Der Tod zieht ein in Ugandas Präventions- ABC (akt.2)

Uganda war einst einer der Vorzeige-Staaten erfolgreicher Aids-Prävention. Inzwischen jedoch steht Uganda für Tod – für die Todesstrafe, die dort bald Homosexuellen sowie HIV-Positiven droht.

Ende der 1980er Jahre – die HIV-Epidemie zeigt drastische Auswirkungen auch in Afrika. Manche afrikanische Staaten beginnen, ihre eigenen Wege im Kampf gegen Aids zu suchen, während andere weiter in Ignoranz verharren. Als einer der erfolgreichsten Staaten Afrikas, ja weltweit, im Kampf gegen Aids, als Symbol für erfolgreiche HIV-Prävention gilt bald Uganda:

Bereits 1986 startete Uganda seine erste Aids-Präventions-Kampagne. Menschen mit HIV und ihre Angehörige wurden über Nicht-Regierungs-Organisationen wie TASO (The AIDS Support Organisation) erfolgreich in Präventions-Bemühungen eingebunden, Prävention die auch den Kampf gegen Diskriminierung und Stigmatisierung umfasste.

Nun jedoch gelangt Uganda zu trauriger Aufmerksamkeit: Homosexuellen sowie Menschen mit HIV droht dort demnächst die Todesstrafe, wenn ein von Parlamentsminister David Bahati eingebrachter Gesetzentwurf, der derzeit diskutiert wird, in Kraft treten sollte.

„Die Todesstrafe ist nicht nur für ‚Wiederholungstäter‘ vorgesehen, sondern auch in Fällen, in denen einer der Partner jünger als 18 ist, eine Behinderung hat oder HIV-positiv ist. Jeder, gegen den der Verdacht der ‚verschärften Homosexualität‘ geäußert wird, muss sich einem AIDS-Test unterziehen“ berichtet afrika.info.

Jegliches Engagement von und für Homosexuelle, jedwede Aids-Prävention, jede Hilfe für Menschen mit HIV werde so nicht nur beinahe unmöglich, sondern „faktisch verboten“, betont Amnesty.

Der Wandel in Ugandas Haltung und Politik zeichnet sich seit längerem ab. Bereits für 2008 berichtet der Länderreport Uganda von Amnesty International

„Im Oktober bezeichnete ein Minister der Regierung schwule und lesbische Lebensweisen als Krankheit und erklärte, Uganda sei bestrebt, die Gesetze, die Homosexualität kriminalisieren, noch weiter auszudehnen.“

Die Regierungen zahlreicher Staaten, darunter Frankreich, Großbritannien, Kanada und die USA, kritisierten und protestierten gegen das geplante Gesetz und bezeichneten es als inakzeptabel.

Die International Gay and Lesbian Human Rights Commission fordert (bereits seit Mitte Oktober 2009) zu Protesten an die Regierung Ugandas auf, ebenso die Hirschfeld-Eddy-Stiftung mit einem Aufruf zum Protest.

Nachtrag
29.11.2009: rawstory berichtet, das David Bahati, der hauptsächliche Betreiber des Gesetzentwurfs, führender Vertreter der Organisation ‚The Family‘ (auch: ‚The Fellowship‘) in Uganda sei. Diese Organisation, die „Elite-Organisation des christlichen Fundamentalismus'“, solle bereits 1986 den jetzigen Regierungschef Museveni als Schlüsselperson betrachtet und auf ihn eingewirkt haben, um ihn auf die Linie der us-amerikanischen Rechten zu bringen. In diesen Zusammenhang gehöre auch das Anti-Homosexualitäts-Gesetz, das nun auch HIV-Positive mit der Todesstrafe bedrohe.

Aktualisierung:
10.12.2009: Wie Bloomberg berichtet, enthält der überarbeitete Gesetzentwurf nun weder Todesstrafe noch lebenslange Haft. Die Angaben beruhen auf einem Telefoninterview mit dem ugandischen Minister für Ethik. Es bleibt jedoch bei der Ablehnung von Homosexualität als ‚un-ugandisch‘.

„Uganda erweitert sein Präventions-ABC“, bringt es das Blog Trevorade auf den Punkt. Das frühere ABC (Abstinence, Be faithful, Condoms) werde nun um ein D ergänzt – ein D wie Death, Tod.

Und er analysiert „Dies ist die logische Konsequenz, wenn amerikanische fundamentalistische Christen an der öffentlichen Kultur einer sich entwickelnden Nation.“

weitere Informationen:
sexual minorities uganda www.sexualminoritiesuganda.org/
Amnesty Report Uganda 2009
queeramnesty.ch 16.10.2009: Gesetzesentwurf droht Schwulen mit der Todesstrafe
Times 28.11.2009: Uganda proposes death penalty for HIV positive gays
trevorhoppe 28.11.2009: Uganda updates the acronym
therawstory 28.11.2009: Author: ‘The Family’ behind proposed Ugandan law that would execute HIV+ men
npr 24.11.2009: The Secret Political Reach Of ‚The Family‘
box turtle bulletin 03.12.2009: Uganda Responds To International Furor Over “Kill Gays” Bill
IRIN 03.12.2009: UGANDA: International pressure mounts against „harmful“ HIV bill
SpON 09.12.2009: Homophobie in Afrika – Uganda erwägt Todesstrafe für Schwule
Bloomberg 09.12.2009: Uganda to Drop Death Penalty, Life in Jail for Gays
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Enthaltsamkeit vom Pharmakonzern?

Pharmakonzerne stellen Medikamente her. Und betätigen sich gelegentlich in sozialen Projekten und Zusammenhängen. In Kanada gibt’s von einem Pharmakonzern, der auch Aids-Medikamente herstellt, auch Enthaltsamkeit empfohlen.

„Are you at risk?“ lautet der englische Untertitel der Kampagne „One Life – Une Vie“, mit der sich der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS), Hersteller zahlreicher Aids-Medikamente, schon seit einiger Zeit in Kanada in der HIV-Prävention engagiert.

Die Kampagne weist einige Merkwürdigkeiten auf, wie die französische Organisation „the warning“ in einem Artikel betont.

One Life - Screenshot (Ausschnitt)
One Life - Screenshot (Ausschnitt)

So kann der interessierte Leser, die interessierte Leserin auf der (englischen und französischen) Website der Kampagne in einem Test das individuelle HIV-Risiko ermitteln.
Oder?
Gefragt wird u.a. danach, ob man/frau jemals ungeschützten Sex hatte, Sex unter Drogen, oder Sex mit einem/r HIV-Positiven.
Fragen nach Risiko-Faktoren, die insgesamt sinnvoll erscheinen mögen (wenn man sich auch als HIV-Positiver ungern als Risikofaktor bezeichnen lässt).
Bemerkenswert allerdings: selbst wer unverändert alle Antworten auf die 10 Fragen bei „nein“ belässt, bekommt (auch unabhängig vom angegebenen Geschlecht) als Antwort

„Your result: Based on your answers you are at risk of contracting the HIV virus.“

Ooops – keine Risikofaktoren, nichts angegeben – aber doch ein HIV-Risiko?
Wozu dann die Fragen?
Seriöse Tests sehen anders aus?

Erstaunt fragt sich der Betrachter zudem, wie denn die kurz darauf angegebene Auswertung aller bisherigen Test-Teilnehmer

Overall results:
62 % of respondents are at risk
42 % of males respondents
20 % of females respondents

zustande kommen kann – wenn alle Ergebnisse des Tests immer zu dem Resultat „you are at risk“ führen?

Noch spannender wird die Site, wenn es zu konkreten Ratschlägen kommt, wie man/frau sich denn vor HIV schützen könne.

„Wer hätte je gedacht, dass das ABC auch vor HIV schützt?“, fragt dort der Pharmakonzern BMS. Und hat auch gleich die Antwort parat: vor HIV-Infektionen schützen Abstinenz (sexuelle Enthaltsamkeit), (sexuelle) Treue (nur ein Partner), sowie Kondome.

Abstinenz, Treue, Kondome – die einzigen Strategien, sich vor einer HIV-Infektion zu schützen? Die wirksamsten? In dieser Reihenfolge?

„the warning“ zeigt sich in dem Bericht erstaunt, dass zahlreiche Aids- und Community-Organisationen (auch Organisationen von HIV-Positiven) laut Angaben der Sites „Partner“ dieser Kampagne sind. Die französische Organisation hat den Pharmakonzern aufgefordert, sich zu den Merkwürdigkeiten zu äußern.

Ist der Papst neuerdings Vorstandsvorsitzender von BMS?, mag man sich angesichts dieser Kampagne, ihrer Merkwürdigkeiten und Ratschläge erstaunt fragen.

Soziales Engagement auch von Unternehmen, Pharmakonzernen mag begrüßenswert sein, und eventuell auch Präventionskampagnen. Aber so?

Abstinenz, Treue und Kondome – das alte ABC einer Präventions-Politik, wie sie die US-Regierung unter dem früheren US-Präsidenten Bush vertreten hat. Eine Präventions-Politik, die nur zu oft schon ihr Versagen erwiesen hat.

Dass BMS diese „Informationen“ unter der Aufforderung „seperate fact from fiction“ präsentiert, mutet schon  beinahe zynisch an.  Abstinenz macht krank, ist kein tauglicher weg der HIV-Prävention, dies zeigen immer wieder Studien.

So werden Virus-Mythen befördert.
Wirksame HIV-Prävention sieht vermutlich anders aus …

weitere Informationen:
TheWarning 14.07.2009: Une vie… One life : BMS n’aime pas les séropos et les étrangers
„One Life – Une Vie“ – Kampagne in Kanada (englische Site are you at risk – französische Site)
TheWarning 21.07.2009: BMS n’y comprend vraiment rien à la prévention et ferait mieux de s’abstenir
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Nur Enthaltsamkeit und eheliche Treue schützen?

Enthaltsamkeit, Abstinenz sei ein wirksamer Schutz gegen Aids, dies betonte Papst Benedikt XVI.:

„Enthaltsamkeit sei ein wirksames Mittel gegen Aids. Das hat Papst Benedikt XVI. bei einem Treffen mit dem neuen namibischen Botschafters beim Heiligen Stuhl, Neville Melvin Gertze, erneut unterstrichen.“

Radio Vatikan meldete, der Papst sei der Ansicht

„nur die Erziehung zu individueller Verantwortung in der Sexualität und die eheliche Treue könnten die Pandemie eindämmen.“

Auf Kritik an Abstinenz-Programmen, auf Forderungen nach der Akzeptanz von Kondomen zur Aids-Prävention durch die Kirche, auf Studien, die die Unwirksamkeit von Abstinenz-Programmen zeigen, ging Joseph Ratzinger, der Papst Benedikt XVI. nicht ein.

Abstinenz – dies war einst auch eines der wesentlichsten Stichworte der Aids-Politik der Bush-Regierung in den USA. Einer Aids-Politik, die gescheitert ist.

Abstinenz macht krank, Abstinenz-Programme sind unwirksam, immer wieder haben dies die verschiedensten Untersuchungen und Studien gezeigt, Experten verschiedenster Couleur darauf hingewiesen.

Soll man heulen ob so viel Ignoranz? Wütend werden? Oder einfach weiterschalten, ignorieren, ist doch nur der alte Mann aus Rom?

Ignorance kills – Ignoranz tötet, dies war einst ein Motto von ACT UP. Papst Benedikt XVI und seine päpstliche Ignoranz zeigen, dass dieses Motto immer noch Aktualität hat …

Virus-Mythen 5: Aids als Strafe Gottes

Aids – „in vielen Fällen ist das wirklich eine Strafe Gottes“.

Aids als Strafe Gottes – das sagt heutzutage kaum jemand noch laut – bis auf einige Vertreter der ultrakonservativen „Priesterbruderschaft St. Pius X.„.

Pater Franz Schmidberger, Priesterbruderschaft St. Pius X. (Foto: Priesterbruderschaft)
Pater Franz Schmidberger, Priesterbruderschaft St. Pius X. (Foto: Priesterbruderschaft)

Obiges Zitat stammt der Sendung ‚Report Mainz‘ zufolge vom ‚Distriktoberen für Deutschland der Priesterbruderschaft St. Pius X.‘, Pater Franz Schmidberger, der gleichzeitig als einer der Mitbegründer dieses umstrittenen Ordens ist.

Aids als Strafe, als Folge von ‚zuviel Freiheit‘, das hat Tradition in der Denke der Pius-Brüderschaft:

„Aufreizende Kleidung, Vergewaltigungen, Abtreibung, zerrüttete Familien, verwahrloste Kinder, – die Wörter ziemen sich kaum, aber es ist leider Realität – legalisierte Homosexualität, Kinderpornographie und -mißbrauch, Aids… all das sind Früchte von etwas, was man auch Freiheit nennt, nämlich die sexuelle Freiheit oder die sexuelle Befreiung der 68er Kulturrevolution. Auflösung aller Normen und Tabus, die Loslösung von heiligen, unantastbaren Gottesrechten. Immer mehr Menschen merken, daß dies auf eine Katastrophe zusteuert.“ („Mitteilungsblatt vom August 2002 (Aus der Priesterbruderschaft) – „Zwei Freiheiten“, Ansprache der Rektorin des St.-Theresien-Gymnasiums. von Schwester Michaela Metz“, online)

Es versteht sich fast von selbst, dass Kondome-auch und gerade zur Prävention der HIV-Infektion- in dieser Gedankenwelt Teufelszeug sind:

„Die Kampagnen, die gestartet wurden, um die Menschen auf die große Gefahr, sich zu infizieren, aufmerksam zu machen, neigen dazu, Präservative als Heilmittel zu empfehlen. Manche Werbung spricht sich aus für „Treue und Enthaltsamkeit“ – was sehr gut ist, denn es erinnert die Menschen an die Tugenden von Keuschheit und Reinheit -, aber die gleichen Anzeigen enthalten ausnahmslos auch die „Option“ für Präservative. Somit erweisen sich all diese Anti-Aids-Programme als lasterhaft, und sie sind sogar gefährlicher als die Sünde selbst, denn sie behandeln Laster und Tugend in gleicher Weise.“ (aus: Mitteilungsblatt vom Februar 2003 (Aus der Priesterbruderschaft) – Auf den Spuren Erzbischof Lefebvres, von P. Patrick Groche, online)

Report Mainz: Kreuz-Schändung „schwerere Sünde“ als Terroranschläge
Sendung am09.02.2009, 22:00 Uhr ARD.

weitere Informationen.
Termabox: Die Kirche im Komödienstadl
La Libertine: Dschihad auf katholisch
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Abstinenz macht krank

Demnächst (vom 3. bis 8. August 2008) findet die weltgrößte Aids-Konferenz in Mexico City statt, die XVII International Aids Conference. Abstinenz, auch dort wieder von der US-Regierung unter Bush hochgehalten, hat als Aids-Präventions-Prinzip vollkommen versagt.

Die Welt-Aids-Konferenz naht. Und mit ihr eine Flut von Medien-Berichten über Aids. Eines der Themen wird darin auch immer wieder sein, ob Abstinenz als Präventionsstrategie taugt.

In Deutschland ist zwar recht einhellige Meinung „Wir setzen nicht darauf, den Jugendlichen Enthaltsamkeit zu empfehlen“ (BZgA-Direktorin Pott 2007 in der SZ). Aber sexuelle Abstinenz (Enthaltsamkeit) ist auch in Europa und Deutschland eine gelegentlich (nicht nur aus katholischen Kreisen) ernsthaft geforderte Strategie (wenn auch manchmal verbrämt als ‚freiwillige‘ ‚Verminderung des sexuellen Verlangens‘).

Sexuelle Abstinenz als Mittel der Aids-Prävention?
In der Theorie vielleicht ja, könnte man denken – wer keinen Sex hat, kann sich (sexuell) auch nicht infizieren.
In der Praxis: nein. Abstinenzprogramme scheitern nicht nur, sie schaden auch noch der Gesundheit.

Ein Artikel auf der US-Site TheBody fasst den Stand in Sachen Abstinenz-Debatte gut zusammen:
AIDS-Präventions-Programme, die sich darauf beschränken, nur Abstinenz bis zur Ehe zu predigen, sind eine gigantische Geldverschwendung. Sie sind kontraproduktiv und sie gefährden potenziell die Gesundheit.

Nur ein Beispiel dafür:
Eine von der SZ genannte Studie kommt zudem zu dem Ergebnis, dass Menschen in der ‚Abstinenz-Gruppe‘ mehr Sex haben. In Communities, in denen sexuelle Enthaltsamkeit gepredigt wurde (in den USA gerne mit einem entsprechenden ‚Versprechen‘) war dem TheBody-Bericht zufolge die Häufigkeit sexuell übertragbarer Erkrankungen (wie Syphilis, Tripper etc.) signifikant höher als in anderen Gruppen.

Zudem, so der lesenswerte Bericht, zeigen Studien, dass Nur-Abstinenz – Programme sexuelle Stereotype befördern, ebenso antischwule Einstellungen und eine Ignoranz HIV gegenüber.

Nachdem über eine Milliarde US-Dollar für Abstinenz-Programme ausgegeben worden seien, gebe es keine einzige wissenschaftliche Studie in einem seriösen peer-reviewed-Journal (peer review ist ein Verfahren der Qualitätsssicherung in wissenschaftliche Fachpublikationen), das zeige, dass Abstinenz jungen Menschen helfen könne gute und gesunde Entscheidungen in Sachen Sex zu treffen.

Die Bush-Regierung fordert (auch im PEPFAR-Programm, siehe ‚USA: Ende des Einreiseverbots zeichnet sich ab‚) weiterhin, dass im Rahmen von Aids-Programmen, die sie unterstützt, Abstinenz als eine wirksame Aids-Präventions-Strategie eine zentralen Bedeutung haben müsse. Im Gegenteil, Bush fordert eine Ausweitung der Abstinenz-Programme um weitere 28 Millionen Dollar.

Nachtrag
06.01.2009: ‚Voreheliche Abstinenz erweist sich als unwirksam‘, berichtet CDC/NPIN über die Ergebnisse einer großen Feldstudie.