The Normal Heart

“ The Normal Heart „, ein Stück des US-amerikanischen Autors und Aids-Aktivisten Larry Kramer über die frühen Jahre der Aids-Epidemie in den USA, war während der XIX. Internationalen Aids-Konferenz in Washington zu sehen.

Alexander Pastoors, Rotterdam, hat das Stück in Washington gesehen und berichtet für ondamaris:

The Normal Heart

„Seid euch bewusst dass alles in The Normal Heart stattgefunden hat. Dies waren und sind echte Menschen die lebten und sprachen und starben, und die ich hier vorgeführt habe so gut ich konnte. Einige von ihnen sind seitdem gestorben, inklusive Bruce (dessen echter Name Paul Popham war) und Tommy (dessen echter Name Rodger McFarlane war und der mein bester Freund wurde und der, nach dem Aufbau dreier schwulen AIDS-Organisationen von Grund auf, verzweifelt Selbstmord beging), und Emma, (deren Name Dr. Linda Laubenstein war), nach einem erneuten Anfall von Polio und Behandlung mit einer eisernen Lunge. Auf seinem Totenbett im Memorial Krankenhaus, rief Paul mich an (wir hatten nicht mit einander gesprochen seit unserem letzten Streit im Schauspiel) und sagte mir nie auf zu hören zu kämpfen. “

Mit diesen Worten fängt der Brief von Larry Kramer an, der mir beim Ausgang des Theaters gereicht wird, in dem ich mir ‚The Normal Heart‘ angesehen habe. Plötzlich kamen mir Tränen. Mehr als dreißig Jahre nach dem Anfang der Aids-Epidemie sprangen mir der Schmerz, die Wut über das was ihm, seinen Freunden, schwule Männer weltweit betroffen hat, auf einem Blatt A4 kondensiert entgegen.

Larry Kramer 2007 (Foto: David Shankbone)
Larry Kramer, Autor von ' The Normal Heart ', im Jahr 2007 (Foto: David Shankbone)

Aber es war freilich nicht nur der Brief Larry Kramers, der mich bewegt hatte. Das Schauspiel selbst ist gut 25 Jahre nach der Uraufführung noch immer sehenswert und benennt Themen, die weiter greifen als die Bedeutung von HIV und AIDS für schwule Männer seit Anfang der Epidemie. Das ‚Arena Stage‘ Theater hatte die Produktion aus New York nach Washington DC geholt als kulturelles Nebenprogramm, nachdem es im vorigem Jahr in New York auf Broadway mit Erfolg wiederbelebt wurde. Als ich bei der Vorbereitung auf die Konferenz hörte, dass das Schauspiel in Washington aufgeführt werden sollte, habe ich trotz des vollen Programms Zeit eingeräumt, um es mir an sehen zu können.

Protagonist des Schauspieles ist Ned Weeks, ein in New York wohnender und als Schriftsteller arbeitende junger schwuler Mann. Durch ihn und mit ihm erlebt das Publikum, wie er und seine Freunde die ersten Jahre eine schnell um sich greifenden mysteriösen Krankheit erleben, die anscheinend nur schwule Männer betrifft. Der wichtigste Antagonist ist Bruce Niles, mit dem Ned eine Gesundheitsorganisation für schwule Männer stiftet.

Der pamphletistische Stil ist zwar nicht der stärkste Punkt des Schauspieles, zeigt aber deutlich, wie Larry Kramer (denn Ted Weeks ist eindeutig nach seinem Muster geschneidert) mit aller Kraft die er hatte die Lethargie des größten Teiles der schwulen Männer und der Behörden bekämpfte. Diesen Kampf führte er rücksichtslos, er entfremdete ihn letztendlich von vielen seiner Freunde. Im Schauspiel führt dies zum Rauswurf von Ted Weeks aus dem Vorstand der Organisation, die er selbst gegründet hatte.

In Wirklichkeit hieß diese Organisation ‚Gay Men’s Health Crisis‘ (GMHC) und war die erste Organisation in den USA, die Menschen die von Aids betroffen waren geholfen hat. Da sich GMHC nach der Gründung vor allem mit Hilfeleistung, Unterstützung und Auskünfte an und für schwule Männer beschäftigte und sich nicht mit der politischen Dimension der Krise auseinandersetzen wollte, kam es zu einem Konflikt zwischen dem damaligen Vorsitzenden Paul Popham (Bruce Niles) und Larry Kramer (Ted Weeks). Was das Schauspiel nicht zeigt, aber in Wirklichkeit passierte, war dass Larry Kramer danach im Jahr 1987 eine radikal politische Organisation gründete: ‚AIDS Coalition to Unleash Power‘, kurz ACT UP.

Nebst diesem zentralen Thema wie man die Aids-Krise beantworten sollte, kehrt die Sicht von Larry Kramer auf die Gestaltung der ’schwulen Community‘, das negative Selbstbild vieler schwulen Männer und die einseitige Ausrichtung vieler Männer auf so viel wie möglich Sex mit so viel wie moglich verschiedene Männern zu haben an vielen Stellen im Schauspiel zurück. Ted Weeks ist sehr zynisch über seine Freunde (und schwule Männer generell), wenn an einem bestimmten Punkt innerhalb der Hilfsorganisation diskutiert wird, ob man Männern wirklich den Rat geben sollte, keinen Sex mehr zu haben. Die meisten seiner Freunde schrecken davor zurück, solch einen Rat zu veröffentlichen und unter schwulen Männern zu verbreiten. In dem Sinne war und ist Larry Kramer sehr radikal und ganz anders gestrickt als sein Zeitgenosse Richard Berkowitz, der 1983 die erste safer Sex Richtlinie ‚How to Have Sex in an Epidemic‘ publizierte.

In dem Stück klingt vor allem die Enttäuschung Larry Kramers gegenüber einer ’schwule Community‘  durch,die sich in seinen Augen vorwiegend mit Sex identifiziert. Er fragt sich sogar, ob es überhaupt eine Community gibt. Es sind gerade diese Fragen, die das Stück aktuell machen. Die Fragen, was eine Community ist, wie wir uns als Schwule zu Sex verhalten, und ob dies nicht als ein zu wichtiger Bestandteil unseres Lebens eingeschätzt wird, gelten heute nach wie vor. Die Frage, was man zum Beispiel Männern raten sollte, wie sich zu verhalten um das Infektionsrisiko mit Hepatitis C zu verringern, kann man vergleichen mit den damaligen Diskussionen über safer Sex.

Ich war sehr froh durch dieses Schauspiel erneut mit diesen Fragen konfrontiert zu werden. Eine Antwort hatte ich für vieler dieser Fragen am Ende des Abends noch nicht. Ich nahm mir vor, während der Konferenz darüber weiter zu grübeln.

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Herzliches Danke, Alexander!