Über Kondome und Ignoranz

Dass einige Politiker im Bundestag einen Antrag eingebracht haben, mit dem die ‚fahrlässige HIV-Verbreitung‘ zukünftig unter Strafe gestellt werden soll, geistert ja inzwischen sogar durch die sich ansonsten oftmals eher weniger durch Inhalt profilierenden Gratis-Homoblätter.

Dabei gerät allerdings gerne in Vergessenheit, dass eine bewusste Infektion eines/r anderen bereits heute strafbar sein kann – und dass schon heute Positive auch in Deutschland wegen ‚gefährlicher Körperverletzung‘ verurteilt werden, wie jüngst ein schwuler Mann in Memmingen.

Unterdessen läuft auch in Würzburg seit Ende Dezember 2006 ein Verfahren wegen bewusster HIV-Infektion (das außerhalb der regionalen Medien kaum wahrgenommen wird). Ein 38jähriger Mann afrikanischer Abstammung muss sich dort vor Gericht verantworten. Ihm wird zur Last gelegt, mit mindestens sieben Frauen ungeschützten Sex gehabt zu haben; mindestens eine davon wurde mit HIV infiziert. Als Motiv wird ihm Rache vorgeworfen.
(In einem anderen Fall wurde gestern ein sehbehinderter HIV-positiver Berliner freigesprochen, der in Notwehr einen Potsdamer in den Finger gebissen hatte, der ihn vorher mehrfach rassistisch beleidigte und angriff.)

Ein Teil der schwulen Szene reagiert, eine langsam wachsende Zahl von Betreibern schwuler Treffpunkte schließt sich einer freiwilligen Selbstverpflichtung an (insbes. kostenloses Bereitstellen von Kondomen und Gel), in Berlin sogar unter einem „Markennamen“: safety4free.

Umso mehr macht es mich sauer, wenn (gerade auch in Berlin) immer noch Betreiber von Sex-Orten wie Darkrooms oder Saunen sich weigern, unentgeltlich Kondome auszugeben. Und, darauf angesprochen, reagieren mit Kommentaren wie ‚das musste dir schon selbst mitbringen‘ oder ‚das können wir uns hier nicht leisten‘.
Wem sie mit ihrer Ignoranz in die Hände spielen, ist wohl offensichtlich … und der Gast mag vielleicht nachdenken, ob er (es gibt Auswahl genug) nicht lieber an Orte gehen mag, die sich Gedanken um die Szene und ihre Gäste machen – und im Bedarfsfall Kondome bereit stellen.

Es gilt, ein Klima zu erhalten (oder auszubauen), das Solidarität ermöglicht, Diskriminierung vermeidet und so erst die Basis für Präventionsbemühungen bietet.

Die Versuche, Positive zu kriminalisieren, einseitig „Schuld“ und „Verantwortung“ nur einer Seite zuzuweisen, schreiten derweil voran. Wachsam bleiben.

3 Gedanken zu „Über Kondome und Ignoranz“

  1. Hi Ulli,

    über das gestrige Urteil in Potsdam bin ich zufrieden, da ich persönlich einen Fall kenne, wo der Beschuldigte nach dem Prozess in Haft genommen wurde. Es stand Aussage gegen Aussage, und somit war der Positive in der schlechteren Lage.

    Im Würzburger Fall, wo inzwischen das Urteil verkündet wurde (http://www.focus.de/panorama/welt/wuerzburg_nid_42884.html), lief es dagegen etwas anders ab.

    Insgesamt habe ich bemerkt, das viele Menschen die Schuld nur den Positiven zuschieben möchten, deswegen kann ich dein Anliegen nur unterstützen! Wenn aber diese Rufe nach härteren Sanktionen selbst aus der Szene kommen, braucht man sich nicht zu wundern, wenn Massnahmen wie von dir beschrieben nicht wahrgenommen werden, denn AIDS haben scheinbar immer nur die anderen (zumindest ausserhalb Berlins),

    lg kalle

  2. @ kalle:
    umso mehr sollten wir doch szeneintern klar machen, wohin das führt, wie die sich weigernden betriebe sich verhalten, und darauf hinwirken dass sie sich doch an präventions-vereinbarungen beteiligen…

    danke für den hinweis auf den artikel, link nochmal klickbar hier.
    lg ulli

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