Über dunkle Räume

In Zürich geht die Polizei gegen Etablisssements mit Darkrooms vor, meldet u.a. das Homo-Portal Queer.

Die Wogen der Diskussionen schlagen hoch – und plätschern doch nur, auf teils peinlichem Niveau. Da wird gar die Polizei verteidigt, vor (im Internet durchaus dokumentiertem) club- und schwulenfeindlichem Verhalten der Züricher Polizei werden munter beide Augen verschlossen. Neueste Posse: der Vorschlag, eine Homo-Einheit der Polizei könne doch ‚Berührungsängste abbauen‘.

Der an Jahren schon etwas ältere Leser mag sich vielleicht erstaunt die Augen reiben. Sich erinnern an längst vergangene Zeiten, an längst überwunden geglaubte Diskussionen. An ausgehängte Sauna-Türen und eben Darkroom-Verbote. An Gauweilereien und andere ‚Maßnahmen‚ Mitte der 80er Jahre.

Und der ein oder andere erinnert sich vielleicht, dass erst jüngst die Schweizerischen Verhältnisse als Vorbild für Deutschland herhalten musste. Dass auch deutsche Politiker fordern, mit schweizerischen Maßnahmen hierzulande ‚Infektionsschutz‘ zu betreiben, und die Bundesregierung schon eine Untersuchung beauftragt hat.

Worum geht es?
Nachdem es bereits häufiger zu Schikanen gekommen war gegen Wirte, die auch Darkrooms anboten, schloß die Züricher Wirtschaftspolizei am 20. April 2007 einen Club mit Darkroom ganz. Ein weiterer Club ist noch geöffnet, der Darkroom jedoch geschlossen.
‚Unhaltbare hygienische Zustände‘ wurden später offiziell für die Schließung angegeben. Doch diese weisen die Clubbetreiber weit von sich. Sie (die (ehemaligen) Betreiber des Labyrinth) schreiben dazu u.a. auf ihrer Website:

  • In der schriftlichen Verfügung des Kommissariats Polizeibewilligungen zum „Entzug des Gastwirtschaftspatentes“ ist unter anderem folgendes festgehalten: „In dem Lokal wurden einmal mehr desolate Zustände festgestellt. Es wurde festgestellt, dass in den widerrechtlich genutzten sog. Darkrooms sowie in und um die Toiletten insbesondere im hygienischen Bereich unhaltbare Zustände herrschen. Aufgrund der festgestellten Missstände, insbesondere der wiederholten Verletzung der öffentlichen Ordnung und guten Sitten, ist der sofortige Entzug des Gastwirtschaftspatentes die einzig wirksame Massnahme, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.“ …
    Langjährige Gäste des Labyrinth werden wissen, dass die Toiletten im Club seit vielen Jahren gleich aussehen und wir seit bald 14 Jahren unseren Gästen einen Darkroom anbieten. Von dem her mutet es zumindest merkwürdig an, dass all dies bei früheren Kontrollen niemals Anlass zur Beanstandung gab, die Behörden uns aber jetzt in einer schwierigen Zeit einen Strick daraus drehen. Es entsteht – im Zusammenhang mit den polizeilichen Aktionen der letzten Monate im Labyrinth-Club und unlängst auch in der Lobby-Bar – der Eindruck, dass die Behörden das Labyrinth und dessen Betreiber aus was auch immer für Gründen ganz einfach nicht mehr im Zürcher Nachtleben dulden wollen.

Die Wirte reagieren über Zürich hinaus: Der ‚VEGAS‚ Verein Gay-Betriebe Schweiz‘ soll laut Queer seinen Mitgliedern derzeit raten, Darkrooms in Zukunft geschlossen zu halten. Am 30.3. noch hatte VEGAS in einer Pressemitteilung mitgeteilt, Darkrooms könne es auch zukünftig geben, allerdings unter anderen Bedingungen (aus Gastrobereich ausgeschlossen).

Im Diskussionsforum auf dem Internetangebot des geschlossenen Clubs wird bereits resümiert „Das Klima in Zürich wird homophober, Razzien auf Clubs und Partys werden als entwürdigend und unverhältnismässig empfunden.“ Und zum Handeln aufgerufen: „Die Gespräche mit der Polizei bringen offenbar nichts. Der CSD 2007 kann deshalb nicht einfach eine bunte Parade bleiben.“ (Pink Cross)

Auf dem Diskussionsforum zum Queer-Artikel hingegen verteidigen Schwule munter die Polizei, nach dem Motto ‚ja, es gibt ja auch Sauberkeitsprobleme, und diese Drogen …‘ und warnen gar vor ‚Vorurteilen gegen die Schweizer Polizei‘.
Da passt es, dass auf die Frage ‚Nach Zürich: Sollen Darkrooms in Deutschland schließen?‘ immerhin 29% (Stand 5.5.) der Nutzer des ‚Queer‘-Votings‘ mit ‚Ja, diesen Schmuddelsex braucht niemand‘ antworteten …

Manchmal stellt sich die Frage, worüber man sich mehr wundern sollte…
Über die Schweiz und deren Maßnahmen aus der repressiven Mottenkiste?
Oder über deutsche Politiker, die hierin ein nur gar zu gerne nachzuahmendes Beispiel sehen?
Oder etwa über die vielen Nutzer eines Internetangebots für Schwule, die selbst für die Schließung von Darkrooms votieren?
Oder gar über Schwule, die immer noch nicht merken, wohin die Reise geht? (Ach, würden sie doch mal auf Wahlplakate achten …)
Oder erschrecken über den Geist, der einem da entgegen wabert? (Zitat: ‚Ja, ich bin stolz darauf, es NICHT nötig zu haben, mir SEX in irgendwelchen Büschen oder versifften dunklen Darkrooms … zu holen.‘)

Nebenbei, geradezu naiv finde ich die Vorstellung, man müsse nur einige Darkrooms schließen, und dann wären alle Probleme gelöst (oder auch nur etwas verbessert). Niedlich diese Naivität zu glauben, dann würde anonymer Sex nicht mehr stattfinden. Nicht doch an anderen (und schwerer erreichbaren) Orten gesucht und gefunden werden …

5 Gedanken zu „Über dunkle Räume“

  1. Das ist auch etwas tolles an den Blogs. Man erfährt so einiges, worüber man sonst nie etwas lesen würde. Solche Meldungen verschwinden in der Presse, und im Fernsehen erst recht. Und ich gebe zu, direkt danach suche tu ich nicht.

    Ich habe auch das Gefühl, dass sich in dieser Hinsicht ein Rückschritt auftut, hoffentlich kommt es nicht soweit.

    LG Evi

  2. @ trick_17:
    ja danke auch! genau das ist (u.a.) einer der gründe warum ich blogge – verschwundene nachrichten
    lg ulli

  3. euklid.muc (72) meldet sich mal zum schwulen „Polizeiverständnis“.

    Vor knapp 50 Jahren gabs in der Edition bei Suhrkamp mal eine soziologische Arbeit aus der man lernen konnte, dass damals in der BRD mehr als zwei Drittel konservativer Wähler Schwulereien widerlich fanden, und mehr als zwei Drittel der Schwulen konservativ wählten. War für mich immer die Geschichte mit dem Hund der die Peitsche leckt die ihn trifft.

    Hinsichtlich der rechtlichen Regelungen (BGB, Familienrecht) freut mich das Rechtsinstitut „Homoehe“. Die wahrnehmbare Realität, Inszenierungen von Omas viktorianischer Traumhochzeit, erschüttert mich dagegen, samt der dabei zuweilen mitabgebildeten Interieurs.

    Das hat, scheint mir, alles dieselben Wurzeln: wir beziehen unsere kollektive schwule Identität immer noch aus der Behauptung: „Schaut her wir sind genau wie ihr alle, nur halt nicht im Bett/Park/Klappe.“ und der Grundeinstellung: „Danke, dass ihr uns nicht mehr totschlagt“.

    Und:

    Von Stefan Rocker (ARD, Mexico) gibts einen Bericht über reihenweise ermordete Schwule auf Jamaica in dem sich ein ortskundiger Angehöriger einer Hilfsorganisation dahingehend äussert, dass an diesen Morden fast immer auch Schwule selber beteiligt seien.

    Und man sollte sich auch selber beobachten: Widerlinge jeder Couleur auf der Strasse oder im Bus lassen mich kalt. Ists aber bürzelschwingend das was wir Tunte nennen, braucht mein Bewusstsein einen Extratrigger „ist ja einer von uns“,,,, weil mich das irgendwie dann doch unangenehm berührt.

    Ähnlich auch mit den Jungs in der 3. Aktivphase ab etwa 35, wo man sich in Jeans/Riemen und allerlei anderen Lederzierat zwängt. (ich warte noch drauf dass ich mal einen attraktiven 20jährigen in solcher Montur treffe).

    Bei den jüngeren, die etwas lockerer aufwachsen, scheint sich das langsam zu bessern…

    Warum genau das alles so ist hab ich mit meiner Küchenpsychologie noch nicht rausfinden können.

    cu
    euklid.muc

  4. @ euklid.muc:
    danke für deinen kommentar.
    ich denke, die erklärung für dieses tatsächlich häufig bei schwulen zu beobachtende verhalten hast du mit dem bild vom hund und der peitsche schon ganz treffend beschrieben, leider …
    lg ulli

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