Schockeffekte führen ins Nichts

„Schockeffekte führen ins nichts, die Wirkung verpufft“ – Aus Anlass einer am 16.2.2010 startenden ’neuen‘ Kampagne einer Stiftung, die immer noch der Ansicht ist, Schock wirke als Schutz gegen HIV, ein Hinweis auf ein Interview zum Thema Schock-Kampagnen:

„Natürlich muss man dem Thema Geltung verschaffen, aber der Weg mit Schockeffekten führt ins Nichts, die Botschaft verpufft. Solche Spots sind ja auch keine Kampagnen. Funktionierende Gesundheitskampagnen sind strategisch langfristig geplant, sie beziehen die Zielgruppen schon bei der Planung mit ein. Mich ärgert außerdem, dass diese Aktionen oft mit Stigmatisierung arbeiten. Sie treffen damit immer die Falschen, zum Beispiel die HIV-Positiven, und sie gehen komplett an der Realität vorbei.“

Dr. Dirk Sander, DAH
Dr. Dirk Sander, DAH

das ganze Interview:
Dr. Dirk Sander, Deutsche Aids-Hilfe: Prävention schockt nicht

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‚Ich weiss was ich tu!‘, die bundesweite Präventionskampagne der Deutschen Aids-Hilfe, kommentiert den Start der ’neuen‘ Kampagne einer Stiftung trocken

„Aids-Experten und Kritiker hatten in der Vergangenheit bereits häufiger bemängelt, dass die Stich-Stiftung mit angsterzeugenden Kampagnen kontraproduktiv im Bemühen und Prävention wirke. Zudem fördere dies die Stigmatisierung von HIV-positiven Menschen. Von der Schelte unbeeindruckt setzt die Stiftung ihre Angst-Kampagnen fort.“

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Sehr lesenswert ist auch, was Beate Jagla schon im Juni 2008 zu damaligen ‚Kampagnen‘ einer gewissen Stiftung äußerte. Jagla betonte damals unter anderem

„HIV ist kein Todesurteil! Abgesehen davon, dass wir es in Deutschland mit keinem Massenphänomen zu tun haben, liegt die Zeit, in der aus HIV sehr schnell Aids wurde, und in der eine Aidsdiagnose tatsächlich das zeitnahe Todesurteil bedeutete, hinter uns. Wir können uns heute freuen, dass aus positiven Kindern Jugendliche werden. Sie haben Zeit, ihre (Achtung!) Sexualität zu entdecken und sie hoffentlich auch zu entwickeln. Werden dann in den Augen der Michael-Stich-Stiftung aus Unschuldigen Schuldige werden?“

Jagla kam damals zu dem Schluss

„Hören Sie auf, HIV und Aids zu dramatisieren und zu dämonisieren. „More Drama, Baby!“ – das ist das Niveau der Daily Soaps im Privatfernsehen.“

Dies und mehr nachzulesen in: Beate Jagla: No more Drama, Michael and Oliver!
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9 Gedanken zu „Schockeffekte führen ins Nichts“

  1. Schon wieder so ein Sch… Kann der DAH nicht dagegen vorgehen oder sind die unter einer Decke? Auf HIV+ scheint wieder keiner zu hören. Es äussert sich auch wieder kein HIV+ öffentlich zu so was. Dazu müsste sich man ja outen. Und das geht nicht, auch wegen so einer Mist-Kampagne (und falsch dazu). Wenn ich keinen Schiss hätte, das mich jemand aufnimmt oder so, wurde ich da anrufen und denen meine Meinung sagen.
    Ich könnte kot….!!!!

  2. @termabox
    Ich gebe Dir recht, man muss sich mittlerweile aufgrund der notorischen und unbelehrbaren (immer wieder gleichen) Aktionen (Kampagnen sind was anderes) fragen, was den Stich antreibt. So oder so – der Mann braucht Hilfe!
    @ Mike
    Die DAH hat kaum die Macht gegen diese privaten sinnfreien und im Sinne der Prävention kontraproduktiven Geldverbrennungen vorzugehen. Allerdings hat die DAH Herrn Stich verschiedentlich eine Beratung angeboten. Es hat auch Kontakte gegeben, im Fernsehen bei „Beckmann“ hat Herr Stich das Gegenteil behauptet.
    Anlässlich seiner letzten Aktivitäten wurde auf dem dahblog ein Interview mit dem MSM-Referenten gepostet, mit deutlichen Worten.
    http://blog.aidshilfe.de/?p=2023

  3. Ein sehr interessanter Artikel, der meine Meinung zu diesem Thema nochmal unterstreicht, ich werde den Link zu diesem Artikel mal auf meinem eigenem HIV-Blog verbreiten!
    Danke für den Aritikel Ondamaris, deine Seite ist immer wieder lesenswert und informativ!

  4. Wenn HIV und AIDS der Schrecken genommen wurde, kann man logischerweise keine Schrock-Kampagnen mehr führen. Aber was dann?

    Wie wäre es, wenn klarer verbreitet würde, dass das Leben mit HIV nicht so einfach ist, wie viele den Eindruck bekommen haben in den letzten Jahren?

    Es nützt nix, einfach so zu tun, als wäre das Problem schon mit Medikamenten gelöst. Irgendwie doppeldeutig die ganze Diskussion. Und ans Thema Barebacking wagt sich auch nie mand heran.

    Wann die Krankenkassen und staatlichen Sozialämter bei HIV anfangen zu sparen (egal in wessen Auftrag), wissen wir noch nicht… Ob man dereinst den Schwulen ein Denkmal setzen wird, weil sie sehr früh betroffen waren, oder ob dereinst die ganze Schuld der Verbreitung ihnen aufgeladen werden wird, weiss auch noch keiner.

  5. Es ist doch genau anders rum: Weil sich HIV zu einer chronischen Erkrankung entwickelt hat, phantasieren sich alte und andere Männer daher, dass die Jugend nun in Gefahr sei, und so dumm sich deshalb nicht mehr zu schützen, und da glauben sie, dass mit Schockeffekten etwas zu erreichen sei. Die Fachwelt ist sich einig, dass das dummer Quatsch ist. Dass das Leben mit HIV heute sehr heterogen ist, wird von den einschlägigen Akteuren ja verbreitet, zumindest in Deutschland.
    Die gay-community hätte jedenfalls eine staatliche Anerkennung verdient für die Lebensleistung, sich relativ gut gegen den Virus geschützt zu haben (was der Gesellschaft einen einzigartigen benefit gebracht hat, mal gesundheitsökonomisch gesprochen), und das gilt auch heute noch. Das das nicht immer gelingen kann war von Anfang an im Kalkül der Präventionisten. Das dumpfe bareback-Geplänkel in den Sensationsmedien entbehrt jedenfalls jeder statistischen Grundlage.

  6. Die Jugend war schon immer in Gefahr. Was soll diese Plattitüde? Und was soll der Vergleich mit dem Gesundheitsbenefit, wo doch schon Homosexuelle (nicht nur Schwule) als Ziel wirtschaftlichen Erfolges propagiert werden? Ist das der einzige Grund, warum wir nicht mehr angegriffen werden sollen?

    Im übrigen gibt es fast keine realitätsgerechten Statistiken, auch in der Prävention nicht. Alles Luft und Wixen. Sorry.
    Wenn Du auf die Erfahrungen Deiner „Vorfahren“ pfeifst und auf die Lebensweise spuckst, die nicht überall dem Profit zu Willen ist, dann sags doch ehrlich! Aber nicht Deine Moralisiererei den anderen vorwerfen!

    Wir haben mit Erfolg die Tuberkulose bekämpft und auch die Kinderlähmung. Und heute stehen wir vor dem Durchbruch gegen die Malaria. Niemand sagte damals, das gehöre quasi zum Leben…

  7. Sehr geehrter Herr Stich,

    wer sich mit HIV infiziert, wird daran sterben, schreiben Sie in Ihrer neuesten Kampagne.

    Woher wissen Sie das denn?

    Ich bin seit 1981 infiziert und mein Immunstatus ist heute besser denn je.
    Es gibt derzeit keinen Anlass zu der Vermutung, dass ich an HIV sterben werde.
    Wenn Sie Informationen über meinen Tod haben, lassen Sie es mich bitte umgehend wissen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Fenkl

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