Hepatitis C: ist Blut-Kontakt das Problem ?

Ist Blut-Kontakt der entscheidende Faktor für eine Übertragung von Hepatitis C auch im sexuellen Kontext? Studienergebnisse an HIV- und HCV-infizierten schwulen Männern deuten erneut darauf hin.

Paris, Amsterdam, Schweiz, London, Brighton, Deutschland – auf internationalen Aids-Konferenzen werden seit einiger Zeit immer wieder alarmierende Berichte über Hepatitis C vorgestellt – insbesondere über “Ausbrüche“ von Hepatitis C unter schwulen Männern. In San Francisco wurde jüngst angesichts hoher Infektionszahlen von der Stadtverwaltung sogar eine ‚Special Task Force Hepatitis C‘ gegründet.

Bemerkenswerterweise fanden die meisten der Hepatitis-C-Infektionen dieser „Ausbrüche“ unter HIV-infizierten schwulen Männern statt. Aber warum infizieren sich insbesondere schwule HIV-positive Männer mit Hepatitis C? Bald schon gerieten verschiedene Sex-Praktiken in Verdacht, ebenso wie eine Beteiligung sexuell übertragbarer Erkrankungen.

Mit der Frage des ‚warum‘, der Risikofaktoren für eine Hepatitis-C-Übertragung bei schwulen HIV-positiven Männern beschäftigten sich Forscher aus Berlin und Bonn im Rahmen einer ‚Case Control‘ – Studie. Die Ergebnisse wurden auf dem 12. Europäischen Aids-Kongress in Köln in einem prämierten Poster vorgestellt.

Axel J. Schmidt, Best Poster Discussion EACS 2009
Axel J. Schmidt, Best Poster Discussion EACS 2009

Die Forscher um Axel J. Schmidt untersuchten zwischen 2006 und 2008 im Rahmen der Studie 34 HIV-Infizierte mit gleichzeitiger Hepatitis-C – Infektion (die im Rahmen einer an der Uniklinik Bonn laufenden Studie zur Behandlung der akuten Hepatitis C behandelt wurden)  sowie 67 Kontroll-Fälle (HIV-positive schwule Männer ohne Hepatitis-C-Infektion).

Drei Faktoren erwiesen sich dabei unabhängig von einander und signifikant als Risiko-Faktoren für eine Infektion mit Hepatitis C:
– häufige anale Traumata (Verletzungen, Wunden) mit nachfolgendem Bluten beim Sex,
– häufiges Fisten, sowie
– eine Kombination von nasalem Drogengebrauch (z.B. Kokain, Amphetamine, Ketamin) und dem Praktizieren von Gruppen-Sex.
Einige Fälle (3 = 6%) wiesen allerdings keinen der drei genannten Risikofaktoren auf.

Bei den untersuchten Fällen war der Risikofaktor „rektales Bluten“ stark assoziiert mit früheren rektalen Operationen. Ungeschützter analer Sex hingegen war für sich allein betrachtet kein Risikofaktor für Hepatitis C.

Schmidt betonte in dem Poster, es gebe zunehmende Evidenz dafür, dass die Übertragung von HCV (Hepatitis-C-Virus) stattfinde zwischen HIV-positiven schwulen Männern in Kontexten einer erhöhten HCV-Prävalenz (Gruppen-Sex, insbesondere wenn mit ‚Serosorting‘), und wenn die Integrität der Schleimhaut verletzt sei – sei es durch ausdauernden Sex (wie bei Benutzung von PDE5-Hemmern wie Viagra®) oder bei ‚harten‘ anogenitalen Praktiken, oder bei entzündlichen sexuell übertragbaren Erkrankungen, und besonders bei Fisten und sexuell verursachten analen Blutungen.

Schmidt wies besonders auf die Frage des Schutz-Verhaltens hin: die Übertragung von HCV könne eventuell einer anderen Rationale folgen als bisherige sexuell übertragbare Erkrankungen. Bisher werde davon ausgegangen, dass der Überträger einer Infektion selbst infiziert sein müsse. Bei HCV jedoch könne womöglich der Fall sein, dass der insertive (‚aktive‘) Partner nicht notwendigerweise mit HCV infiziert sein müsse, um HCV zu übertragen:

Ähnlich wie beim Handschuh (mit dem der ‚aktive‘ Fister sich schütze, aber HCV mit dem Handschuh von einem ‚Passiven‘ direkt auf einen weiteren Passiven übertragen könne) oder beim gerollten Geldschein (bei dem, wenn gemeinsam benutzt, Blutpartikel von einem User zum nächsten gelangen könnten) könnte auch bei Kondombenutzung der aktive Sexpartner zwar sich selbst schützen,  aber im Kontext von Gruppensex auch bei Kondom-Benutzung HCV von einer auf eine weitere Person übertragen.

Dies würde bedeuten, dass Begriffe wie „safer Sex“ oder „Risikoverhalten“ wenig weiterführend sind im Kontext einer Hepatitis-C-Übertragung, wenn nicht zusätzlich auf wesentliche Details eingegangen wird.

Schmidt forderte insbesondere vermehrte Prävention zu sexuellen Übertragungswegen von Hepatitis C, die über die Betonung der Bedeutung von Kondom-Benutzung hinaus reichen sollten. Insbesondere sollten die Risiken der Verwendung von Kondomen, Handschuhen oder auch Geldschein-Rollen bei mehreren Partnern gerade bei Risiken rektaler Blutungen klarer kommuniziert werden.
Betreiber von Orten sexueller Begegnungen sollten darauf achten, Verunreinigungen durch Blut zu vermeiden (z.B. durch die Bereitstellung von Gleitmittel-Spendern statt -Töpfen). Auch die Bereitstellung von nicht verletzungsträchtigen Schläuchen zum nasalen Drogenkonsum (’safer use‘) könnte HCV-Infektionsrisiken reduzieren.
Schwule Männer mit rektalen Operationen (z.B. aufgrund Analfissuren oder Entfernung analer Feigwarzen) sollten sich bewusst sein, dass eine zu schnelle Wiederaufnahme von Analverkehr das Risiko rektaler Blutungen (und damit potentieller HCV-Übertragungsrisiken) erhöht.

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weitere Informationen:
Axel J. Schmidt et al.: „The Trouble with Bleeding. Why do HIV-positive Gay Men Get Hepatitis C?“ 12. Europäischer Aids-Kongress Köln 2009: Poster BPD 1/7
aidsmap 12.11.2009: Blood rather than semen mode of HCV transmission in HIV-positive gay men
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9 Gedanken zu „Hepatitis C: ist Blut-Kontakt das Problem ?“

  1. Zusammengerollte Geldscheine, entsprechende Stroh bzw Plastiktrinkhalme die mit Blutspuren an der Stelle aufweisen die man in die Nase zwecks hochziehen von Kokain, oder einer anderen Droge in Pulverform behaftet sein könnten halte ich was die Weitergabe des HEPV C Virus betrifft bei dieser Form der Aufnahme betrifft für Unwahrscheinlich um nicht zu sagen Realitätsfremd.

    Die Dareichung und Aufnahme von Drogen in Pulverform geschieht idr auf einem (kleinen) Spiegel bzw einer ähnliche harten Auflage – Unterlage. Dies geschieht ausschließlich unter Sicht/Lichtverhältnissen die entweder Tageslicht oder Beleuchtung voraussetzen. Im Dunkel ne Line einzufahren ist ausgesprochen illusorisch. Da man den gerollten Geldschein bzw ein anderes Röhrchen gereicht bekommt sieht man vorhandenes Blut. Das ist die Realität. Es ist äußerst unwahrscheinlich das man einen Schein, ein Röhrchen mit deutlich sichtbarem Blut – immerhin steckt man ein Röhrchen/gerollten Schein mind 1 cm tief in die Nase – mit einem „Scheixx daruf was soll´s“ sich in die Nase schiebt um sich die Droge „hochzuziehen“. Das ist mir in all den Jahren meiner aktiven Sucht nie begegnet. Wenn man Blut an einem Schein gesehen hat, dann hat man einen neuen genommen.

  2. Eine Verständnisfrage:

    „Ist Blut-Kontakt der entscheidende Faktor für eine Übertragung von Hepatitis C auch im sexuellen Kontext? Studienergebnisse an HIV- und HCV-infizierten schwulen Männern deuten erneut darauf hin.“

    Was vermutet(e) man denn als entscheidenden Faktor, wenn nicht „Blut-Kontakt“?

    Und eine Frage zu dem Begriff „Poster“:

    Mit Poster ist ein plakatartiger dekorativer Druck gemeint? Oder hat der Begriff noch einen anderen Bedeutungsinhalt? Ich weiß im Moment nicht, was ich mir unter einen „prämierten Poster“ vorstellen soll.

  3. @ Steven:
    nun, es gibt zahlreiche sexuell übertragbare Erkrankungen, die auf anderen wegen (schleimhaut-kontakt, schmierinfektion etc) übertragen werden
    zudem ließ die häufung von berichten über hep-c-übertragung ohne risiko „fisten“ die frage aufkommen, wo das infektionsrisiko in diesen fällen liegen könne

    poster ist im kongress-betrieb ein terminus technicus – arbeiten, die auf einem wiss. kongress vorgestellt werden sollen, können entweder mündlich vorgetragen werden (präsentation in workshops), oder schriftlich als poster (i.e. meist ein plakatgroßer ausdruck mit der textlichen und gern auch graphischen zusammenfassung der jeweiligen studie)
    oft werden aus den zahlreichen eingereichten und vom wissenschaftlichen kommittee des kongresses akzeptierten postern die besten ausgewählt und prämiert – „prämierte poster“ oder „best poster“

  4. Ich darf nochmal nachfragen?

    „nun, es gibt zahlreiche sexuell übertragbare Erkrankungen, die auf anderen wegen (schleimhaut-kontakt, schmierinfektion etc) übertragen werden“

    Hat man diese „anderen“ Wege denn als Studienergebnis ausschließen können? Ich mein‘, es ist doch denkbar, dass auch anderen (Körper-)Flüssigkeiten via Person C von Person A auf Person B übertragen werden.

  5. @ Steven:
    gerne nachfragen 🙂
    untersucht wurden meiens wissens zahlreiche faktoren, so auch vorgeschichte von syphilis oder bakteriellen infektionen, zahl der sex-partner, benutzung bestimmter sex-toys etc.
    die drei im text genannten faktoren waren unabhängig von einander signifikant (jeder für sich allein), andere untersuchte faktoren nicht.
    wäre zb schmier-infektion (wie bei anderen hepatitiden möglich) bei hep c deutlich übertragungsrelevant, wäre sicherlich das studien-ergebnis „analverkehr allein für sich kein signifikantes risiko für hepatitis c“ so eher sehr unwahrscheinlich. zudem müssten dann m.E. die neudiagnose-zahlen ganz anders, und die neuerkrankungen nicht so deutlich auf bestimmte gruppen beschränkt.

    ein gedanke noch. die überlegung, dass blut-kontakt hep-c-übertragung begünstigt, ist nicht neu. und auch nicht der des risiko-faktiors fisting. nur: inzwischen werden steigende neu-diagnose-zahlen von schwulen, hiv-positiven menschen berichtet, die nicht fisting praktizieren. hierzu erklärungsmodelle zu liefern (nämlich: ebenfalls blut-kontakt, zb durch anale traumata), ist m.e. einer der fortschritte dieses papers. und der zweite: das vektor-modell (!) – überträger muss evtl nicht selbst hcv-infiziert sein.

  6. Okay, dann will ich noch etwas lernen:

    „- eine Kombination von nasalem Drogengebrauch (z.B. Kokain, Amphetamine, Ketamin) und dem Praktizieren von Gruppen-Sex.“

    Das Risiko liegt doch nicht darin, dass die Drogengebraucher Gruppensex haben, sondern dass sie Drogengebrauchshilfsmittel gemeinsam benutzen, oder? Dh, das Risiko wäre für dieses Menschen auch Gegeben, wenn sie keinen Gruppensex hätten.

  7. nun, die studie sagt, wenn ich sie recht verstehe, etwas über die signifikanz einzelner untersuchter faktoren (bzw. in diesem fall zweier faktoren in kombination) aus, nicht direkt über die wirkursache

    soll heissen, menschen, die nasal drogen konsumierten UND gruppensex hatten (beide merkmale erfüllt) hatten ein signifikant erhöhtes risiko einer hepatitis c infektion

    für weitergehendes müsstest du dich (bevor ich möglicherweise inkorrekte informationen gebe) besser an den autoren der studie wenden 😉

  8. @aliveankickn,
    ja, wenn es so einfach wäre und man sich nur mit sichtbaren Blutspuren am Röhrchen/Geldschein infizieren könnte, hättest du mit deinem Kommentar nicht unrecht. Ist aber nicht so. Nach allem was bekannt ist, braucht es den Blut-Blut-Kontakt, bzw. Blut-verletzte Schleimhaut-Kontakt. Aber anders als bei HIV, wo es heisst, es braucht eine ausreichende Menge an infizierter Flüssigkeit, reichen bei der Hep C wohl auch schon geringste Mengen an Blut aus. Und auch so gering, dass sie nicht zwangläufig durch rot gefärbte Geldscheine sichtbar sind. Zusätzlich ist das HC-Virus an der Luft auch noch ausgesprochen haltbar, mindestens 12 (oder vielleicht waren es auch 18 Stunden), so dass wirklich nur das eigene Röhrchen Sicherheit bietet. Es geht hier nicht um Blutlachen, die nötig sind. Und dass Nasenschleimhäute beim Snieffen im Laufe eines Abends kaputt gehen und leicht bluten ( und damit nicht, dass Blut aus der Nase strömt) ist nun wirklich nichts neues. Und wandert dann das Röhrchen in die nächste Nase ist der Weg durchaus geebnet.
    Safer Snieffen ist nun wirklich eine der leichtesten Übungen. Es erzähle mir keiner, es ist geiler aus dem selben Röhrchen zu ziehen, als sein eigenes zu nutzen 😉

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