen zu ‚enttarnen‘ und festzunehmen. Die heutige Verfolgung ginge noch über das Procedere der Scharia hinaus: während diese ein Geständnis oder Zeugenaussagen in flagranti verlange, würden Behörden heute nach medizinischen Beweisen der Penetration suchen. Lägen derartige Beweise vor, werde die Todesstrafe verkündet.

„Da die Hinrichtung von Männern aufgrund des Vorwurfs der Homosexualität international für Empörung gesorgt hat, tendiert der Staat dazu, ihn mit Anklagen wie Vergewaltigung und Pädophilie zu verbinden. Die Anwendung dieser Taktik hat den Status der Homosexuellengemeinde im Iran untergraben und die Sympathien der Öffentlichkeit vermindert.“

Die iranische Gesellschaft befinde sich in einem Umbruch-Prozess, was sexuelles Verhalten angehe. Der Staat weigere sich jedoch hartnäckig, seinen Widerstand gegen Reformen aufzugeben. „Familienwerte“ oder „unmoralisches sexuelles Verhalten“ seien inzwischen zu Reizthemen zum Ausbau der Macht der Neokonservativen geworden.

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weitere Informationen:
Janet Afary
„Sexualökonomie im Iran –
über Bevölkerungspolitik, weibliche Emanzipation und Homosexualität“
Lettre International Nr. 88
(Text-Auszug)

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