Frankreich: Prä-Expositions-Prophylaxe „im Bedarfsfall“ wird in Studie getestet

Aids-Medikamente fallweise nehmen vor dem Sex, um eine eventuelle HIV-Infektion zu verhindern – dieses experimentelle Konzept will eine französische Studie ab Herbst 2011 untersuchen.

Frankreich startet seine eigene Studie zur Prä-Expositions-Prophylaxe. Die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) ist ein experimentelles Konzept. Es sieht vor, dass mit HIV nicht infizierte Personen Aids-Medikamente nehmen, um sich vor einer potentiellen Infektion zu schützen.

Unter Federführung der halbstaatlichen ANRS (Agence nationale de recherches sur le sida et les hépatites virales) soll das Konzept einer PrEP in einer Studie in Frankreich und Kanada untersucht werden. Leiter der Studie ist Prof. Jean-Michel Molina (Paris, hôpital Saint-Louis).

Die Studie wendet sich an ’nicht HIV-infizierte Homosexuelle, die Analverkehr haben, in den vergangenen 6 Monaten mindestens zwei verschiedene Sex-Partner hatten und nicht systematisch Kondome benutzen‘.

Im Gegensatz zu anderen PrEP-Studien, die eine kontinuierliche Einnahme von Aids-Medikamenten vorsehen, verfolgt die ANRS-Studie das Konzept ‚fallweiser‘ Einnahme im Bedarfsfall („à la demande“). Die Teilnehmer sollen die bereit gestellten Aids-Medikamente nur in den Phasen nehmen, in denen sie sexuelle Begegnungen planen: zwei Tabletten vor der ersten sexuellen Begegnung, anschließend währen der ‚Phase sexueller Aktivität‘ alle 24 Stunden eine Tablette, und eine Tablette nach der letzten sexuellen Aktivität.

Die Studie wird in zwei Gruppen strukturiert: die Teilnehmer einer Gruppe erhalten Plazebo (wirkungsloses Schein-Medikament), die der anderen Gruppe eine Pille mit den beiden Wirkstoffen Tenofovir und Emtricitabine (als Kombi-Pille vermarktet unter dem Handelsnamen Truvada®). Diese Kombination war auch in der ‚iPrEx‘-Studie eingesetzt worden. Alle Studien-Teilnehmer erhalten während der Studie individuelle Begleitung und Beratung, Impfungen gegen Hepatitis, Kondome sowie Test-Angebote auf HIV und sexuell übertragbare Krankheiten.

Die Studie soll im September 2011 in Frankreich und Kanada (Québec) beginnen. In einer ersten Pilotphase der Studie sollen 500 Teilnehmer rekrutiert werden. Sollte die Rekrutierung der ersten Teilnehmer erfolgreich verlaufen, sollen insgesamt bis zu 1.900 Personen an der Studie teilnehmen. Primäres Auswerte-Kriterium der Studie ist eine HIV-Infektion (Serokonversion).

Im Jahr 2010 hatte die Gruppe TRT-5 (die an der seit Frühjahr 2009 laufenden Planung der Studie beteiligt war)  in einer von ihr koordinierten ‚community consultation‘ (z.B. über Schwulengruppen, Artikel in der Schwulen-Presse, lokale Ansprechpartner) Mitgliedern der Zielgruppen die Möglichkeit zu Fragen, Stellungnahmen und Kritik am Entwurf des Studienplans gegeben. Hieraus wurde ein Bericht erstellt (Consultation communautaire essai PrEP ANRS – Rapport du TRT-5), der inzwischen veröffentlicht wurde. Zudem erstellte TRT-5 ein Positionspapier (Essai de PrEP de l’ANRS : position de TRT-5 et points de vigilance), in dem die Position der Gruppe dargelegt und wesentliche Fragestellungen formuliert wurden.

Die Gruppe Gruppe TRT-5 (‚Groupe inter-associatif „traitements et recherche thérapeutique“‚) ist ein Zusammenschluss der wichtigsten Organisationen in Frankreich, die sich gegen Aids einsetzen. Mitglieder sind Actif Santé, Actions Traitements, Act Up-Paris, Act Up-Sud Ouest, Aides, Arcat, Dessine Moi Un Mouton, Nova Dona, Sida info Service und Sol En Si.

Die ANRS (Agence nationale de recherches sur le sida et les hépatites virales) ist eine 1992 gegründete Einrichtung, in der staatliche und Forschungs-Einrichtungen ihre Bemühungen der Aids- und Hepatitis-Forschung koordinieren und evaluieren. Gründungs-Mitglieder der ANRS sind das französische Forschungsministerium (ministère de la Recherche), das Centre national de la recherche scientifique (CNRS), das ‚Institut national de la santé et de la recherche médicale (INSERM) und l’Institut Pasteur; ab 1995 ist auch das Gesundheitsministerium (le ministère de la Santé) Mitglied.

Ende November hatte bereits die ‚iPrEx‘-Studie für Aufmerksamkeit gesorgt. Die iPrEx-Studie hatte eine 44%ige Schutzwirkung von Prä-Expositions-Prophylaxe konstatiert – war aber auch auf viele Fragen und Kritik gestoßen. Das US-Magazin ‚Time‘ hatte die iPrEx-Studie zum ‚bedeutendsten medizinischen Durchbruch 2010‘ erklärt.

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weitere Informationen:
ANRS
ANRS 23.11.2010: Nouvelles stratégies pour le dépistage et la prévention du VIH – Le programme de l’ANRS (pdf)
TRT5 18.01.2011: Consultation communautaire essai PrEP ANRS – Rapport du TRT-5 (pdf)
TRT-5 18.01.2011: Essai de PrEP de l’ANRS : position de TRT-5 et points de vigilance
Yagg 18.01.2011: Traitement pré-exposition: l’essai de l’ANRS prend forme
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