Köln: Funken bei Aids-Kongress-Eröffnung

In Köln wurde am Abend des 11. November die 12. Europäische Aids-Konferenz eröffnet – mit einer Nobelpreisträgerin und zahlreichen Funken.

Die 12. Konferenz der European Aids Clinical Society findet vom 11. bis 14. November 2009 in Köln. In Reden zur Eröffnung des 12.- Europäischen Aids-Kongresses sprachen nach der Begrüßung durch Peter Reiss und Jürgen Rockstroh die Medizin-Nobelpreisträgerin Françoise Barré-Sinoussi („The History and Future of Basic Science in HIV„), Nikos Dedes („Stronger Together, Partnering in Fighting the HIV Epidemic“) und Jens Lundgren („Earlier Recognition of HIV: A Pressing Need“).

EACS 2009 - Co-Chairs Reiss und Rockstroh
EACS 2009 - Co-Chairs Reiss und Rockstroh
Peter Reiss, Präsident der EACS
Peter Reiss, Präsident der EACS

Peter Reiss (NL), Co-Chairman der Konferenz und Präsident der EACS European Aids Clinical Society, betonte in seiner Begrüßung, auch nach beinahe 30 Jahren HIV-Epidemie gebe es immer noch Aids. Therapie und Prävention müssten zukünftig noch mehr Hand in Hand gehen. „Universal access to treatment“, der Zugang zu wirksamer antiretroviraler Behandlung für alle HIV-Infizierten, sei immer noch ein zu erreichendes Ziel, nicht Realität. Dies gelte nicht nur für Afrika südlich der Sahara, sondern auch für Asien, Osteuropa und besonders Russland. Reiss betonte, in Russland sollte Nadeltausch-Programme und harm reduction – Programmen offner als derzeit gegenüber stehen.

Jürgen Rockstroh, Co-Chair 12. Europ. Aids-Konferenz
Jürgen Rockstroh, Co-Chair 12. Europ. Aids-Konferenz

Jürgen Rockstroh, ebenfalls Co-Chair des Kongresses, betonte, an der Konferenz mit ihren insgesamt 3.200 Teilnehmern und Teilnehmerinnen nähmen dieses Jahr besonders viele Vertreter Osteuropas teil (u.a. 138 Delegierte aus Russland). Zahlreiche Scholarships seien vergeben worden, um Ärzten (41), europäischen Community-Aktivisten(11)  sowie Krankenschwestern (15) die Teilnahme zu ermöglichen.
Rockstroh stellte wesentliche Elemente des Konferenz-Programms vor. Schwerpunkt-Thema der diesjährigen Konferenz sei „neue Behandlungsmöglichkeiten der Hepatitis C“ (nach „der alternde Patient“ auf der vorigen Konferenz).

Bundesgesundheitsminister Rösler, im Programm als zweiter Redner angekündigt, ließ sich aufgrund wichtiger Dienstgeschäfte entschuldigen.
Der 36jährige Rösler hatte zuvor am vergangenen Wochenende zusammen mit seiner Frau Wiebke an der 16. Opern-Gala der Deutschen Aids-Stiftung in Berlin teilgenommen. Dort hatte er betont „Aids ist Gott sei Dank nicht mehr tödlich, aber man muss nach wie vor auf die Forschung setzen.“

Francoise Barré-Sinoussi, Nobelpreis für Medizin 2008
Francoise Barré-Sinoussi, Nobelpreis für Medizin 2008

Francoise Barré-Sinoussi, Medizin-Nobelpreisträgerin, gab eine Lecture zum Thema Geschichte und Zukunft der HIV-Grundlagenforschung. Sie betonte, die Grundlagenwissenschaften hätten nicht am Anfang der HIV-Forschung gestanden, und stünden auch nie allein für sich. Sie erinnerte angesichts der Vielfalt heutiger Forschungsrichtungen zwischen Grundlagen- klinischer, sozialwissenschaftlicher und Anwendungs-Forschung an Louis Pasteur, der immer betonte habe, es gebe nur Forschung und die Anwednung von Forschung.

Barré-Sinoussi zeigte auf, wie koordiniert und intensiv die Reaktion des französischen Forschungsbetriebs und die Mobilisierung von Forschungsanstrengungen Anfang der 1980er Jahre bei Beginn der Aids-Krise war. Durch intensive Kooperation von Forschung und  Privatsektor sei eine zügige Umsetzung und Nutzbarmachung von Forschung für die Praxis (insbes. Tests) möglich gewesen.

Francoise Barré-Sinoussi
Francoise Barré-Sinoussi

Nach einem Überblick über die Schritte der HIV-Grundlagenforschung in der Vergangenheit und ihren Beiträgen für die Anwendung formulierte sie als Prioritäten für die Zukunft: welche Ereignisse geschehen genau in der Phase der akuten Infektion?, HIV-Reservoirs, Interaktionen zwischen viralen und Host-Faktoren, Komplikationen der Langzeit-Anwendung von HAART sowie Ko-Infektionen. Besondere Priorität komme dabei der Frage zu, wie HIV daran gehindert werden könne, nach dem Eindringen sich als Infektion zu etablieren.

Ist ein HIV-Impfstoff möglich? Ja, prinzipiell, meinte Barré-Sinoussi, aber … sie zeigte sich skeptisch: „we will never have a vaccine that will protect the individual 100%“.
Die Thai-Studie habe viele Fragen aufgeworfen, aus denen man für die zukünftige HIV-Impfstoff-Forschung lernen könne – wie es ebenso gelte, aus denjenigen Menschen (bzw. ihrem Immunsystem) zu lernen, die HIV ohne medikamentöse Unterstützung kontrollieren können (sog. HIV Elite Controllers).

Barré-Sinoussi schloss ihre Lecture mit dem erneuten Hinweis, Grundlagenforschung stehe niemals allein – sie sei immer in Interaktion und Kooperation mit anderen, mit dem Privatsektor, mit klinischer Forschung, sozio-ökonomischer Forschung, Public Health sowie den Patienten.

Nikos Dedes
Nikos Dedes

Nikos Dedes sprach über die Möglichkeiten und Ziele der Zusammenarbeit von Communities mit den im HIV-Bereich Aktiven.

Als zentrale Punkte, auf die sich Engagement richten solle, bezeichnete er (epidemiologische) Überwachung („know your epidemic“), Forschung, Monitoring und Evaluation, politische Führung, erforderliche Resourcen sowie Partnerschaft.

Er bezeichnete es als ‚inakzeptabel‘, dass Europa „the worst hiv surveillance in the world“ habe.

Jens Lundgren
Jens Lundgren

Jens Lundgren sprach über ‚late presenter in Europa‘. Es gebe bisher übner 20 Definitionen davon,. was unter einem „late presenter“ zu verstehen sei. Schon dies zeige die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Definition, die „HIV in Europe“ nun vorgelegt habe:

„late presentation is defined as persons presenting for care with a cd4 count below 350 cells/μl or presenting with an AIDS defining event“

Er habe zusammen mit Kollegen in anderen europäischen Staaten kalkulieren lassen, wie viele der derzeit neu behandelten Patienten unter diese neue Definition fallen würden – die Ergebnisse (zwischen 30 und 72%) seien deprimierend, und der Anteil sei sogar noch am Steigen. Er sehe hierin ein grosses Versagen der Gesundheitssysteme in Europa.

Einen Lösungsansatz sieht Lundgren in TCR – testing, counselling and referral to care. Dies impliziere eine wesentliche Ausweitung vom Arzt initiierter HIV-Tests, möglichst unter Berücksichtigung von Indikator-Erkrankungen.

Den überraschenden Abschluss der Kongress-Eröffnung (am 11.11. – dem Tag der Eröffnung der Karnevals-Session) bildete ein Auftritt der „Blauen Funken„, einer der traditionsreichsten Kölner Karnevals-Gesellschaften.

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weitere Informationen:
12th European Aids Conference
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6 Gedanken zu „Köln: Funken bei Aids-Kongress-Eröffnung“

  1. hmm, geben Euch Lundgren’s Zahlen nicht doch Bedenken, dass opt-in fuer zuviele Leute bedeutet zu spaet erkannt zu werden?

  2. Am I the only one asking, why we are always facing the same representatives earning personal reputation and more by perpetually being invited to international meeting’s core events and being personally paid on community-related projects?

    As to my best knowledge and to my explicit opinion, some of them have repeatedly proven themselves corrupt in the worst sense: Claiming community representation (with no mandate at all, even neglecting communicated community tasks) while gaining quite explicit personal profit by stealing intellectual property.

    I am looking forward to your contributions, may they support my impression with further evidence or not.

    If you really want me to explain more about this (although we all know), just ask me for further information.

    For confidentiallity: mic.rasmussen@lhive.ch

  3. @ udo:
    my answer, personally, as you know: no – in german settings opt-in is feasible and more useful. and I cannot see why this should be different in other western european countries
    btw, the cd4-count of 350 as „late presenter“ could be put in question. not long ago, this limit was considered as beeing 100 or 200. putting the barrier higher massively increases the number of people affected … so for me these numbers (as presented) remain highly questionable (and maybe intentional?)

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