HIV-positiv beim Zahnarzt: Es reicht … wann ziehen wir Zahnärzten diesen Zahn ?

Erneut hat vor wenigen Tagen ein Zahnarzt einem HIV-Positiven die Behandlung verweigert. Eine daraufhin gestartete Nachfrage der lokalen Aids-Hilfe hat bestürzende Ergebnisse geliefert: nur einer von zehn Zahnärzten vor Ort war bereit, HIV-Positive zu behandeln.

Behandlungsverweigerungen, Behandlungen nur in Nebenzeiten, oder nur in Notfällen – oft begründet mit dem vermeintlich erhöhten Hygiene-Aufwand, oder damit, man befürchte negative Konsequenzen für die eigene Praxis. Selten die direkte Antwort, man / frau habe zu wenig Kompetenz bei diesem Thema – oder schlicht Angst.

Das Robert-Koch-Instuitut hat sich hierzu bereits 2010 begrüßenswert klar geäußert:

“Die Weigerung von Zahnärztinnen und Zahnärzten, Patienten mit HIV-Infektion zu behandeln, lässt sich NICHT aus der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention ableiten bzw. begründen. Wer sich auf diese Empfehlungen beruft, um eine diskriminierende Behandlung HIV-infizierter Patienten in der zahnärztlichen Versorgung zu begründen, setzt sich dem Verdacht aus, diesen Grund nur vorzuschieben, um eine auf Halbwissen und Ängsten beruhende Diskriminierungsbereitschaft zu verschleiern.”

Dennoch – die Weigerung von Zahnärzten, HIV-Positive zu behandeln, häufen sich – seit Jahren. Hier handelt es sich nicht (wie Verbandsvertreter gelegentlich gerne entschuldigend äußern) um ‚bedauerliche Einzelfälle‘. Zu viele dieser Fälle sind inzwischen dokumentiert (einige z.B. hier auf ondaamris unter dem Stichwort ‚Zahnarzt‘ oder auch bei Blogger alivenkickin zur Situation in Frankfurt,. Darmstadt und Dieburg: ‚HIV + der Gang zum Zahnarzt‚ und ‚Zahznärzte – besser als ihr Ruf?‚). All diese Fälle und Umfragen zeigen: dieses Problem tritt nicht vereinzelt auf, sondern seit langem immer wieder. Ob Ignoranz, Unwissen, Angst oder Dummheit beteilgt sind, mag dem betroffenen HIV-Positiven letztlich egal sein. Wichtig ist, dass sich endlich etwas ändert.

Es ist an der Zeit, dass der klaren Positionierung des RKI, den Stellungnahmen von Fachgesellschaften, den netten Worten des Bundesgesundheitsministers sowie einiger Verbandsvertreter nun auch Taten seitens der Zahnärzte folgen – dass endlich dieser Stigmatisierung und Behandlungsverweigerung durch Zahnärzte ein Riegel vorgeschoben wird.

Behandlungsverweigerung, Diskriminierung HIV-Positiver – wann ziehen wir Zahnärzten endlich diesen Zahn ?

Oder wird es Zeit, dass HIV-Positive den Deutschen Zahnärzte-Tag aufmischen, hier ihren Protest deutlich hörbar machen? Der nächste Deutsche Zahnärztetag wäre dann am 9. und 10. November 2012 in Frankfurt. Kurz vor dem Welt-Aids-Tag und der Paulskirchen-Veranstaltung der Frankfurter Aids-Hilfe … ein guter Zeitpunkt, dass Zahnärzte sich endlich dem Thema HIV stellen, Position beziehen. Und klar machen, wie sie zum Thema Behandlungsverweigerung und Stigmatisierung HIV-Positiver stehen.

19 Gedanken zu „HIV-positiv beim Zahnarzt: Es reicht … wann ziehen wir Zahnärzten diesen Zahn ?“

  1. „Oder wird es Zeit, dass HIV-Positive den Deutschen Zahnärzte-Tag aufmischen, hier ihren Protest deutlich hörbar machen? Der nächste Deutsche Zahnärztetag wäre dann am 9. und 10. November 2012 in Frankfurt. . . . . “

    Es reicht in der Tat. Was das Aufmischen betrifft, ich bin dabei . . .

  2. Wir haben in Hagen ähnliche Probleme. Wenn wir uns einschalten als AH, dann sind sie plötzlich handzahm. Fortbildungen laufen. Aber ganz ehrlich? Das müssten die in der Uni lernen.

    Ein Tipp. Wenn Sturheit und Weigerung oder Diskriminierung trotz Infogesprächen nicht aufhören: An die zuständiger Ärztekammer sowie die Krankenkasse wenden. Das hat bei uns in Hagen mehrfach etwas bewirkt – verbunden mit dem Angebot, sich durch uns fortbilden zu lassen hat die Ärztekammer/Zahnärztekammer ein Rundschreiben in die Praxen geschickt. – und ups…. plötzlich rufen die Zahnärzte an und lassen sich Infomaterial bringen – und behandeln ohne Zickereien

  3. Ich bin fürs aufmischen. Wenn wirklich viele Leute dabei sind werden hoffentlich auch die Medien auf diese Problematik aufmerksam.

  4. ich stimme andreas rau zu – die betreffenden (möglicherweise über die örtliche ah vor ort) denen eine behandlung verweigert wurde müssen sich bei der landerszahnärztekammer über einen solchen zahnarzt namentlich beschweren. die landeszahnärztekammern in baden würtemberg und hessen sind da „sehr offen“ für ein solches gebaren . . .

    http://alivenkickn.wordpress.com/2012/04/15/hiv-und-der-gang-zum-zahnarzt-die-situation-in-frankfurtmain/

    @matthias

    nicht zum ersten mal wurden zahnärzte vom rki und der dägna diesbezüglich angehalten. dennoch ist dein vorschlag nicht von der hand zu weisen . . .

    hinweis auf die stellungnahme der dägna
    info an LZK
    und action am deutschen zahnärztetag

  5. StandUp, das Antidiskriminierungsprojekt der Schwulenberatung Berlin, berät und unterstützt im Diskriminierungsfall, z.B.mit Stellungnahmen an Zahnärzt_innen, Kassenzahnärztliche Vereinigung und die Patientenbeauftragte des Berliner Senats. Auch zu finden auf Facebook unter „StandUp Antidiskriminierung Schwulenberatung Berlin“

  6. Die Zahnklink der Charité markiert „unsere“ Kartenblätter mit einem farbigen Punkt. Dies zeigt schon mal einen standardisierten Umgang, was die konkreten Reaktionen der Mitarbeiter leider eher wenig beeinflusste.
    Bei meiner ersten Untersuchung meinte eine Helferin groß „HIV“ auf die Decke der Instrumente schreiben zu müssen. Mir fallen heute einige Sprüche ein, die ich gern gemacht hätte, leider konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht sprechen. 😉
    Es gab aber auch was Nettes: Bei der Planung eines OP-Termins, hörte ich den Spruch mit Verweis auf den Punkt (Ärztin zur Krankenschwester): „Herr Dr. yx?? Nee, das mache ich lieber selbst.“

  7. Aber nochmal zu der Aufregung:
    Nach meiner Behandlung erzählt ich davon einigen positiven Freunden, die Reaktion war allgemeines erstaunen. Nicht über die Reaktion in der Charité, sondern dass ich „es“ gesagt habe.

    Von meinen positiven Freunden sagt niemand seinem Zahnarzt, dass er positiv ist. Dies finde ich viel bemerkenswerter und sollte denen, die sich aufregen, auch zu denken geben.

    Vielleicht wird sich aber auch mal darüber aufgeregt, dass die s.g. Community sich faktisch nicht um die kümmert, die jeden Tag in den Job gehen. Auch diese haben vielleicht Beratungs-, Informations-, Kontaktbedürfnisse. Nur frage ich mich, was diese mit den diversen Frühstücksangeboten in der Woche anfangen sollen oder mit einer Beratung für Berufstätige am Montagnachmittag?

    Die 90er sind vorbei. Ja, Zahnärzte müssen die neuen Realitäten zur Kenntnis nehmen und die regelmäßige Aufregung ist richtig und wichtig. Die s.g. Community sollte m.E. aber auch die neuen Realitäten zur Kenntnis nehmen und die Arbeit auch auf diese Gruppen ausrichten.

  8. @Kai

    Von meinen positiven Freunden sagt niemand seinem Zahnarzt, dass er positiv ist. Dies finde ich viel bemerkenswerter und sollte denen, die sich aufregen, auch zu denken geben.

    Ich gehöre auch zu denjenigen die sich wie du es formulierst „aufregen“. Wenn du auf meinem Blog in der Suchmaske „Zahnarzt“ eingibst wirst Du einiges dazu finden. Die Haltung von Vielen die ich kenne – auch darüber habe ich genügend geschrieben – finde ich mitlerweile unerträglich. Wie soll sich etwas verändern wenn man – der EINZELNE – sich nicht wehrt? Nur wenn sich JEDER bemerkbar macht, laut wird, werden WIR gehört, wird Veränderung in Gang gesetzt. Das Prinzip “ Irgendeiner wird s schon für mich richten“ löst bei mir nur eines aus: Mir werden Andere immer egaler . . .

    Ich sage es JEDEM Arzt den ich aufsuche. Soviel dazu. Dem letzten Zahnarzt der mich behandelt hat und dem alle GesichtsZüge entgleist sind und einen Schritt zurückwch als ich es ihm sagte, sagte ich: Ich will nicht mit ihnen ficken, sie sollen mir nur n Gebiß anfertigen. Das verwirrte ihn völlig war aber der Einstieg in die Kummunikation zu dem Thema HIV und Stigma, Diskriminierung . . . .

  9. Hallo, ich kann euch auch ähnliches von der Zahnarztpraxis *x*x*x *x*x* aus Köln berichten, denn dort wurde mir ganz klar und ich habe es auch schriftlich bekommen dass ich nur abends Termine bekommen kann aufgrund meiner Erkrankung !!! Aber dass schlimmste war ich habe den nächsten Termin abgesagt in dieser Praxis weil ich mit einem solchen Drecksladen nichts zu tun haben möchte. Die aber behaupteten ich hätte den Termin nicht abgesagt, obwohl ich persönlich dort war und habe abgesagt und muss jetzt 98 € bezahlen. Die gingen eiskalt vor Gericht und es wurde dann so begründet ich hätte nicht genug bewiesen von meiner Seite her, dass ich den Termin abgesagt hätte.
    Wo leben wir eigentlich dass ich mir als positiver selbst auch in einer Stadt wie Köln alles bieten lassen muss. Ich kann gerne jedem der dass möchte die Unterlagen zeigen wo es drin steht dass ich nur abends behandelt werden kann. Ich warne jeden eindringlich vor dem Besuch dieser Praxis *x*x*x *x*x* in Köln

    [Anm. ondamaris: Name der Praxis neutralisiert]

  10. Leider auch meine eigene Erfahrung: Als HIV-Positiver wird man ganz „selbstverständlich“ an das Ende des Behandlungstages in die Praxis zitiert, da nach der Behandlung des HIV-Positiven der gesamte Behandlungsraum gereinigt und desinfiziert werden müsse (Erfahrung bei zwei von drei ausprobierten Zahnärzten in Bochum und Herne). Aber auch bei anderen Ärzten / Krankenhäusern sieht es nicht anders aus: Bei Magen- und Darmspiegelung und OPs in dem Bochumer Klinikum, in dem sich die HIV-Schwerpunktambulanz befindet, wird man mit der gleichen Begründung an des Ende der Behandlungsreihe gelegt.

  11. @alivenkickn
    Es gibt kein WIR, es gibt Individuen, die individuelle Entscheidungen treffen.
    Das ist nicht „unerträglich“, sondern das Leben.

  12. @Ulli
    Natürlich, viele empfinden ein „Wir“.
    Ich erlebe dieses WIR aber meist als Ausgrenzung. Alles was nicht in dieses Community WIR passt, wird dann gern als „unerträglich“ empfunden und den Leuten auch so vorgehalten.

  13. @ moin kai,

    das „wir“ wird auf div ebenen verwendet. sozioligisch betrachtet – hätte es dieses „wir“ 1981 nicht gegeben . . . . .

    „wir – menschen mit hiv/aids“ im kontext zu hiv erfahren seit beginn von HIV/AIDS im jahr 1981 ausgrenzung von der gesellschaft. als folge und mit bekanntwerden von aids haben 1981 pwa „people with aids“ angefangen sich zu organisieren um gemeinschaftlich nicht nur innerhalb des „wir = menschen mit hiv/aids sich gegenseitig zu unterstützen sondern sich im besonderen gegen das „von außen“ i.e. gesellschaftliche ausgrenzung nicht nur zu wehren sondern sich für ihre rechte und das durchsetzen ihrer bedürfnisse zu kämpfen.

    siehe -> die denver prizipien -> http://alivenkickn.wordpress.com/2009/10/09/die-denver-prinzipien/

    ausgrenzung von menschen mit hiv existiert heute noch. und dagegen gilt es sich zu wehren. da der einzelne nicht viel bewirken kann ist heute 2012, 30 jahre nach hiv dieses „wir in dem sinn das sich wer will mit anderen zu organisiert um etwas gemeinsam zu bewirken immer noch notwendig“. das dies so ist ist ein trauerspiel.

    im übrigen gibt es keinen „community zwang“ wohl gibt es aber menschen die das gleiche wllen weil sie meinen das es wichtig ist. und diese menschen – die da es ja mehrer sind sind als ein wir zu verstehen. wenn du dich da nicht als dazugehörig verstehen willst oder möchtest . .das mußt du auch nicht.

    dann rechne aber in der logischen konsequenz dieser sichtweise auch nicht mit der unterstützung von anderen wenn du mal hilfe benötigst . . .

  14. Hmm,
    ganz offensichtlich habe ich mich nicht verständlich machen könne: Ich habe einen persönlichen Erfahrungsbericht aus der Charité gepostet. Diesen habe ich ergänzt um den Hinweis, dass mich erschrockene Art der Aufregung irritiert, da es für viele Menschen Alltag ist.

    Ich verwahre mich entschieden dagegen Menschen, die sich ihr positiv sein nicht auf die Stirn schreiben zu verurteilen, den Umgang muss jeder für sich persönlich klären. Die Entscheidungen sollten sich m.E. jeder Beurteilung entziehen. Ich empfinde es als Glück in einer Zeit zu Leben, in der ich diese Entscheidung selber treffen kann, die Positiven der ersten Jahre hatten diese Möglichkeit nicht.

    Das große WIR war ein Ding der 80er und 90er, die Zeiten haben sich geändert, diese Veränderung erlebe ich in der s.g. Community nicht. Die positive Welt hat sich verändert, sie ist vielfältiger geworden. Wenn ein Beratungsangebot für berufstätige Positive in der Woche, an einem Nachmittag angeboten wird, schlage ich aber einfach die Hände über den Kopf zusammen.

    Wenn Positive sich für einen Umgang mit ihrer Infektion entscheiden und dieser als „unerträglich“ empfunden wird und wenn Äußerungen die mit der eigenen Meinung nicht übereinstimmen mit Sätzen wie „dann rechne aber in der logischen konsequenz dieser sichtweise auch nicht mit der unterstützung von anderen wenn du mal hilfe benötigst“ fühle ich mich in meiner Wahrnehmung bestätigt.

    Die Offenheit die „wir“ von Zahnärzten zu Recht fordern, sollten „wir“ gegenüber „uns“ aufbringen. Ich wage die Vermutung, dass dieses die Community bereichern könnte und neue Leute zur Mitarbeit bewegen könnte.

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