Ronald Reagan: Ehrungen für Aids-Ignoranten?

In den USA beginnen in diesen Tagen monatelange Jubelfeiern für Ronald Reagan, den 2004 verstorbenen 40. Präsidenten der USA. Selbst in Deutschland schlagen Politiker vor, ihn zu ehren, Straßen oder Plätze nach Reagan zu benennen. Doch – Ronald Reagan stand in Sachen Aids für Ignoranz, für Tausende Aids-Tote, für Desinteresse, das Leben kostete.

Am 6. Februar 1911 wurde Ronald Reagan in Tampico Illinois geboren. Nach einer Karriere als Schauspieler in zahlreichen ‚B-Movies‘ war er von 1981 bis 1989 der 40., Präsident der USA. Anlässlich seines 100. Geburtstags beginnen in den USA in diesen Tagen Feierlichkeiten zu Reagans Ehren, die als ‚Reaganiana‘ mit Konferenzen, Ausstellungen und anderen Events das ganze Jahr andauern sollen.

Ronald Reagan war als Politiker zu Lebzeiten stark umstritten. Der erzkonservative Republikaner, inzwischen zur Ikone rechter Politik geworden, stand zu Regierunsgzeiten für Abbau des Sozialstaats, Rekord-Verschuldung – und eine Ignoranz gegenüber der gerade beginnenden Aids-Krise, die viele Menschen das leben kostete.

„Die Regierung ist nicht die Lösung, die Regierung ist das Problem“, dieser Satz aus Reagans Rede anlässlich seiner Amtseinführung 1981 wirkt heute geradezu wie sein Credo, das Grund-Motto seiner Regierungszeit: weitgehende Entstaatlichung. Zum Ausdruck kommt auch das bipolare Denken Reagans – die Einteilung der Welt in ‚gut‘ und ‚böse‘, in ‚Freiheit‘ oder ‚Kommunismus‘, in ‚bösen Staat‘ und ‚gute Privatwirtschaft‘. Folgen der ‚Reagonomics‘ waren u.a. ein demontierter Sozialstaat und eine Staatsverschuldung in zuvor unbekannter Höhe.

Ronald und Nancy Reagan 1981 während der Parade zur Amtseinführung (Foto: wikimedia / White House Office)
Ronald und Nancy Reagan 1981 während der Parade zur Amtseinführung (Foto: wikimedia / White House Office)

In Reagans Amtszeit als US-Präsident fällt auch der Beginn der Aids-Krise. Im Juni 1981 wird erstmals über ungewöhnliche Erkrankungen bei ansonsten gesund scheinenden jungen schwulen Männern berichtet.

Der US-Präsident braucht fünf Jahre, bis er Stellung nimmt: am 17. September 1985 erwähnt er erstmals (!) überhaupt in einer öffentlichen Rede Aids – in Reaktion auf die Frage eines Reporters. Und es dauerte bis 1987 (am 1. April, Rede im Philadelphia College of Physicians), bis er ein öffentliches Statement zur HIV-Epidemie und Aids-Krise gab. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits über 45.000 Aids-Fälle allein in den USA gemeldet. Allein im Jahr 1987 starben 4.135 US-Amerikaner an den Folgen von Aids; insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt schon über 13.000 Menschen allein in den USA an Aids gestorben.

Am 31. Mai 1987, dem Vorabend der Eröffnung der 3. Internationalen Aids-Konferenz in Washington, forderte Reagan dann anlässlich eines Dinners der American Foundation for AIDS Research nach seinem jahrelangen Schweigen routinemäßige HIV-Zwangstests (und stieß auf der Konferenz mit diesem Vorschlag auf lebhafte Ablehnung). Im Juni 1987 setzte der US Public Health Service Aids auf die Liste derjenigen Erkrankungen, wegen der Menschen aus den USA abgeschoben werden konnten. Und einen Monat später folgte mit dem ‚Helms Amendment‘ die Einführung des US-Einreiseverbots für HIV-Positive.

Unterstützung für seine ultrakonservative Politik fand Reagan immer wieder bei dem 2008 verstorbenen rechtskonservativen Senators Jesse Helms, einer der aggressivsten Kämpfer gegen Rechte von Schwulen und Lesben in den USA – und einem Kämpfer für eine sehr konservative und restriktive Aids-Politik (Helms war Betreiber des erst am 4. Januar 2010n endgültig aufgehobenen US-Einreiseverbots für HIV-Positive).

‚Ignorance Kills‘, Ignoranz tötet – dieser Slogan der Aids-Aktivistengruppe ACT UP war direkte Reaktion auf eine von Ronald Reagan ausgehende US-Politik, die sich jahrelang weigerte, die Aids-Krise ernst zu nehmen.

Am 6. Februar 2011 jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag von Ronald Reagan. Verteidigungsminister Guttenberg (CSU) fordert, einen Platz oder eine Straße in Berlin nach Ronald Reagan zu benennen. Dies nicht zu tun, sei geschichtsblind, sekundiert Martin Lindner (FDP).

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weitere Informationen:
salon.com 04.02.2011: Ronald Reagan cared more about UFOs than AIDS
LHBT pov 06.02.2011: Ronald Reagan’s Real Legacy: Death, Heartache and Silence Over AIDS
Welt 22.12.2010: Guttenberg fordert Ronald-Reagan-Platz in Berlin
towleroad 07.02.2011: Reagans Failure to Act
Larry Kramer in ‚The Advocate‘ 06.02.2011 (original 2004): Adolf Reagan
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3 Gedanken zu „Ronald Reagan: Ehrungen für Aids-Ignoranten?“

  1. Larry Kramers Kommentar – Artikel ist starker Tobak im positven Sinn. Ich stelle mir gerade vor wie die Reaktionen hier in Deutschland wären hätte ein engagierter AIDS Aktivist einen solchen Artikel geschrieben. Das Geschrei und besonders die Empörung wegen der Vergleiche zu denen Larry Kramer greift, wären groß. Quer durch die Parteien, Verbände bis hin zum Zentralrat der Juden. Hier würde man Amok laufen und die Gerichte einschalten, zumindest dies in endlosen DIskussionen thematisieren.

    Betrachtet man die politische Welt des Jahres 2011 so kommt man nicht umhin 2 Dinge festzustellen:

    1. HIV wird in Ländern wie Russland, der Ukraine totgeschwiegen, in unzähligen anderen werden Menschen mit HIV verfolgt.
    2. Es gibt keinen Menschen wie Larry Kramer der sich wie er engagiert und Mißstände bzgl HIV und seine Wut darüber auf den Punkt bringt.

    Die Welt Aids Konferenz, UNAIDS und andere Organisationen sind weichgespülte Gefälligkeitsevents. Nur niemand zu nahe treten. Nur nicht anecken. Nur niemand verägern. Immer schön moderat bleiben.

    Man mag über die USA denken wie und was man will: Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ihnen heilig. Menschen wie Larry Kramer lassen sich weder einschüchtern noch mundtot machen.

  2. die bvv charlottenburg-wilmersdorf hat mit rot-rot-grüner mehrheit den antrag der cdu auf umbenennung eines platzes abgelehnt. ist doch gut so….

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