Nach Washington: Genug des Optimismus – Packen wir’s an

Die XIX. Internationale Aids-Konferenz ist vorbei.

Verfolgte man die Berichterstattung in den Medien, kann man den Eindruck gewinnen, es sie alles nicht mehr so schlimm mit HIV und Aids – und werde von nun an immer besser. „Optimistischer Abschluss der Welt-Aids-Konferenz“ titeln auch seriöse Medien, oder ziehen noch prägnanter das Resümee „Der Anfang vom Ende der Aids-Epidemie“.

Oder die Statements von Politikern. Eine „Generation ohne Aids“ sieht Hillary Clinton, US-Außenministerin, schon am Horizont, und Francois Hollande, französischer Staatspräsident, sieht (wie andere auch) die Möglichkeit, „die Aids-Epidemie in der ganzen Welt zu beenden“.

Nun müssen große Konferenzen große Schlagzeilen produzieren, um hohe mediale Aufmerksamkeit zu erlangen (oder: die Verantwortlichen glauben dies zumindest). Und Politiker benutzen solche Momente gerne für starke  Worte, einprägsame Formulierungen, um selbst Schlagzeilen zu produzieren (in wessen Interesse, bliebe dabei zu hinterfragen).

Allein – bei all dem Jubel bleibt ein schaler Beigeschmack.

Millionen HIV-Positive weltweit erhalten keinerlei antiretrovirale Behandlung, obwohl sie sie dringend benötigen. Warum? Weil das Geld fehlt. Weil die erforderlichen Strukturen fehlen. Weil die Medikamenten-Preise für viele Staaten (u.a. aufgrund von Patentrechten von Pharamkonzernen aus Industriestaaten) unerschwinglich hoch sind. Ganz abgesehen von den sozialen Bedingungen, der Stigmatisierung und Diskriminierung, der Verfolgung und Kriminalisierung, der HIV-Positive in vielen Staaten der Welt ausgesetzt sind.

Und auch hierzulande ist nicht ‚alles im grünen Bereich‘, bei weiten nicht. HIV-positiv am Arbeitsplatz, das ist immer noch ein alles andere als sorgenloses Thema. HIV-Zwangstests stehen wieder auf der politischen Tagesordnung. Kriminalisierung HIV-Positiver ist auch hierzulande bedrückt auch hier. Probleme mit Kondomen in Knästen, Methadon-Programmen im Strafvollzug sind immer wieder Grund für Ärger. HIV-Positive haben immer wieder Probleme bei bzw. mit ihrem Zahnarz . Und dies sind nur einige beispielhafte Probleme im Leben mit HIV, das derzeit auch hierzulande noch weit davon entfernt ist, entspannt zu sein.

Es ist schön, Visionen zu haben, Visionen von einer „Generation ohne Aids“.

Und ich wünsche zukünftigen Generationen weltweit, dass sie ohne den Horror, der Aids für meine Generation war, leben können.

Bis diese Visionen vielleicht Realität werden, sollten wir die realen Probleme nicht aus den Augen verlieren – und sie anpacken. Die Probleme vor der eigenen Haustür, genauso wie die in Regionen die manchmal so weit entfernt schienen, uns aber dennoch sehr wohl viel angehen.

Egal ob ignorante Politiker, desinformierte Zahnärzte oder Regierungen, die glauben sich unterfinanzierte Aids-Programme leisten zu können – unsere Probleme liegen (auch) vor unserer Haustür.

Wie sagte es ein längst aus der Mode geratener Werbespruch:

Packen wir’s an.