Am Donnerstag 20.10.2011 wird im Bundestag über Kürzungen bei der Prävention im Bereich HIV/Aids und andere sexuell übertragbare Infektionen (STI) verhandelt.
Die Bundesregierung plant zurzeit, die Mittel im Jahr 2012 von 13 auf 12 Millionen zu reduzieren. Der Nationale AIDS-Beirat (NAB) und die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) fordern den Bundestag auf, diese Kürzungen zurückzunehmen.
Folgendes Votum des NAB hat das Bundesministerium für Gesundheit am Mittwoch veröffentlicht:
„Der NAB betrachtet mit großer Sorge, dass die finanziellen Mittel für die HIV/STI-Prävention reduziert werden sollen. Deshalb fordert der NAB den Bundestag auf, die für 2012 geplanten Kürzungen im Haushaltstitel HIV/STI-Prävention zurückzunehmen und das Budget mindestens in bisheriger Höhe aufrechtzuerhalten. Angesichts der Komplexität der Präventionsaufgaben und der Erweiterung um den Schwerpunkt STI-Prävention führt eine Kürzung zu einer massiven Einschränkung der Angebote und gefährdet auf Dauer die bisherigen Präventionserfolge. Einsparungen im Bereich der Präventionsarbeit werden künftig durch Mehrkosten in der Versorgung mit weit höheren Beträgen bezahlt werden müssen.“
Dazu DAH-Vorstandsmitglied Tino Henn:
„Auf Erfolgen darf man sich nicht ausruhen, sondern wir müssen darauf aufbauen! Wer bei der Prävention nachlässt, riskiert die Gesundheit und das Leben von Menschen.“ (Siehe auch Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe vom 11.8.2011.)
Der Nationale AIDS-Beirat ist ein Beratungsgremium des Bundesministeriums für Gesundheit. Er begleitet die Politik der Bundesregierung im Umgang mit HIV/Aids mit Stellungnahmen und Vorschlägen. Die Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe, Silke Klumb, ist Mitglied im NAB. Die Deutsche AIDS-Hilfe ist der Dachverband von rund 120 Aidshilfe-Organisationen.
Die Deutsche AIDS-Hilfe hat am Samstag auf ihrer Mitgliederversammlung in Neumünster turnusgemäß einen neuen Bundesvorstand für die nächsten drei Jahre gewählt.
Dem fünfköpfigen Führungsgremium gehören nun an:
Tino Henn (Starnberg/Essen, Inhaber und Vorsitzender Geschäftsführer der Bruno Gmünder Media Group)
Winfried Holz (Berlin, Referatsleiter in der Verwaltung des Deutschen Bundestags)
Manuel Izdebski (Geschäftsführer der AIDS-Hilfe im Kreis Unna)
Carsten Schatz (Geschäftsführer des Berliner Landesverbandes der Partei Die Linke)
Sylvia Urban (Supervisorin, Vorstandsmitglieder der AIDS-Hilfe Dresden)
Tino Henn, Winfried Holz, Carsten Schatz und Sylvia Urban gehörten dem DAH-Vorstand bereits in den vergangenen drei Jahren an. Der Münchener Hansmartin Schön trat aus gesundheitlichen Gründen nicht wieder an.
Der neue Vorstand will in den kommenden drei Jahren neben der HIV-Prävention einen besonderen Schwerpunkt darauf legen, über das Leben mit HIV in Zeiten der Kombinationstherapien zu informieren und damit der Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV entgegenzuwirken.
Dazu sagt DAH-Vorstand Carsten Schatz: „Durch die heute verfügbaren Therapien kann man lange und gut mit HIV leben. Die Medikamente senken zugleich die Übertragungswahrscheinlichkeit erheblich. Viele Menschen setzen die HIV-Infektion aber immer noch mit schwerer Krankheit und Tod gleich und haben teilweise irrationale Infektionsängste. Um Angst und Ausgrenzung von HIV-Positiven zu vermindern, ist es heute besonders wichtig, ein realistisches Bild vom Leben mit HIV zu vermitteln. Die Deutsche AIDS-Hilfe wird sich verstärkt dafür einsetzen, die Strafbarkeit der HIV-Übertragung in Deutschland abzuschaffen. Die Kriminalisierung bürdet Menschen mit HIV einseitig die Verantwortung auf und schadet damit auch der Prävention.“
Die Mitgliederversammlung in Neumünster entschied außerdem über zwei neue Ehrenmitgliedschaften. Auf dem Jahresempfang der Deutschen AIDS-Hilfe am 4. November in Berlin würdigt der Verband mit der Ehrenmitgliedschaft den HIV/Aids-Aktivisten Matthias Hinz sowie Sigrun Haagen, Gründungsmitglied des Bundesweiten Netzwerks der Angehörigen von Menschen mit HIV und Aids.
Die Deutsche AIDS-Hilfe ist der Dachverband von von 119 Aidshilfe-Organisationen, Präventions- und Versorgungsprojekten.
Anlässlich seines Besuches in Deutschland fordert die Deutsche AIDS-Hilfe Papst Benedikt XVI. auf, endlich von seiner kontraproduktiven und menschenfeindlichen Sexual- und Kondompolitik abzurücken.
„Mit dem Kondomverbot verleiten Papst und Kirche Millionen Gläubige dazu, ihre Gesundheit und ihr Leben zu gefährden“, sagt DAH-Vorstandsmitglied Tino Henn. „Ihre dogmatische moralische Position ist ihnen dabei wichtiger als das Schicksal der betroffenen Menschen. Eine verantwortungsbewusste Kirche würde anerkennen, dass Sexualität ein Bedürfnis des Menschen ist, das auch gelebt wird – und auf die Möglichkeit hinweisen, sich und andere zu schützen.“
Stattdessen behauptet der Papst sogar, Kondome würden die Verbreitung von HIV/Aids nicht verhindern, sondern fördern. Das ist falsch und zynisch. „Die katholische Kirche handelt mit dieser Haltung nicht nur gegen das christliche Gebot der Nächstenliebe, sondern auch gegen das Menschenrecht auf den bestmöglichen erreichbaren Gesundheitszustand“, sagt DAH-Vorstand Henn.
Besonders fatal wirkt sich diese Politik in den Weltregionen aus, in denen HIV besonders stark verbreitet ist. In vielen Ländern betreibt die Kirche zugleich vorbildliche Einrichtungen zur Behandlung und Versorgung von HIV-Positiven und Aidskranken. Die bittere Ironie dabei: Viele der Patientinnen und Patienten hätten sich ohne das Kondomverbot gar nicht erst infiziert.
Zugleich diskreditiert die katholische Kirche Menschen, die nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Sexualität auf Fortpflanzung zu reduzieren. Wer anders lebt als der Vatikan es wünscht – zum Beispiel Schwule und Lesben oder Geschiedene – wird schuldig gesprochen und zum Sünder gestempelt. Papst und Kirche treten weltweit gegen die Rechte sexueller Minderheiten ein. Das trägt zu Ausgrenzung und schweren psychischen wie auch physischen Verletzungen bei, zum Beispiel zu Hassverbrechen gegen Homosexuelle und erhöhten Selbstmordraten bei homosexuellen Jugendlichen.
Aus der Gesundheitswissenschaft wissen wir außerdem: Wer sich wegen seiner Sexualität schuldig fühlt, hat oft nicht genügend Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, um sich wirkungsvoll vor HIV zu schützen. Das kommt zum Beispiel zum Tragen, wenn es darum geht, den Wunsch nach Kondomgebrauch gegenüber dem Partner auch durchzusetzen. Frauen haben es in dieser Frage oft besonders schwer. Wer sich infiziert hat, steht dann aufgrund katholischer Sexualmoral erst recht als Sünder beziehungsweise Sünderin dar.
Die Deutsche AIDS-Hilfe hat sich darum dem Bündnis „Der Papst kommt!“ angeschlossen und ruft zur Demonstration unter dem Motto „Keine Macht den Dogmen!“ auf (Donnerstag, 22.9.2011, 16 Uhr, Potsdamer Platz, Berlin). DAH-Pressesprecher Holger Wicht wird die Kundgebungen gemeinsam mit der Radiomoderatorin Frauke Oppenberg moderieren.
Den Papst selbst laden wir zugleich zum Dialog ein. Ganz im Sinne christlicher Nächstenliebe wünschen wir uns seine Unterstützung bei einem Ziel, das uns alle einen sollte: Gesundheit und Wohlbefinden für so viele Menschen wie möglich.
Die Bundesregierung will im Jahr 2012 bei der Prävention im Bereich HIV/Aids und andere sexuell übertragbaren Infektionen (STI) kürzen.
Der entsprechende Haushaltstitel soll von 13 auf 12 Millionen Euro reduziert werden. Das geht aus der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine schriftliche Anfrage der Bundestagsabgeordneten Angelika Graf (SPD) hervor. Zudem soll die „HIV/Aids-Bekämpfung in Zusammenarbeit mit Osteuropa“ wegfallen, bei der 2011 bereits drastisch gekürzt worden ist (von 1,1 Millionen im Jahr 2010 auf 250.000 Euro). Auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei den Zuschüssen an Drogen- und Suchthilfe, soll gespart werden.
Dazu erklärt Tino Henn, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH): „Kürzungen gefährden die Erfolge der Prävention in Deutschland. Wer bei der Prävention nachlässt, riskiert die Gesundheit und das Leben von Menschen. Die Kürzungen sind zudem auch ökonomisch kurzsichtig: Für die Einsparungen von heute zahlen wir später bei der Versorgung von Kranken einen hohen Preis.“
Die deutsche HIV- und STI-Prävention ist sehr erfolgreich. Durchgeführt wird sie vor allem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Deutschen AIDS-Hilfe mit ihren mehr als 120 Mitgliedsorganisationen. Die Zahl der Neuinfektionen hat sich bei etwa 3.000 pro Jahr stabilisiert. In fast allen anderen europäischen Ländern liegt die Infektionsrate deutlich höher.
Besonders erschreckend ist aus Sicht der Deutschen AIDS-Hilfe das Ende der „Deutsch-Ukrainischen Partnerschaftsinitiative zur Bekämpfung von HIV/Aids“. Dazu sagt Sergiu Grimalschi, DAH-Referent für Internationales:
„Die Ukraine steht mit ihrer HIV-Epidemie noch immer vor immensen Herausforderungen. Die erfolgreiche Zusammenarbeit jetzt zu beenden, ist verantwortungslos und gefährdet die Fortschritte bei den Maßnahmen gegen die HIV/Aids-Epidemie. Die weiter laufende Unterstützung der Ukraine mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kann diesen Verlust nicht ausgleichen.“
Die Ukraine ist das Land mit der höchsten Neuinfektionsrate in Europa, nach Schätzungen sind bis zu 1,3 Prozent der Bevölkerung HIV-positiv. Im Rahmen der Partnerschaftsinitiative hat Deutschland die Ukraine bei ihren Maßnahmen gegen HIV/Aids in den letzten drei Jahren mit 2,85 Millionen Euro unterstützt. Staatliche deutsche Einrichtungen und Nicht-Regierungsorganisationen halfen mit Know-how und ihren Erfahrungen im Bereich der Prävention sowie der Versorgung von Menschen mit HIV/Aids.
Das Land machte in dieser Zeit große Fortschritte: Die ukrainische „Gib AIDS keine Chance“-Kampagne war erfolgreich, zudem wurde sichergestellt, dass Menschen mit HIV/Aids eine angemessene Behandlung erhalten. Auch die Möglichkeit der Substitution von Heroinkonsumenten konnte gesichert werden. Die deutsch-ukrainische Zusammenarbeit wurde 2010 positiv evaluiert und alles sprach für eine Fortsetzung.
Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) begrüßt die Äußerungen von Papst Benedikt XVI. zum Gebrauch von Kondomen. Der Papst hatte sich erstmals positiv über die Anwendung von Kondomen zum Schutz vor einer HIV-Infektion in seinem neuen Buch „Licht der Welt: Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit“ geäußert – wenn auch auf Einzelfälle beschränkt. Der Papst benennt in seinem Buch männliche Sexarbeiter als Beispiel für Menschen, die Kondome nutzen dürfen. Die Katholische Kirche sieht das Kondom weiterhin „nicht als wirkliche und moralische Lösung“ an.
Dazu erklärt Tino Henn, Vorstandsmitglied der DAH: „Die Äußerungen des Papstes sind ein wichtiger Schritt im Kampf gegen HIV und Aids. Erstmals gestattet die Katholische Kirche ihren Gläubigen den Gebrauch von Kondomen zur HIV-Prävention. Wir hoffen, dass dies erst der Anfang ist hin zu einer zeitgemäßen Haltung für eine selbstbestimmte Sexualität und wirksame Verhütung vor ungewollten Schwangerschaften und vor sexuell übertragbaren Krankheiten allgemein. Dies haben Aidshilfen, Präventionseinrichtungen und Wissenschaftler in aller Welt seit Jahren gefordert. Leider hat der Papst das Kondomverbot nicht generell aufgehoben. Wir appellieren an den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz Zollitsch, sich beim Papst dafür einzusetzen, dass es keine Einschränkungen für den Gebrauch von Kondomen mehr geben wird.“
Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) wertet die Zusagen der Bundesregierung auf der aktuellen Geberkonferenz in New York als Teilerfolg: Deutschland hat gestern unter Vorbehalt zugesagt, für die Jahre 2011 bis 2013 – entgegen bisheriger Planungen – insgesamt 600 Mio. € in den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose einzuzahlen.
Tino Henn, Mitglied im DAH-Vorstand: „Wir begrüßen die Entscheidung der Bundesregierung zum Globalen Fonds. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat zusammen mit vielen anderen Organisationen darauf hingewirkt, dass die Bundesregierung zumindest ihre bisherigen Zusagen einhält. Dennoch hat die Geberkonferenz ihre Ziele nicht erreicht. Die für 2015 angestrebten Millenniumsziele können damit nicht erfüllt werden.“
Silke Klumb, DAH-Geschäftsführerin: „Die Mittel für den Globalen Fonds müssen deutlich erhöht werden: Expertenschätzungen gehen allein in den kommenden drei Jahren von einer Verdopplung des Finanzbedarfs des Globalen Fonds auf bis zu 20 Milliarden $ aus. Daher muss der 200 Mio. €-Anteil, den Deutschlands pro Jahr für die nächsten drei Jahre unter Haushaltsvorbehalt zugesagt hat, unbedingt steigen. Die USA und Frankreich gehen hier mit gutem Beispiel voran. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf ihrer Rede vor der UN-Vollversammlung den Globalen Fonds als ein ´multilaterales Instrument´ bezeichnet, ´das sich bewährt hat´, und Unterstützung ´auf hohem Niveau´ zugesagt. An diesen Worten werden wir die Bundesregierung messen.“
Als Dokumentation die Rede von DAH-Vorstand Tino Henn aus Anlass des Welt-Aids-Tags-Empfangs der Deutschen AIDS-Hilfe:
„Bildervielfalt prägen – Menschen mit HIV entstigmatisieren!“
Rede von Tino Henn
Mitglied des Bundesvorstands der Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH)
anlässlich der Veranstaltung
„Empfang zum Welt-AIDS-Tag 2009“
im
ATRIUM der Deutschen Bank AG, Unter den Linden, Berlin
5. November 2009
(Es gilt das gesprochene Wort.)
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
sehr geehrte Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin,
sehr geehrte Frau Prof. Dr. Pott,
sehr geehrter Herr Wiesniewski,
sehr geehrter Herr Schaub,
sehr geehrte Vertreter der Medien,
liebe Mitglieder, Kooperationspartner und Förderer,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
im Namen der Deutschen AIDS-Hilfe begrüße ich Sie ganz herzlich zu unserem –inzwischen traditionellen – Welt-Aids-Tags-Empfang. Mein besonderer Dank gilt noch einmal den Sponsoren und Unterstützern dieses Abends, ohne die eine solche Veranstaltung nicht mehr möglich wäre. Und nicht zuletzt danke ich allen Helferinnen und Helfern, die im Vorfeld dieser Veranstaltung aktiv waren und heute hinter, vor und vor allem auf der Bühne mitwirken.
Gerade in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise und damit einhergehender sinkender Spendenmöglichkeiten vieler Bürgerinnen und Bürger sind wir Aidshilfen mehr denn je auf Sponsoren angewiesen: und dies sind nicht nur die Sponsoren aus der Wirtschaft, sondern Mäzene aus allen Teilen der Gesellschaft! Gut, dass so viele Menschen und Organisationen bereit sind, sich zu engagieren, um damit die Arbeit der Aidshilfen zu unterstützen. Das ist uns sehr wichtig, denn Prävention ist nicht alleine die Aufgabe von Gesundheitseinrichtungen und großen Institutionen, sondern fängt bei jedem Einzelnen an. „Ganz Deutschland zeigt Schleife“ lautet die Botschaften unserer diesjährigen Welt-Aids-Tags-Kampagne, die die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Deutsche AIDS-Stiftung gemeinsam veranstalten. Die Unterstützer des heutigen Abends zeigen Schleife – vielen Dank dafür!
Als gutes Beispiel, wie Sponsoren sich in der Prävention engagieren, möchte ich den Bielefelder Erotikprodukteanbieter Eis.de herausstellen. Die Eis.de GmbH hat der Deutschen AIDS-Hilfe im September zwei Millionen Kondome gespendet. Dies ist die größte Kondom-Spende, die wir je in unserer 26-jährigen Geschichte erhalten haben. Eis.de will mit dieser Auftaktspende „Zeichen setzen und eine langfristige, intensive Zusammenarbeit mit der Deutschen AIDS-Hilfe begründen“. Wir werden 2010 unsere Fundraising-Aktivitäten ausbauen, um weitere solche strategischen Partner zu gewinnen.
Wir brauchen auch in Zukunft starke Förderer, mit denen wir das bisher Erreichte sichern und gemeinsam unsere Strategien für die Prävention sowie gegen Diskriminierung und gegen Stigmatisierung durchsetzen können. Das vergangene Jahr hat uns auf das Schmerzlichste gezeigt, welche schlimmen Vorurteile von HIV und Aids bedrohten und betroffenen Menschen immer noch entgegengebracht werden: So haben viele Medien – aber auch einzelne Politiker – eine regelrechte Hetzjagd gegen die Künstlerin Nadja Benaissa geführt, als ihre HIV-Infektion bei ihrer Verhaftung gezielt öffentlich gemacht wurde. Viele Medien, die Darmstädter Staatsanwaltschaft und einige Politiker haben die Persönlichkeitsrechte von Frau Benaissa mit Füßen getreten und Sexismus und Rassismus erneut Vorschub geleistet. Die regelrechte Medienkampagne gegen Nadja Benaissa hat der weiteren Kriminalisierung von HIV-Positiven Vorschub geleistet. Erst die massiven, öffentlichkeitswirksamen Beschwerden der Deutschen AIDS-Hilfe gegen diese Form der Medienberichterstattung und gegen das Verhalten der hessischen Justiz haben einen Sinneswandel in der Bewertung des Umgangs mit Frau Benaissa und ihrer HIV-Infektion bewirkt. An dieser Stelle sage ich Ihnen ganz deutlich: Wir lassen keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV und Aids zu! Und wir gehen gegen jede Form der Diskriminierung und Stigmatisierung von HIV-Positiven vor!
Dafür werben wir um Unterstützung: in den Medien, in Unternehmen, bei Gewerkschaften, Kirchen, in der Politik und bei allen Bürgerinnen und Bürgern.
Fast 30 Jahre nach dem Ausbruch der HIV-Epidemie sind die Medienbilder über HIV und Aids immer noch sehr einseitig. Der inzwischen in Berlin angesiedelte Verein „Regenbogen“ und die Hamburger Werbeagentur „das comitee“ wollten erst vor Wochen eine abscheuliche Hetzkampagne gegen HIV-Positive starten, die Adolf Hitler beim Sex mit einer Frau zeigt. Der Claim „Aids ist ein Massenmörder“ verunglimpft nicht nur die Opfer der Nazidiktatur, sondern setzt auch HIV-Positive mit Mördern gleich. Diese für die Prävention völlig ungeeignete und schädliche Kampagne konnte auf Druck der Deutschen AIDS-Hilfe verhindert werden. Einige Beispiele: YouTube nahm den Spot aus dem Internet, der Zentralrat der Juden sprach von einer „unerträglichen Entgleisung“, der Deutsche Werberat sowie die RTL-Mediengruppe distanzierten sich öffentlich, in vielen Leserbriefen dankten Menschen der Deutschen AIDS-Hilfe. Wir finden, dass solchen Institutionen wie dem Regenbogen e.V. die Gemeinnützigkeit entzogen werden muss. Aufmerksamkeit durch übelste Effekthascherei erreichen zu wollen und dies auf dem Rücken von HIV-Positiven– das wird es mit uns nicht geben, und dagegen gehen wir mit allen rechtlichen Mitteln vor!
Wir sehen es vielmehr als einer unserer wichtigsten und ureigenen Aufgaben an, differenzierte Bilder von HIV zu zeigen, die den heutigen Lebensrealitäten von Menschen mit HIV und Aids gerecht werden. Unsere Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU ist ein Beispiel dafür. Sie bekommen hier im ATRIUM einen ersten Eindruck davon. Wir erhielten in den vergangenen Monaten viel Lob für diese vom Bundesministerium für Gesundheit und der BZgA finanzierte Kampagne, die moderne Gesundheitsförderung und zielgruppengerechte HIV-Prävention mit Maßnahmen zur Entstigmatisierung verbindet. Das Gesundheitswissen zu erhöhen und Menschen in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken – das sind wichtige Ziele, damit Mann oder Frau individuelle Risiken besser wahrnehmen, einschätzen und das eigenen Verhalten gegebenenfalls anpassen kann.
Von den etwa 65.000 HIV-positiven Menschen in Deutschland weiß ein Drittel nichts von der eigenen HIV-Infektion. Die Infektion wird bei vielen von ihnen häufig erst dann erkannt, wenn schon schwere gesundheitliche Schäden aufgetreten sind. Wenn HIV-Positive aber weiterhin diskriminiert, ausgegrenzt und kriminalisiert werden, und wenn Mobbing und unbegründete Ängste der Familie, Freunden und Kollegen zu befürchten sind, wie sollen sie sich dann für einen HIV-Test entscheiden, und wie kann ihnen dann ein „positives Coming-out“ ermöglicht werden? Es ist daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für Verhältnisse zu sorgen, die ein solches Coming-out ermöglichen. Und daran werden wir mit all unserer Kraft und Kreativität arbeiten.
In den vergangenen zwölf Monaten haben wir erneut vertrauensvoll und erfolgreich mit dem Bundesministerium für Gesundheit und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zusammen gearbeitet. An dieser Stelle danken wir insbesondere der Bundesgesundheitsministerin a.D. Ulla Schmidt für ihre Förderung in den vergangenen Legislaturperioden. Wir freuen uns zugleich darauf, diese bewährte Zusammenarbeit mit dem neuen Gesundheitsminister Herrn Dr. Philipp Rösler fortsetzen und weiter ausbauen zu können.
Wenn wir uns den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP zum Thema Gesundheit anschauen, so gibt es aber auch Gründe zur Sorge – z.B. bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung: Der Vertrag ist – so sieht es auch die Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE – an vielen Stellen unausgegoren und widersprüchlich. Wir sehen die Gefahr, dass viele chronisch kranke und behinderte Menschen zu Patienten zweiter Klasse werden. Eine höhere finanzielle Belastung chronisch Kranker werden wir nicht akzeptieren. Es darf keine Entsolidarisierung geben! Kernbestandteil des Zusammenhalts in der Gesellschaft muss das Solidaritätsprinzip in der Gesundheitsversorgung bleiben! Wir werden die weiteren Entwicklungen im Bundesgesundheitsministerium genau beobachten und uns einmischen, wenn die berechtigten Interessen von Menschen mit HIV und Aids bedroht sind!
Ein weiteres, wichtiges Thema ist die Integration chronisch Kranker in das Erwerbsleben: Viele HIV-Positive können wieder einer Arbeit nachgehen oder müssen – anders als noch vor wenigen Jahren – keine Frühverrentung mehr fürchten. Dennoch leiden sie darunter, dass sie ihre Infektion meist verleugnen und zusätzlich Diskriminierung erfahren müssen. Arbeitnehmer, die sich als HIV-positiv outen, müssen auch im Jahre 2009 noch um ihren Arbeitsplatz bangen und Ausgrenzung, Mobbing und Stigmatisierung ertragen. Daher verstecken viele ihre Krankheit. Im Schulterschluss mit anderen Verbänden, Gewerkschaften, der Politik und den Medien möchten wir daher das Thema versteckte Erkrankungen – die sogenannten „hidden diseases“ – in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen. Die DAH hat sich dieses Thema als Schwerpunkt für den diesjährigen Welt-Aids-Tag und das Jahr 2010 gesetzt, weil darin einiges deutlich wird: Das Leben mit HIV hat sich verändert. Aber in den Köpfen herrschen immer noch die alten Bilder vor. Daher wollen und müssen wir eine neue Bildervielfalt prägen und Menschen mit HIV entstigmatisieren! Bitte unterstützen Sie uns auf diesem Weg!
Bevor ich schließe, gilt mein Dank den ehrenamtlichen und den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Aidshilfen, die im vergangenen Jahr wieder eine sehr gute Arbeit geleistet haben. Stellvertretend für diese Frauen und Männer ehren wir heute Rainer Jarchow, der in den vergangenen 30 Jahren vorbildliche Arbeit sowohl als ehren- als auch als hauptamtlicher Mitarbeiter in zahlreichen Projekten und Institutionen innerhalb und außerhalb von Aidshilfe und in ganz Deutschland geleistet hat. Mein Vorstandskollege Winfried Holz wird ihn nachher in einer Laudatio würdigen. Ich wünsche Ihnen einen gesprächsreichen und unterhaltsamen Abend. Vielen Dank!
Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) erhält von einem Bielefelder Online-Erotikanbieter 2 Millionen Kondome als Spende. Lilo Wanders wird am 3. September im Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten symbolisch die Spende an DAH-Bundesvorstand Tino Henn überreichen.
Dazu erklärt Tino Henn, Bundesvorstand der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. (DAH): „Wir danken der eis.de GmbH für die großzügige Unterstützung unserer Präventionsarbeit. Dies ist die größte Kondom-Spende, die wir je in unserer mehr als 25-jährigen Geschichte erhalten haben. Als Selbsthilfe-Organisation für die von HIV und Aids Bedrohten und Betroffenen sind wir gerade in Krisenzeiten auf das gesellschaftliche Engagement von Unternehmern angewiesen. Am häufigsten wird HIV beim Sex ohne Kondom übertragen. Die HIV-Erkrankung ist nach wie vor nicht heilbar, das Virus kann nicht aus dem Körper entfernt werden, eine Impfung wird es auf lange Sicht nicht geben. Kondome schützen zuverlässig vor einer HIV-Infektion und verringern das Risiko einer Ansteckung mit den meisten sexuell übertragbaren Erkrankungen.“
Dazu erklärt Lars Funck, Pressesprecher der eis.de GmbH: „Im Rahmen des Kondomtests der Stiftung Warentest haben wir von den für uns beunruhigenden Zahlen neuer HIV-Diagnosen in Deutschland gelesen. Wir haben uns daraufhin sofort dazu entschlossen, der Deutschen AIDS-Hilfe eine Spende von 2 Millionen Kondomen zu übergeben. Obwohl wir schon länger selbst aktiv Organisationen unterstützen, ist uns doch auch klar, dass die DAH die Kondome noch besser, schneller und effektiver verteilen kann, als wir oder irgendjemand anderes. So können wir sicher sein, dass wir mit unserer Spende auch die bestmögliche Unterstützung bei der Prävention erzielen können.“
Im Folgenden als Dokumentation die Rede von Tino Henn, Vorstandsmitglied der deutschen Aids-Hilfe, anlässlich der Eröffnung der ‚Positiven Begegnungen 2009‚.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
liebe Freundinnen und Freunde,
im Namen des Vorstands der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. heiße ich Sie herzlich willkommen zu den Positiven Begegnungen 2009.
„Positive Begegnungen“ – der Name dieser Konferenz zum Leben mit HIV, der größten Selbsthilfekonferenz in Europa, ist Programm: HIV-Positive begegnen anderen Menschen mit HIV, und sie begegnen ihrer sozialen Umwelt. Es geht bei dieser Veranstaltung darum, sich auszutauschen, sich selbst und andere zu hinterfragen und gemeinsam Strategien zu entwickeln, um ein möglichst gutes Leben mit HIV zu ermöglichen. Dazu gehört – getreu unserem Konzept der Strukturellen Prävention – ganz zentral, Strukturen zu verändern, die uns behindern, diskriminieren und stigmatisieren.
Was brauchen wir dafür? An erster Stelle Mut. Zum Beispiel den Mut, das Leben mit HIV und anderen „versteckten Behinderungen“ in die Öffentlichkeit zu tragen – etwa ins Stuttgarter Rathaus, mitten in die Schwabenmetropole. Lassen Sie mich an dieser Stelle der Stuttgarter Stadtverwaltung für ihre Gastfreundschaft unseren herzlichen Dank aussprechen und zugleich die Bürgermeisterin der Stadt Stuttgart des Referats für Soziales, Jugend und Gesundheit Frau Gabriele Müller Trimbusch herzlich willkommen heißen!
Mut gehört dazu, meine Damen und Herren – das war schon das Motto des zweiten Europäischen Positiventreffens, das 1988 in München stattfand. Mut, offen als Positiver auf die Straße zu gehen. Mut, Diskriminierung zu benennen und etwas dagegen zu tun.
Lassen Sie mich kurz auf zwei Themen eingehen, mit denen wir uns auf dieser Konferenz beschäftigen wollen, um gemeinsam und mit neuem Mut für unsere Interessen einzutreten: die Einschränkungen für HIV-Positive im Erwerbsleben und die soziale Sicherung für Menschen mit HIV und Aids.
Meine Damen und Herren, die Medikamente gegen HIV ermöglichen es vielen Positiven, über Jahre und Jahrzehnte gut mit dem Virus zu leben. Dennoch wird die Infektion häufig zum Problem für Beruf und Karriere. Da stellen sich Fragen wie „Erzähle ich meinem Arbeitgeber und den Kollegen davon?“, „Muss ich Nachteile befürchten?“, „Werden mich die Kollegen meiden oder sogar mobben?“ oder auf den ersten Blick nicht so präsente Fragen wie „Was passiert, wenn mich mein Arbeitgeber zu einem Auslandsaufenthalt zum Beispiel nach China schicken will, wo Menschen mit HIV, wie in einigen anderen Ländern auch, kaum ein Arbeitsvisum und manchmal gar keine Einreiseerlaubnis bekommen?“.
Sie sehen, es braucht viel Kraft, Selbstbewusstsein und Kreativität, um sich am Arbeitsplatz zu outen und sich dagegen zu wehren, ins Abseits geschoben zu werden. Und es braucht Arbeitsagenturen, Jobcenter, Arbeitgeber und Arbeitsmediziner, die mit gutem Beispiel vorangehen. Die für Menschen mit HIV und anderen chronischen Krankheiten oder Behinderungen diskriminierungsfreie Bedingungen schaffen. Es braucht Menschen und Organisationen, die weiterhin dafür kämpfen, dass Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Menschen mit HIV und Aids weltweit abgeschafft werden.
Ein Arbeitgeber, der mit gutem Beispiel vorangeht, ist die Daimler AG, und deshalb freue ich mich sehr, Herrn Dr. Norbert Otten, Leiter Politische Aussagen und Public Policy, heute als unseren Gast begrüßen zu können. Wir danken der Daimler AG für die eben überreichte Spende von 5000,- €.
Bereits 1991 hat das Unternehmen erstmals eine Richtlinie zur Nicht-Diskriminierung infizierter Mitarbeiter verabschiedet. Im Jahr 2005 wurde eine konzernweite Richtlinie eingeführt, in der sich das Unternehmen gegen die Diskriminierung von Menschen mit HIV und Aids ausspricht, Betroffenen Vertraulichkeit zusichert und sich für Präventionsmaßnahmen einsetzt. HIV/Aids wird bei der Daimler AG als chronische Krankheit behandelt. Ein Beispiel, das hoffentlich Schule macht – dafür setzen wir uns ein.
Mut und Engagement, meine Damen und Herren, brauchen wir auch für das zweite von mir genannte Thema, das uns immer drängender beschäftigt: Die soziale Sicherung von Menschen mit HIV hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Hierzu trugen und tragen viele Faktoren bei. Zum Beispiel:
die Einführung von Hartz IV,
die Verschlechterungen bei den Erwerbsminderungsrenten,
die sehr niedrigen Rentenerhöhungen,
die Streichung bisher gewährten Mehrbedarfs.
Die Gesundheitsreformen, die Änderungen im SGB, besonders das Hartz-IV-Gesetz und dessen Folgen, haben besonders für sowieso schon niedrige Einkommensbereiche wie Bezieher von Hartz IV und von Grundsicherung negative Auswirkungen. Mit großer Sorge, häufig auch mit Wut und Empörung, beobachten wir diese Veränderungen. Der Sozialstaat gerät immer stärker unter Druck. Die Folge: überall in Deutschland lebt ein nennenswerter Anteil der Menschen mit HIV in Armut oder nahe an der Armutsgrenze. Die Deutsche AIDS-Hilfe wird sich daher verstärkt dafür einsetzen, dass sich Sozialleistungen endlich am realen Bedarf orientieren und nicht noch weiter gekürzt werden. Wir appellieren an die Politikerinnen und Politiker und an das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Weichen für einen sozialen Schutz von Menschen mit HIV oder anderen chronischen Erkrankungen zu stellen. Bei den diesjährigen, aber auch den zukünftigen Wahlen werden wie sie an ihren Taten messen.
Ohne das jahrzehntelange Engagement von vielen Einzelnen stünden wir jetzt nicht hier, wären wir nicht so weit. Jeder, der sich engagiert und mitmacht, ist Vorbild für andere innerhalb der Community. Und die Selbsthilfebewegung von Menschen mit HIV und Aids, die selbstbestimmt und selbstverantwortlich handeln, ist oft Vorbild für andere. Darauf können wir stolz sein, und darauf sind wir auch weiterhin angewiesen. Denn nur so und nur gemeinsam können wir die Herausforderungen, die auf uns zukommen, meistern. Und davon wird es auch in Zukunft mehr als genug geben.
Ich danke allen, die an der Vorbereitung dieser Konferenz mitgewirkt haben: der Vorbereitungsgruppe, den Helferinnen und Helfern in Stuttgart, unserem Ehrenmitglied Laura Halding-Hoppenheit, der AIDS-Hilfe Stuttgart, den Küchenkräften und nicht zuletzt den Kolleginnen und Kollegen in der Bundesgeschäftsstelle in Berlin.
Meine Damen und Herren, liebe Freunde, ich wünsche uns allen, dass wir miteinander ins Gespräch kommen, Ideen entwickeln, Dinge anstoßen und mit Mut, Entschlossenheit und Kraft nach Hause zurückkehren. Mögen die Positiven Begegnungen uns viele positive Begegnungen bringen!
Am 13. November 2008 fand der diesjährige Welt-Aids-Tags-Empfang der Deutschen Aids-Hilfe statt. Folgend als Dokumentation die Rede von Tino Henn, Mitglied des Bundesvorstands der DAH:
„25 Jahre Deutsche AIDS-Hilfe“
Rede von Tino Henn,
Mitglied des Bundesvorstands der Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH),
anlässlich der Veranstaltung „Empfang zum Welt-AIDS-Tag 2008“
Umspannwerk Berlin-Kreuzberg, 13. November 2008
(Es gilt das gesprochene Wort.)
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Frau Bundesministerin Schmidt,
sehr geehrte Damen und Herren Staatssekretäre,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
sehr geehrte Mitglieder des Abgeordnetenhauses und der Landtage,
sehr geehrte Frau Prof. Pott,
sehr geehrte Frau Bätzing,
sehr geehrter Herr Dr. Heide,
liebe Ehrenmitglieder,
liebe Mitglieder und Kooperationspartner,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
zunächst einmal möchte ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass die Bundeskanzlerin und die Bundesgesundheitsministerin an diesem Abend zu uns gekommen sind. Dies zeigt die gesellschaftliche Anerkennung, die unsere Arbeit erfährt.
Meine Damen und Herren: Am 23. September 1983 wurde die Deutsche AIDSHilfe in Berlin gegründet, kurz darauf folgten die Aidshilfen in München und Köln. Heute sind in der Deutschen AIDS-Hilfe 120 örtliche Aids- und Drogenhilfen, Präventionsprojekte, Schwulen- und Lesbenzentren sowie Wohn- und
Pflegeprojekte im Engagement gegen Aids und für Menschen mit HIV vereint.
Viel ist geschehen in den letzten 25 Jahren: Schienen zunächst vor allem Schwule und Drogengebraucher in den westlichen Industriestaaten von HIV und Aids betroffen zu sein, haben wir es heute mit einer weltweiten Epidemie zu tun. Auch die Krankheit selbst und ihre Wahrnehmung haben sich geändert – neben der Todesdrohung steht nun das Bild einer zwar nicht heilbaren, aber behandelbaren chronischen Krankheit. Und nicht zuletzt ist der gesellschaftliche Umgang mit der Krankheit und den von ihr Bedrohten und Betroffenen „normaler“ geworden – zumindest an der Oberfläche. Über schwule Lebensweisen zum Beispiel lässt sich heute meist leichter reden als noch vor 25 Jahren, und auch der „mündige Drogenkonsum“ scheint zumindest denkbar.
Aber, und das ist ein großes Aber: „Normal“ sind HIV und Aids, Homosexualität und Drogengebrauch keineswegs: Auch heute noch werden schwule Männer zusammengeschlagen, weil sie sich in der Öffentlichkeit geküsst haben. Und nach wie gibt es Anfragen von besorgten Mitmenschen, ob man sich beim gemeinsamen Benutzen eines Glases mit HIV anstecken könne.
Meine Damen und Herren, die Krankheit, der Umgang mit ihr und damit auch die Aidshilfearbeit haben sich geändert. Was aber ist geblieben, worauf können wir auch in Zukunft bauen? Ich möchte drei Punkte benennen, die sich als tragfähig erwiesen haben:
1. Selbsthilfe,
2. Interessenvertretung,
3. Strukturelle Prävention.
1. Selbsthilfe
Die Empörung über den unmenschlichen Umgang mit Aidskranken. Die Solidarität mit den Betroffenen. Die Angst vor HIV und Aids. Und das Bewusstsein: Aids bedroht nicht nur Leib und Leben, sondern auch unsere Freiheit. Das waren einige der Triebfedern der Aidshilfe-Gründergeneration.
Diese Männer und Frauen haben sich selbst geholfen. Weil sie ihren Lebensstil schützen wollten. Weil sie anderen helfen wollten.
Zwei der Gründer der Deutschen AIDS-Hilfe sind heute Abend hier anwesend: Rainer Schilling und Bruno Gmünder. Ich begrüße sie ganz herzlich.
Die Aidshilfebewegung kommt also aus der Selbsthilfe. Ja, sie ist Selbsthilfe. Wer sich hier engagiert, der gehört oft selbst zu denjenigen, die von HIV und Aids besonders bedroht und betroffen sind. Wir sind nicht nur nah dran, sondern mittendrin.
Damals, in den entscheidenden Jahren, wurde auch auf der Seite des Staates erkannt, dass ohne die Selbsthilfe nichts geht. Denn die am stärksten von HIV betroffenen Gruppen standen und stehen staatlichen Stellen oft misstrauisch gegenüber: schwule Männer, Drogengebraucherinnen und Drogengebraucher, Menschen in der Sexindustrie und Menschen in Haft, heute auch Migrantinnen und Migranten aus Ländern mit weiter HIV-Verbreitung. Um Zugang zu ihnen zu bekommen, braucht man vor allem eins: Glaubwürdigkeit. Und die erreicht man, indem man mit ihnen zusammenarbeitet. Ihre Sprache spricht. Ihre Bilder verwendet. Ihre Lebensweisen kennt und akzeptiert. Dinge beim Namen nennt.
Die Aidshilfe machte sich also fortan mit Unterstützung des Staates an die Arbeit – an dieser Stelle spreche ich all jenen in Regierung und Verwaltung unseren herzlichen Dank aus, die uns in den letzten 25 Jahren solidarisch begleitet, gefördert und auch geschützt haben. Stellvertretend nenne ich an dieser Stelle die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth, Sie, liebe Frau Bundesministerin Schmidt, und natürlich Sie, liebe Frau Professor Pott: Die langjährige Unterstützung durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und durch Sie ganz persönlich haben maßgeblichen Anteil daran, dass wir partnerschaftlich Präventionsarbeit leisten konnten und dass die Arbeitsteilung zwischen Staat und Selbsthilfeorganisation ein auch international beachtetes Erfolgsmodell geworden ist.
Gemeinsam mit unseren Partnern in der Prävention haben wir sachliche Aufklärung gegen die Aids-Hysterie in Teilen der Medien, der Politik und der Gesellschaft gestellt. Wir haben Präventionsbotschaften formuliert und zielgruppengerecht an den Mann und die Frau gebracht. Gemeinsam mit Fachleuten und Betroffenen haben wir neue Präventionsansätze entwickelt, zum Beispiel mit und für Drogengebraucher. Wir haben angepackt und eigene Pflegedienste gegründet, um Menschen mit HIV angemessen zu versorgen, denn der Umgang mit ihnen, ihren Lebenspartnern und Freunden war in den bestehenden Pflegeeinrichtungen oft unwürdig.
Eine tragende Säule der Aidshilfebewegung war, ist und bleibt also die Selbsthilfe. Und dazu gehört für uns immer auch die Hilfe zur Selbsthilfe. Das heißt: Initiativen anstoßen, unterstützen und begleiten und mit ihnen zusammenarbeiten. So fördern wir zum Beispiel die Selbsthilfe von Menschen mit HIV und Aids, auch wenn sie – zum Glück – unbequem war und ist. Aber wir brauchen diese Bodenhaftung, und das gemeinsame Engagement von HIVPositiven, HIV-Negativen und Ungetesteten zeichnet uns und unsere Arbeit aus.
Oder nehmen wir Helmut Ahrens, den ersten Drogenreferenten der Deutschen AIDS-Hilfe. Auch er hat Selbsthilfe angestoßen und gefördert, denn auf seine Initiative geht das im Juni 1989 gegründete und heute allgemein anerkannte Netzwerk von Junkies, Ehemaligen und Substituierten zurück. Heute heißt Hilfe zur Selbsthilfe für uns zum Beispiel die Initiierung und Förderung des Afrikaner- Netzwerks AfroLeben+. Oder Unterstützung, um irgendwann einmal auch in Ländern Osteuropas zu stabilen Selbsthilfestrukturen zu kommen – unter gesellschaftlichen Bedingungen allerdings, die aus Sicht der Prävention nur als katastrophal gelten können.
2. Interessenvertretung
Aidshilfe ist eine Selbsthilfeorganisation, und das muss sie auch bleiben. Aus unserem eigenen Verständnis heraus, aber auch als Voraussetzung für eine weiterhin erfolgreiche Prävention. Das heißt: die Aidshilfe muss und darf mit anderen zusammenarbeiten, aber sie muss sich dabei ihre Unabhängigkeit so weit wie möglich bewahren. Vom Staat. Von der Medizin. Und erst recht von der Pharmaindustrie und den Lobbyisten im Gesundheitswesen.
Aidshilfe muss mit eigener Stimme, in eigener Sache sprechen. Das hat sie von Anfang an getan, laut und vernehmlich. Ich erinnere hier an die Großdemonstration in München im Oktober 1987 gegen den bayerischen Maßnahmenkatalog – er sah unter anderem vor, „Ansteckungsverdächtige“ zur Durchführung des HIV-Tests vorzuladen oder auch schwule Saunen zu schließen. Ein anderes Beispiel: Pfingsten 1988 gingen Teilnehmer des Zweiten Europäischen Positiventreffens unter dem Motto „Mut gehört dazu“ in München auf die Straße – damals wie heute ein unerhört mutiger Schritt, offen als Positive aufzutreten. Wir gedenken an dieser Stelle –stellvertretend für viele andere – der 1993 verstorbenen Celia Bernecker-Welle, einer offen lebenden HIV-infizierten Drogengebraucherin, die entscheidenden Anteil an der Vorbereitung und Durchführung dieser Demonstration hatte.
Nun ist es in den letzten Jahren ruhiger geworden um das Thema HIV und Aids, die großen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen scheinen ausgefochten.
Und manches Mal hat die Aidshilfe auch geschwiegen, wenn sie gefordert war, oder sie hat sehr spät ihre Stimme gefunden. Doch ich bleibe dabei: Die Aidshilfe ist keine Präventionsagentur, die lautlos funktioniert. Sie ist und bleibt Selbsthilfe, sie ist und bleibt Interessenvertretung. Das ist für uns Prävention, strukturelle Prävention. Deswegen mischen wir uns ein, wenn Verhältnisse und Entscheidungen das Leben mit HIV und Aids und die Prävention betreffen – in Deutschland wie auch international.
Wir formulieren unsere Interessen selbst. Wir vertreten diese Interessen. Wir entwickeln im Dialog mit der Selbsthilfe und unseren Partnern Präventionsansätze und verteidigen sie gegen moralische oder auch ideologische Vorbehalte. Und wir leihen – ähnlich wie bei der Hilfe zur Selbsthilfe – jenen eine Stimme, die noch nicht gehört werden.
3. Strukturelle Prävention
Selbsthilfe, Hilfe zur Selbsthilfe und Interessenvertretung sind Grundpfeiler unserer Arbeit. Ihren Rahmen findet sie im Konzept der strukturellen Prävention, das kluge Köpfe – stellvertretend erinnere ich hier an Hans-Peter Hauschild – schon Ende der 80er Jahre entwickelt haben. Dieses Konzept prägt uns bis heute, und wir halten es auch in Zukunft für unverzichtbar.
Strukturelle Prävention heißt: Wir nehmen das Verhalten Einzelner in den Blick, aber auch die Verhältnisse oder eben Strukturen, die dieses Verhalten beeinflussen. Auf diese Strukturen versuchen wir so einzuwirken, dass Menschen sich selbst und andere schützen können und wollen – und das auch tun. Strukturelle Prävention heißt deshalb für uns zum Beispiel Antidiskriminierungs- und Menschenrechtsarbeit. Strukturelle Prävention heißt, die Integration von Menschen mit HIV und anderen chronischen oder versteckten Krankheiten ins Arbeitsleben voranzutreiben. Und Strukturelle Prävention heißt Selbstwertstärkung, zum Beispiel als Element unserer Kampagne „Ich weiß, was ich tu“ für Männer, die Sex mit Männern haben.
Denn eines haben wir gelernt: Wer sich schätzt, schützt sich auch eher. Und er schützt auch andere. Schwierig hingegen ist der Schutz der Gesundheit oft, wenn man sich selbst und seine Sexualität verleugnen muss. Wenn man ständig in Angst vor Abschiebung lebt. Wenn man hinter Gittern keinen Zugang zu sterilem Spritzbesteck hat. Oder nicht ins erfolgreiche Projekt zur medizinisch kontrollierten Heroinvergabe an Schwerstabhängige aufgenommen wird, weil dessen Fortführung an ideologischen Widerständen scheitert.
Wir übernehmen Verantwortung für die Prävention. Aber wir können diese Arbeit nicht alleine schultern. Hier sind Sie alle gefragt. Jeder von Ihnen kann etwas tun, an seinem Platz in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft. Setzen Sie sich mit uns ein für Solidarität und Akzeptanz.
Engagieren Sie sich ehrenamtlich oder finanziell. Sichern Sie die Präventionsarbeit und ehren Sie damit auch jene mutigen Männer und Frauen aus der Aidshilfebewegung, die heute Abend nicht mehr bei uns sein können.
Meine Damen und Herren, lassen sie mich schließen, indem ich im Namen der Deutschen AIDS-Hilfe allen Frauen und Männern danke, die in den vergangenen 25 Jahren zum Erfolg unserer Arbeit beigetragen haben, die sich ehren- und hauptamtlich engagiert oder uns in einer anderen Art und Weise unterstützt haben.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Auf der Mitgliederversammlung der Deutschen Aids-Hilfe wurde ein neuer Vorstand gewählt.
Vor 25 Jahren, am 23. September 1983, wurde die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) als erste AIDS-Selbsthilfe-Einrichtung in Deutschland gegründet. Inzwischen haben sich 120 Mitgliedsorganisationen unter dem Dach der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. (Aids- und Drogenhilfen, Präventionsprojekte, Schwulen- und Lesbenzentren, Wohn- und Pflegeprojekte) zusammengeschlossen.
Am 4. und 5. Oktober 2008 fand in Erfurt die jährliche Mitgliederversammlung der Deutschen Aids-Hilfe e.V. statt. Turnusgemäß wurde für eine Amtszeit von drei Jahren auch ein neuer Vorstand gewählt, die Vorstandsmitglieder nach der Neuwahl sind (in der Reihenfolge der Höhe der erhaltenen Stimmen):
– Carsten Schatz (Berlin)
– Sylvia Urban (Dresden)
– Winfried Holz (Berlin)
– Hansmartin Schön (München)
– Tino Henn (Köln)
Dem vorherigen Vorstand (Maja Czajka, Sylvia Urban, Sven-Christian Finke) wurde einstimmig keine Entlastung erteilt.
Nachtrag 07.10.2008: „Die Deutsche Aidshilfe will künftig verstärkt gegen die Stigmatisierung und Diskriminierung von HIV-positiven Menschen am Arbeitsplatz kämpfen“, sagt Neu-Vorstand Carsten Schatz laut dpa-medlung auf krankenkassen.de.
„Stellvertretend für den neuen Vorstand erklärt Carsten Schatz: ‚Der neue Vorstand will die DAH als politische Vertretung der von HIV und Aids Bedrohten und Betroffenen stärken. Als Fachverband werden wir die Leitlinien und lebenspraktischen Empfehlungen für die HIV-Prävention und den Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten weiterentwickeln – z.B. in Bezug auf differenzierte Botschaften für die verschiedenen Zielgruppen.'“ (Pressemitteilung DAH)