Österreich: ein elf Monate altes lebensgefährlich erkranktes HIV-positives Mädchen wird in der Steiermark behandelt – auf Anweisung der Behörden, gegen den Willen der Eltern
Elf Monate alt ist Muriel, das junge Mädchen, das kurz vor Weihnachten in der Grazer Kinderklinik im LKH liegt. Es wurde mit einer Lungenentzündung eingeliefert, in lebensbedrohlichem Zustand.
Das junge Mädchen ist HIV-positiv, genau wie beide Eltern. Die HIV-Infektion des Kindes wurde erst bei der Einlieferung am 22.12.2009 wegen der Lungenentzündung festgestellt. Die Ärzte der Grazer Kinderklinik vermuten, das Kind habe sich beim Stillen infiziert. Bereits im Sommer 2009 wurde das Mädchen im Grazer Kinderkrankenhaus behandelt, durfte nach einer Verbesserung seiner Gesundheitssituation mit Genehmigung der Behörden zurück zu seinen Eltern.
Die Eltern des Kindes verweigern ihre Zustimmung zur Behandlung des Kindes. In der Boulevard-Presse wird der Vater des Kindes zitiert mit der Ansicht „Aids gibt es gar nicht“. Aids sei nur eine Allergie, und erst die Medikamente würden ihr Kind krank machen, so ihre Ansicht. Sie sollen, so der ORF, Anhänger eines bekannten „Wunderheilers“ sein. Aids sei „nichts Anderes als eine Allergie nach einer traumatischen Erfahrung mit Geschlechtssekret“: auf ihrer Internetseite heißt es „‚HIV-positiv‘ ist nichts anderes als ein Allergienachweis auf das männliche Smegma“. Schulmedizinische Behandlungen seien nicht zielführend.
Die Eltern verweigerten jetzt ihre Zustimmung zur Behandlung der Lungenentzündung und der HIV-Infektion ihres Kindes, auch auf intensives Bitten der behandelnden Ärzte. Die Lungenentzündung, eine bei schwerem Immundefekt auftretende PcP (Pneumocystis carinii Pneumonie), ist lebensbedrohlich. Die zuständigen Grazer Behörden entschlossen sich daraufhin, die Ärzte zur Behandlung des Kindes anzuweisen – gegen den Willen der Eltern. Zuvor hatte der zuständige Bezirkshauptmann die Obsorge für Behandlung und Unterbringung des Kindes beantragt und zugewiesen bekommen.
Die Eltern verweigerten dem ORF eine Stellungnahme. Auf ihrer eigenen Internetseite sprechen sie wegen der Zwangsbehandlung ihres Kindes von „Verbrechen gegen die Menschheit“. Sie erstatteten Anzeige gegen die Ärzte.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen die Eltern wegen Verdachts der schweren Körperverletzung und der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten.
Nachtrag 27.01.2009:
Nach Stabilisierung des Besundheitszustands des Mädchens wurde dies von den zuständigen Behörden Presseberichten zufolge „in die Obsorge einer Jugendwohlfahrtseinrichtung übergeben“.
Eine ‚klassische‘ Frage, die wie weit das Fremd-Bestimmungs-Recht der Eltern über ein Kind, reicht. Und doch – weit mehr als eine klassische Frage.
Es ist die immer wieder kehrende Frage, wie mit Aids-Leugnern umzugehen ist – und den Konsequenzen ihres Tuns. Wohin Negierung von HIV und Aids, oder Leugnen der positiven Wirkungen der antiretroviralen Therapien führen, hat jahrelang die jüngst verstorbene ehemalige südafrikanische Gesundheitsministerin Tshabalala Msimang gezeigt.
Es ist bitter, im eigenen Freundes- oder Bekanntenkreis zu erleben, wie Menschen ihre Gesundheit ruinieren, schließlich ihr Leben auf’s Spiel setzen – im Glauben an die fatalen Gedanken mancher Aids-Leugner.
Solange jemand die Entscheidung, diesen Gedanken anzuhängen, wirksame Therapien nicht zu nutzen, für sich persönlich trifft, ist diese Entscheidung, wenn sie informiert und bewusst getroffen wird, letztlich zu akzeptieren respektieren. Aber – geht diese persönliche Freiheit auch so weit, um der wahren Lehre willen das Leben einer anderen Person, eines Kindes zu riskieren?
weitere Informationen:
der standard 08.01.2010: „Aids gibt es gar nicht“
kleine zeitung 08.01.2010: Familientragödie rund um schwer krankes Kind
ORF 09.01.2010: Aids: Kind wird gegen Elternwillen behandelt
oe24 09.10.2010: Baby mit Aids zwangsbehandelt
Kurier 09.01.2010: In den Fängen eines „Heilers“
oe24 09.01.2010: Drama um zwangsbehandeltes HIV-Baby
Die Presse 11.10.2010: Zweiter „Fall Olivia“?: Wenn der Staat zum „Vater“ wird
Krone 27.01.2010: HIV-infiziertes Mädchen kommt in Pflegefamilie
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Nachtrag 06.07.2010: „Mutter infizierte Baby mit HIV: Verurteilt„, berichtet der ORF über den Ausgang des Verfahrens.
Aber – geht diese persönliche Freiheit auch so weit, um der wahren Lehre willen das Leben einer anderen Person, eines Kindes zu riskieren?
Nein. Auf keinen Fall. Du sagts es ja selbst: Solange jemand die Entscheidung, diesen Gedanken anzuhängen, wirksame Therapien nicht zu nutzen, für sich persönlich trifft, ist diese Entscheidung letztlich zu akzeptieren und respektieren.
Und genau dazu sind Kinder noch nicht in der Lage da hierzu Informationsbeschaffung gehört. Dazu kommt das Kinder kein Eigentum sind über die man bestimmen kann. Eltren habe für das Wohl des Kindes zu sorgen. Einer lebensbedrohlichen Situation wie sie durch eine Lungenentzündung hervorgerufen werden kann, haben Eltern Rechnung zu tragen. Unabhängig wodurch sie hervorgerufen – ausgelöst werden kann.
Es geht hier nicht um die Eltern sondern um einen anderen Menschen, um Kinder. Wenn sie sich nicht, ihre eigene Sichtweise zurücknehmen können . . . . .dann hat in diesem Fall der Staat das Recht zum Wohl und zum Schutz des Lebens des Kindes einzugreifen.