Österreich: Seit 1.1.2012 Zwangs-Hiv-Tests

Seit 1.1.2012: Zwangs-Hiv-Tests
Rechtskomitee LAMBDA (RKL) unterstützt Antrag an den Verfassungsgerichtshof

Das Terrorismuspräventionsgesetz bringt auch eine Novelle der Strafprozessordnung. Seit 1.1.2012 sind gewaltsame Blutabnahmen bei Verdacht einer Ansteckung mit Hiv zulässig, obwohl die Verfassung zwangsweise Blutabnahmen verbietet. Eine Beschwerde liegt bereits beim Verfassungsgerichtshof.

Mit dem im Oktober 2011 verabschiedeten Terrorismuspräventionsgesetz wurden Zwangsblutabnahmen bei Verdacht des Vergehens der Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten (§ 178 Strafgesetzbuch) erlaubt. Bisher waren zwangsweise Blutabnahmen (bei nicht berauschten TäterInnen) nur bei Verdacht auf ein Sexualverbrechen oder auf ein (anderes) Verbrechen zulässig, das mit mehr als 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist.

Das ist seit 1. Jänner anders, obwohl der Verfassungsgerichtshof zwangsweise Blutabnahmen verbietet, weil niemand gezwungen werden darf, seinen Körper als Beweismittel gegen sich selbst zur Verfügung zu stellen. Die erste Beschwerde gegen die neue Befugnis der Kriminalpolizei liegt bereits beim Verfassungsgerichthof.

Der unbescholtene Antragsteller ist Hiv-positiv und beantragt die Aufhebung der Gesetzesnovelle. Die Staatsanwaltschaft (StA) hat gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts gem. § 178 StGB eingeleitet, weil ihn ein anderer Hiv-positiver Mann beschuldigt, ihn mit Hiv angesteckt zu haben. Tatsächlich hatte der Mann mit diesem anderen Mann vor Jahren einvernehmlichen sexuellen Kontakt, jedoch entsprechend den vom Gesundheitsministerium und den Aids-Hilfen propagierten Safer Sex Regeln, also mit Sexualpraktiken, bei denen eine Ansteckung nicht möglich ist (Oralverkehr ohne Ejakulation in den Mund).

Erpresst und angezeigt

Der mehrfach wegen Gewalt-, Suchtgift- und Vermögensdelikten vorbestrafte Anschuldiger hat die Anzeige, in der er ungeschützten passiven Analverkehr behauptete, erst Jahre nach dem sexuellen Kontakt erstattet und erst nachdem der Beschuldigte nicht bereit war, seine erheblichen finanziellen Forderungen zu erfüllen. Zudem hat er selbst in seiner Einvernahme angegeben, anderweitig ungeschützte sexuelle Kontakte gehabt zu haben und hatte er im Internet flüchtige sexuelle Kontakte („Sexdates“) gesucht mit einem Profil, auf dem angegeben war: „Safer Sex: Niemals“. Darüber hinaus ist dieser Mann nach seinen eigenen Angaben heroinsüchtig, und war daher, außer dem sexuellen noch anderen Übertragungswegen für eine Hiv-Infektion ausgesetzt.

Das gegen den Anschuldiger (wegen des Verdachts der schweren Erpressung) eingeleitete Strafverfahren wurde „wegen der widerstreitenden Aussagen“ sogleich nach Einvernahme der beiden Männer eingestellt. Nicht jedoch das Verfahren gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Gefährdung durch übertragbare Krankheiten (wofür bereits unsafer Sex ausreicht, ohne dass es zu einer Ansteckung gekommen ist). Auch hier bestanden widerstreitende Aussagen, jedoch begehrte der Staatsanwalt eine Blutuntersuchung (phylogenetische Untersuchung).

Gefahr der Verurteilung Unschuldiger

Eine phylogenetische Untersuchung kann aber eine Ansteckung nicht beweisen. Und phylogenetische Untersuchungen bergen das Risiko falscher Ergebnisse und von Fehlinterpretationen zu Lasten des Beschuldigten Es gibt (noch) keine Standards (Richtlinien) für die Durchführung dieser Analysen zu gerichtlichen Zwecken und ihre Ergebnisse werden von Gerichten leider immer wieder missverstanden und fehlinterpretiert. Darauf weisen UNAIDS und die EU-Grundrechteagentur seit Jahren hin.

Der Mann hat daher einer Blutabnahme nicht zugestimmt, weil er befürchten muss, auf Grund der Testergebnisse unschuldig verurteilt zu werden. Seit 1. Jänner muss er nun jederzeit die gewaltsame Abnahme einer Blutprobe fürchten und hat sich daher an den Verfassungsgerichtshof gewandt.

„Es ist unglaublich, dass die Regierungsparteien, gegen die Opposition, diese verfassungswidrige Regelung beschlossen haben“, sagt der Präsident des RKL und Rechtsanwalt des Antragstellers Dr. Helmut Graupner, „Es bleibt, wie so oft, die Hoffnung auf den Verfassungsgerichtshof“.

(Pressemitteilung Rechtskomitee LAMBDA)