The Normal Heart

“ The Normal Heart „, ein Stück des US-amerikanischen Autors und Aids-Aktivisten Larry Kramer über die frühen Jahre der Aids-Epidemie in den USA, war während der XIX. Internationalen Aids-Konferenz in Washington zu sehen.

Alexander Pastoors, Rotterdam, hat das Stück in Washington gesehen und berichtet für ondamaris:

The Normal Heart

„Seid euch bewusst dass alles in The Normal Heart stattgefunden hat. Dies waren und sind echte Menschen die lebten und sprachen und starben, und die ich hier vorgeführt habe so gut ich konnte. Einige von ihnen sind seitdem gestorben, inklusive Bruce (dessen echter Name Paul Popham war) und Tommy (dessen echter Name Rodger McFarlane war und der mein bester Freund wurde und der, nach dem Aufbau dreier schwulen AIDS-Organisationen von Grund auf, verzweifelt Selbstmord beging), und Emma, (deren Name Dr. Linda Laubenstein war), nach einem erneuten Anfall von Polio und Behandlung mit einer eisernen Lunge. Auf seinem Totenbett im Memorial Krankenhaus, rief Paul mich an (wir hatten nicht mit einander gesprochen seit unserem letzten Streit im Schauspiel) und sagte mir nie auf zu hören zu kämpfen. “

Mit diesen Worten fängt der Brief von Larry Kramer an, der mir beim Ausgang des Theaters gereicht wird, in dem ich mir ‚The Normal Heart‘ angesehen habe. Plötzlich kamen mir Tränen. Mehr als dreißig Jahre nach dem Anfang der Aids-Epidemie sprangen mir der Schmerz, die Wut über das was ihm, seinen Freunden, schwule Männer weltweit betroffen hat, auf einem Blatt A4 kondensiert entgegen.

Larry Kramer 2007 (Foto: David Shankbone)
Larry Kramer, Autor von ' The Normal Heart ', im Jahr 2007 (Foto: David Shankbone)

Aber es war freilich nicht nur der Brief Larry Kramers, der mich bewegt hatte. Das Schauspiel selbst ist gut 25 Jahre nach der Uraufführung noch immer sehenswert und benennt Themen, die weiter greifen als die Bedeutung von HIV und AIDS für schwule Männer seit Anfang der Epidemie. Das ‚Arena Stage‘ Theater hatte die Produktion aus New York nach Washington DC geholt als kulturelles Nebenprogramm, nachdem es im vorigem Jahr in New York auf Broadway mit Erfolg wiederbelebt wurde. Als ich bei der Vorbereitung auf die Konferenz hörte, dass das Schauspiel in Washington aufgeführt werden sollte, habe ich trotz des vollen Programms Zeit eingeräumt, um es mir an sehen zu können.

Protagonist des Schauspieles ist Ned Weeks, ein in New York wohnender und als Schriftsteller arbeitende junger schwuler Mann. Durch ihn und mit ihm erlebt das Publikum, wie er und seine Freunde die ersten Jahre eine schnell um sich greifenden mysteriösen Krankheit erleben, die anscheinend nur schwule Männer betrifft. Der wichtigste Antagonist ist Bruce Niles, mit dem Ned eine Gesundheitsorganisation für schwule Männer stiftet.

Der pamphletistische Stil ist zwar nicht der stärkste Punkt des Schauspieles, zeigt aber deutlich, wie Larry Kramer (denn Ted Weeks ist eindeutig nach seinem Muster geschneidert) mit aller Kraft die er hatte die Lethargie des größten Teiles der schwulen Männer und der Behörden bekämpfte. Diesen Kampf führte er rücksichtslos, er entfremdete ihn letztendlich von vielen seiner Freunde. Im Schauspiel führt dies zum Rauswurf von Ted Weeks aus dem Vorstand der Organisation, die er selbst gegründet hatte.

In Wirklichkeit hieß diese Organisation ‚Gay Men’s Health Crisis‘ (GMHC) und war die erste Organisation in den USA, die Menschen die von Aids betroffen waren geholfen hat. Da sich GMHC nach der Gründung vor allem mit Hilfeleistung, Unterstützung und Auskünfte an und für schwule Männer beschäftigte und sich nicht mit der politischen Dimension der Krise auseinandersetzen wollte, kam es zu einem Konflikt zwischen dem damaligen Vorsitzenden Paul Popham (Bruce Niles) und Larry Kramer (Ted Weeks). Was das Schauspiel nicht zeigt, aber in Wirklichkeit passierte, war dass Larry Kramer danach im Jahr 1987 eine radikal politische Organisation gründete: ‚AIDS Coalition to Unleash Power‘, kurz ACT UP.

Nebst diesem zentralen Thema wie man die Aids-Krise beantworten sollte, kehrt die Sicht von Larry Kramer auf die Gestaltung der ’schwulen Community‘, das negative Selbstbild vieler schwulen Männer und die einseitige Ausrichtung vieler Männer auf so viel wie möglich Sex mit so viel wie moglich verschiedene Männern zu haben an vielen Stellen im Schauspiel zurück. Ted Weeks ist sehr zynisch über seine Freunde (und schwule Männer generell), wenn an einem bestimmten Punkt innerhalb der Hilfsorganisation diskutiert wird, ob man Männern wirklich den Rat geben sollte, keinen Sex mehr zu haben. Die meisten seiner Freunde schrecken davor zurück, solch einen Rat zu veröffentlichen und unter schwulen Männern zu verbreiten. In dem Sinne war und ist Larry Kramer sehr radikal und ganz anders gestrickt als sein Zeitgenosse Richard Berkowitz, der 1983 die erste safer Sex Richtlinie ‚How to Have Sex in an Epidemic‘ publizierte.

In dem Stück klingt vor allem die Enttäuschung Larry Kramers gegenüber einer ’schwule Community‘  durch,die sich in seinen Augen vorwiegend mit Sex identifiziert. Er fragt sich sogar, ob es überhaupt eine Community gibt. Es sind gerade diese Fragen, die das Stück aktuell machen. Die Fragen, was eine Community ist, wie wir uns als Schwule zu Sex verhalten, und ob dies nicht als ein zu wichtiger Bestandteil unseres Lebens eingeschätzt wird, gelten heute nach wie vor. Die Frage, was man zum Beispiel Männern raten sollte, wie sich zu verhalten um das Infektionsrisiko mit Hepatitis C zu verringern, kann man vergleichen mit den damaligen Diskussionen über safer Sex.

Ich war sehr froh durch dieses Schauspiel erneut mit diesen Fragen konfrontiert zu werden. Eine Antwort hatte ich für vieler dieser Fragen am Ende des Abends noch nicht. Ich nahm mir vor, während der Konferenz darüber weiter zu grübeln.

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Herzliches Danke, Alexander!

ACTA gefährdet die HIV/Aids-Bekämpfung in armem Regionen (akt.)

Das ACTA-Abkommen (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) ist in verschiedenne Netz-Communities zum Gegenstand scharfer Kritik geworden. Vor allem netzpolitischen Aspekte wie Datenschutz und die Neutralität der Internet Service Provider (ISPs) und der zahlreichen (sozialen) Plattformen stand dabei im Vordergrund. Die Gegner werfen dem Abkommen und seinen politischen Befürwortern insbesondere auf der europapolitischen Ebene mangelnde Transparenz und den bewussten Ausschluss der Öffentlichkeit vor. Befürchtet wird vor allem die Schaffung von verpflichtenden nicht-staatlichen Kontrollstrukturen bei ISPs und Diensteanbietern bzw. Plattformen. Zudem wurden Abwigelungsversuche seitens der Politik und Argumente der Befürworter von den Gegner entkräftet.

Say No to ACTA on YouTube

Ein Überblick über die ACTA-Problematik lässt sich durch die zahlreichen Links in dem Blog-Artikel »Ein kleiner Einstieg in ACTA« (Netzpolitik.org) gewinnen. Doch ACTA ist längst kein netzpolitisches Problem. Nicht erst seit gestern stellen Patentrechte ein großes Hindernis in der medizinischen Versorgung von armen Weltregionen dar. Das gilt besonders für HIV/Aids-Medikamente. In den armen Weltregionen leisten Generika, die zu einem großen Teil in Indien hergestellt werden, einen enormen Beitrag in der medizinischen Versorgung von HIV-Infizierten. Hilfsorganisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ rufen deshalb ebenfalls zu Protest gegen das Abkommen auf, denn denn der Bezug und Einsatz von Generika wäre durch ACTA, das im Sinne des Markenschutzrechts greifen möchte, in Zeichnerländern delegitimiert. Viktor Funk schlussfolgert in Bezug auf die Generika-Problematik in seinem Artikel »„Apotheke für Arme“ in Gefahr« der Frankfurter Rundschau:

»Vermutlich fürchteten westliche Pharma-Konzerne aber, dass früher oder später auch sie ihre Forschung transparenter machen müssten.«

Nachdem Proteste in Polen die dortige Regierung zu einem überraschendem Aussetzen des Ratifizierungsverfahrens bewegt haben , sind am kommenden Samstag europaweite Proteste geplant, auch in vielen deutschen Städten. ACTA würde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur einen enormen Eingriff in das Netz bedeuten: Es würde den Zugang zu teuren Medikamenten unnötigerweise privilegisieren und damit auch die weltweite Eindämmung und Bekämpfung von HIV-Infektionen erschweren oder sogar unmöglich machen. Benachteiligt wären vor allem diejenigen, für die jegliche medizinische Versorgung – auch die durch Generika – schon jetzt ein Luxus ist.

ACTA stops generics
ACTA stops generics

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Gastbeitrag von Tobias Rademacher. Tobias bloggt unter dem Titel Mythopoeia.

Danke an Tobias für diesen Gastbeitrag!

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Aktualisierung
10.02.2012, 15:30: Süddeutsche Zeitung  online 10.02.2012, 15:30: Handel – Internet: Deutschland stimmt ACTA-Abkommen vorerst nicht zu

10.02.2012, 17:00: In ‚The Independant‘ (10.2.2012) spricht sich auch Popstar Elton John klar gegen ACTA aus:

„I’ve battled for many years to see progress in the AIDS response. I don’t want to see those achievements thrown away. This is a critical moment. The Government must stand up for the rights of people living with HIV and the health of the world’s most vulnerable by stopping this EU attack on the vital Indian supply of essential medicines.“

Österreich: Polizei-Gewerkschaft kämpft für Zwangs-HIV-Tests

Seit dem 1. Januar 2012 können in Österreich zwangsweise HIV-Tests angeordnet werden „bei Verdacht einer Ansteckung mit Hiv …, obwohl die Verfassung zwangsweise Blutabnahmen verbietet“ (siehe „Österreich: Seit 1.1.2012 Zwangs-Hiv-Tests„). Nun setzt sich in Österreich auch die Polizei-Gewerkschaft für HIV-Zwangstests ein, wie Gast-Autor thinkoutsideyourbox  berichtet:

Polizei-Gewerkschaft kämpft für Zwangs-HIV-Tests

Seit 1. Jänner 2012 können Personen durch eine Novelle der Strafprozessordnung zur zwangsweisen Blutabnahme gezwungen werden, wenn diese “im Verdacht stehen, das in Europa weitgehend einzigartige Vergehen der abstrakten Gefährdung durch übertragbare Krankheiten (§ 178 Strafgesetzbuch) begangen zu haben”, wie das Rechtskomitee Lambda (RKL) berichtet. Der Vorsitzende der österreichischen Polizei-Gewerkschaft Hermann Greylinger verteidigt diese zwangsweisen Blutabnahmen, obwohl die verfassungsmäßige Konformität sehr stark bezweifelt werden kann, wie auch der Verfassungsexperte Univ-Prof. Dr. Bernhard Funk von der Universität meint.

Der Gewerkschafter Greylinger verteidigt diese umstrittene Neuregelung, die eine Zwangs-Blutabnahme erlaubt, wenn der Verdacht besteht, dass jemand eine ansteckende Krankheit übertragen könnte (§ 178 StGB). Greylinger fordert diese Blutabnahmen bei Amtshandlungen, wo beispielsweise der/die Polizist/in von einer Person bespuckt, gebissen oder mit einer Injektionsnadel verletzt wurde. Dann müsse sich diese/r monatelang Sorgen um seine/ihre Gesundheit machen. Eine Blutabnahme bei/m Täter/in würde hier eine Gewissheit bringen.

Für Helmut Graupner ist dieses Gesetz verfassungswidrig und widerspricht der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes seit den 1950er Jahren, wonach ein Verdächtiger nur zur zwangsweisen Blutabnahme gezwungen werden darf und so seinen Körper als Beweismittel gegen sich sich selbst einzusetzen. Ausnahmen bestehen bei bestimmten schweren Straftaten mit einem Strafrahmen von über fünf Jahren, bei Sexualdelikten und/oder Köprerverletzungen im Zuge der Ausführung einer gefährlichen Tätigkeit in einem berauschten Zustand, wie z.B. Verkehrsunfälle mit Personenschäden, wenn der/die Lenker/in alkoholisiert war.

Auch der Verfassungsexperte Univ.-Prof. Dr. Bernd Funk von der Universität Wien hat bestimmte Zweifel an der verfassungsmäßigen Konformität der Neuregelung. Gegenüber derStandard.at sagte Funk, dass im Falle eines “starken öffentlichen Bedürfnisses” Ausnahmen auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zulässig sein, aber:

“Es ist absolut säumig, eine derart sensible Materie huschpfusch ohne Verfassungsmehrheit zu beschließen.”

Auch müsse die Blutabnahme medizinisch sinnhaftig sein, was der Verfassungsrechtler in der ORF-Sendung “ZIB 24″ bezweifelte. Auch für RKL-Präsident Dr. Helmut Graupner ist das neue Gesetz in keinster Weise dazu geeignet, das zu erreichen, wofür es gemacht wurde,

“nämlich PolizistInnen (und anderen Berufsgruppen) nach Biss-, Kratz-, Spuck- oder Nadelstichattacken Unsicherheit über eine befürchtete Ansteckung, insbesondere mit HIV, zu nehmen.”

So kann HIV/Aids nach wissenschaftlichen Stand nicht durch Spucken oder Beißen übertragen werden und zweitens kann beim Opfer schon nach 14 Tagen seit der Erleidung der Verletzung ein HIV/Aids-Test durchgeführt werden, um Sicherheit über eine mögliche Ansteckung zu erhalten. Bis der/die TäterIn gefunden/vorgeführt und eine zwangsweise Abnahme durchgeführt wurde, sind vermutlich schon deutlich mehr als zwei Wochen vergangen. Auch für den Fall, dass der Test beim/bei der Täter/in gegebenenfalls positiv verlaufen sollte, hat das Opfer dennoch keine Information darüber, ob er/sie ebenfalls infiziert wurde. Dafür müsse beim Opfer ein separater Test durchgeführt werden

Für Polizeigewerkschafter Hermann Greylinger sind all diese Einwürfe nicht relevant. Auch vom Stand der Wissenschaft über die Übertragsmöglichkeiten von HIV/Aids oder Hepatitis, wie sie RKL-Präsident Helmut Graupner ausgeführt hat, unbeeindruckt. Im Gegenteil, er verteidigt diese Neuregelung und deutet sogar an, dass bei einem entsprechenden Urteil des Verfassungsgerichtshofs, die Politik das Gesetz eben in den Verfassungsrang (dafür wird im Parlament eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt) heben müsse.

In der ORF TVthek kann der Bericht und die Diskussion zwischen RKL-Präsident und Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner und dem Vorsitzenden der österreichischen Polizeigewerkschaft Hermann Greylinger nachgesehen werden.

Jedenfalls läuft bereits eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof wegen der (möglichen) Verfassungswidrigkeit des Zwangs-Bluttests (thinkoutsideyourbox.net berichtete).

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Danke an thinkoutsideyourbox für den Gast-Beitrag!

HIV-Stigma – das „goldene Ticket“ für die Rückkehr in den Schoß der Gemeinde ?

Diskriminierung und Stigmatisierung sichtbar machen – ist das ein positiver Ansatz? Oder ist sie ein weiterer Schritt im Opfer-Dasein? Gar das „goldene Ticket für die Rückkehr in den Schoß der Gemeinde“? Die Festschreibung des Sonder-Status?

Ein Gast-Kommentar von Manuel Schubert, Autor des Blogs „Immunantwort„:

HIV-Stigma – das „goldene Ticket“ für die Rückkehr in den Schoß der Gemeinde ?

Im Regelfall prallt die Präventionsreklame an mir ab. Ausgenommen die Aktion „Positive Stimmen“. Der neueste Streich der Deutschen Aids Hilfe brachte mich tatsächlich ins Grübeln. Stark verkürzt hören sich bei diesem Projekt Menschen mit HIV gegenseitig dabei zu, wie sie über schlechte Behandlungen aufgrund ihres Virus berichten. Aus dem gesammelten Material wird anschließend der sog. „PLHIV Stigma Index“ (neudt.: „People living with HIV Stigma Index“) destilliert. Der soll abbilden, inwieweit und wo auf der Welt Menschen mit HIV diskriminiert werden bzw. aufgrund der Abstempelung als „positiv!“ Leid und Benachteiligungen erfahren. Das Projekt rühmt sich einer Besonderheit: Man verfährt nach den sog GIPA-Prinzipien („Greater Involvement of People Living with HIV/ Aids“), auf gut deutsch: Von Positiven für Positive. Wendet man eine kontroverse Lesart an, dann sind die „Positiven Stimmen“ der Kinderteller, den „uns“ die Präventionsinstanzen ausnahmsweise gewähren. Für mich riecht das irgendwie nach Entmündigung durch die Hintertür. Aber vielleicht missverstehe ich da auch nur etwas.

Sprechen ist jedenfalls angesagt bzw. das Antworten auf Fragen, die positive Interviewer ihren positiven Interviewten anhand eines standardisierten Fragebogens (sic!) stellen. Ferner Sinn des Ganzen ist die Absicht, mit dem sich hoffentlich(?) abzeichnenden Bild von der Schlechterstellung infizierter Menschen, „langfristig“ in Politik und Gesellschaft intervenieren zu können. Klingt nett. Wer diese Interventionen letztlich vornimmt, sei dahin gestellt. Ebenso, ob die „GIPA“ Prinzipien dann gelten.

„Positive Stimmen“ trägt, das D- und das S-Wort trophäenartig vor sich her: Diskriminierung und Stigmatisierung. Die Sprachdatenbank der Uni Leipzig kennt für das D-Wort 12 Synonyme, darunter „Missachtung“ und „Benachteiligung“. Ganz egal ob Versicherungen, Arbeitgeber, Chatpartner oder Richter – Menschen mit HIV im Blut schlechter zu behandeln als vorgeblich „gesunde“ Menschen, ist in westlichen Industriestaaten gängige Praxis. Schnell geraten dabei neben dem persönlichen Respekt auch Grundrechte unter die Räder. Die Frage nach Diskriminierung lässt sich relativ schnell beantworten. Die Antwort ist so mannigfaltig, wie die „Täter der Diskriminierung“ vielgestaltig sind. Und so wie sich deutsche Juden in schöner Regelmäßigkeit für die „Machenschaften“ der israelischen Regierung(-en) rechtfertigen sollen. Genauso oft dürfen sich Positive anhören, dass die Krankenkassen Verletzungen aus Extremsportarten ja auch nicht mehr bezahlen. Der einzig „positive“ Aspekt an Diskriminierung: Sie ist häufig so dermaßen dämlich und offenkundig plump, dass sie sich schnell identifizieren lässt. Sich dagegen dann auch wehren zu können, steht wiederum auf einem anderen Blatt. Ob Kampagnen wie die „Positiven Stimmen“ hier hilfreich sind, sei erheblich bezweifelt. Ich würde politisch progressive, lautstarke und von Fördermitteln unabhängige Interessenvertretungen bevorzugen.

Beim S-Wort ist die Sache schwieriger. Was ist ein Stigma – in Bezug auf HIV und unter Fortlassung der historischen Wurzeln des Begriffs? Ist die Ordnungsnummer der Ärzte und Krankenkassen für HIV „B24 G“ schon Stigma, oder nur eine Kennziffer im Abrechnungswesen? Ist die Phrase „poz“ für positiv schon ein Stigma, oder einfach nur Slang unter schwulen Positiven? Erneut gefragt: Wie definiert man das „HIV-Stigma“? Und vor allem: Wer definiert es? Jeder Infizierte erfasst den Umstand des Virus im eigenen Blut anders.

Nicht wenige scheinen das Wunschdenken der Prävention vollkommen geschluckt zu haben und sind seit dem „Un-Fall“ der Infektion erstarrt. Sie reagieren mit Selbstvorwürfen oder Verstecken. Andere können mit HIV nur aus einer Opferhaltung heraus umgehen, die wiederum oft mit einer Betonung der eigenen Sonderrolle einhergeht, welche häufig auch noch institutionalisiert wird. Beide Typen, nennen wir sie den „gescheiterten Präventionsgläubigen“ und „das Opfer“, haben meiner Meinung nach ein vordringliches Interesse an der Definierung des Stigma-Begriffs. Die nicht infizierte Gesellschaft ist ihr Ziel oder vielmehr deren Anteilnahme und Aufmerksamkeit. Das HIV-Stigma als „Golden Ticket“ für die Rückkehr in den Schoß der Gemeinde. Was paradox klingt, wird durch Aktionen wie die „Positiven Stimmen“ und Worthülsen wie das „GIPA“-Prinzip auf erschreckende Weise schlüssig.

Doch was soll hierbei für ein Index herauskommen? HIV+, 38, beschimpft in München! HIV+, 22, gemieden in Berlin! HIV+, 41, verurteilt in Rostock? HIV+, 52, arbeitslos in Duisburg? Oder eher so: „Die Deutschen malträtieren ihre Positiven besonders effektiv mit Isolation, Rechtssprechung und gezielter Warnung vor dem Rauswurf aus der Solidargemeinschaft.“ Tauchen wir dann in einer „Hotlist“ von UNAIDS auf – Deutschland, Platz 3 in der Kategorie Psychoterror gegen Positive? Nein, bestimmt nicht. Dieses Volk ist ja so leidenschaftlich gerne Weltspitze. Ergo wird vor Veröffentlichung der Hotlist noch schnell die Gesundheitsversorgung von HIV auf 100% Selbstbeteiligung umgestellt und der Hartz4-Anspruch für Positive gestrichen – damit ist der erste Platz gesichert.

Nochmal: Was soll das werden? Ein Atlas der Schande? Wie viele solcher Atlanten braucht dieses Land noch? Das Suhlen in der eigenen Schande als deutscher Fetisch? „Der deutsche Fetisch – jetzt neu, auch in der Version für HIV! Zusammengestellt von unseren versierten Autoren.“ Werkzeuge stumpfen ab, nutzt man sie zu oft. Und welchen Nutzen hat dieser Atlas, wenn er nur aussagt, dass ich nirgendwo ein zu Hause habe? Ich kann mit den „Positiven Stimmen“ nichts anfangen! Meine Stimme ist nicht „positiv“, sie ist nur die des Manuel Schubert. Ja, der ist auch HIV-positiv und ja, das sogar sehenden Auges. Kein persönliches Scheitern, kein Opfer von jemandem. Aber er ist deswegen noch lange keine „positive“ Stimme, schon gar nicht im Sinne der institutionalisierten Prävention. Nein, in deren Sinne ganz bestimmt nicht!

Ich habe als deutscher Staatsbürger eine Stimme und gehe zu jeder Wahl. Ich bin Mitglied in einer Bundestagspartei. Als Blogger verschaffe ich mir öffentlich Gehör. HIV ist da eines unter vielen Themen. Meine Stimme prangert offen an, dass dieser Staat, seine Institutionen, die Gesellschaft daran gehen, meine Grundrechte, meine körperliche und geistige Konstitution und somit meine Entfaltungsfreiheit in Abrede zu stellen. Die institutionalisierten HIV-Interessenvertretungen reagieren darauf öffentlich kaum und wenn doch, dann mit hilflosen Appellen. Die schlichte Reihenfolge, in der sie ihre Arbeitsschwerpunkte benennen, macht klar, das, da nichts weiter kommen wird: An erster Stelle steht die Schaffung eines „gesellschaftspolitischen Rahmen, in dem Infektionen vermieden werden können“. Ein Perpetuum mobile für fördermittelabhängige Institutionen und ihr Personal. Die Forderung nach einer allgemeinen Lebensstilakzeptanz für Menschen mit HIV findet sich in der Proklamation zum Selbstverständnis der Deutschen Aids Hilfe (DAH) nicht.

Dieser Tage plakatieren die staatlichen Gesundheitsbehörden wieder Floskeln und lassen Rollenmodelle Sprechblasen aufsagen. In ihren gecoachten Sätzen über das positive Zusammenleben schwingt immer auch ein Wohlverhaltensvorbehalt mit: „Aber sicher.“ Etwas anderes als die Sicherheit kommt unterm Strich nicht vor. Da man sich mit der breiten Vermittlung bspw. des EKAF-Statements überraschend schwer tut, kennt die Volksgesundheit nur den Heiligen Gral: Das Kondom. Das Kampagnenziel der gesellschaftlichen Umarmung entpuppt sich so bei genauerer Betrachtung als sinnbildliche Sicherheitsverwahrung für Positive. Staatsanwälte und Richter interpretieren diese anachronistischen Mantras längst in Verhaltensnormen und damit Rechtssprechung um, da ihnen die Paragrafen des StGB den Spielraum dazu lassen. Die Politik duckt sich hier weg. Wir Positiven befragen uns derweil, selbstverständlich nach Anleitung der DAH, gegenseitig über unser Leiden.

Am 1. Dezember legen all jene, die zwischendurch das Bedürfnis haben für ein paar Minuten solidarisch zu sein, wieder die rote Schleife an. Es wird Zeit, dass Menschen mit HIV diesen modernen gelben Stern endlich mit jener Verachtung strafen, die ihm gebührt. Die Schleife ist zum Symbol eines verkommenen Solidarverständnis mutiert, das Infizierte in der Sonderrolle eines gescheiterten und fürsorgebedürftigen Individuums festschreibt. Die Sonderrolle ist die eines Hofnegers, wie er im 18. Jahrhundert von österreichischen Adeligen gehalten wurde. Anstatt mit Spendendosen zu klappern, sollten die lokalen Aidshilfen an diesem Tag Unterschriftenlisten auslegen: „Ich fordere die uneingeschränkte Straffreiheit der Transmission von HIV.“ Übrigens: „Positive Stimmen“ sucht noch Gesprächspartner. Wir sollten uns alle bewerben! Und im Interview die Welt schön biegen, damit der „PLHIV Stigma Index“ am Ende aussagt: Deutschland ist unter den Industrieländern das Paradies für Positive. Natürlich wäre das Humbug. Doch zu denken, der Index würde etwas zur Besserung der Situation Positiver beitragen, grenzt an Aberglauben.

Sei wütend!

„hiv-positive schweigen zum thema hiv aus angst, dabei sozial gebrandmarkt zu werden … wir müssen versuchen, die ideologie zu verstehen, die uns scham fühlen, schweigen und uns zu gegenständen der bewertung werden lässt. wir müssen erkennen, dass es durchaus möglich ist, diese ideologie zu verändern…“ – mit starken Worten fordert ein Manifest HIV-Positive auf, aktiv zu werden, sich zu organisieren.

Knut, der Autor dieses Manifests (er bloggt unter ‚trauer und wut‚), bat mich, seinen Text auf ondamaris zur Diskussion zu stellen – also: rege Diskussion und intensive Kommentare erwünscht!

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Manifest zu HIV

„in 1969 queers fought back. in 2011, queers [with hiv] say ok“.
hiv-positive schweigen zum thema hiv aus angst, dabei sozial gebrandmarkt zu werden. sie organisieren sich in bareback-communitys, die eine politische auseinandersetzung mit hiv nicht wollen. außerdem schließen sich sich in selbsthilfegruppen ein, um zumindest dort trost zu finden und ihre außenseiterrolle für kurze zeit aufzuheben. keinen positiven scheint der status quo zu stören. lieber werden die eigenen gefühle verschwiegen, anstatt diese gegen das schlechte bild von hiv zu verwenden, denn dieses nimmt ihnen die würde. es wird zeit, das zu ändern!

eine gesetzgebung, die die alleinige verantwortung von den positiven fordert und die es hiv-negativen personen erlaubt, opfer zu sein, muss abgeschafft werden!
jeder hat für sich selbst sorge zu tragen. beim sex treten sich zwei mündige personen gegenüber, bei denen gleichberechtigung herrschen sollte und nicht eine juristische betrachtung der letztverantwortung auf den hiv-positiven.

der staat und seine hiv-prävention sollten dem einzelnen nicht vorschreiben, wie er sex haben sollte!
jeder mensch ist für sich selbst verantwortlich und jeder muss selbstbestimmt sorge für sich tragen. die hiv-prävention darf uns nicht vorschreiben, welche gesundheit erstrebenswert ist. wir müssen das recht zurückgewinnen, frei über unseren körper zu entscheiden. wir lehnen eine sichtweise ab, die uns für „dummi“ oder pathologisch erklärt. vielmehr fordern wir den respekt, den eine eigenständige wahl verdient.

jemand, der durch eine bluttransfusion hiv bekommt, sagt man, sei unschuldig.
eine heterosexuelle frau, die ohne kondom sex hat und sich hiv zuzieht, sagt man, sei bemitleidenswert und unschuldig.
ein schwuler mann, der einmal ohne kondom fickt und sich mit hiv infiziert, sei mehr schuldig.
ein schwuler mann, der wissentlich immer wieder sexuelle risiken eingeht und hiv einfängt, sei am schuldigsten.
wieso sind nicht alle gleich betroffen? wieso ist hiv eine frage der schuld?

hiv-positive haben nicht die größten probleme beim zahnarzt oder am arbeitsplatz, sondern in der sexuellen ablehnung und deren folgen!
wir müssen mit der angst leben, verstoßen zu werden, wenn wir beim sex oder in einer angehenden beziehung unseren hiv-status offenlegen. oft sind wir dabei dem unverständnis oder dem ekel anderer ausgesetzt. trotz der möglichkeit eines kondoms werden hiv-positive von personen, die sich immer schützen, abgelehnt, weil diese angst haben und wohl dann an die zweckmäßigkeit der verhütung nicht mehr glauben. dies führt dazu, dass viele hiv-positive sexuelle kontakte scheuen. gefahren dabei sind isolation und psychische erkrankungen. der verweis auf andere hiv-positive, der durch die angst vor ablehung von seiten hiv-negativer entsteht, kann negative folgen haben: die nicht auf probe gestellte angst verstärkt das innere stigma und innerhalb der vernetzung hiv-positiver besteht eine erhöhte gefahr für hepatitis c (gesetzt bestimmte sexuelle praktiken) und andere sexuell übertragbare krankheiten.

sei wütend! wenn dir das nicht kraft gibt, probier’s mit panik. schrei! probier’s mit irgendwas, was dich aus der trauer und passivität reißt, die aus der überzeugung rührt, keine macht darüber zu haben, was passiert!
auch wenn ablehnung immer verlust und trauer gleichkommt, sind eine traurige wut oder wütende trauer besser als eine erdrückende passivität.

wir müssen versuchen, die ideologie zu verstehen, die uns scham fühlen, schweigen und uns zu gegenständen der bewertung werden lässt. wir müssen erkennen, dass es durchaus möglich ist, diese ideologie zu verändern, wenn wir anfangen uns auszusprechen, uns zu organisieren um letztendlich die macht über die politik und die bilder von hiv zu gewinnen!

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HIV-positive manifesto

„in 1969 queers fought back. in 2011, queers [with hiv] say ok“.
there is a general fear among queers with hiv of speaking out. the ever present fear of social stigmatisation looms quietly in the background and prevents any form of of politicisation. left only to congregate in bareback communities or self pitying discussion groups, the queer with hiv has taken on a passive anti-identity at best to finding a shoulder to cry on or an escape from their role as a social leper. oddly enough we seem to be completely complacent with this incapacitating status quo. instead of productively channeling our feelings against such a negative image we would rather keep our feelings to ourselves. it’s time to change that!

we demand the abolition of a law which, in essence, holds anyone with hiv holely responsible and allows hiv-negative persons to be victims!
everyone should be responsible for themselves. sex is always something between two consenting adults as equals. It should not seek final responsibility in the person with hiv by holding him liable in any case of an infection.

the state and its programme of hiv-prevention should not dictate how one should or should not have sex!
every person is responsible for himself and must take care of himself. hiv-prevention should not dictate a certain desirable state of health. let us regain the right to determine our bodies ourselves. we refute being perceived as „dummies“ or being deemed pathological. we demand the respect any autonomous choice deserves.

if somebody contracts hiv through a blood transfusion it is not considered his fault.
a heterosexual woman having unprotected sex is deemed a victim and is generally pitied.
a gay man fucking without a condom once is considered considerably more to blame.
a gay man continuously having unprotected sex and contracting hiv is deemed the most blameworthy.
why isn’t everybody effected in the same way? why is hiv a question of blame for one’s infection?

people with hiv do not encounter their biggest problems at the dentist or at work but in sexual rejection and its consequences!
we must live in fear of being rejected every time we chose to disclose our hiv status before sex or during a relationship. We are often subject to the disgust and judgment of others. The belief in prophylactics is in fact often shattered when confronted with the mere possibility of sexual intercourse with someone positive who is therefore categorically rejected. this leads to many hiv-positive people avoiding sex altogether resulting in isolation and psychological illnesses. restricting themselves to other hiv-positive-people out of fear of being rejected by hiv-negative-people entails a number of negative consequences: not putting these fears to the test reinforces the inner stigma of being bound to an hiv-positive-community in which there is also a hightened risk, given certain sexual practices, for hepatitis c and other stds.

feel some rage! if that doesn’t empower you, try panicking! scream! try anything to tear you out of your dolefulness and passivity. they both stem from a heightened sense of powerlessness!
even if rejection always leads to loss and dolefulness, a melancholic anger or even an angry dolefulness are better than a stifling passivity.

we must learn to understand the ideology teaching us to feel shame, remain silent and accepting moral judgment at all time. we must realise the mutable nature of this ideology and begin to verbalise our anguish and organise ourselves in order to regain control over politics and the images of hiv!

„Möge das Goldene Zeitalter wiederkehren!“

„Muss HIV eigentlich immer noch für Horror-Gemälde herhalten? Die doch nur der Unterdrückung von schwulem Sex, schwuler Lust dienen?“ Ich spreche mit einer Kneipen-Bekanntschaft, nach kurzer Zeit landen wir bei Aids und schwulem Sex-Leben, welche Einschränkungen HIV schwulem Sex heute auferlegt. Er findet ‚eigentlich keine mehr‘. So schlimm sei das mit HIV ja nicht mehr. Immer wieder höre ich diese Äußerungen – und habe sie im folgenden in einer fiktiven Meinungs-Äußerung verdichtet, um sie zur Diskussion zu stellen:

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Möge das Goldene Zeitalter zurückkehren !

Ich höre von Schwulen, die noch vor Aids ihr Coming-Out hatten. Die von ihrem damaligen Sex-Leben berichten. Vom großer Freiheit, von Experimentieren und sich Ausprobieren, von Lust, von ‚alles geht‘. Denn – das höre ich dann oft als ‚Hintergrund-Musik‘ – das Schlimmste was passieren konnte waren ja Tripper und Syphilis. Und dagegen gab es ja Penicillin.

Dann kam Aids.
Und der Horror.

Euer Horror.
Aber auch unserer?

Der Schrecken hieß HIV, hieß Aids, hieß gnadenloses Krepieren.

Hieß.

Heißt so heute nicht mehr.

Heute gibt es gut wirksame Pillen.

Haben dann wir jungen Schwulen von heute nicht jedes erdenkliche Recht, auch wieder zu sagen „Ich will Spaß!“ ? Recht, unser Sex-Leben zu genießen, unbefangen, lustvoll, – hemmungslos? Und frei von Angst?

Das schlimmste, was uns heute passieren knn, ist HIV. Und dagegen gibt es Pillen.

Also: lasst uns in Ruhe mit der Lust-killenden Aids-Kacke von gestern.
Euer Penicillin von gestern sind uns die wirksamen HIV-Pillen von heute.

Wir wollen Lust, wollen Spaß.
Nicht mehr – und nicht weniger.

Ist Nadja Benaissa eine AIDS-Aktivistin?

Nadja Benaissa soll anlässlich der Berliner Veranstaltung „HIV im Dialog“ im August 2011 mit dem „ReD Award“ ausgezeichnet werden. Hierzu ein Gast-Kommentar von Matthias Gerschwitz:

Durch das Sonder-Positivenplenum [in Berlin, d.Hg.] gestern Abend erfuhr ich, dass Nadja Benaissa, ex-Mitglied der Girlgroup »No Angels« und Schlagzeilen-Star des vergangenen Jahres wegen eines Prozesses um die Weitergabe des HI-Virus nach ungeschütztem Sex, beim Kongress »HIV im Dialog«, der am 26./27. August 2011 in Berlin stattfindet, mit dem »ReD Award«, bezeichnet nach der »Reminders Day Aids Gala«, ausgezeichnet werden soll.

Nun muss ich voranschicken, dass ich gar nicht wusste, dass es einen »ReD Award« gibt. Aber das wusste ich auch beim »Annemarie-Madison-Preis« nicht, den ich anlässlich der Münchner Aidstage im März 2010 für mein Buch »Endlich mal was Positives« erhielt. Allerdings konnte ich bald herausfinden, wer die Namensgeberin ist bzw. war, denn Annemarie Madison verstarb im Januar 2010 nach über 25 Jahren intensiver Arbeit um das Thema HIV, Aufklärung, Prävention, Entstigmatisierung, Enttabuisierung und und und … die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen.

Bei der Recherche zum »ReD Award« stieß ich auf das »HIV im Dialog«-Programmheft aus dem Jahr 2010 und die »Reminders Day Aids Gala«. Ich zitiere: »Der ReD Award gilt als besondere Auszeichnung für außerordentliches Engagement im Kampf gegen HIV und Aids.« Preisträger waren der Schauspieler und langjährige Moderator der Gala, Georg Uecker, sowie die Gründungsmitglieder der Berliner Aids-Hilfe, Konrad Möckel und Dr. Gerd Paul. Damit wird die Idee des »ReD Award« deutlich, insbesondere, wenn man sich die Liste der bisherigen Preisträger ansieht. Aber was bitte hat Nadja Benaissa mit »außerordentlichem Engagement im Kampf gegen HIV und Aids« zu tun?

Ich möchte vorweg bemerken, dass ich nichts gegen sie habe. Auch ich bin der festen Überzeugung, dass ihr im Rahmen der Anzeige und des Prozesses durch die Staatsanwaltschaft Darmstadt, die sie zwangsweise als HIV-positiv outete, und die Medien übelst mitgespielt wurde. Aber dass ihre Nominierung gestern beim Sonder-Positivenplenum mit dem Hinweis auf »Aktivismus, Solidarität und Kriminalisierung« unterstützt wurde, hat mich entsetzt. Dazu mein Kommentar:

Nadja Benaissa ist keine Aktivistin. Ihr gebührt in dieser Kategorie höchstens der Preis für Passivität. Sie ist durch eigenes Fehlverhalten in eine Situation geraten, in der sie, zugegeben, einem besonderen öffentlichen Druck ausgesetzt war. Aber Öffentlichkeit war ihr schon vorher im Rahmen ihrer Karriere nicht fremd. »Aktivistin« wird man, wenn man sich intensiv und über einen längeren Zeitraum für eine Sache einsetzt. Beides ist bei Nadja Benaissa nicht gegeben. (Annemarie Madison würde im Grabe rotieren …) Intensiv tätig war sie nicht – und ebenfalls nicht über einen »längeren Zeitraum«: Auch wenn dank Nadja Benaissa kurzzeitig deutlich wurde, dass HIV auch heterosexuelle Frauen betreffen kann, hat sich der Medienhype ausschließlich mit ihr als prominenter Infizierter befasst – mehr nicht. Kurz nach dem Prozess waren sowohl Medienhype wie Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nämlich schon wieder verschwunden. Fragt man heute Menschen auf der Straße nach ihr, wird man im Höchstfall die Antwort »Das war doch die, die ihren Freund mit HIV infiziert hat« erhalten. Und das ist wahrlich kein »außerordentliches Engagement im Kampf gegen HIV und Aids«.

Nadja Benaissa hat nichts für die Solidarität getan. Ganz im Gegenteil: Sie wurde von einer Welle der Solidarität aus der positiven Community (so es sie denn gibt) unterstützt. Insofern gebührt eher ihren Unterstützern dieser Preis. Und noch mehr: Nadja Benaissa hat die Bemühungen aller Beteiligten,  Akzeptanz, Toleranz, Verständnis und »Normalität« im Umgang mit der Infektion und den Infizierten zu erreichen, weit hinter die 80er Jahre zurückgeworfen, indem sie fast ausschließlich die Mitleidsschiene bedient hat – eine Schiene, die der Infektion und noch weniger den Infizierten auch nur annähernd angemessen ist und die alle Aktivitäten, die seit vielen Jahren – teilweise bekanntlich gegen Windmühlen – entfacht wurden und werden, konterkariert.

Nadja Benaissa ist kein Justizopfer, und weder sie noch HIV-Infizierte allgemein wurden kriminalisiert. Sie hat sich eine – im derzeitigen Rechtssystem nach wie vor verankerte – fahrlässige Körperverletzung zu Schulden kommen lassen und wurde dafür vor Gericht mit einer meiner Meinung nach angemessenen Strafe am unteren Limit belegt. Hier muss das Rechtssystem geändert werden, denn Najda Benaissa ist nur ein Symptom! Und – ganz am Rande: Mit ihrem Verhalten hat sie sämtliche Bemühungen um die Anerkennung der EKAF-Kriterien zunichte gemacht und erst damit künftigen Kriminalisierungen Tür und Tor geöffnet. Ist das wirklich preiswürdig?

Wenn der »ReD-Award« tatsächlich an Nadja Benaissa vergeben werden sollte, genügt es also zukünftig, das Virus per ungeschütztem Sex weiterzugeben, um ausgezeichnet zu werden. Der Preis, der Kongress und die gesamte Präventionsarbeit vieler (zumeist ehrenamtlicher) Mitarbeiter sowie die bisherigen und zukünftigen Preisträger würden so der Lächerlichkeit anheim gestellt. Wenn das beabsichtigt ist – bitte sehr. Für mich wäre das ein Grund, meine HI-Viren zurückzugeben. Mit einer »Community«, die ein solch krasses Fehlverhalten unterstützt, möchte ich nicht in Verbindung gebracht werden.

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Danke an Matthias für den Gast-Kommentar.

Matthias Gerschwitz ist Autor und unter anderem Botschafter des Welt-Aids-Tags.

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siehe auch:
Matthias Gerschwitz 15.03.2011: Ist Nadja Benaissa eine AIDS-Aktivistin?
alivenkickin 15.03.2011: Nadja Benaissa für den Reminders Day Award vorgeschlagen
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Indignez-vous ! Empört Euch !

Indignez-vous !

Gast – Kommentar aus Paris von Manfred

Empört Euch ! ruft uns, in seinem kleinen Büchlein, der weise, bewundernswerte, alte Mann namens Stéphane Hessel* in den gerade 30 Seiten zu, die inzwischen in Frankreich in wenigen Wochen von Hunderttausenden gekaufte wurden. Viele warten auf die vorgesehene Neuauflage .

Empört Euch – Indignez-vous!, sagt er.
Ja, ich will es auch im kommen Jahr nicht lassen. Will nicht schweigen, will nicht mehr schweigen und wenn es sein muss, schreien, aufschreien. Denn Gründe dazu gibt es – leider – immer wieder.

Übersetzen wir erst einmal die ersten Linien seines Aufrufs zum „friedlichen Aufstand“:

„Das Basismotiv der Widerstandsbewegung war die Empörung. Natürlich, die Gründe, sich in unserer heutigen modernen Welt zu empören sind komplexer, können weniger klar sein als zur Zeit des Nazismus. Aber: „Sucht und Ihr werdet finden“: Der ständig steigende Unterschied zwischen sehr Reichen und sehr Armen, der Zustand unseres Planeten, die Art und Weise, wie Menschen ohne gültige Papiere behandelt werden, Einwanderer, Roms, das Rennen nach „immer mehr“, der Wettkampf und die Diktatur der Finanzmärkte bis hin zu der vermarkteten Errungenschaften der Widerstandsbewegung – Renten, Krankenversicherung …“

Dass Stéphane Hessel französische Gegebenheiten auflistet ist nicht verwunderlich. Aber: wie sieht es in andern Ländern anders aus? Hat nur Frankreich Probleme aller Art? Mitnichten, keineswegs.

Und das Unerträgliche ist, dass wir alle, wo immer auch, gleiche und auch andere Gründe haben, uns zu empören.

Darf ich nur einige davon nennen:

– Ich will mich nicht damit zufrieden geben, dass man erst in Monaten hier in Frankreich einem Kriminellen den Prozess macht, weil er vor mehr als einem Jahr schon und aus welchen Gründen auch immer – ein Berg davon würde nicht reichen ihm auch nur annähernd mildernde Umstände zuerkennen – ein homosexuelles Paar lebend – JA, LEBEND – in einem Quadratmeter großen Loch verscharrt hat, in dem beide, Gesicht zu Gesicht, Polizeiberichten zufolge, sich haben sterben sehen (Informationen hier: Le Figaro und Le Telegramme).
Wir haben es hier, in der Tat, mit einem besonders makabrem Beispiel der Homophobie zu tun. Und dennoch: in unseren Landen können wir noch mit etwas „Zivilisation“ rechnen. Anderswo, und die Zahl der Länder hat sich in den letzten Jahren um nicht eines verringert, werden Homosexuelle hingerichtet, gesteinigt, vergewaltigt.

– Ich will nicht mehr stillschweigend hinnehmen, dass in der Pharmaindustrie Unsummen verdient werden – und gleichzeitig durch gezielte Lobbyarbeit Kranken der Zugang zu lebensrettenden Medikamenten gesperrt wird: es gibt immer noch Länder, in denen HIV-Kranken keine Medikamente zur Verfügung stehen, weil die Pharmakonzerne sich immer noch weigern, dass dort Generika zur Verfügung stehen oder hergestellt werden dürfen.
Und hier, im Frankreich des XXI. Jahrhunderts haben, letzten Berichten zufolge, bisher mehr als 2.000 Menschen an einem unnützen und falsch angewandten Medikament (Mediator) sterben müssen, während Pharmakologen und Spezialisten schon Ende der neunziger Jahre dessen Gefährlichkeit anklagten.

– Und ich will mich nicht damit zufrieden geben, dass Zweifel, dass das eigene „sich-in-Frage-stellen“ oder auch nur Fragen stellen in der „Blogwelt“ immer noch, und vielleicht mehr denn je durch Arroganz und Rechthaberei ersetzt wird. Zumal von Menschen die ihr Berufsschwulentum zur Allgemeingültigkeit erklären – und sich irren. Während Andere, Wenige, unerlässlich kämpfen, erklären, helfen. Hélas, es sind leider nur Wenige.
Ihr lieben ‚Auch-Homosexuellen‘, ihr lieben Mitleidenden an dieser uns immer noch verfluchenden Krankheit: Je vous aime – ich kann es nicht besser sagen. Aber bitte: versuchen wir erwachsen zu werden. Die Zeit ist da.

– Und ich bin müde, mich durch die Hochglanz-Presse durchwühlen zu müssen, in der ich erst einmal Lady Gaga und andere schrille Glitterfiguren, wie auch den „mec de la semaine“, den ‚Kerl der Woche“ beiseite schieben muss, um eine lesenswerte Information zu finden. Selbst wenn ich die deutsche Presse auf diesem Gebiet kaum kenne, darf man wohl sicher sein, dass es dort ungefähr genauso aussieht. Natürlich müssen solche Veröffentlichungen leben: aber muss es denn ständig so sein wie Marguerite Yourcenar es einmal ausdrückte: „Tragik und Operette“? Nein: ich habe nichts gegen Letzteres. Aber, wie ich den „Gay-pied“ vermisse (und der, ich befürchte, wohl kaum wieder ins Leben gerufen werden wird) und die Menschen dieser Jahre, die mit Intelligenz und Abstand überlegten und sich aufregten, anklagten und Verbesserungen vorschlugen, kurz und gut mit Geschick und Nachdruck – beide schließen sich nicht aus – für unsere Sache eintraten!

Diese Aufzählung könnte fortgesetzt werden. Doch die wenigen hier angeschnitten Punkte führen bei kurzen Überlegungen zu anderen, nicht weniger wichtigen. Wie dieser letzte:

– Und keine Empörung über meinen eigenen HIV-Status? JJein. Es hat lange gedauert bis ich mich daran gewöhnt hatte, mit ihm zu leben und ich werde bis zum letzten Atemzug mit einem ganz gehörigem Paket voll Wehmut den glücklichen, sorglosen Jahren nachtrauern – aber auch denen, die mich zweimal vor dem Absturz gerettet haben. Merci! Danke! Es war schwierig, ja. Aber sie waren da, jeder der zählte.
Ich wage es kaum zu sagen: nie, nicht einmal habe ich das Gefühl gehabt, dass diese oder jener, die sich um mich sorgten, nicht das Bestmögliche getan haben. Und dazu zähle ich auch öffentliche Einrichtungen wie Krankenkasse und dergl. Ich weiß, es gibt immer noch Probleme bei anderen, auch in unseren Landen. Nicht alle haben das gleiche Glück gehabt.

Das ist der Daseinsgrund dieses Blogs – wie der Anderer. Das ist eben der Grund Stéphane Hessel’s Aufruf ernst zu nehmen wenn er sagt: Indignez-vous! EMPÖRT EUCH ! wenn es sein muss.

Das neue Jahr beginnt gerade. Was ich uns, Euch, was ich mir wünsche ist unter anderem Kraft zur Empörung. Was mich betrifft: non! „Manfred wir die Klappe nicht halten!“ Basta.

Für Alle une Bonne et Heureuse Année !
Ein Glückliches Neues Jahr !

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*)
Ein paar Worte zur außergewöhnlichen Persönlichkeit von Stefan Hessel, denn als solcher wurde er 1925 in Berlin als Sohn eines jüdischen Schriftstellers und einer protestantischen Mutter geboren. Dies Elternpaar ging übrigens in die Filmgeschichte ein Dank eines Buches des Vaters, in dem er die vor Glück geradezu strahlende Dreiecksgeschichte aus seiner Jugend erzählt und aus der François Truffaut später den Film „Jules et Jim“ mit einer ebenso strahlenden Jeanne Moreau in der Rolle seiner Mutter drehte.
Im Jahr 1925 zieht die Familie nach Paris, wo Hessel sein sehr weit reichendes Studium macht. 1937 wird er französischer Staatsbürger. Widerstandskämpfer der ersten Stunde, er wird im Jahr 1944 von de Gaulle zur einer besonderes „Mission“ nach Paris geschickt, dort von der Gestapo verhaftet, nach Buchenwald deportiert. Durch die Hilfe eines Arztes, der ihm und zwei seiner Kameraden falsche Papiere besorgt, kann er entkommen. Jedoch Monate später erst ist er wirklich frei.

Stéphane Hessel ist Botschafter und war an der Ausarbeitung der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ beteiligt.
Ein ausführlicher Artikel bei „Wikipedia“ und auch hier, was einen Teil seiner Stellungnahmen in seinem Buch betrifft: L’Express

(Gast – Kommentar von Manfred)

zur Diskussion gestellt: „HIV und Strafrecht: Vier Prinzipien“

Am Montag, 16. August 2010 beginnt in Darmstadt der Prozess gegen Nadja Benaissa. HIV und der strafrechtliche Umgang mit HIV geraten wieder in den Blickpunkt von Medien und Öffentlichkeit. Gibt es sinnvolle Prinzipien, wenn „HIV vor Gericht“ steht, z.B. um eine wirksame Prävention nicht zu gefährden und Stigmatisierung von HIV-Positiven zu vermeiden?
Ein Gastbeitrag von Silke Eggers, Karl Lemmen, Marianne Rademacher, Holger Sweers und Stefan Timmermanns – verbunden mit der Bitte um intensive Diskussion und Kommentare:

Einladung zur Diskussion
HIV und Strafrecht: Vier Prinzipien

Heute, am 16. August 2010, hat vor dem Amtsgericht Darmstadt der Prozess gegen die Sängerin Nadja Benaissa begonnen. Immer wieder landen Fälle vor Gericht, in denen es um (potenzielle) HIV-Übertragungen geht. In der Bundesgeschäftsstelle der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. (DAH) hat eine kleine Arbeitsgruppe vier Prinzipien zu diesem Thema formuliert, die ihrer Ansicht nach gelten sollten.

Die Gruppe stellt das Papier im DAH-Blog unter blog.aidshilfe.de zur Diskussion und lädt herzlich zu Anmerkungen und konstruktiver Kritik ein.

Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung ist kein Mittel der Prävention, sondern wirkt sich kontraproduktiv aus: Sie lässt die Illusion entstehen, der Staat habe HIV unter Kontrolle und HIV-Positive trügen die alleinige Verantwortung für den Schutz vor einer HIV-Übertragung. Wenn Menschen aber glauben, dass allein die HIV-Positiven für den Schutz vor HIV verantwortlich sind, kann dies dazu führen, dass sie ihr eigenes Schutzverhalten vernachlässigen.

Hinzu kommt: Nur eine Person, die weiß, dass sie HIV-positiv ist, kann strafrechtlich belangt werden. Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung führt unter Umständen dazu, dass Menschen sich nicht auf HIV testen lassen – nach dem Motto: Wer nicht getestet ist, kann strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden. Darüber hinaus leistet sie der Stigmatisierung von HIV-Positiven Vorschub, was einem selbstbewussten Umgang mit der HIV-Infektion im Wege stehen kann.

Auf der anderen Seite gibt es aber durchaus Fälle, in denen die HIV-Übertragung eine strafrechtliche Bedeutung hat, zum Beispiel, wenn das Gegenüber arglistig getäuscht wurde, Vertrauen ausgenutzt wurde oder eine Ansteckung beabsichtigt war.

In jedem Fall aber sollten, wenn HIV vor Gericht eine Rolle spielt, folgende Prinzipien gelten:

1. Bei sexuellen Begegnungen gilt das Prinzip der geteilten Verantwortung.

HIV-Prävention bedeutet in unserem Verständnis, dass alle Beteiligten lernen müssen, sich nicht auf andere zu verlassen, sondern den Schutz vor HIV in die eigene Hand zu nehmen. Daraus folgt für uns zum Beispiel, dass von Menschen mit HIV bei Gelegenheitskontakten oder am Beginn neuer Beziehungen nicht gefordert werden kann, ihre Infektion offenzulegen – wohl aber, dass sie ihre Verantwortung für den Schutz vor einer HIV-Übertragung wahrnehmen wie ihre Partner/innen auch.

Wir gehen dabei vom Prinzip der geteilten Verantwortung aus. Eine einseitige Zuschreibung von Verantwortung an Menschen mit HIV ist nicht nur ethisch unhaltbar, sondern auch kontraproduktiv für die Verhütung von HIV-Übertragungen (siehe Einleitung).

Geteilte Verantwortung heißt für uns, dass wir die Partner/innen in sexuellen Begegnungen – ob HIV-positiv getestet, ungetestet oder HIV-negativ getestet – grundsätzlich „auf gleicher Augenhöhe“ sehen, als freie und gleichberechtigte Menschen, die auf der Grundlage von Informationen und Kommunikation gemeinsame Entscheidungen treffen oder den Schutz vor einer Übertragung in die eigene Hand nehmen können.

Es kann allerdings Fälle geben, wo diese gleiche Augenhöhe nicht gegeben ist, zum Beispiel, wenn ein Partner/eine Partnerin aufgrund von Alkohol- und Drogenkonsum nur noch eingeschränkt handlungsfähig ist, bei Abhängigkeiten, Zwang oder verminderten kognitiven Fähigkeiten. In solchen Fällen kommt dem Gegenüber in der überlegenen Position eine größere Verantwortung zu. Wir sehen daher die Einzelne/den Einzelnen nie allein mit ihrer/seiner Verantwortung, sondern immer auch die Mitverantwortung der anderen (bzw. für die anderen).

2. Auch HIV-Positive haben das Recht auf Unvoreingenommenheit.

Viele juristische Auseinandersetzungen um (potenzielle) HIV-Übertragungen finden im Kontext enttäuschter Beziehungswünsche statt. Richter sind auch hier gefordert, Menschen mit HIV unvoreingenommen zu begegnen, ihnen also nicht per se weniger Glaubwürdigkeit beizumessen als Nichtinfizierten. Dazu gehört gegebenenfalls auch, sich vom medial gezeichneten Bild der „verantwortungslosen Positiven“ freizumachen. Wichtig ist, dass sich Öffentlichkeit und Justiz nicht vor den Karren von „Beziehungsabrechnungen“ spannen lassen.

3. Im Spannungsfeld zwischen Recht und Prävention ist ein differenziertes und sensibles Vorgehen nötig.

Die DAH beschäftigt sich mit dem Thema Recht und HIV vor allem aus zwei Perspektiven:
• aus der Perspektive der Menschenrechte
• aus der Perspektive der Prävention.

HIV-Prävention im Sinne von „New Public Health“ will Menschen zum selbstbestimmten und verantwortungsvollen Umgang mit HIV und Aids befähigen. Die deutsche Linie der HIV- und Aidsbekämpfung ist gerade deshalb so erfolgreich, weil sie von der Mündigkeit und Verantwortung jedes einzelnen Menschen ausgeht. Und weil sie z. B. dafür sorgt, dass HIV-Positive nicht stigmatisiert werden, sondern ihre schwierige Situation im Umgang mit dem „gesellschaftlichen Makel“ HIV anerkennt.

Wenn (potenzielle) HIV-Übertragungen juristisch aufgearbeitet werden, müssen Justiz und Medien daher differenziert und sensibel vorgehen – und sollten mögliche Folgen für die Prävention beachten. „Mediale Treibjagden“ auf angeblich verantwortungslose HIV-Positive z. B. verschärfen das Stigma HIV und dürften es Menschen mit HIV eher erschweren, ihren HIV-Status offenzulegen und damit ihren Partner(inne)n einen verantwortungsvollen Umgang mit der Infektion zu ermöglichen.

4. Das veränderte Leben mit HIV erfordert eine veränderte Rechtsprechung.

Die bisherige Rechtsprechung orientierte sich an einem Bild von HIV, das mit hohen Übertragungswahrscheinlichkeiten (zum Beispiel beim Sex ohne Kondom), schnellem Siechtum und Tod verbunden war. Die HIV-Infektion ist aber inzwischen zu einer behandelbaren chronischen Erkrankung geworden. Wer sich heute mit HIV infiziert, kann bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung mit einer annähernd normalen Lebenserwartung rechnen.

Außerdem kann durch eine antiretrovirale Therapie die Übertragungswahrscheinlichkeit wirksam gesenkt werden. Solche Veränderungen müssen stärker in die Rechtsprechung einfließen. Galt bisher das Einbringen eines Kondoms in die sexuelle Kommunikation als ausreichender Beweis, eine HIV-Übertragung verhindern zu wollen, stellt sich die Frage, ob die korrekt angewendete „Viruslastmethode“ heute nicht gleichermaßen bewertet werden müsste, bietet sie doch eine vergleichbare Sicherheit (vgl. hierzu das DAH-Positionspapier „HIV-Therapie und Prävention“ vom April 2009).

Berlin, im August 2010

Silke Eggers, Karl Lemmen, Marianne Rademacher, Holger Sweers, Stefan Timmermanns

Robert Badinter – oder die Würde der Menschen

„Es gibt kein ‚aber‘!“ – Mit diesen Worten steht Robert Badinter immer wieder ein für die Unbedingtheit des Verbots der Todesstrafe. 1981 hat Frankreich weitgehend ihm, damals Justizminister unter Mitterrand, die Abschaffung diskriminierender Gesetze gegen Homosexuelle zu verdanken.

Erst jüngst jährte sich in Deutschland ein beinahe schon vergessenes Jubiläum: am 11. Juni 1994 trat die Abschaffung des §175 in Kraft. Auch Frankreich hatte seine gegen Homosexuelle gerichteten Gesetze. Und einen Mann, der bei der Abschaffung dieser (und anderer) Gesetze eine besondere Rolle hatte: der weit über Frankreich hinaus für seinen Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe bekannt gewordene Robert Badinter.

Zur Würdigung von Robert Badinter heute ein Gastbeitrag aus Frankreich von Manfred:

Robert Badinter – oder die Würde der Menschen.

Es gibt Momente, Eindrücke, die sich ein für allemal ins Gedächtnis eingraben: die außerordentliche Ansprache des französischen Justizministers Robert Badinter am 17. September 1981 vor der Nationalversammlung in Paris, in der er für die Abschaffung der Todesstrafe plädierte, gehört zu ihnen. Dass diese Rede „außerordentlich“ war, basierte nicht nur auf der ein für allemal einmaligen Persönlichkeit des Redners, sondern auch an dem Thema und der Heftigkeit der Debatten, von der wir uns heute nur schwer ein Bild machen können. *)

Dass ich dieser Persönlichkeit vor wenigen Wochen bei einem Spaziergang im Luxemburggarten in einer Wegbiegung geradezu in die Arme lief, war Anstoß, sich anderer seiner Engagements zur Verteidigung der Würde des Menschen, gleich in welcher Form, zu erinnern:

Robert Badinter Juni 2010
Robert Badinter im Jardin du Luxembourg, Paris, Juni 2010

Vor drei Jahren wurde der 25. Jahresstag gefeiert, an dem die von Präsident Mitterrand versprochene und von Robert Badinter eingeleiteten Wahl zur Abschaffung des unter dem Vichy-Regime herausgegebenen Gesetzes von der Nationalversammlung stattfand, das homosexuelle Verbindungen unter 21 Jahren mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu drei Jahren und einer Geldstrafe von 6 bis 20.000 Franken bestrafte, während solche von Heterosexuellen nur unter 15 Jahren verboten waren.

Zwei Fakten nur, die den lebenslangen, er wurde 1928 geboren, nie nachlassenden Kampf eines Mannes -in anderem Zusammenhang würde man von einem „Gerechten – d’un juste“ sprechen- zur Erhaltung und zugunsten der Unantastbarkeit der Menschenwürde verdeutlichen.

In den darauf folgenden Jahren, in denen er u.a. auch von 1986 bis 1995 Präsident des Verfassungsrates war, und bis heute hat er nicht nachgelassen sich um Gesellschaftsfragen zu sorgen, aufmerksam zu verfolgen, welchen Lauf unsere Gesellschaft nimmt – oder welchen Entgleisungen sie ausgesetzt ist.

Er hat die von Frankreich offizielle Unterbreitung einer Erklärung vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen für die „Allgemeine Straffreiheit bei Homosexualität“ – „Pour une dépénalisation universelle de l’homosexualité » mitgetragen. Überhaupt: Fragen welche die „Sitten“ betreffen („les moeurs“ würde man in hier Frankreich sagen) finden bei ihm immer ein offenes Ohr.  So ist es nicht selten, ihn von Zeit zu Zeit in einem Fernsehinterview zu sehen, oder ihm in einer Gesprächsrunde im Radio zu begegnen, in der er vor Tagen von einem Journalisten als „le sage des sages“ –der Weise unter den Weisen- vorgestellt wurde. Bei Grundsatzfragen wie z.B. die Erhaltung der Menschenrechte, die Unantastbarkeit der Menschenwürde scheint für ihn keine Diskussion möglich zu sein. Und das ist gut so. In einem kürzlichen Fernsehgespräch über die Abschaffung der Todesstrafe wagte eine seiner Gesprächspartnerinnen ein: „Natürlich, sie haben Recht. Aber …“ Wie ein Peitschenhieb kam seine Unterbrechung: „Non, Madame, il n’y a pas de mais!“ – Nein, Madame, es gibt kein Aber !“ Ende der Diskussion.

Hier ein kurzer Auszug aus der Rede von Robert Badinter – und welch ein Redner! – am 20. Dezember 1981 anlässlich der Abstimmung über die Straffreiheit bei Homosexualität:

« Diese Versammlung kennt die Art von Gesellschaft, die immer von Willkür, von Eigenmächtigkeit, Intoleranz gekennzeichnet war. Der Fanatismus oder der Rassismus haben ständig Jagd auf die Homosexualität gemacht. Eine solche Diskriminierung, diese Unterdrückung sind unvereinbar mit den Prinzipien eines großen Landes der Freiheit wie das unsere. Es ist endlich an der Zeit sich bewusst zu werden, was Frankreich den Homosexuellen schuldet, wie allen anderen Bürgern in vielen Bereichen.

Monsieur – oserais-je un cher Monsieur? car vous êtes cher à mon coeur – Merci.

Manfred

*) Seine Bemühungen, sein regelrechter Kampf um die Abschaffung der Todesstrafe hat eigentlich schon 1972 (siehe: Wikipedia) begonnen.

** Unter seinen vielen Veröffentlichen befindet sich auch ein Buch über „Oscar Wilde – oder die Ungerechtigkeit“

Merci – vielen Dank an Manfred für diese Würdigung Robert Badinters‘ !

HIV am Arbeitsplatz oder 40.000 HIV-positive Menschen in Beschäftigung

Zwei Drittel der HIV-Infizierten in Deutschland arbeiten.  Sie sind mit vielfältigen Problemen konfrontiert. Ein Gastbeitrag von Christian Kranich von der Münchner Aids-Hilfe:

HIV am Arbeitsplatz
oder
40.000 HIV-positive Menschen in Beschäftigung

Nur wenige Krankheiten haben sich in den letzten Jahren so rasant verändert wie Aids. Während früher – leider viel zu viele – Menschen mit HIV an Aids verstarben, hat sich seit Einführung der Kombinationstherapie im Jahr 1996 vieles verändert. Die Lebenserwartung von HIV-positiven Menschen ist mittlerweile annähernd identisch mit der von gesunden Menschen. 2/3 der ca. 63.000 HIV-infizierten Menschen in Deutschland gehen einer Arbeit nach. Dies ist annähernd der gleiche Anteil wie in der gesunden Normalbevölkerung.

Diese Entwicklung hat das Thema „Aids und Arbeit“ nachhaltig verändert. Während früher „Ausstieg aus dem Erwerbsleben“ und „Berentung“ im Vordergrund unserer Arbeit standen, gilt es heute HIV-positive Menschen über die gesamte Dauer ihres Erwerbslebens zu begleiten. Heute diskutieren wir mit den Ratsuchenden die Frage, ob man sich am Arbeitsplatz outen soll oder besser nicht? Wir begleiten beim Stellenwechsel und bei der Angst vor medizinischen Erstuntersuchungen und helfen einen individuell passenden Umgang am Arbeitsplatz mit der chronischen Erkrankung HIV zu finden. Gegebenenfalls vermitteln wir auch an Rechtsanwälte, wenn es gilt, Diskriminierung und beispielsweise eine ungerechtfertigte, rechtswidrige Kündigung abzuwehren auf Grund von HIV beziehungsweise vorgeschobener andere Gründe.

Auch Arbeitslosigkeit ist für uns ein Thema. So gibt es für Langzeitarbeitslose Menschen mit HIV seit 1997 spezielle Angebote in der Münchner Aidshilfe, um sie bei der Rückkehr in den 1. Arbeitsmarkt zu unterstützen.

Viel zu wenige Menschen wissen, dass es nahezu keine Einschränkungen für HIV-positive Menschen am Arbeitsplatz gibt. Bei dem Einhalten der selbstverständlichen Hygiene-Schutzbestimmungen besteht für niemanden eine Ansteckungsgefahr. So kann ganz normal beim Friseur, im Service oder Küche eines Restaurants und auch im Krankenhaus in der Pflege gearbeitet werden, steht einer Beschäftigung an sich nichts im Wege. Einzige Einschränkungen sind – aufgrund erhöhter Verletzungsgefahr bei invasiven Tätigkeiten an offenen Wunden – Tätigkeiten im Operationssaal und das gesetzlich festgeschriebene Berufsverbot bei Piloten.

Das größere Problem – als die real nicht vorhandene Ansteckungsgefahr – stellen die unbegründeten Ängste vor einer Infektion am Arbeitsplatz dar. Die Unaufgeklärtheit der Gesamtbevölkerung und die damit einhergehenden irrationalen Ängste vor einer Infektion sind der Motor der Diskriminierung von HIV-positiven Menschen am Arbeitsplatz.

Da keine Ansteckungsgefahr besteht, muss in einer Bewerbungssituation niemand sagen, dass sie/er HIV-positiv ist. Auf Nachfrage kann gelogen werden. Lediglich wenn die Arbeitsfähigkeit für die verlangte Tätigkeit eingeschränkt ist besteht Mitteilungspflicht. Ein Beispiel für Mitteilungspflicht wäre die Bewerbung als Busfahrer/in und dass Nebenwirkungen eines Medikamentes Müdigkeit verursacht, so dass die Steuerung eines Fahrzeugs unmöglich ist.

Für Ärzte besteht bei der medizinischen Erstuntersuchung bei Neueinstellungen übrigens Schweigepflicht, insbesondere auch gegenüber dem Arbeitgeber! Ferner besteht für den Arzt grundsätzlich keine Notwendigkeit nach HIV zu fragen oder eine Testempfehlung abzugeben. Sollte dennoch ein HIV-Test durchgeführt worden sein und dieser positiv ausfallen, empfiehlt sich die selbstbewusste Frage, ob der Arzt gedenke, dies im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung (Schweigepflicht) weiterzugeben. Einzige Ausnahme wäre hier eine betriebliche Vereinbarung, aber diese besteht in den allermeisten Fällen nicht, da es an sich keinen gesetzlich verwertbaren Grund gibt, warum eine Firma keinen HIV-positiven Arbeitnehmer beschäftigen sollte.

Auffällig ist, dass überraschend viele der Betroffenen ihr Testergebnis am Arbeitsplatz erfahren. Dies ist eine sehr schwierige Situation. Da der Betroffene in diesem Schockzustand meist hilfebedürftig ist, kann aus Gründen der Überforderung häufig nicht die notwendige Aufklärung unter den Kollegen geleistet werden. Dies kann dazu führen, dass die Belegschaft in ihrer eigenen Verunsicherung panisch und mit Ausgrenzung reagiert. Für einen HIV-positiven Menschen stellt sich häufig die Notwendigkeit bei einer Offenbarung des Testbefundes, steuernd mit zu agieren. Dies gilt gleichermaßen im privaten wie im beruflichen Kontext. Entfällt diese Fähigkeit zur Mit-Steuerung auf Grund der dargestellten Umstände, entsteht häufig Beratungs- und Unterstützungsbedarf bei den Betroffenen, um ihre Situation am Arbeitsplatz arrangieren zu können. Eine diesbezügliche Unterstützung hat unmittelbar und schnell zu erfolgen, um möglichen größeren Schaden schon frühzeitig abzuwenden und deeskalierend zu wirken. Hier steht die Münchner Aids-Hilfe unterstützend zur Seite.

Zentrales Thema bei HIV in der Arbeitswelt bleibt die Frage nach der besseren Lösung: Outen am Arbeitsplatz oder lieber nicht? Als Aids-Aktivist der ersten Stunde mache ich keinen Hehl daraus, wie sehr ich es politisch begrüßen würde, wenn sich mehr mutige HIV-positive Menschen zur Sichtbarkeit am Arbeitsplatz entscheiden würden. Ich bin der Überzeugung, dass wir HIV-positive Vorbilder im Erwerbsleben brauchen. Es lässt sich dennoch kein „guter Rat“ auf Grundlage der gemachten Erfahrungen von Menschen mit HIV am Arbeitsplatz generieren. Unwiderlegbar bleibt leider auch der Fakt, dass Menschen nach einem Outing – unabhängig, ob gewollt oder fremdbestimmt – rechtswidrig gekündigt werden. Selbsthilfegruppen HIV-positiver Arbeitnehmer und die Münchner Aids-Hilfe sind bei der Entscheidungsfindung gute Gesprächspartner. Umso mehr Sichtbarkeit heute bei diesem Thema erzeugt wird, umso leichter wird es für all diejenigen werden, die nachfolgen wollen. Hier bleibt das politische Selbstverständnis jedes Einzelnen gefragt.

Christian Kranich
Münchner Aids-Hilfe
Leitung Arbeit und Beschäftigung

Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich mit den Eckregelsätzen

Im Folgenden ein Gastbeitrag von Silke Eggers (Referentin für Soziale Sicherung und Pflege der DAH Deutsche Aids-Hilfe) zur Frage der Rechtmäßigkeit der Eckregelsätze – mit Hinweisen dazu, wie Ansprüche gesichert werden können:

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 20. Oktober 2009 über die Rechtmäßigkeit der Eckregelsätze verhandelt. Es handelte sich um eine mündliche Verhandlung, es ist noch kein Urteil gesprochen. Dies wird erst für Anfang 2010 erwartet. Dabei geht es darum, gemäß Art. 100 GG zu prüfen, ob §§ 20 und 28 SGB II und damit die Bemessung und die Höhe der Regelleistungen für Erwachsene und Kinder mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sind.

Obwohl die Vorlagenbeschlüsse die dem Bundesverfassungsgericht dazu vorliegen nur die Regelleistungen des SGB II betreffen, wird sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch auf die Regelleistungen des SGB XII auswirken. Das heißt, ein Urteil betrifft sowohl die Bezieher/innen von Leistungen nach dem SGG II (Hartz IV) als auch Bezieher/innen von Leistungen nach dem SGB XII, also Sozialhilfe oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit.

Natürlich ist noch nicht gesagt, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird. Sollte es aber zu einer positiven Entscheidung kommen, gibt es verschiedene denkbare Möglichkeiten:

Das Bundesverfassungsgericht stellt fest:

* dass die Bemessung der Regelleistungen mit Wirkung für die Zukunft von der Bundesregierung zu korrigieren sind,
* dass die Bemessung mit Wirkung für die Vergangenheit zu korrigieren ist oder
* dass die Anrechnung des Kindergeldes auf die Regelleistung mit Wirkung für Vergangenheit/Zukunft neu geregelt wird.

Die Chance, dass ein Urteil vorsieht, dass Korrekturen der Regelleistungen rückwirkend vorgenommen werden ist nicht sehr groß, aber sie besteht. Sollte das passieren, werden die rückwirkenden Korrekturen nicht automatisch gewährt sondern müssen geltend gemacht werden. Das heißt konkret:

Es müssen jetzt und damit ist gemeint vor der Verkündung eines Urteils Überprüfungsanträge für die Vergangenheit gestellt werden und gegen laufende Bescheide muss Widerspruch einlegt werden.

Weitere Hintergurndinfos: (Infos von Tachesles e.V. siehe auch http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2009/Rueckwirkend_Ansprueche_Sichern.aspx ):

„Im Sozialrecht gibt es die Besonderheit, dass bei falscher Rechts- oder Tatsachenanwendung und bei Bestandskraft des Bescheides (Widerspruchsfrist ist abgelaufen), der falsche Bescheid rückwirkend zugunsten der Betroffenen korrigiert werden muss. Zu Unrecht nicht erbrachte Leistungen sind dann bis zu vier Jahre rückwirkend nachzuzahlen (§ 44 Abs. 1 und Abs. 4 SGB X). Die Rücknahme eines falschen Bescheides (und damit die Nachzahlung) können Betroffene mit einem Überprüfungsantrag einleiten.

Wer sich also Ansprüche auf gegebenenfalls vorenthaltene Geldleistungen sichern will, muss jetzt handeln! Nach der Urteilsverkündung durch das BVerfG ist ein solcher Überprüfungsantrag nicht mehr möglich (§ 40 Abs. 1 S. Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 1 SGB III in Bezug auf das SGB II und § 79 Abs.2 BVerfGG in Bezug auf das SGB XII). Regulär verkündet das BVerfG immer drei bis vier Monate nach der Anhörung seine Entscheidung. Das ergibt ein Zeitfenster bis voraussichtlich Januar/Februar 2010. Personen die schon 2005 im Leistungsbezug waren, sollten jedoch bis zum 31. Dezember 2009 den Überprüfungsantrag einreichen, da dieser auf den 1. Januar 2005 zurückwirkt (§ 44 Abs. 4 SGB X). Wird der Antrag erst im Januar 2010 gestellt, wirkt er nur auf den 1. Januar 2006 zurück.

Und noch ein Tipp: Die ARGEn und JobCenter schmettern Überprüfungsanträge und Widersprüche gegen aktuelle Bewilligungsbescheide, die aufgrund des Verfassungsgerichtsverfahrens zu den Regelleistungen eingelegt werden, oft mit einem Standardtext ab. Bei Überprüfungsanträgen muss gegen einen ablehnenden Bescheid Widerspruch, bei ablehnenden Widerspruchsbescheiden muss Klage eingelegt werden, um die Verfahren offen zu halten. Werden solche Bescheide erst einmal rechtskräftig, sind rückwirkende Ansprüche ausgeschlossen! Wir empfehlen deshalb bei Anträgen, Widersprüchen und Klagen jeweils den Zusatz: „Hiermit beantrage ich, den Antrag/den Widerspruch/die Klage bis zur Entscheidung des BVerfG ruhend zu stellen.“

Also kurz zusammengefasst:
– Die Urteilsverkündung wird für Anfang des Jahres 2010 erwartet.
– Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich nicht nur mit den Regelsätzen für Kinder sondern für Alle.
– Das Urteil hat Auswirkungen Leistungsbezieher von Leistungen nach SGB II und XII.
– Wenn das Urteil die Eckregelsätze für verfassungswidrig erklärt, bleibt immer noch die Frage ab wann die Regelung gilt, ob ab Urteil oder auch rückwirkend.
– Um sich Ansprüche auch rückwirkend zu sichern, wenn das Urteil denn dies erlauben sollte, muss vor Urteilsverkündung ein Antrag auf Überprüfung gestellt werden.
– Sollten rückwirkend Ansprüche möglich werden, ist ein Anspruch gesetzlich bis zu 4 Jahren rückwirkend möglich. Für alle die schon so lange Leistungen beziehen ist es daher wichtig den Antrag bis zum 31.12.2009 zu stellen, sonst gehen die Ansprüche für ein Jahr möglicherweise verloren.

Und was ist wenn der Überprüfungsantrag / der Widerspruch abgelehnt wird?
– In diesem Fall muss auf alle Fälle Widerspruch eingelegt werden damit die Ablehnung nicht rechtskräftig wird.
– Im Falle der Ablehnung des Widerspruchs muss Klage eingereicht werden
Tacheles hat Musterschreiben hierzu entwickelt, die über ihre Internetseite abzurufen sind.

Ein ganz herzlicher Dank an dieser Stelle an die Kollegen und Kolleginnen von Tacheles, für ihren tollen Service, der uns viel Arbeit abnimmt!

Weitere Infos und viel Hintergrundinformation sowie alle Musterschreiben sind zu finden auf der Internetseite von Tacheles:
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2009/Rueckwirkend_Ansprueche_Sichern.aspx oder
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/

Dank an Silke Eggers für den Text!

siehe auch 09.02.2010: Hartz IV-Regelsätze verfassungswidrig – Bundesverfassungsgericht ordnet Neuregelung an

Kein Tabu mehr – kein Geld für Aidsprojekte in Rotterdam?

Die Stadt Rotterdam will die Finanzierung von Aids-Projekten ab 2010 komplett einstellen. HIV sei heutzutage eine chronische Krankheit ohne Tabus, so die Begründung der Stadt.
Dazu ein Gastbeitrag von Alexander Pastoors:

Im Auftakt zu der Feststellung des Etats 2010 will die Rotterdamer Senatorin für Gesundheit Jantine Kriens den gesamten Etat für alle Verbände, die in Rotterdam Pflege und Unterstützung von Menschen mit HIV und Aids anbieten, streichen. Sie begründete diesen Entschluss mit den Worten: „HIV ist heutzutage eine chronische Krankheit. Es gibt kein Tabu mehr in Bezug zu HIV und Aids. SIC!“

Jantine Kriens, Wethouder Welzijn en Volksgezondheid Rotterdam
Jantine Kriens, Wethouder Welzijn en Volksgezondheid Rotterdam (Foto: rotterdam.nl)

In Rotterdam hat dieser Entschluss zu massiven Protesten von professionellen Helfern geführt. Die Rotterdamer Aidshilfe hat gemeinsam mit dem Dachverband der Niederländischen Aidshilfe eine Initiative gestartet, um die Parteien im Gemeinderat davon zu überzeugen, dass dieser Entschluss nicht einfach so vom Gemeinderat verabschiedet werden kann.

Es ist kaum zu fassen, eine Senatorin mit trockenen Augen sagen zu hören, dass es um HIV anno 2009 kein Tabu mehr gibt. Auf welchem Planeten lebt diese Frau?

Rotterdam als mittlere Großstadt in den Niederlanden hat einen relativ hohen Anteil von Migranten, die HIV-positiv sind. Über 25% der Patienten die in den zwei Rotterdamer HIV-Schwerpunkt Krankenhäuser behandelt werden, haben einen Migrationshintergrund. Wenn es eine Bevölkerungsgruppe gibt, in der Stigma ein besonderes Problem ist, dann ist es die Gruppe Einwanderer aus den Sub-Sahara Ländern.

Ausgrenzung und Stigmatisierung und die dazu gehörigen psychischen Probleme sind unter HIV-Positiven die größten Probleme. Eine Untersuchung der Universität Maastricht hat das im Dezember 2008 zum ersten Mal massiv und deutlich erkennbar gemacht.

In Kenntnis dieser Daten ist es unverständlich wie jemand mit ein bisschen Verstand behaupten kann, es gäbe kein Tabu mehr um HIV.

Der Gemeinderat wird den Etat von 2010 am 12. November verabschieden. Wir warten gespannt ab was geschehen wird.

weitere Informationen:
Aids-Fonds 2008: HIV-Related Stigma in the Netherlands (pdf)
ad 26.10.2009: Hiv-patiënten in de kou
poz and proud 27.10.2009: Schande!
poz and proud 27.10.2009: Geen geld voor hiv-hulp
Stichting Humanitas: Petition „Laat mensen met HIV en Aids niet alleen met hun problemen!“
.

„Erfolgs“-Meldung von thailändischer Impfstoffstudie: Die Botschaft hör’ ich wohl – allein mir fehlt der Glaube

Eine vermeintlich erfolgreich abgeschlossene HIV-Impfstoff-Studie sorgte Ende September 2009 für Schlagzeilen – und erste Skepsis (siehe Kommentar „Das Impf-Wunder von Thailand: warum ich skeptisch bin … „). Zu dieser Studie heute ein Gastbeitrag von Siegfried Schwarze, Projekt Information, München:

Eine Heilung für bereits HIV-Infizierte und eine Impfung für noch nicht Infizierte – diese beiden Punkte stehen ganz oben auf der Wunschliste der Forscher. Beide schienen bis vor kurzen noch in weiter Ferne. Doch dann kam eine unerwartete Meldung: Die größte je durchgeführte HIV-Impfstoffstudie RV144 zeige „ermutigende Resultate“ mit einer „31%igen“ Reduktion der HIV-Infektionen (Zitate aus der Pressemitteilung von UNAIDS). So oder ähnlich lauteten dann die Meldungen in praktisch allen Medien und einige „Experten“ verstiegen sich dann zu Aussagen, dass dies zwar nur ein erster Schritt sei, dass aber bald weitere folgen würden und die Impfung für alle nur noch wenige Jahre entfernt sei.

Klingt zu schön um wahr zu sein? Ein Grund mehr, sich die Studie und ihre Ergebnisse etwas genauer anzusehen.
Zunächst einmal die Fakten:
– Die Studie wurde in Thailand durchgeführt und dauerte von Oktober 2003 bis Juni 2009. Die letzten Impfungen wurden im Juli 2006 durchgeführt.
– Die Kosten von ca. 120 Millionen US$ wurden zu ¾ vom amerikanischen Gesundheitsministerium (NIH) und zu ¼ vom U.S. Military Health Research Program (MHRP) getragen.
– 16.402 Thais im Alter von 18 bis 30 Jahren nahmen freiwillig an der Studie teil. Sie sollten einen Querschnitt der Bevölkerung darstellen, ohne dass  Personen mit hohem Risiko bevorzugt oder ausgeschlossen worden wären.
– Die Probanden erhielten zu Studienbeginn und anschließend alle sechs Monate ein Training, wie HIV-Infektionen zu verhindern sind.
– Die verwendeten Impfstoffe ALVAC und AIDSVAX sind nicht neu. Beide hatten sich in früheren, kleinen Studien bereits als unwirksam erwiesen (allerdings waren sie alleine und nicht in Kombination verabreicht worden). Die Idee war, dass der eine Impfstoff (ALVAC) eine T-Zell-Antwort gegen HIV hervorrufen sollte, während AIDSVAX die Produktion von Antikörpern gegen gp120 von HIV stimulieren sollte.
– Im Beobachtungszeitraum (drei Jahre nach der letzten Impfung) infizierten sich mit HIV:
o 74 von 8.198 Probanden im Placebo-Arm
o 51 von 8.197 Probanden, die tatsächlich die Impfungen erhalten hatten.

– Diese Zahlen bedeuten:
o Die Infektionswahrscheinlichkeit im Placebo- Arm betrug 74/8.198 = 0,00903 (entsprechend 0,903%)
o Die Infektionswahrscheinlichkeit der Geimpften betrug 51/8.197 = 0,00622 (entsprechend 0,622%)
o Die Differenz daraus (0,903-0,622 = 0,281) geteilt durch die Infektionswahrscheinlichkeit im Placebo-Arm (0,903) ergibt dann die Risikoreduktion von 0,31, enstprechend 31%. Dieses Ergebnis war statistisch signifikant (und wurde in den Medienberichten immer wieder betont).
o Anders formuliert heißt das, man muss 10.000 Menschen impfen um 28 vor einer HIV-Infektion zu schützen.
– Auffällig ist, dass bei Probanden, die sich trotz Impfung infiziert hatten, die Viruslast im Durchschnitt genauso hoch ist wie bei nicht Geimpften. Von einem teilweise wirksamen Impfstoff würde man zumindest erwarten,
dass nach der Infektion wenigstens die Viruslast geringer ist.

Bedeuten diese Zahlen also wirklich, dass die Studie einen Erfolg gezeigt hätte?
Zunächst einmal: was soll eine 31%ige Risikoreduktion eigentlich bedeuten? Heißt das, 31% der Menschen, die einem Infektionsrisiko ausgesetzt waren, sind zu 100% geschützt oder bedeutet es, das bei jedem Risikokontakt das Infektionsrisiko um 31% verringert war? Dies ist ein fundamentaler Unterschied, denn im ersten Fall gäbe es eine Gruppe, die sich niemals infizieren würde, im zweiten Fall wäre es nur eine Frage der Zeit (und des kumulativen Infektionsrisikos) bis trotzdem alle infiziert wären. Diese Frage ist noch völlig offen.

Auch die “statistische Signifikanz” ist so eine Sache. Wenn man die Ergebnisse auf der Basis der wenigen verfügbaren Daten nachrechnet (Interessierte können unter dem Stichwort „Vierfeldertest“ die entsprechenden Formeln im Internet finden), so kommt man auf ein „Signifikanzniveau“ von etwa 3,9%, d.h. mit einer Wahrscheinlichkeit von immerhin 3,9% ist der Unterschied zwischen den beiden Gruppen rein zufällig! In medizinischen Studien ist es üblich, bei einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 5% für ein zufälliges Ergebnis von „statistisch signifikant“ zu sprechen. Das heißt aber nicht, dass das Ergebnis nicht trotzdem zufällig sein kann, wenn auch nur mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 5%.
Hinzu kommt aber, dass die Studie sehr groß, die Zahl der Infizierten aber in beiden Gruppen vergleichsweise gering ausfällt. Hätten sich in der Placebo- Gruppe nur zwei Probanden mehr angesteckt (oder in der Gruppe der Geimpften zwei weniger), wäre der Unterschied statistisch nicht mehr signifikant! Echte Erfolge sehen anders aus.

Natürlich sind sich viele Forscher der Schwäche dieser Ergebnisse bewusst, aber kaum einer nennt das Kind beim Namen – alle sprechen von einem „ersten Schritt“ und „ermutigenden Ergebnissen“, davon dass man „noch mehr Daten auswerten“ müsse und „weitere Studien folgen“ müssten.

Vielleicht hilft es, sich noch einmal die Geschichte dieser Studie ins Gedächtnis zu rufen:
2004, als die ersten Studienteilnehmer geimpft wurden, veröffentlichte eine Gruppe von Wissenschaftlern einen Brief im Wissenschaftsmagazin „Science“, in dem sie einen Abbruch der Studie forderten. Ihre Kritik bezog sich vor allem darauf, dass auf der Basis bereits durchgeführter Studien bekannt war, dass weder ALVAC noch AIDSVAX eine nennenswerte Immunantwort gegen HIV hervorrufen. Mit einer Wirksamkeit war also nicht zu rechnen. Die Wissenschaftler fürchteten, dass ein Fehlschlag in dieser riesigen Studie das Vertrauen der Politik und der Öffentlichkeit in die HIV-Impfstoffforschung ruinieren würde. Deshalb wurde übrigens eine ähnliche Studie, die in den USA geplant war, nicht durchgeführt. Statt dessen, so argumentierten sie, sollte man das Geld lieber in neue Ansätze der Grundlagenforschung investieren.

Vor zwei Jahren wurde die STEP-Studie abgebrochen, nachdem sich gezeigt hatte, dass der dort verwendete Impfstoff nicht nur Infektionen nicht verhinderte, sondern in einzelnen Fällen das Infektionsrisiko sogar erhöht hatte. Dies war ein großer Schock für die Wissenschaftsgemeinde und führte dazu, dass viele forderten, man müsse noch einmal bei Null anfangen und erst einmal die Biologie der HIV-Infektion weiter erforschen.

Wäre nun bei der RV144-Studie wieder ein Misserfolg zu verzeichnen gewesen, wäre dies wohl für längere Zeit das endgültige Aus aller klinischen Impfstoffstudien gewesen. Mit anderen Worten: RV144 musste einfach ein Erfolg werden, damit weiterhin Geld für die Impfstoffforschung zur Verfügung gestellt wird.
Diese Umstände könnten erklären, warum so viele Wissenschaftler die Ergebnisse dieser Studie so positiv darstellen. Einen wirklichen Durchbruch stellt diese Studie nach allem, was bisher bekannt wurde, nicht dar. Selbst wenn der beobachtete Effekt tatsächlich auf einem Teilschutz vor der HIV-Infektion beruht (was ich stark bezweifle), wäre dieses Ergebnis erst der Anfang eines mühsamen Weges. Für einen wirklich effektiven Impfstoff, der auch eine Chance auf eine Zulassung hätte, müsste mindestens eine Verringerung der Infektionen um 70% oder mehr erreicht werden.

Fazit:
Vermutlich geht es – mal wieder – um Geld. Leider besteht die Gefahr, dass durch die euphorische Berichterstattung in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, eine wirksame Impfung gegen HIV sei nur noch eine Frage der Zeit und dass deshalb die wirklichen Schutzmöglichkeiten nicht mehr  ausreichend genutzt werden.Selbst im günstigsten denkbaren Fall, wenn an dieser Studie tatsächlich etwas dran ist, werden noch viele Jahre ins Land gehen, bevor es eine Impfung gegen HIV gibt.

S. Schwarze
Quellen:
– www.hivresearch.org (Sponsor’s Press Release, Factsheet)
– Alcorn K., “An unpopular vaccine study produces suprising result”, www.aidsmap.com
– Cairns G., “Vaccine trial is ‘the beginning’ of a new path of research, says US health chief”, www.aidsmap.com

Die Hoffnung stirbt zuletzt: Das Kompetenznetz HIV/Aids und die Politik

Die Zukunft der HIV-Kohorte des Kompetenznetzes HIV/Aids ist unsicher – ein Gast-Kommentar von Siegfried Schwarze (Projekt Information, München):

In der Medizin sind Kohorten, also die Sammlung von Behandlungsdaten zu einer bestimmten Erkrankung über längere Zeit, ein unverzichtbares Mittel um Forschungshypothesen für klinische Studien aufzustellen. Im HIV-Bereich gibt es mehrere große Kohorten, darunter vor allem die schweizerische „Swiss Cohort“ mit mehr als 15.000 Patienten, aus der immer wieder hochrangige wissenschaftliche Veröffentlichungen gewonnen werden.

Bis vor einigen Jahren war Deutschland, was HIV-Kohorten anbelangte, Entwicklungsland. Zwar erfasste jedes größere Behandlungszentrum die Daten seiner Patienten mehr oder weniger systematisch, aber eine Zusammenarbeit oder gemeinsame Auswertung der Daten gab es immer nur kurzfristig und projektbezogen.

Dann kam die „Kompetenznetzinitiative“ der Bundesregierung. 2002 waren Kompetenznetze auf einmal die tollste Erfindung seit dem Plastikstrohhalm. Im Bereich HIV wurde das Kompetenznetz HIV/Aids aus dem Boden gestampft und mit ihm eine Kohortendatenbank. Ein Grundgedanke beim Aufbau des Netzwerks war es, in Deutschland die industrieunabhängige Forschung zu fördern. Heraus kam eine weltweit ziemlich einmalige Struktur, in der sich die gesamte „HIV-Community“ aus niedergelassenen Ärzten, Klinikärzten, Grundlagenforschern, Sozialwissenschaftlern und Patientenvertretern wiederfindet. Damit schien auch eine erfolgreiche Eingliederung in internationale Projekte machbar.
Allerdings hatte Deutschland aufgrund der dezentralen Struktur seines Gesundheitswesens einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil: Jede Praxis, bzw. jede Klinik kann aus einem breiten Angebot verschiedener Software-Systeme auswählen, die praktisch alle zueinander inkompatibel sind. Nun gibt es zwar die Möglichkeit, entsprechende Datenschnittstellen zu schaffen, aber diese Programme sind sehr komplex und müssen zudem ständig angepasst werden – ging also nicht, da zu teuer. Einzige Alternative: Die Ärzte müssen alle Daten doppelt erfassen. Einmal für sich selbst, einmal für’s Kompetenznetz. Wie man sich leicht vorstellen kann, ist die Eingabe von Datensätzen mit über 100 Einzeldaten pro Patient schon bei wenigen Patienten ein solcher Aufwand, dass der Arzt diese Aufgabe an (zusätzliches) Personal delegieren muss. Und das kostet Geld. Im Jahr 2007 wurde die Kohorte dann von ihrem eigenen Erfolg eingeholt: Bei mehr als 16.000 Patienten war absehbar, dass das Geld, das vom Staat von Förderperiode zu Förderperiode spärlicher floss, nicht mehr ausreichen würde. Nicht zuletzt auf massiven Druck der fördernden Ministerien wurde die Kohorte schließlich auf etwa 8.000 Patienten verkleinert.

Doch damit war das Problem der Finanzierung nicht gelöst, denn von Anfang an war klar, dass die Förderung durch den Staat am 31.08.2010 endgültig auslaufen würde. Dieser Zeitpunkt rückt immer näher und bis jetzt ist kein tragfähiges Konzept für die weitere Finanzierung des Kompetenznetz HIV/Aids in Sicht. Vielfache Anstrengungen sind für die finanzielle Sicherstellung des Kompetenznetz HIV/Aids unternommen worden doch bisher trägt davon keine. So ist auch die Möglichkeit, die Finanzierung durch eine Stiftung sicherzustellen, nur dann umsetzbar, wenn bei allen Beteiligten (und bei denjenigen, die von der Forschung und den Daten des Kompetenznetzes möglicherweise profitieren) der Wille besteht, das Kompetenznetz zu erhalten. 50 Millionen Euro würden als Stiftungskapital gebraucht um mit den Kapitalerträgen die Kohorte am Laufen zu halten. Bisher gibt es trotz vieler Gespräche wenig Hoffnung, diese finanzielle Einlage (auch befristet, wenn das Kompetenznetz nicht erfolgreich arbeitet) zu realisieren. Momentan braucht der Staat offenbar jeden Cent um marode Banken zu sanieren und Wahlgeschenke zu finanzieren.

Der Patientenbeirat und die Deutsche Aidshilfe haben sich in einer Briefaktion an zahlreiche deutsche Politiker und Entscheidungsträger gewandt, mit der Bitte, das Kompetenznetz nicht einfach so sterben zu lassen. Immerhin hat es den Steuerzahler bereits etwa 17 Millionen Euro gekostet. Und die Daten in der Datenbank sowie die eingefrorenen Blut- und Gewebeproben sind für die Forschung von unschätzbarem Wert. Anders als in anderen Studiendesigns muss eine Kohorte über viele Jahre fortgeführt werden, um aussagekräftige Daten zu erhalten und diese sinnvoll analysieren und publizieren zu können (Zum Vergleich: Die Schweizer Kohorte hat über 10 Jahre dafür gebraucht!). Das Kompetenznetz hat gerade aufwendig die Kohortendaten in ihrer Qualität aufgewertet. Erste Veröffentlichungen der Daten auf Kongressen und in Artikeln finden gerade statt, die Kohorte wird nach vergleichsweise kurzer Zeit sichtbar. Jetzt, wo die Kohorte anfängt, Früchte zu tragen, wäre es der unsinnigste Zeitpunkt, ihre Fortführung einzustellen.

In den Antwortschreiben (so denn überhaupt eine Antwort kam…) wurde angedeutet, dass die Kohorte unter der Aufsicht des Robert-Koch-Instituts (RKI) fortgeführt werden könnte. Dies kann und darf aber keine Lösung sein, denn zum einen ist damit die Frage der Finanzierung immer noch offen (wenn man das nötige Geld dem RKI gibt, könnte man es auch gleich dem Kompetenznetz geben), zum anderen ist der Transfer hochsensibler Daten von 8.000 Patienten an die Bundesseuchenbehörde (nichts anderes ist das RKI) aus Datenschutzgründen nicht akzeptabel. Sollte dieses schlimmstmögliche Szenario eintreffen, würde der Patientenbeirat alle Patienten in der Kohorte dazu aufrufen, ihre Einwilligungserklärung zu widerrufen. Dann müssten die Daten gelöscht und die Blut- und Gewebeproben vernichtet werden.

Doch glücklicherweise werden noch andere Alternativen erwogen. So könnte die Kohortendatenbank auch bei wissenschaftlichen Gesellschaften wie der Helmholtz-Gesellschaft oder bei den Fraunhofer-Instituten eine neue Heimat finden. Da in Deutschland Großforschungseinrichtungen im Rahmen der diversen „Eliteförderungen“ und „Exzellenzinitiativen“ immer noch vergleichsweise großzügig unterstützt werden, sind diese Gesellschaften finanziell recht komfortabel ausgestattet und könnten den Erhalt der Kohorte langfristig sicherstellen. Denkbar und aus
Sicht des Patientenbeirats das „kleinste Übel“ wäre die Angliederung der Kohorte an eine solche oder eine vergleichbare Struktur, die es auch im Umfeld von Universitäten gibt. Die einfachste und billigste Lösung wäre es sicherlich, die aufgebauten Strukturen des Kompetenznetzes weiter zu nutzen.

Eines ist klar: Wenn wir das Kompetenznetz einfach so gegen die Wand fahren, verliert Deutschland auf lange Zeit die Chance, in der HIV-Forschung mit vorne dabei zu sein. Der Einsatz der Ärzte und Forscher und nicht zuletzt auch der Patienten wäre umsonst gewesen und HIV-Forschung wäre nur noch mit Mitteln der Pharmaindustrie möglich.

Soweit darf es nicht kommen!

S. Schwarze

Gedanken zur Schmutzkampagne gegen N.B, stellvertretend für Menschen mit HIV und AIDS

Anfang April 2009 wurde eine junge Sängerin unter dem Vorwurf der HIV-Übertragung verhaftet. In den folgenden Tagen findet unter großer medialer Aufmerksamkeit eine Kampagne mit Vorverurteilungen, Outing und stigmatisierenden Bildern statt.
Dazu ein Gast-Kommentar vom Michèle Meyer, Präsidentin von LHIVE, der Schweizer Organisation für Menschen mit HIV und Aids:

Gedanken zur Schmutzkampagne gegen N.B, stellvertretend für Menschen mit HIV und AIDS.

N.B. wurde medienwirksam verhaftet, zwangsgeoutet und vorverurteilt.
Nachfolgend einige Gedanken und Fragen, die sich im Verlauf dieser traurigen Geschichte mir aufdrängten.

Als ich in den Medien von der Verhaftung von N.B. erfuhr, habe ich die Meldung überflogen und als unwichtig erachtet. Ich dachte keinen Moment daran, dass mich dies noch sehr persönlich betreffen würde, geschweige denn, dass es mich in meiner Funktion als Präsidentin von LHIVE betreffen musste!
Wenige Tage später bin ich erschrocken. Journalisten zitierten den Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt, welcher Details der ihr vorgeworfenen Anklagepunkte in der Öffentlichkeit äusserte:
„N.B. ist HIV-positiv und hat in mindestens drei Fällen ihre Sexualpartner wissentlich dem Risiko einer HIV-Infektion ausgesetzt. In einem Fall kam es zur Ansteckung. Das Ganze sei im Zeitraum von 2002-2006 geschehen, und da Gefahr im Verzug war, wurde sie inhaftiert.“
Ich dachte der redet sich um Kopf und Kragen. Aber nein, Schlagzeile über Schlagzeile, immer und immer wieder wurde er zitiert, angereichert mit weiteren Spekulationen und vermeintlichen Details aus N.B. s Leben. Ein gefundenes Fressen…
Die Unschuldsvermutung schien plötzlich nicht mehr zu gelten, Persönlichkeitsrechte und der Schutz von heiklen medizinischen Daten entfallen? Argumentiert wurde mit öffentlichem Interesse und Vorbildfunktion – und wie erwähnt mit Wiederholungsgefahr.
Es wäre zum Lachen gewesen, wenn es nicht so einschneidend tragisch für den Menschen N.B. und für „uns“ Menschen mit HIV und AIDS wäre.

Von wegen Gefahr im Verzug, was hier geschah war Zwangsouting, zum Schutz der sogenannten Volksgesundheit. Später wurde übrigens bekannt, dass die Staatsanwaltschaft die Krankenakte von N.B. hat beschlagnahmen lassen. Dies alles obwohl noch nicht geklärt war ob N.B. überhaupt HIV-positiv ist, in einem erst angelaufenes Verfahren, ohne Beweise.
Ich dachte medizinische Daten seien besonders schützenswerte Daten? Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft hausiert einfach so mit nicht verifizierten Daten einer Angeklagten und spielt sich als moralischer Gesetzesvertreter in den Medien gross auf?
In der U-Haft wurde von N.B. von einer Ärztin und Vorstandsfrau des Vereins der Aids-Aufklärung Deutschland besucht, die ihr Arztgeheimnis und ihr Engagement mehr als fragwürdig auslegte, denn sie gab „der Bild“ ein Interview und outete N.B. gleich nochmals.
Ein Abgeordneter sprach von Menschen mit HIV, als Biowaffen; übrigens noch nicht einmal einklagbar… einfach so, darf der das.

Mein Glauben an das Rechtssystem hat schwer gelitten. Vorverurteilung, Diskriminierung scheint zulässig, denn Menschen mit HIV sind unmoralisch und deshalb Menschen zweiter Klasse.
Das Bild der gefährlichen kriminellen Menschen mit HIV, der Unverantwortlichen, Schmuddligen war wieder hergestellt und wurde regelrecht zelebriert.
Wer trägt eigentlich Verantwortung für soviel Unwissen und Diskriminierung? Wem dienen diese Bilder? Was haben die Journalisten und die Behörden und Aids-Hilfen in den letzten 25 Jahren verpasst an Aufklärung, dass solches heute, 2009, möglich ist? .
Nicht genug tauchte dann noch ein Anwalt auf, der sich ins Szene setzte, und vom Medienype zu profitieren versuchte; Legt ein Mandat nieder, dass er nie hatte. Unglaublich.

Ich musste handeln, so versuchte ich mich mit anderen HIV- AktivistInnen kurz zu schliessen, mit der Frage was tun wir und wie? Wie ohne N.B. zu schaden und immer die heikle Frage: „ schaden wir „uns“ durch irgend ein Solidaritätsbezeugnis mit ihr“? Eine Frage die mir Bauchschmerzen bereitete. Ich mag es nicht, wenn eigene Interessen zu Ent-Solidarisierung führen.
In der Blogwelt herrschte unterdessen Stammtischstimmung.
Sehr unangenehm berührten mich die vielen Voten von Menschen mit HIV, die sich distanzierten, N.B. vorverurteilten und sich als „gute, unschuldige HIV-Positive“ präsentierten.
Verstehen kann ich solches nur im Kontext eigener Verletzungen, Stigma und Selbst-Entwertung. Als Versuch sich zu rehabilitieren und als Flucht nach vorne.
Viele Andere wiederum zeigten, wegen des Falles von N.B., um so mehr Angst und Scham sich zu HIV und AIDS zu bekennen. Nicht nur virtuell, sondern im realen Leben.
Persönlich hat mich die Schmutzkampagne gegen N.B. und Menschen mit HIV und AIDS getroffen.
Wir sind schmutzig, gefährlich, schuldig und kriminell. Unabhängig von wissenschaftlichen und medizinischen Fakten; die Meinung ist gemacht.

Mein unerschütterliche Glaube an die Möglichkeit Stigma und Selbststigma zu begegnen und aufzulösen, ist schwer ins Wanken geraten. Mich beschäftigten die Fragen: Wie können wir die Mechanismen entkräften, die uns zu Menschen zweiter Klasse machen? Wird noch zu meinen Lebzeiten HIV als eine Infektionskrankheit wahrgenommen, wie andere auch?

Wohltuend war die deutliche Stellungnahme der Deutschen Aids Hilfe gegen die Verhaftung und Vorverurteilung von N.B. und die differenzierten und kritischen Meldungen in einigen Medien, die sich schon länger zum Thema HIV mutig, informativ und konsequent äussern. Besonders zu erwähnen sind die beiden Blogs: „ondamaris“ und „der blidblog“.
Dies hat mich ermutigt in mitten dieser Hetzte gegen N.B und Menschen mit HIV und AIDS in die Öffentlichkeit zu gehen und in der Sendung „Stern TV“ von Günter Jauch aufzutreten.
Eine Möglichkeit die EKAF- Botschaft hinauszutragen, einen Kontrapunkt zu setzen gegen Scham und Schuld: selbstbewusst HIV-positiv.
Leider ist es mir bisher nicht gelungen einen direkten Kontakt mit N.B. herzustellen, trotz vielen Versuchen.

Zehn Wochen nach ihrer Verhaftung sitzt sie selbst bei Günther Jauch. „ Ja ich bin HIV-positiv. Nun kann mich keiner mehr erpressen.“, sagt sie in ihrem ersten Interview und dass sie für ihr Recht kämpfen werde. Zu den Vorwürfen kann sie sich nicht äussern, solange der Rechtsfall nicht abgeschlossen ist. Sie hat ihre Situation als Prominente, als Mensch und Mutter geschlidert und bestimmt damit auch berührt.
Leider äusserte sie bis jetzt noch keinen Satz in „unsere Richtung“… kein Wort auch über die Solidaritätsbekundungen von Menschen mit HIV und AIDS, die sie erreichten seit ihrer Verhaftung. Schade.
Trotzdem hat sie rechtzeitig vor ihrem ersten Konzert nach der Verhaftung die Berichterstattung über ihre Person wieder selbst in die Hand genommen.

Nur, und das gilt für uns alle, wer hat wirklich Kontrolle über seine heiklen Daten, über seine Antworten auf Fragen zur sexuellen Gesundheit, Vorlieben, Compliance?
Wer weiss, was er wem anvertrauen kann? Und wieviel Einfluss können wir nehmen auf das Bild, von Menschen mit HIV das durch die Journalisten geprägt wird?
Wer bestimmt über sein Coming out wirklich selbst?
Warum sollten wir uns verstecken? Wegen Irrationalitäten, Unwissen und dem brauchbaren Bild des gefährlichen Unverantwortungslosen, der Andere abschrecken soll sich zu infizieren? Macht uns unsere Unsichtbarkeit nicht zum Spielball? Was lassen wir uns gefallen und wie werden wir zu Handelnden?

N.B. wurde zum Outing gezwungen, während fast zeitgleich in den U.S.A ein Abgeordneter gewählt wurde, der offen schwul und HIV-positiv ist. Die Schere geht auf. Wir können uns entscheiden.
N.B. hat als Prominente erfahren was ein Leben mit HIV bedeutet, was es für Menschen mit HIV im Alltag bedeutet…ich wünsche mir, dass Menschen mit HIV N.B. tragen können und viceversa.

Inzwischen ist bekannt geworden, dass der Haftbefehl gegen N.B. aufgehoben wurde. Hoffen wir, dass das Verfahren eingestellt wird und sich Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt und Journalisten genauso öffentlich zu ihrem eigenen Fehlverhalten stehen.

Michèle Meyer
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