Prof. Hirschel präszisiert …

Der Schweizer Aids-Forscher Prof. Bernard Hirschel hat einige Aussagen des Statements der EKAF („keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs„) präzisiert.

Das Statement der EKAF hat für viele Reaktionen und Aufregungen gesorgt. Theorie und Praxis klaffen immer weiter auseinander.

In dieser Situation hat Prof. Hirschel einige Erläuterungen zum Statement der EKAF gegeben. Sie entstanden im Dialog mit Therapieaktivisten überwiegend der britischen Organisation Terrence Higgins Trust (THT). Der gesamte Text ist u.a. veröffentlicht von thewarning, einer französischen Seite zu schwuler Gesundheit. Der Artikel („recommandations suisses: le professeur Hirschel précise …“, in französischer Sprache; in englischer Sprache hier; danke an Kees für den Hinweis) ist insgesamt äußerst lesenswert, zumal er auch durch umfangreiche Verweise auf wissenschaftliche Literatur untermauerte Aussagen enthält.
Hier die mir am wichtigsten erscheinenden Gedanken und Aussagen von Prof. Hirschel (Übersetzung ondamaris):

Zur Frage, ob der wissenschaftliche Beweis (der EKAF-Aussagen) komplett genug sei: „Der wissenschaftliche Beweis wird immer ‚unvollständig‘ bleiben, da es unmöglich ist, die Abwesenheit von Risiko zu beweisen.“

Zur Frage der fehlenden Zustimmung anderer Forscher: „Haben Sie sie gefragt [die anderen Forscher, d.Übers.]? Haben Sie sich die Mühe gemacht dazwischen zu unterscheiden, was sie privat sagen, und was sie öffentlich sagen? Was sie öffentlich sagen wird beeinflusst von der Meinung ihrer Kollegen sowie von dem, was ich die Asymmetrie der Risikoeinschätzung nenne: das Verneinen eines Risikos, das dann doch eintritt, kann die Karriere gefährden, während der umgekehrte Fall ohne Konsequenzen bleibt.“

Zur Frage der Wahrscheinlichkeit (kann es sein, dass die Viruslast doch einmal schwankt): „Jeder Medizinstudent weiß, wenn die Frage lautet ‚kann‘, muss die Antwort heißen ‚ja‘. Beinahe alles kann geschehen in der Medizin. Aber ist es auch wahrscheinlich und bedeutend, oder ist es im Gegenteil unwahrscheinlich und ohne Bedeutung?“

Zur Frage, ob sexuell übertragbare Infektionen (STDs) die Viruslast in Genitalgeweben erhöhen können: „Das kann bei Patienten, die nicht [antiretroviral, d.Ü.] behandelt sind, gezeigt werden. Aber nur selten bei Patienten, die erfolgreich behandelt werden.“

Zur Frage, dass man asymptomatische STDs doch oftmals nicht bemerken könne: „Das ist wahr. Aber die Erhöhung der Viruslast im Genitaltrakt wird von einer Entzündung verursacht. Nun, asymptomatische STDs, per Definition, verursachen kaum oder keine Entzündung.“

Zur Frage der Übertragung durch homosexuellen Geschlechtsverkehr / Analverkehr und fehlenden Studiendaten: „Wenn man keine Studien hat, muss man auf den Verstand ausweichen. Es gibt keinerlei gute biologische Gründe, die erklären könnten, warum die vaginale Transmission sich von der rektalen Transmission unterscheiden soll.“ Und ob das Übertragungs-Risiko zwischen analem und vaginalem Verkehr nicht doch unterschiedlich sein könne? „Vielleicht, aber die verfügbaren Daten von nicht behandelten Patienten zeigen, dass die Risiken vergleichbar sind.“

Zur Frage, ob sich nicht doch Fälle finden lassen (werden), in denen trotz nicht nachweisbarer Viruslast HIV übertragen wurde: „Vor allem anderen, scheint mir, gilt es nachzudenken: wie könnte sich eine Infektion übertragen in Abwesenheit von Virus?“ Und „Wenn Sie sicher sein wollen, und sich nicht darauf verlassen wollen, was ein anderer sagt, benutzen Sie ein Präservativ!“

Zur Frage, was die möglichen Ausnahme-Fälle bedeuten würden: „‚Schwierige Fälle geben schlechte Gesetze.‘ Die offiziellen Empfehlungen für die öffentliche Gesundheit müssen Risiken und Nutzen für den typischen Fall abwägen, nicht für die Ausnahme.“

Hirschels Zusammenfassung zur Frage, ob die Schutzwirkung der erfolgreichen antiretroviralen Therapie mit der der (männlichen) Beschneidung verglichen werden könne: „In anderen Worten, die Behandlung schützt zu mehr als 90%, vielleicht mehr als 99,9% – verglichen mit 50 bis 75% Schutz durch die Beschneidung.“

Zur Frage, ob die Informationen des EKAF-Statements nicht Verwirrung auslösen könnten: „Eine gute Kommunikation muss sich auf exakte Informationen stützen. In Abwesenheit von Virus ist eine Übertragung sehr wenig wahrscheinlich. Die gegenteilige Behauptung ist entgegen den Fakten und gefährdet die Glaubwürdigkeit der Präventionsbotschaften.“

11 Gedanken zu „Prof. Hirschel präszisiert …“

  1. @ Michèle:
    ja – das sind mal brauchbare ansagen, oder? dachte schon, dass dich das freut 🙂

    falls stellen in meiner übersetzung verbesserungsfähig sind, meld dich bitte – du bist ja ’sattelfester‘ in französisch …

    liebe grüße,
    ulli

  2. @ Kees:
    danke für den hinweis, hab ihn in den texte ingebaut – und: ich freu mich sehr dich nach all den jahren hier wiederzutreffen!
    lg nach amsterdam!

  3. tja so lamgsam müßten doch die letzten bretter vor manchen köpfen fallen oder zumindest durchlässiger werden

  4. @ Ondamaris:
    Ich freu mich auch sehr dich hier wiederzutreffen und ich freue mich oft an dein Blog
    lg nach Berlin!

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