HIV-Test: wie sieht es bei den Nachbarn aus?

Wie geht es weiter in Sachen HIV-Test? In Deutschland ist ein Expertengremium gerade dabei, Vorschläge zu formulieren – aber wie sieht es in unseren Nachbarländern aus?

2006 änderten die USA ihre HIV-Test-Politik. Die Centers for Disease Control (CDC) empfahlen im September diesen Jahres „voluntary HIV testing for everyone“ – den freiwilligen HIV-Test für jedermann zwischen 13 und 64 Jahren, ohne Berücksichtigung etwaiger Risikosituationen, sowie jährliche HIV-Tests für Menschen mit Risiko-Situationen. Sämtliche Tests wurden als opt-out empfohlen (sie sollten durchgeführt werden, es sei denn der Patient lehne dies explizit ab).

In Deutschland zeichnet sich keine prinzipielle Änderung der erfolgreichen Aids-Politik und in dieser der HIV-Test-Politik ab, wie erst jüngst ein Experten-Hearing (siehe „Bericht HIV-Testungsansatz im deutschen Gesundheitswesen„) erneut zeigte. HIV-Tests sollen ausgeweitet und an veränderte Gegebenheiten angepasst werden, es soll jedoch in jedem Fall bei opt-in bleiben.

Wir sieht die Situation aktuell bei unseren Nachbar-Ländern aus?

Frankreich

Über 40.000 Menschen leben Schätzungen zufolge in Frankreich mit dem Virus ohne es zu wissen; pro Jahr finden ca. 7000 HIV-Neuinfektionen statt.
Die HAS (Haute Autorité de Santé, Oberste Gesundheitsbehörde) schlägt, wie die französische Presse berichtet, in einem Bericht an Gesundheitsministerin Roselyn Bachelot eine HIV-Testung der gesamten französischen Bevölkerung zwischen 15 und 70 Jahren vor „um die ungenügende aktuelle Politik auszugleichen“. Risikogruppen sollten zudem jährlich untersucht werden. Der Vorschlag wird auch unterstützt von Dr. Jean Claude Chermann (dem ‚vergessenen‘ Nobelpreisträger für Medizin 2008).

Die französische umstrittene Aktivistengruppe ACT UP Paris begrüßte den Vorschlag und betonte, dieser hätte schon vor Monaten kommen sollen.
Die NGO Aides betonte, man trete schon seit langem für breite systematische HIV-Tests ein, für besonders betroffene Bevölkerungsgruppen bedürfe es eines zielgruppengerechten Angebots. Deswegen fordere Aides die stärkere Unterstützung community-naher Projekte.

Großbritannien

Die Regierung Großbritanniens hat keine explizit formulierte HIV-Test-Politik.
Die BHIVA (British HIV Association, Vereinigung der britischen HIV-Behandler) hat 2008 in Zusammenarbeit mit der ‚British Infection Society‘ und der ‚British Association for Sexual Health and HIV‘ eine eigene Empfehlung heraus gegeben. In dieser wird eine deutliche Ausweitung der HIV-Testungen empfohlen. Dabei solle eine umfassende Beratung vor dem Test abgeschafft werden zugunsten einer einfachen Herausgabe von Informationen.
Die Empfehlungen betonen, alle Tests sollten ‚opt-out‘ sein (sie sollten durchgeführt werden, es sei denn der Patient lehne dies explizit ab). Derartige Tests sollten auch durchgeführt werden bei
– Frauen in Beratungsstellen zum Schwangerschaftsabbruch,
– Menschen aus Hochprävalenz-Ländern und deren Sex-Partnern,
– allen Patienten mit Tbc, Hepatitis B oder C oder Lymphomen,
– allen Patienten mit einem von mehreren Symptomen, die in einer Liste von Indikator-Symptomen genannt sind, und
– allen Menschen, die neu in ein Krankenhaus eingewiesen werden oder sich neu bei einem niedergelassenen Arzt anmelden in Regionen, in denen die HIV-Prävalenz undiagnostizierter HIV-Infektionen über 1 von 1.000 liege.

Niederlande

In den letzten Jahren hat sich auf der nationalen Ebene nicht sehr viel verändert in Sachen HIV-Testungs-Politik. Offiziell gibt es opt-out für einen HIV-Test nur bei schwangeren Frauen (seit 2004). Opt-out will so viel heißen wie: Schwangere werden informiert (Pflicht des Krankenhauses), dass bei der Blutuntersuchung auch auf HIV getestet wird, sie können dann melden wenn sie dies nicht wollen.
Diese Informationspflicht kann in der Praxis sehr weitläufig interpretiert werden: wenn im Wartezimmer der Abteilung andauernd ein Video läuft, in dem beiläufig gesagt wird, dass auf HIV getestet wird, hat das Krankenhaus seine Informationspflicht erfüllt.
Die meisten HIV-Tests finden in den Niederlanden beim Hausarzt statt. Die HIV-Test-Rate hat sich in den letzten Jahren erhöht. Die größte Steigerung der Testbereitschaft kam nach einer großen Kampagne „Steeds meer mannen weten het!“ (Immer mehr Männer wissen es), innerhalb drei Jahren stieg der Prozentsatz der getesteten MSM von 42% auf 54%.

Danke an M. und Alexander für Informationen!

weitere Informationen:
Centers for Disease Control: Revised Recommendations for HIV Testing of Adults, Adolescents, and Pregnant Women in health Care settings, MMWR 55(RR14), 1-17, 2006
British HIV Association: UK National guidelines for HIV Testing 2008 (pdf)
don’t live in ignorance: how do we expand hiv testing? in: hiv treatment update october 2009
HAS Oktober 2009: Dépistage de l’infection par le VIH en France : stratégies et dispositif de dépistage, Bericht (pdf)
Liberation 21.10.2009: Sida : des tests pour tout le monde ?
Le Monde 21.10.2009: Sida : la Haute autorité de santé pour un dépistage volontaire généralisé
e-llico 26.10.2009: Recommandation de la HAS : Aides veut favoriser la mise en place de projets de dépistage communautaire
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