Patente scheinen heute mehr dazu zu dienen, Profite zu sichern, als Patienten zu versorgen. Und doch – es gibt Alternativen zum Patent-System, zeigte das Medico- Symposium am 10. Mai 2007 in Berlin auf.
Nach Golde drängt
am Golde hängt doch alles!
Ach, wir Armen!
(Gretchen im Faust)
Das Goethe-Zitat (mit dem attac- und Weed-Vertreter Wahl sein Statement begann), könnte auch das Motto des gesamten medico-Symposiums sein – vor allem der Nachsatz „ach, wir Armen!“ dürfte manchem Vertreter von sog. ‚Entwicklungsländern‘ leicht über die Lippen kommen, wenn er an die Folgen von Patenten auf Medikamente denkt (wie der erste Teil der Veranstaltung zeigte).
Patente sind ein vergleichsweise neues Konzept, vor allem die Idee, immaterielle ‚Güter‘ zu patentieren (um sie künstlich zu verknappen). So wurde in Deutschland der Patentschutz auf Wirksubstanzen erst 1968 eingeführt.
Einst wirkten sie als Belohnung für Erfinder und Erfindungsgeist – heute, in Zeiten zunehmender Globalisierung, sind Patente längst zu einem strategischen Instrument zur Sicherung ökonomischer Interessen geworden. Sie dienen ’nicht mehr dem Nutzen der Gesellschaft, sondern dem privaten Profit Weniger‘, wie der attac-Vertreter betonte.
MdB Dr. Wolfgang Wodarg (selbst Mediziner) zeigte die Folgen eindrücklich an einem Beispiel auf. Die Rendite (Ergebnis vor Steuern) vieler Wirtschaftsbereiche bewegt sich im Bereich um 4% (Banken 4,1%, EDV 4,1%, Öl 4,72%). Die Rendite der 37 Unternehmen im VfA (dem Verband forschender Arzneimittel-Hersteller) hingegen belief sich auf 14,62%, und die der 14 größten Pharmahersteller sogar auf 15,66%! (Fortune 14/2003, Global500)
Die Pharmaindustrie, gestützt auf ihren jahrelangen Patentschutz und monopolartige Preise, erzielt übermäßige Renditen, die zudem von den Sozialversicherungen aufgebracht werden müssen, so Wodarg.
Mögen reiche Industriestaaten die hohen Medikamenten- Kosten, die hinter diesen absurden Pharma-Renditen stehen, noch aufbringen können, nicht nur für die ärmsten Staaten der Welt sind sie die reine Katastrophe. Die Folgen, die dies für die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten hat, lassen sich eindrücklich an Staaten wie Thailand und Brasilien aufzeigen.
Wenn jedoch Patente zunehmend zum Werkzeug privatisierter Renditen geworden sind und einer effizienten Förderung der öffentlichen Gesundheit im Weg stehen, drängt sich umso mehr die Frage nach Alternativen auf.
Zunächst betonte Wodarg die Notwendigkeit einer parlamentarischen Kontrolle des Europäischen Patentamts (die heute nicht gegeben ist). Eine neu einzuführende Patent-Folgenabschätzung, wie sie Thailand schon erfolgreich handhabt, könnte -verbunden mit dem Recht einer etwaigen Rückholbarkeit von Patenten- Auswüchse gerade bei lebensbedrohlichen Erkrankungen vermeiden helfen.
Dennoch bleibt das -auch von Wodarg selbst benannte- grundsätzliche Problem bestehen, das in den Patenten selbst und der aus ihnen resultierenden Einschränkung der Verfügbarkeit von Medikamenten liegt. Zugespitzt: ‚Wie viele Tote nimmt man (z.B. durch verzögerte Medikamenten-Verfügbarkeit) bewusst in Kauf?‘
Die Absurdität dieser Frage macht deutlich, dass die Frage der Medikamenten-Forschung und -Entwicklung nicht länger allein den Kräften des freien Marktes überlassen werden darf. Andere Konzepte zum Umgang mit geistigem Eigentum, Alternativem zum Patent sind erforderlich.
Ein Schritt, der derzeit bereits erprobt wird, sind ‚public private partnerships‘ (PPP) und ‚product development parnerships‘ (PDP). Nicoletta Dentico berichtet von einer Partnerschaft der ‚Drugs for Neglected Diseases Initiative‘ mit einem Pharmakonzern, die kürzlich dazu führte, dass ein neues Malaria-Medikament ohne Patent verfügbar wurde
Allerdings sind solche ‚Partnerships‘ oftmals mit einem Makel konfrontiert. Eine funktionierende Partnerschaft würde zwei gleich starke und gleichberechtigte Partner voraussetzen – eine Konstellation, die mit der Pharmaindustrie wohl oftmals schwierig sein dürfte. Zudem sind die derzeit im Gesundheitsbereich aktiven PPPs (wie z.B. auch die Aids-Impfstoff-Initiative IAVI) alle mit einem weiteren Problem konfrontiert, der Abhängigkeit von wenigen Geldgebern (meist als dominantem Geldgeber sogar nur von der Bill & Melinda Gates Stiftung). PPPs können also nur ein, und ein eher mit Vorsicht zu betrachtender Schritt sein.
Eine weiter reichende, sehr spannende Idee stellte Jerome Reichman vor: Gesundheits- Forschung als öffentliches Gut. Gerade für essentielle Gesundheits- Fragen wie Aids oder Malaria könnte so eine bedarfsgerechte und an den Interessen der Patienten orientierte Gesundheits- Forschung erreicht werden. Dies würde auch eine grundlegende Neuausrichtung der Arzneimittelforschung ermöglichen, die eine echte Balance findet zwischen den Gesundheitsbedürfnissen der Menschen und den für die pharmakologische Forschung und Entwicklung eingesetzten Geldern.
Patente haben inzwischen massive negative Folgen für die öffentliche Gesundheit, die Versorgung der Weltbevölkerung mit Medikamenten. Doch es gibt Alternativen. Diese ernsthaft in Erwägung zu ziehen, in konkreten Anwendungen zu testen und zu etablieren wird eine der Herausforderungen der nächsten Zukunft sein.
Zu wünsche wäre, dass auch der G8-Gipfel in Heiligendamm dies berücksichtigt, wenn über gerade von ‚Entwicklungsländern‘ befürchtete noch strengere Patentregelungen diskutiert wird.
Denn wenn nichts unternommen wird, die Forschung nach neuen Medikamenten weiterhin einzig Pharma- und Patent- gestützt stattfindet, dann, so meint medico, „werden künftig eher Arzneimittel für Katzen entwickelt als Impfstoffe gegen HIV/Aids“.
Hi Ulli,
es ist doch eh alles für die Katz *fg. Aber in Heiligendamm werden bestimmt keine vernünftige Regelungen gefunden, denn dort werden andere „wichtigere“ Themen vorherrschen.
Schönen Sonntag, ich geniese jetzt die Sonne, kalle
@ kalle:
tja – alles für die katz ist hier wirklich ein spruch mit einer ganz innovativen bedeutung 😉
hoffe du hattest schöne sonne? ich leg jetzt die füße hoch nach 60km radtour …
lg ulli
Hinweis von euklid.muc, auch lesenswert:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25233/1.html
LG
euklid.muc
@ euklid.muc:
danke für den link – tja, gen-patente sidn noch ein ganz besonders schwieriges kapitel. das ist ja zb auch bei hepatitis c der fall
lg ulli