HIV-Abstammung allein nicht genug vor Gericht

Bei Verurteilungen wegen fahrlässiger HIV-Verbreitung stellt sich die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen den HI-Viren der beiden beteiligten Personen besteht. Zunehmend kommen neue Untersuchungsverfahren zum Einsatz. Doch wie sicher sind ihre Ergebnisse?

Auch in Prozessen in Deutschland, in denen es um eine etwaige Verurteilung wegen fahrlässiger HIV-Infektion geht, kommen so genannte phylogenetische Tests teilweise zur Anwendung. Mit ihnen soll vermeintlich gezeigt werden, wie eng die HI-Viren von Angeklagtem und Kläger mit einander verwandt sind, und ob die Infektion des Klägers durch den Angeklagten verursacht worden sein kann.

Ein Editorial in der medizinischen Fachzeitschrift British Medical Journal (BMJ) Anfang September 2007 (Bericht NAM hier) betont, Verurteilungen wegen fahrlässiger HIV-Infektion, die auf phylogenetischen Tests beruhen, seien „inhärent unsicher“.
Die drei Autoren betonen, bei der Beurteilung der Ergebnisse dieser Untersuchungen sei Vorsicht angebracht, wenn diese eine Verbindung zwischen dem HIV des Angeklagten und dem des Klägers zu zeigen scheinen. Jeglicher Hinweis, der auf dieser Untersuchung beruhe, sei niemals so genau, wie dies von DNA-Untersuchungen bekannt sei. Sie warnen vor voreiligen oder verkehrten Schlussfolgerungen.

In Großbritannien sind phylogenetische Untersuchungen inzwischen gängig bei Ermittlungen gegen Positive wegen fahrlässiger HIV-Verbreitung. Auch in Deutschland kommen sie zunehmend zum Einsatz.
Ob eine ausreichende Sensibilität besteht, die Ergebnisse dieser Untersuchungen kritisch zu betrachten, ist unklar.

Pillay D et al. HIV phylogenetics: criminal convictions relying solely on this to establish transmission are unsafe. BMJ 335: 460 – 461, 2007