Norwegen: Positive fordern Ent-Kriminalisierung

In Norwegen stellt ein spezieller Paragraph die Infektion mit HIV unter Strafe. Aktivisten fordern nun seine Abschaffung.

Positive und Aids-Hilfen in Deutschland (und anderen Nachbarstaaten) diskutieren darüber, welche Auswirkungen das Statement der EKAF hat. „Das Risiko einer HIV-Übertragung ist unter den oben genannten Bedingungen so gering wie bei Sex unter Verwendung von Kondomen“, lautet die neu publizierte Stellungnahme der Deutschen Aids-Hilfe.

HIV-Positive in Norwegen hingegen haben ein ganz anderes Problem. Noch immer sind sie besonders von einem speziellen Strafrechts-Paragraphen bedroht.

Der Paragraph 155 des norwegischen Strafgesetzbuchs wurde bereits 1902 eingeführt zum Schutz der Allgemeinheit vor Infektionskrankheiten. §155 wurde nach Angaben norwegischer Aktivisten jedoch bisher nur auf HIV angewandt und deshalb selbst im  Land oftmals als „der HIV-Paragraph“ bezeichnet.
Der Paragraph besagt

„Any person who, having sufficient cause to believe that he is a bearer of a generally contagious disease, willfully or negligently infects or exposesanother person to the risk of infection shall be liable to imprisonment for a term not exceeding six years if the offense is committed willfully and to imprisonment for a term not exceeding three years if the offense is committed negligently. Any person who aids and abets such an offense shall be liable to the same penalty. If the aggrieved person is one of the offender’s next-of-kin, a public prosecution shall be instituted only at the request of the aggrieved person unless it is required in the public interest.“ (Quelle http://hiv-manifesto-norway.blog.com)

HIV-Aktivisten in Norwegen engagieren sich nun für eine Abschaffung des Paragraphen. Sie betonen, dieser Paragraph wiege HIV-Negative in falscher Sicherheit, unterminiere Bemühungen um die Förderung der Gesundheit und stelle für HIV-Positive ein bedeutsames psychologisches Hindernis dar.

Weltweit ist einerseits eine Tendenz zu beobachten, auf HIV stärker mit strafrechtlichen Mitteln und Kriminalisierung zu reagieren. Andererseits werden verstärkt Bemühungen unternommen, aufzuzeigen, dass die Kriminalisierung von HIV und HIV-Positiven erfolgreiche Aids-Prävention erschwert, wenn nicht unmöglich macht.

Die norwegischen HIV-Aktivisten betonen, die Kriminalisierung von HIV stelle einen Irrweg des Kampfes gegen Aids dar. Sie fordern die norwegische Regierung auf, den Parapraphen 155 abzuschaffen.

weitere Informationen:
HIV Manifest (norwegischer Text)
HIV Manifesto (englischer Text)
Ten Reasons to Oppose the Criminalizatioon of HIV-Exposure or Transmission (open society institute / soros foundation)
deutsche Übersetzung „10 Gründe gegen Kriminalisierung der HIV-Infektion“ (angefertigt von der Deutschen Aids-Hilfe; pdf)

[via poz and proud]

Nachtrag:
22.01.2009: Die Deutsche Aids-Hilfe unterstützt das norwegische Manifest gegen die Kriminalisierung der HIV-Infektion
poz 10.03.2009: Norwegian Manifesto Fights HIV Criminalization
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6 Gedanken zu „Norwegen: Positive fordern Ent-Kriminalisierung“

  1. Jegliche Form der generellen Stigmatisierung oder gar Kriminalisierung einer Gruppe ist gefährlich wie auch problematisch. Ich hoffe das die westlichen Regierungen dahingegend ein einsehen haben. Dennoch habe ich in den Zusammenhang eine Frage: Ein junger Bekannter von mir, hat sich mit 19 Jahren mit HIV infiziert. Die Infektion rührt seiner Aussage von einem Mann, der damals eine Vielzahl von Medikamente nahm und auf Nachfrage meinte er mache gerade eine Chemotherapie. Dadurch appellierte jener Mann an das Mitleid meines Bekannten und überredete ihn zu Sex ohne Kondom. Ich möchte nicht sagen, dass der Bekannte sich hier schuldlos verhalten hat, aber er lebt seit dieser Zeit in ständiger Angst von jenem Positven, wiel er befürchtet von diesem „stigmatisiert“ zu werden. Müsste es in diesem Falle nicht irgeneine Chance geben um diese persönliche „Katastrophe“ zu geben? Was meint ihr?

  2. @ der toby:
    ja – es wäre sinnvoll, wenn (nicht nur die westlichen) staaten sich mit der frage der stigmatisierung (eben auch durch strafrecht) konsturktiv umgehen …
    was deine frage betrifft: ich denke diese diskussion gehört nicht an diese stelle. wäre es nicht sinnvoller, sie in einem der entsprechenden foren zu stellen, z.b. forumhiv.de? dort gibt es threads, die gerade auch die frage „angst vor hiv“ thematisieren.

  3. „Weltweit ist einerseits eine Tendenz zu beobachten, auf HIV stärker mit strafrechtlichen Mitteln und Kriminalisierung zu reagieren.“

    Nicht nur was HIV betrifft sondern im weitesten Sinn was mit Gesundheit im Kontext zur Gesellschaft in Verbinung gebracht wird. So ist seit dem 1. Januar der Kauf sexueller Dienste in Norwegen (Wie auch schon in Schweden) kriminalisiert. http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/ein-ausradierter-strich/

    Insofern habe ich meine Zweifel ob dieses Gesetz in Norwegen abgeschafft wird um HIV zu entkriminalisieren.

  4. @ ondamaris

    zweifel haben und das notwendige einfordern gehen bei mir hand in hand . . . da kenn ich nix 🙂

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