Enthaltsamkeit vom Pharmakonzern?

Pharmakonzerne stellen Medikamente her. Und betätigen sich gelegentlich in sozialen Projekten und Zusammenhängen. In Kanada gibt’s von einem Pharmakonzern, der auch Aids-Medikamente herstellt, auch Enthaltsamkeit empfohlen.

„Are you at risk?“ lautet der englische Untertitel der Kampagne „One Life – Une Vie“, mit der sich der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS), Hersteller zahlreicher Aids-Medikamente, schon seit einiger Zeit in Kanada in der HIV-Prävention engagiert.

Die Kampagne weist einige Merkwürdigkeiten auf, wie die französische Organisation „the warning“ in einem Artikel betont.

One Life - Screenshot (Ausschnitt)
One Life - Screenshot (Ausschnitt)

So kann der interessierte Leser, die interessierte Leserin auf der (englischen und französischen) Website der Kampagne in einem Test das individuelle HIV-Risiko ermitteln.
Oder?
Gefragt wird u.a. danach, ob man/frau jemals ungeschützten Sex hatte, Sex unter Drogen, oder Sex mit einem/r HIV-Positiven.
Fragen nach Risiko-Faktoren, die insgesamt sinnvoll erscheinen mögen (wenn man sich auch als HIV-Positiver ungern als Risikofaktor bezeichnen lässt).
Bemerkenswert allerdings: selbst wer unverändert alle Antworten auf die 10 Fragen bei „nein“ belässt, bekommt (auch unabhängig vom angegebenen Geschlecht) als Antwort

„Your result: Based on your answers you are at risk of contracting the HIV virus.“

Ooops – keine Risikofaktoren, nichts angegeben – aber doch ein HIV-Risiko?
Wozu dann die Fragen?
Seriöse Tests sehen anders aus?

Erstaunt fragt sich der Betrachter zudem, wie denn die kurz darauf angegebene Auswertung aller bisherigen Test-Teilnehmer

Overall results:
62 % of respondents are at risk
42 % of males respondents
20 % of females respondents

zustande kommen kann – wenn alle Ergebnisse des Tests immer zu dem Resultat „you are at risk“ führen?

Noch spannender wird die Site, wenn es zu konkreten Ratschlägen kommt, wie man/frau sich denn vor HIV schützen könne.

„Wer hätte je gedacht, dass das ABC auch vor HIV schützt?“, fragt dort der Pharmakonzern BMS. Und hat auch gleich die Antwort parat: vor HIV-Infektionen schützen Abstinenz (sexuelle Enthaltsamkeit), (sexuelle) Treue (nur ein Partner), sowie Kondome.

Abstinenz, Treue, Kondome – die einzigen Strategien, sich vor einer HIV-Infektion zu schützen? Die wirksamsten? In dieser Reihenfolge?

„the warning“ zeigt sich in dem Bericht erstaunt, dass zahlreiche Aids- und Community-Organisationen (auch Organisationen von HIV-Positiven) laut Angaben der Sites „Partner“ dieser Kampagne sind. Die französische Organisation hat den Pharmakonzern aufgefordert, sich zu den Merkwürdigkeiten zu äußern.

Ist der Papst neuerdings Vorstandsvorsitzender von BMS?, mag man sich angesichts dieser Kampagne, ihrer Merkwürdigkeiten und Ratschläge erstaunt fragen.

Soziales Engagement auch von Unternehmen, Pharmakonzernen mag begrüßenswert sein, und eventuell auch Präventionskampagnen. Aber so?

Abstinenz, Treue und Kondome – das alte ABC einer Präventions-Politik, wie sie die US-Regierung unter dem früheren US-Präsidenten Bush vertreten hat. Eine Präventions-Politik, die nur zu oft schon ihr Versagen erwiesen hat.

Dass BMS diese „Informationen“ unter der Aufforderung „seperate fact from fiction“ präsentiert, mutet schon  beinahe zynisch an.  Abstinenz macht krank, ist kein tauglicher weg der HIV-Prävention, dies zeigen immer wieder Studien.

So werden Virus-Mythen befördert.
Wirksame HIV-Prävention sieht vermutlich anders aus …

weitere Informationen:
TheWarning 14.07.2009: Une vie… One life : BMS n’aime pas les séropos et les étrangers
„One Life – Une Vie“ – Kampagne in Kanada (englische Site are you at risk – französische Site)
TheWarning 21.07.2009: BMS n’y comprend vraiment rien à la prévention et ferait mieux de s’abstenir
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