Wien: Aids-Hilfe – Mitarbeiter wehren sich gegen bis zu 16% weniger Lohn

Buis zu 16 Prozent weniger Lohn – dies droht den Mitarbeitern der Aids-Hilfe Wien. Die Geschäftsführung begründet die Kürzungen mit dem hohen Lohnkosten-Anteil an den Gesamt-Kosten. Nein, sagt der Betriebsrat, die Ursache der budgetären Schieflage sei eine andere: das Gesundheitsministerium habe seine Mittel seit annähernd 12 Jahren nicht erhöht. „Das ist eine Vorgangsweise, die natürlich nicht akzeptabel ist. Die Beschäftigten wehren sich zu Recht gegen die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen unter dem Deckmantel von Kollektivverträgen“, erklärt eine Gewerkschafts-Vertreterin.

GPA-djp 15.06.2012: Beschäftigten der Aids Hilfe drohen Gehaltseinbußen von bis zu 16 Prozent

Wien: HIV-positive Frau freigesprochen – wegen Viruslast unter der Nachweisgrenze nicht infektiös (akt.)

Einen 46-jährige HIV-positive Frau war am 1. Juni 2012 vor dem Wiener Landgericht angeklagt wegen „vorsätzlicher Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten“. Viruslast unter der Nachweisgrenze – sie wurde freigesprochen.

Die Frau hatte mehrfach Sex mit Männern ohne Benutzung von Kondomen. Alle hätten gewusst, dass sie HIV-positiv ist, sie habe nichts versteckt, verteidigte sich die Frau. Sie weiß seit einer Operation 1999 von ihrer Infektion und hat damals direkt mit antiretroviraler Therapie begonnen. Zudem sei ihre Viruslast aufgrund erfolgreicher Therapie seit 10 Jahren unter der Nachweisgrenze, sie sei davon ausgegangen, somit nicht mehr infektiös zu sein:

„Ich bekenne mich schuldig, dass ich mit Personen ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt habe. Aber ich war der Ansicht, dass ich nicht infektiös bin.“

Ihr auf HIV-Therapie spezialisierter Arzt bestätigte dies Presseberichten zufolge. Es sei kein Gdeheimnis, dass gut behandelte HIV-Positive als praktisch nicht mehr infektiös zu gelten hätten, eine Übertragung ausgeschlossen sei.

Die Frau wurde freigesprochen; man könne in diesem Fall nicht von einem Vorsatz ausgehen, so die Richterin Martina Krainz. Das Urteil ist noch nicht nicht rechtskräftig.

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weitere Informationen:
derstandard.at 01.06.2012: Ungeschützer Sex: Freispruch für HIV-Positive
vienna.at 01.06.2012: Prozess: Freispruch für HIV-Positive trotz ungeschütztem Sex mit mehreren Männern
oe24.at 01.06.2012: HIV-Positive hatte Sex mit mehreren Männern – Prozess: 46-Jährige seit Jahren in Behandlung – Gericht sah keinen Vorsatz.
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Life Ball: 20 Jahre – mit Rekordergebnis zugunsten von Aids-Projekten

2,1 Millionen Euro – der Life Ball 2012 erzielte ein Rekord-Ergebnis. Die Mittel kommen Aids-Projekten zugute.

Der 20. Wiener Life Ball fand am 19. Mai 2012 unter dem Motto „Gegen die Flammen der Ignoranz“ statt. Dieser 20. Life Ball, an dem Prominente wie Antonio Banderas, Milla Jovovich, Bill Clinton, Naomi Campbell und Sean Penn teilnahmen, wurde von Ben Becker moderiert.
Auf dem Rathausplatz feierten an die 40.000 Menschen – der Life Ball ist das größte Event Europas gegen Aids.

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Die Presse: Europas größtes Charity-Event Jährlich neuer Spendenrekord
20 Minuten: Stars laufen am Wiener Life Ball auf
ÖGZ 21.05.2012: Benefizspektakel mit Mehrwert
ORF Wien 23.05.2012: Life Ball 2012 mit Rekordergebnis

Österreich: ein Jahr Haft für HIV-Positiven – „Hier geht es rein um die Gefährdung!“

Ein 31-jähriger HIV-positiver Mann stand am 2. Mai 2012 in Innsbruck vor Gericht. Er habe Ende 2011 fünf Frauen sowie ein ungeborenes Kind gefährdet. Er wurde zu einem Jahr Haft verurteilt, davon zehn Monate bedingte Haft.

Der Mann nahm einem Pressebericht zufolge erfolgreich antiretrovirale Medikamente, er sei ’nicht ansteckend‘ habe ihm seine Klinik gesagt. Allerdings habe er im Zusammenhang mit einer Scheidung sowie dem Tod seiner Mutter die Medikamente abgesetzt.

„Hier geht es rein um die Gefährdung“, begründete der Richter das Urteil. Keine der Frauen wurde mit HIV infiziert.

Tiroler Tageszeitung 03.05.2012: Aids-Kranker hatte Sex ohne Kondom

Österreich: OLG-Graz: Sex zwischen Hiv-Positiven ist nicht strafbar – Anklage zurückgewiesen

Ein Grazer Staatsanwalt wollte die staatlichen Safer Sex Regeln und Sex zwischen Hiv-Positiven kriminalisieren. Das Landesgericht und das Oberlandesgericht haben seine Anklage jedoch zurückgewiesen. Das Rechtskomitee LAMBDA (RKL), Österreichs Bürgerrechtsorganisation für homo- und bisexuelle sowie transidente Frauen und Männer, begrüßt die Verwerfung der absurden Anklage.

Der unbescholtene Mann ist Hiv-positiv. Die Staatsanwaltschaft (StA) Graz hat gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil ihn ein anderer Hiv-positiver Mann beschuldigt, ihn mit Hiv angesteckt zu haben. Tatsächlich hatte der Mann mit diesem anderen Mann vor Jahren einvernehmlichen sexuellen Kontakt, jedoch entsprechend den vom Gesundheitsministerium und den Aids-Hilfen propagierten Safer Sex Regeln, also mit Sexualpraktiken, bei denen eine Ansteckung so gut wie ausgeschlossen ist (Oralverkehr ohne Ejakulation in den Mund).

Erpresst und angezeigt

Der mehrfach wegen Gewalt-, Suchtgift- und Vermögensdelikten vorbestrafte Anschuldiger hat die Anzeige, in der er ungeschützten passiven Analverkehr behauptete, erst Jahre nach dem sexuellen Kontakt erstattet und erst nachdem der Beschuldigte nicht bereit war, seine erheblichen finanziellen Forderungen zu erfüllen. Zudem hat er selbst in seiner Einvernahme angegeben, anderweitig sexuelle Kontakte (zB in Sexkinos) gehabt zu haben und hatte er im Internet flüchtige sexuelle Kontakte („Sexdates“) gesucht mit einem Profil, auf dem angegeben war: „Safer Sex: Niemals“. Darüber hinaus ist dieser Mann nach seinen eigenen Angaben heroinsüchtig, und war daher, außer dem sexuellen noch anderen Übertragungswegen für eine Hiv-Infektion ausgesetzt.

Das gegen den Anschuldiger (wegen des Verdachts der schweren Erpressung) eingeleitete Strafverfahren wurde „wegen der widerstreitenden Aussagen“ sogleich nach Einvernahme der beiden Männer eingestellt. Nicht jedoch das Verfahren gegen den unbescholtenen der beiden Männer. Diesen klagte die Staatsanwaltschaft Graz an: wegen des Verdachts der Gefährdung durch übertragbare Krankheiten (§ 178 Strafgesetzbuch). Auch zwischen Hiv-positiven seien ungeschützte Sexualkontakte strafbar und Oralverkehr sei auch ohne Ejakulation in den Mund strafbar, so die Staatsanwaltschaft, entgegen den staatlich propagierten Safer Sex Regeln.

Staatsanwalt kriminalisierte Safer Sex

Das Landesgericht für Strafsachen Graz hat die Anberaumung einer Hauptverhandlung verweigert und die absurde Anklage zurückgewiesen, weil eine Verurteilung des Mannes nicht nahe liege. Sex zwischen Hiv-Positiven sei nicht strafbar und die Staatsanwaltschaft habe nicht einmal versucht zu klären, ob der Anschuldiger zum Zeitpunkt des Sexualkontakts bereits Hiv-positiv gewesen sein könnte. Zudem seien sehr wohl die unterschiedlichen Ansteckungswahrscheinlichkeiten bei Anal- und Oralverkehr zu berücksichtigen. Der Staatsanwalt erhob Beschwerde. Das Oberlandesgericht Graz bestätigte jedoch die Zurückweisung der Anklage (OLG Graz 16.02.2012, 8 Bs 40/12m).

„Nach unerfreulichen Vorfällen der jüngsten Zeit sind wir über die grundvernünftigen Entscheidungen der Grazer Richter hocherfreut“, sagt der Präsident des RKL und Rechtsanwalt des Angeklagten Dr. Helmut Graupner, „UNAIDS und die EU-Grundrechteagentur fordern im übrigen seit Jahren die Beseitigung derartiger Straftatbestände“.

(Pressemitteilung RK Lambda)

Klagenfurt: 3 Monate Haft für Sex ohne Kondom

Das Landesgericht Klagenfurt verurteilte am 17. April 2012 einen 32-jährigen HIV-positiven Mann zu drei Monaten unbedingter Haft wegen Sex ohne Kondom. Seine 27-jährige Partnerin hatte gegen ihn geklagt. Der Mann sagt, er habe die Frau bei dem Treffen Ende September 2011 auf seine Infektion hingewiesen; die Frau bestreitet dies. Die Frau wurde nicht mit HIV infiziert.

Der Mann aus Wien, der auch mit Hepatitis C infiziert ist, wurde wegen vorsätzlicher Gefährdung durch übertragbare Krankheiten angeklagt. Der Mann erklärte sich Presseberichten zufolge mit dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, einverstanden.

Die Deutsche Aids-Hilfe fordert “Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!“, ebenso die “Deklaration von Oslo über die Kriminalisierung von HIV“. Diese betont

“Es gibt immer mehr Belege dafür, dass die Kriminalisierung der Nichtoffenlegung der HIV-Infektion, der potenziellen Exposition und der nicht vorsätzlichen Übertragung von HIV mehr Schaden anrichtet, als dass sie der öffentlichen Gesundheit und den Menschenrechten nutzt.”

LokalesHeute.at 19.04.2012: Partnerin klagte 32-Jährigen – Haft für Aids-Kranken wegen ungeschütztem Sex
Vienna.at 17.04.2012: HIV-kranker Wiener zu drei Monaten Haft verurteilt
KleineZeitung 17.04.2012: HIV-Kranker für ungeschützten Sex bestraft

Österreich: Oberlandesgericht bestätigt 3 Jahre Haft für HIV-Positiven

Berufung erfolglos: das Oberlandesgericht Wien hat die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung eines 35jährigen HIV-Positiven verworfen. Das Urteil ‚drei Jahre unbedingte Haft‘ bleibt bestehen.

Der 35-Jährige war im November 2011 zu drei jahren Haft verurteilt worden wegen ‚absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Dauerfolgen‘. Ihm war vorgeworfen worden, zwei junge Männer ‘wissentlich mit HIV infiziert’ zu haben. Dabei soll er seine HIV-Infektion, die ihm seit Jahren bekannt sei, bewusst verschwiegen und mit seinen Sex-Partnern ungeschützten Sex gehabt haben. Der Mann hatte die Vorwürfe vehement bestritten.

Das OLG sprach den beiden Männern je eine Entschädigung zu. Das Urteil ist rechtskräftig, es sind keine weiteren Rechtsmittel mehr möglich.

ORF 12.04.2012: Burschen mit HIV infiziert: Haft bestätigt
der Standard 12.04.2012: Männer wissentlich mit HIV infiziert: Drei Jahre Haft
ondamaris 25.07.2011 / 04.11.2011: Österreich: HIV-Positiver wegen “wissentlicher HIV-Infizierung” vor Gericht (akt.)

Kampagne der Aidshilfen gegen Diskriminierung HIV-Positiver am Arbeitsplatz mit Werbepreis ausgezeichnet

Rund um den Weltaidstag schalteten die österreichischen Aids Hilfen Inserate in verschiedenen Tageszeitungen, um auf die Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit HIV aufmerksam zu machen. Das Sujet mit dem Slogan “KÜNDIGEN SIE IHREN UNPRODUKTIVSTEN MITARBEITER: DAS VORURTEIL.” wurde nun mit einem Preis vom Verband österreichischen Zeitungsherausgeber (VÖZ) prämiert. Das Sujet gewann in der Kategorie Social Advertising des zweiten Platz.

Der medizinische Fortschritt hat HIV/AIDS in industrialisierten Ländern in den letzten Jahren zu einer, wenn auch nicht heilbaren, so doch behandelbaren Krankheit gemacht. Menschen, die rechtzeitig von ihrer HIV-Infektion erfahren und therapiert werden, können ihr Leben in den meisten Fällen bei hoher Lebensqualität leben. Viele Betroffene – etwa 70% ? stehen im Berufsleben, weitere würden gerne arbeiten. Bei der Jobsuche und im Arbeitsalltag zeigt sich jedoch, dass die gesellschaftliche Entwicklung der medizinischen hinterher hinkt.

Feuern Sie Ihren unproduktivsten Mitarbeiter: das Vorurteil
Feuern Sie Ihren unproduktivsten Mitarbeiter: das Vorurteil

Philipp Dirnberger, MSc, Geschäftsführer der Aids Hilfe Wien:

„In Österreich ist es für HIV-infizierte Menschen nach wie vor schwer, Arbeit zu bekommen beziehungsweise zu behalten, wenn sie offen mit ihrer Infektion leben. Die Infektion aus Angst vor Ausgrenzung geheim halten zu müssen, stellt aber eine enorme Belastung dar.“

Zu den Hauptzielen der AIDS-Hilfen Österreichs zählen seit jeher die Enttabuisierung des Themas und der Kampf gegen die Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV/AIDS. Rund um den Welt AIDS Tag wurde im November und Dezember 2011 unter dem Motto „Informieren statt diskriminieren“ in österreichischen Zeitungen und Magazinen ein Inserat geschalten. Die von der Agentur Schüller & Heise entwickelte Kampagne sollte UnternehmerInnen auf die Situation HIV-positiver ArbeitnehmerInnen aufmerksam machen. Dirnger:

„Vorurteile gegenüber Betroffenen basieren meist auf falschen Vorstellungen bezüglich des HI-Virus und seiner Übertragbarkeit. Je besser Menschen informiert sind, desto leichter lassen sich unbegründete Ängste ausräumen.”

Informationen zu HIV/AIDS erhält man bei den sieben lokalen Vereinen der AIDS-Hilfen Österreichs:

AIDS-Hilfen Österreich

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Gastbeitrag von thinkoutsideyourbox

Österreich: Richter erklärt Sex mit Kondom zum kriminellen Akt

Unglaublich: Richter erklärt Sex mit Kondom zum kriminellen Akt

Ein 17-jähriger Vorarlberger ist am Montagnachmittag am Landesgericht Feldkirch zu drei Monaten bedingter Haft verurteilt worden … Zwischen dem 17-jährigen Vorarlberger und dem 16-jährigen Mädchen kam es im Herbst vergangenen Jahres zum ungeschützten Oralverkehr … „Auch wenn ein Kondom verwendet worden wäre, würde dies nichts an der Strafbarkeit ändern“, erklärte der Richter. Ein Ansteckungsrisiko bestehe nämlich auch bei Verwendung von Präservativen, so Kraft abschließend.

http://vorarlberg.orf.at/news/stories/2523707/

Die vom Gesundheitsministerium und den staatlich finanzierten Aids-Hilfen propagierten Safer Sex Regeln beinhalten

  1.  die Verwendung eines Kondoms bei Vaginal- und Oralverkehr und
  2. das Vermeiden einer Ejakulation in den Mund bei Oralverkehr
    (vgl. bspw. http://v006282.vhost-vweb-02.sil.at/alles-uber-hivaids/wie-kann-ich-mich-schutzen/).

Der Oberste Gerichtshof hat dementsprechend bereits 1997 klargestellt, dass Sex (mit Hiv-Positiven) bei Verwendung von Kondomen nicht strafbar ist (25.11.1997, 11 Os 171/97).

Bei Oralverkehr verlangen die Safer Sex Regeln nicht einmal ein Kondom sondern bloß die Vermeidung einer Ejakulation in den Mund. Davon dass eine solche in dem o.a. Fall stattgefunden habe oder das von der Staatsanwaltschaft auch nur behauptet wurde, findet sich in dem Medienbericht nichts. Auch in Kärnten wurde 1999 ein Hiv-positiver Mann für Oralsex ohne Kondom verurteilt (LG Klagenfurt 19.07.1999, 13 EVr 70/99 – Kärntner Oralsex-Fall). Erst nach jahrelangem Kampf gab das Oberlandesgericht seinem Wiederaufnahmeantrag statt und hob das diesbezügliche Urteil auf (27.03.2003, 11 Bs 105/03) (http://www.rklambda.at/news_safersex.htm).

In dem nunmehrigen Fall scheint auch nicht thematisiert worden zu sein, ob der Jugendliche überhaupt infektiös war. Die heutigen Hiv-Therapien bewirken nämlich in den meisten Fällen, dass die Betroffenen nicht mehr infektiös sind (vgl. http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/J/J_05015/fname_183319.pdf; http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_04941/fname_188059.pdf).

UNAIDS und die EU-Grundrechteagentur fordern seit Jahren vehement die Beendigung derartiger Strafverfolgung und Verurteilungen. Kriminalpolizei und Strafrichter sollen – gerade im Interesse einer wirksamen Aids- Prävention und der Volksgesundheit – nur bei absichtlicher Ansteckung einschreiten (http://data.unaids.org/pub/basedocument/2008/20080731_jc1513_policy_criminalization_en.pdf; http://194.30.12.221/fraWebsite/attachmentsAIDS_2010_FRA_factsheet.pdf).

Seit 13. Februar 2012 wirbt im Internet die – anläßlich der von der norwegischen Regierung und UNAIDS organisierten „High Level Policy Consultation on the Science and Law of the Criminalisation of HIV Non-disclosure, Exposure and Transmission“ verabschiedete – „Oslo Declaration On Hiv Criminalisation“ [‚Die Deklaration von Oslo über die Kriminalisierung von HIV‚; d.Hg.] für Unterstützung gegen die Kriminalisierung von (nicht absichtlicher) Hiv-Übertragung (http://www.hivjustice.net/oslo/).

Dr. Helmut Graupner
Co-Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS)
www.graupner.at, www.oegs.or.at
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siehe auch:
thinkoutsideyourbox.net 06.03.2012: Kriminalisierung HIV-Positiver: Verurteilung wegen Oralsex trotz Einhaltung Safer Sex Regeln
queer.de 07.03.2012: „Vorsätzliche Gefährdung“ – Österreich: HIV-Positiver wegen Oralsex bestraft
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Österreich: Polizei-Gewerkschaft kämpft für Zwangs-HIV-Tests

Seit dem 1. Januar 2012 können in Österreich zwangsweise HIV-Tests angeordnet werden „bei Verdacht einer Ansteckung mit Hiv …, obwohl die Verfassung zwangsweise Blutabnahmen verbietet“ (siehe „Österreich: Seit 1.1.2012 Zwangs-Hiv-Tests„). Nun setzt sich in Österreich auch die Polizei-Gewerkschaft für HIV-Zwangstests ein, wie Gast-Autor thinkoutsideyourbox  berichtet:

Polizei-Gewerkschaft kämpft für Zwangs-HIV-Tests

Seit 1. Jänner 2012 können Personen durch eine Novelle der Strafprozessordnung zur zwangsweisen Blutabnahme gezwungen werden, wenn diese “im Verdacht stehen, das in Europa weitgehend einzigartige Vergehen der abstrakten Gefährdung durch übertragbare Krankheiten (§ 178 Strafgesetzbuch) begangen zu haben”, wie das Rechtskomitee Lambda (RKL) berichtet. Der Vorsitzende der österreichischen Polizei-Gewerkschaft Hermann Greylinger verteidigt diese zwangsweisen Blutabnahmen, obwohl die verfassungsmäßige Konformität sehr stark bezweifelt werden kann, wie auch der Verfassungsexperte Univ-Prof. Dr. Bernhard Funk von der Universität meint.

Der Gewerkschafter Greylinger verteidigt diese umstrittene Neuregelung, die eine Zwangs-Blutabnahme erlaubt, wenn der Verdacht besteht, dass jemand eine ansteckende Krankheit übertragen könnte (§ 178 StGB). Greylinger fordert diese Blutabnahmen bei Amtshandlungen, wo beispielsweise der/die Polizist/in von einer Person bespuckt, gebissen oder mit einer Injektionsnadel verletzt wurde. Dann müsse sich diese/r monatelang Sorgen um seine/ihre Gesundheit machen. Eine Blutabnahme bei/m Täter/in würde hier eine Gewissheit bringen.

Für Helmut Graupner ist dieses Gesetz verfassungswidrig und widerspricht der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes seit den 1950er Jahren, wonach ein Verdächtiger nur zur zwangsweisen Blutabnahme gezwungen werden darf und so seinen Körper als Beweismittel gegen sich sich selbst einzusetzen. Ausnahmen bestehen bei bestimmten schweren Straftaten mit einem Strafrahmen von über fünf Jahren, bei Sexualdelikten und/oder Köprerverletzungen im Zuge der Ausführung einer gefährlichen Tätigkeit in einem berauschten Zustand, wie z.B. Verkehrsunfälle mit Personenschäden, wenn der/die Lenker/in alkoholisiert war.

Auch der Verfassungsexperte Univ.-Prof. Dr. Bernd Funk von der Universität Wien hat bestimmte Zweifel an der verfassungsmäßigen Konformität der Neuregelung. Gegenüber derStandard.at sagte Funk, dass im Falle eines “starken öffentlichen Bedürfnisses” Ausnahmen auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zulässig sein, aber:

“Es ist absolut säumig, eine derart sensible Materie huschpfusch ohne Verfassungsmehrheit zu beschließen.”

Auch müsse die Blutabnahme medizinisch sinnhaftig sein, was der Verfassungsrechtler in der ORF-Sendung “ZIB 24″ bezweifelte. Auch für RKL-Präsident Dr. Helmut Graupner ist das neue Gesetz in keinster Weise dazu geeignet, das zu erreichen, wofür es gemacht wurde,

“nämlich PolizistInnen (und anderen Berufsgruppen) nach Biss-, Kratz-, Spuck- oder Nadelstichattacken Unsicherheit über eine befürchtete Ansteckung, insbesondere mit HIV, zu nehmen.”

So kann HIV/Aids nach wissenschaftlichen Stand nicht durch Spucken oder Beißen übertragen werden und zweitens kann beim Opfer schon nach 14 Tagen seit der Erleidung der Verletzung ein HIV/Aids-Test durchgeführt werden, um Sicherheit über eine mögliche Ansteckung zu erhalten. Bis der/die TäterIn gefunden/vorgeführt und eine zwangsweise Abnahme durchgeführt wurde, sind vermutlich schon deutlich mehr als zwei Wochen vergangen. Auch für den Fall, dass der Test beim/bei der Täter/in gegebenenfalls positiv verlaufen sollte, hat das Opfer dennoch keine Information darüber, ob er/sie ebenfalls infiziert wurde. Dafür müsse beim Opfer ein separater Test durchgeführt werden

Für Polizeigewerkschafter Hermann Greylinger sind all diese Einwürfe nicht relevant. Auch vom Stand der Wissenschaft über die Übertragsmöglichkeiten von HIV/Aids oder Hepatitis, wie sie RKL-Präsident Helmut Graupner ausgeführt hat, unbeeindruckt. Im Gegenteil, er verteidigt diese Neuregelung und deutet sogar an, dass bei einem entsprechenden Urteil des Verfassungsgerichtshofs, die Politik das Gesetz eben in den Verfassungsrang (dafür wird im Parlament eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt) heben müsse.

In der ORF TVthek kann der Bericht und die Diskussion zwischen RKL-Präsident und Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner und dem Vorsitzenden der österreichischen Polizeigewerkschaft Hermann Greylinger nachgesehen werden.

Jedenfalls läuft bereits eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof wegen der (möglichen) Verfassungswidrigkeit des Zwangs-Bluttests (thinkoutsideyourbox.net berichtete).

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Danke an thinkoutsideyourbox für den Gast-Beitrag!

Österreich: Seit 1.1.2012 Zwangs-Hiv-Tests

Seit 1.1.2012: Zwangs-Hiv-Tests
Rechtskomitee LAMBDA (RKL) unterstützt Antrag an den Verfassungsgerichtshof

Das Terrorismuspräventionsgesetz bringt auch eine Novelle der Strafprozessordnung. Seit 1.1.2012 sind gewaltsame Blutabnahmen bei Verdacht einer Ansteckung mit Hiv zulässig, obwohl die Verfassung zwangsweise Blutabnahmen verbietet. Eine Beschwerde liegt bereits beim Verfassungsgerichtshof.

Mit dem im Oktober 2011 verabschiedeten Terrorismuspräventionsgesetz wurden Zwangsblutabnahmen bei Verdacht des Vergehens der Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten (§ 178 Strafgesetzbuch) erlaubt. Bisher waren zwangsweise Blutabnahmen (bei nicht berauschten TäterInnen) nur bei Verdacht auf ein Sexualverbrechen oder auf ein (anderes) Verbrechen zulässig, das mit mehr als 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist.

Das ist seit 1. Jänner anders, obwohl der Verfassungsgerichtshof zwangsweise Blutabnahmen verbietet, weil niemand gezwungen werden darf, seinen Körper als Beweismittel gegen sich selbst zur Verfügung zu stellen. Die erste Beschwerde gegen die neue Befugnis der Kriminalpolizei liegt bereits beim Verfassungsgerichthof.

Der unbescholtene Antragsteller ist Hiv-positiv und beantragt die Aufhebung der Gesetzesnovelle. Die Staatsanwaltschaft (StA) hat gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts gem. § 178 StGB eingeleitet, weil ihn ein anderer Hiv-positiver Mann beschuldigt, ihn mit Hiv angesteckt zu haben. Tatsächlich hatte der Mann mit diesem anderen Mann vor Jahren einvernehmlichen sexuellen Kontakt, jedoch entsprechend den vom Gesundheitsministerium und den Aids-Hilfen propagierten Safer Sex Regeln, also mit Sexualpraktiken, bei denen eine Ansteckung nicht möglich ist (Oralverkehr ohne Ejakulation in den Mund).

Erpresst und angezeigt

Der mehrfach wegen Gewalt-, Suchtgift- und Vermögensdelikten vorbestrafte Anschuldiger hat die Anzeige, in der er ungeschützten passiven Analverkehr behauptete, erst Jahre nach dem sexuellen Kontakt erstattet und erst nachdem der Beschuldigte nicht bereit war, seine erheblichen finanziellen Forderungen zu erfüllen. Zudem hat er selbst in seiner Einvernahme angegeben, anderweitig ungeschützte sexuelle Kontakte gehabt zu haben und hatte er im Internet flüchtige sexuelle Kontakte („Sexdates“) gesucht mit einem Profil, auf dem angegeben war: „Safer Sex: Niemals“. Darüber hinaus ist dieser Mann nach seinen eigenen Angaben heroinsüchtig, und war daher, außer dem sexuellen noch anderen Übertragungswegen für eine Hiv-Infektion ausgesetzt.

Das gegen den Anschuldiger (wegen des Verdachts der schweren Erpressung) eingeleitete Strafverfahren wurde „wegen der widerstreitenden Aussagen“ sogleich nach Einvernahme der beiden Männer eingestellt. Nicht jedoch das Verfahren gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Gefährdung durch übertragbare Krankheiten (wofür bereits unsafer Sex ausreicht, ohne dass es zu einer Ansteckung gekommen ist). Auch hier bestanden widerstreitende Aussagen, jedoch begehrte der Staatsanwalt eine Blutuntersuchung (phylogenetische Untersuchung).

Gefahr der Verurteilung Unschuldiger

Eine phylogenetische Untersuchung kann aber eine Ansteckung nicht beweisen. Und phylogenetische Untersuchungen bergen das Risiko falscher Ergebnisse und von Fehlinterpretationen zu Lasten des Beschuldigten Es gibt (noch) keine Standards (Richtlinien) für die Durchführung dieser Analysen zu gerichtlichen Zwecken und ihre Ergebnisse werden von Gerichten leider immer wieder missverstanden und fehlinterpretiert. Darauf weisen UNAIDS und die EU-Grundrechteagentur seit Jahren hin.

Der Mann hat daher einer Blutabnahme nicht zugestimmt, weil er befürchten muss, auf Grund der Testergebnisse unschuldig verurteilt zu werden. Seit 1. Jänner muss er nun jederzeit die gewaltsame Abnahme einer Blutprobe fürchten und hat sich daher an den Verfassungsgerichtshof gewandt.

„Es ist unglaublich, dass die Regierungsparteien, gegen die Opposition, diese verfassungswidrige Regelung beschlossen haben“, sagt der Präsident des RKL und Rechtsanwalt des Antragstellers Dr. Helmut Graupner, „Es bleibt, wie so oft, die Hoffnung auf den Verfassungsgerichtshof“.

(Pressemitteilung Rechtskomitee LAMBDA)

Österreich: Zahl der HIV-Neudiagnosen stabil – Anstieg der Aids-Erkrankungen aufgrund verbesserter Datenerhebung

Jährlich werden in Österreich etwa 500 HIV-Infektionen neu diagnostiziert. Die Entwicklung ist in den letzten Jahren stabil. Eine verbesserte Datenerhebung führt allerdings zu einem  Anstieg der Zahl der gemeldeten Aids-Erkrankungen und -Todesfälle.

Es gibt keine Zunahme der Aids-Erkrankungen in Österreich (auch wenn einige Schlagzeilen anderes zu suggerieren scheinen). Auch die Zahl der HIV-Neuinfektionen ist stabil bei etwa 500 pro Jahr. Allerdings weist die österreichische Statistik plötzlich eine deutliche Zunahme sowohl der Aids-Erkrankungen als auch der Aids-Todesfälle auf. Der Grund: Änderungen bei der Datenerhebung.

In Österreich ist Aids eine meldepflichtige Erkrankung (HIV-Infektionen nicht). Diese Meldung erfolgte in der Vergangenheit schriftlich an das Gesundheitsministerium. Inzwischen jedoch wurde an sieben großen HIV-Behandlungszentren in Österreich eine Software eingeführt, die jetzt auch ein zentrales Register speist. Gemeldet werden an das Register das Geburtsdatum und die Initialen der / des an Aids Erkrankten. Doch das neue Meldeverfahren wurde nicht nur für aktuelle Fälle genutzt. Die sieben Behandlungszentren überprüften vielmehr auch ihre in der Vergangenheit gemeldeten Daten – und stießen auf Melde-Lücken (underreporting), die geschlossen wurden.

Das Resultat: Korrekturen um über 30 Prozent. Die Gesamt-Zahl der bisherigen Aids-Erkrankungen in Österreich wurde um über 800 Personen nach oben korrigiert.3.659 Menschen sind den aktualisierten Zahlen zufolge bis zum 14.11.2011  in Österreich bisher an Aids erkrankt. Auch die Zahl der bisher an den Folgen von Aids in Österreich Verstorbenen musste deutlich (um über 400) erhöht werden, sie beläuft sich nun auf 1.945.

Die neuen Zahlen (die bisher noch nicht auf den Internetseiten des Gesundheitsministeriums zu finden sind) stellte das östereichische Gesundheitsministerium am 21. November 2011 vor – und sorgte bei einigen für Aufregung. Unberechtigt – denn die Erhöhung ist ausschließlich auf verbesserte Meldeverfahren zurück zu führen, nicht auf eine reale Erhöhung der Aids-Erkrankungen. Im Gegenteil, bereits seit Mitte der 1990er Jahre (Einführung hochwirksamer Kombinationstherapien) sinken auch in Österreich die Zahlen der neuen Aids-Erkrankungen. 2011 wurden bisher erst 20 neue Aids-Erkrankungen gemeldet, vor allem bei Menschen, deren HIV-Infektion erst spät im Infektionsverlauf diagnostiziert wurde.

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weitere Informationen:
der standard 21.11.2011: Aids-Erkrankungen: Anzahl um ein Drittel nach oben korrigiert
Kurier 22.11.2011: Kein Anstieg von Aids in Österreich
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Österreich: Mutter eines HIV-positiven Kindes erneut vor Gericht

Eine 41jährige Frau aus Graz steht in Österreich erneut vor Gericht. Sie hatte ihr Kind gegen Rat und Warnung  der Ärzte ohne Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Begründung der HIV-positiven Frau: sie fühle sich nicht krank.

Die Frau, die laut Medien seit 20 Jahren HIV-positiv sein soll, steht in Österreich vor Gericht, weil ihr vorgeworfen wird, ihr Kind durch ihre Verweigerung des Kaiserschnitts mit HIV infiziert zu haben. Das heute zweieinhalb Jahre alte Kind ist mit HIV infiziert und inzwischen an Aids erkrankt.

Bereits Anfang Juli 2010 wurde die Frau wegen Körperverletzung an ihrer Tochter zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt. Auf ihre Berufung hin hob das Oberlandesgericht das Urteil auf. Vor dem Grazer Straflandesgericht findet nun die neue Verhandlung statt.

Das Kind des Ehepaares war Anfang 2010 gegen den Willen der Eltern auf Anordnung der Behörden antiretroviral behandelt worden, nachdem es an einer Lungenentzündung litt.  Das Mädchen lebt inzwischen in einem Kinderdorf.

Der ebenfalls HIV-infizierte Vater war im Mai 2010 gestorben.

Bereits kurz nach Prozessbeginn wurde die Fortsetzung des Verfahrens auf Herbst 2011 vertagt. Mehrere zeugen waren nicht vor Gericht erschienen.

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weitere Informationen:
ORF 25.07.2011: Mutter infizierte Baby mit HIV: Neuer Prozess
ORF 06.07.2010: Mutter infizierte Baby mit HIV – verurteilt
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Österreich: HIV-Positiver wegen „wissentlicher HIV-Infizierung“ vor Gericht (akt.)

Ein 35jähriger HIV-positiver Mann muss sich seit 22. Juli 2011 in Wien vor Gericht verantworten. Ihm wird „wissentliche HIV-Infizierung“ vorgeworfen. Er bestreitet die Vorwürfe.

Seit Anfang Juni befindet er sich in Untersuchungshaft, nun muss sich ein 35jähriger Mann in Wien vor Gericht verantworten. Er soll zwei junge Männer ‚wissentlich mit HIV infiziert‘ haben. Dabei soll er seine HIV-Infektion, die ihm seit Jahren bekannt sei, bewusst verschwiegen und mit seinen Sex-Partnern ungeschützten Sex gehabt haben.

Der Angeklagte hingegen betont, er habe in einem Fall Kondome verwendet, im anderen Fall sei sein Sex-Partner damals bereits HIV-positiv gewesen.

Anzeige erstattet wurde gegen den Angeklagten durch einen Mediziner (laut Boulevard-Medien ein „ausgewiesener HIV-Experte“), bei dem sich einer der beiden betreffenden Sex-Partner in Behandlung befand. Der Arzt sagte zudem im Verfahren als Zeuge aus.

Der ÖBB-Bedienstete ist vor dem Wiener Oberlandesgericht wegen „absichtlicher schwerer Körperverletzung“ angeklagt. In einer vorherigen Ablehnung seiner Haftbeschwerde spricht das Gericht von „wiederholt rücksichtloses und verantwortungsloses Verhalten“ des Angeklagten. Medien spekulieren, er könne womöglich weitere Männer infizieren und seine Medikamente nicht regelmäßig einnehmen. Er solle sich, so Medien, in der Szene gebrüstet haben, „möglichst viele anstecken“ zu wollen.

Der Prozess wird Ende August 2011 fortgesetzt.

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Aktualisierung
04.11.2011, 16:00 Uhr: Das Wiener Straflandesgericht befand den Angeklagten für schuldig. Seine Aussage, er habe im einen Fall über seinen HIV-Status informiert, im anderen Fall ein Kondom verwendet, hielt die Richterin für  nicht glaubwürdig. Das Gericht verurteilte ihn zu drei Jahren Haft. Zudem muss er den beiden betroffenen jungen Männern eine Entschädigung von 5.600 bzw. 4.800 Euro zahlen. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidiger kündigten Berufung an.

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weitere Informationen:
ORF 22.07.2011: Junge Männer mit HIV infiziert: Prozess
Der Standard 22.07.2011: Prozess wegen wissentlicher HIV-Infizierung
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Österreich: Rückgaberecht, wenn die Ehefrau HIV-positiv ist?

Stellt die nachträglich festgestellte HIV-Infektion der Ehefrau eine Art ‚Mangel‘ dar, der zur ‚Rückgabe‘, zur Aufhebung der Ehe berechtigt?
Über einen für viele eher befremdlich anmutenden Fall aus Österreich berichtet in einem Gast-Beitrag D Dr. Elisabeth Müllner, seit 1999 Leiterin der Aids-Hilfe Oberösterreich:

Im Jahr 2008 entschied der Oberste Gerichtshof (3 Ob 91/08s), eine Ehe als ungültig aufzuheben, weil der Ehemann und Kläger sich über die Gesundheit seiner Ehefrau im Irrtum befand. Die Vorgeschichte in Kurzfassung: ein Österreicher heiratet in Kenia eine Kenianerin, ihr letzter gemeinsamer Wohnort ist in Österreich. In einem österreichischen Krankenhaus wird bei der Frau eine HIV-Infektion festgestellt. Für beide Eheleute ist es die erste Ehe. Die HIV-Infektion wird nach etwas mehr als einem Jahr Ehe diagnostiziert. Festgestellt wurde vom Gericht, dass die Ehefrau während aufrechter Ehe keinem Ansteckungsrisiko ausgesetzt war, woraufhin das Gericht schlussfolgerte, dass die Ansteckung mit HIV zu einem unbekannten Zeitpunkt vor der Eheschließung erfolgt sein musste. Dem Ehemann, der die Aufhebung der Ehe verlangte, wurde in dritter und letzter Instanz endgültig Recht gegeben. In der Begründung führte der Oberste Gerichtshof aus, dass der Ehemann, hätte er zum Zeitpunkt der Heirat von der HIV-Infektion der Frau gewusst, die Ehe nicht geschlossen hätte. Er hat sich also in einem wesentlichen Irrtum über die Frau befunden, der ihn „bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe“ von deren Eingehung abgehalten hätte. Und ungeachtet des möglichen Zusammenlebens bei entsprechenden Schutzmaßnahmen seien eben wegen dieser und wegen der weiterhin für den Kläger bestehenden Ansteckungsgefahr die Umstände gegeben, die eine Aufhebung der Ehe rechtfertigten. So die Entscheidung des OGH.

Aus Sicht der AIDS-Hilfen Österreichs stellt dies eine unzeitgemäße, diskriminierende und inhumane Entscheidung dar. In der Folge bemühten die AIDS-Hilfen Österreichs sich um eine rechtliche Expertise zu dieser Entscheidung. Dankenswerterweise nahm sich Frau Univ.-Prof.in Dr.in Marianne Roth der Thematik an.
Aus dem Ergebnis ihrer Arbeit werden nun einige wichtige Aspekte wiedergegeben:
Vorweg sei angemerkt, dass der Kläger ursprünglich eine Scheidung auf Grund des Vorliegens einer „ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit“ nach § 52 EheG begehrte. Entsprechend der österreichischen Rechtslage konnte nicht geschieden werden, da die „ansteckende oder ekelerregende Krankheit“ erst nach der Eheschließung hätte entstehen dürfen. Im gegenständlichen Fall stellte das Gericht jedoch fest, dass die HIV-Infektion der Ehefrau bereits vor der Eheschließung bestand. Eine Scheidung gegen den Willen des beklagten Ehepartners ist gemäß österreichischem Recht erst 3 Jahren nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft wegen unheilbarer Zerrüttung möglich (würde die Scheidung den beklagten Ehepartner besonders hart treffen, dann erst nach 6 Jahren). (1)

Daraufhin brachte der Ehemann die Aufhebungsklage ein. Den juristischen Laien mag es erstaunen, dass die zuständigen Gerichte der Argumentation des Klägers, er habe sich über den HIV-Status der Beklagten im Irrtum befunden, folgten. Könnte man nicht doch erwarten, dass der Kläger das Vorliegen einer HIV-Infektion zumindest in Erwägung gezogen haben muss? Dies vor dem Hintergrund, dass seine Frau aus einem Land kommt, welches für seine hohe Anzahl von Menschen mit HIV bekannt ist. Der zivilrechtliche Irrtumsbegriff zielt aber nicht darauf ab, ob ein durchschnittlicher Mensch diesem Irrtum auch erlegen wäre, sondern es wird stets auf die subjektive Meinung, als eine unrichtige oder fehlende Vorstellung von der Wirklichkeit, abgestellt. Allerdings kann nicht jede unrichtige Vorstellung, die man sich über seinen zukünftigen Ehepartner macht, zu einer Aufhebung der Ehe führen. Der Irrtum muss sich zentral auf die gesetzlichen Wertvorstellungen über die Ehe beziehen. Der OGH vergleicht nun die HIV-Infektion mit der Beischlafunfähigkeit oder dem Ausbruch von schweren psychischen Krankheiten, die in früheren Fällen zur Aufhebung der Ehe geführt haben. Die Vergleichbarkeit mit der Beischlafunfähigkeit wird bejaht, jene mit dem Ausbruch von Geisteskrankheiten verneint. Hier setzt die Kritik von Roth an. Die Gleichsetzung einer HIV-Infektion mit der Beischlafunfähigkeit sei verfehlt, lässt sie doch die modernen HIV-Therapiemöglichkeiten, wie sie in hoch entwickelten Industrieländern wie Österreich gegeben sind, völlig außer Acht. Bei genauer Einhaltung der HIV-Medikation, wenn über mindestens 6 Monate kein HI-Virus im Blut nachgewiesen werden kann und keine anderen sexuell übertragbaren Infektionen vorliegen, ist davon auszugehen, dass HIV-infizierte Patienten nicht infektiös sind. (2)

Ebenso spricht – bei kompetenter medizinischer Begleitung – nichts gegen eine Zeugung, auch ohne künstliche Insemination (3) bzw. Schwangerschaft. Der OGH weiß allerdings in seiner Begründung lediglich von einer allgemein bekannte Infektionsgefahr bei HIV. Die Situation hat sich jedoch seit den 1980er bzw. auch den frühen 1990er Jahren, als zwischen der Diagnose einer Aids-Erkrankung und dem Tod meist nur wenige Jahre lagen, wesentlich verändert. So kommt Roth zu dem Schluss, dass nach heutigem Stand der Medizin eine HIV-Infektion bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe nicht mehr als Ehehindernis gewertet werden kann. Dies führt sie auch zu der grundsätzlichen Fragestellung, inwieweit der Aufhebungstatbestand des Irrtums über Umstände, die die Person des anderen Ehegatten betreffen, aber auch die Möglichkeit einer Scheidung aufgrund einer „ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit“ gemäß § 52 EheG noch notwendig bzw. zeitgemäß sind.

Weder in Deutschland noch in der Schweiz existiert der veraltete Tatbestand des Irrtums über Umstände, welche die Person des anderen Ehegatten betreffen. Die Regelungen über die Scheidung scheinen diesen Ländern ausreichend. So meint Roth, dass auch der österreichische Gesetzgeber gut daran täte, das geltende Recht der Eheauflösung auf seine gesellschaftspolitische Aktualität hin zu überprüfen. Insbesondere erscheint auch der Scheidungstatbestand der sich auf Krankheiten bezieht entbehrlich. Ein Scheidungsrecht, welches auf den Tatbestand der Zerrüttung einer Ehe abstellt, wäre ausreichend, wenngleich hier die Trennungsfristen, die das österreichische Recht verlangt, im internationalen wie auch europäischen Vergleich als zu lang bewertet werden.

Und so schließt Roth ihren Kommentar: „Bis zu einer solchen Scheidungsrechtsreform ist jedoch an die Judikatur zu appellieren, vom Aufhebungstatbestand des Irrtums über Umstände, die die Person des anderen Ehegatten betreffen (§ 37 EheG), nur äußerst zurückhaltend Gebrauch zu machen, und nur dann einem Aufhebungsverfahren statt zu geben, wenn der Irrtum tatsächlich Umstände betrifft, die objektiv für eine eheliche Lebensgemeinschaft bedeutsam sind. Nach dem aktuellen Stand der Medizin stellt eine HIV-Infektion im Allgemeinen keinen solchen Umstand dar. Sie ist unter den gegenwärtig verfügbaren Therapiemöglichkeiten auch nicht mehr als ein Scheidungsgrund im Sinn einer ‚ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit‘ gemäß § 52 EheG zu qualifizieren. Es bleibt zu hoffen, dass diese medizinischen Entwicklungen bei der Behandlung von HIV-Infektionen auch in der Rechtsprechung Berücksichtigung finden werden.“ (4,  5)

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Fußnoten:
(1) Die Möglichkeit der Scheidung wegen Verschuldens wird hier außer Acht gelassen.
(2) Vernazza/Hirchel/Bernsconi/Flepp, HIV-infizierte Menschen ohne andere STD sind unter wirksamer antiretroviraler Therapie sexuell nicht infektiös, SÄZ 2008, 165 ff
(3) vgl. http://www.aids.ch/d/hivpositiv/pdf/ordner/Ordner_komplett_d.pdf (30. 4. 2010); Vernazza, Die HIV-Schwangerschaft ist heute kein Problem mehr, Swiss Aids News, Juni 2009, 16,16
(4) (noch) unveröffentlicht: Roth, Aufhebung der Ehe aufgrund einer bereits vor der Ehe vorliegenden HIV-Infektion eines Ehegatten – Eine kritische Reflexion der österreichischen Rechtslage
(5) bei Interesse am kompletten Kommentar von Univ.-Prof.in Dr.in Marianne Roth, LL.M.(Harvard) wenden Sie sich an: elisabeth.muelllner@aidshilfe-ooe.at

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(Der Artikel erschien zuerst in ‚PlusMinus‘ 2/2011 – ondamaris dankt für die Genehmigung zur Übernahme des Artikels!)

Österreich: 344 HIV-Neudiagnosen von Januar bis September 2010

Von Januar bis September 2010 wurden in Österreich 344 HIV-Infektionen neu diagnostiziert – 48 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

344 HIV-Neudiagnosen wurden in Österreich zwischen Januar und September 2010 neu diagnostiziert, 48 weniger als im Vorjahr im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Besonders bemerkenswert sei der sprunghafte Rückgang von HIV-Neudiagnosen bei Frauen, so die Abteilung für Virologie der Universität Wien. Bei Frauen wurden noch 2009 zwischen Januar und September 84 HIV-Infektionen neu diagnostiziert, 2010 gab es nur 49 Neudiagnosen im gleichen Zeitraum. Bei Männern wurden 232 (Vorjahr 238) Neudiagnosen gestellt.

Mit 197 Neudiagnosen steht Wien an der Spitze in der regionalen Verteilung (128 Männer, 29 Frauen, 40 ohne Angabe), gefolgt von der Steiermark (51 Neudiagnosen) und Oberösterreich (29).

weitere Informationen:
Willi Maier: HIV/AIDS: Ein Rück- und Überblick eines bewegten Jahres. in: plusminus 4/2010
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