Patienten, Patente und Profite

Am medizinischen Fortschritt der Aids-Forschung haben Positive in den Entwicklungsländern nur wenig teilhaben können. Eines der Haupt-Probleme ist der Patentschutz der Medikamente, der einen Zugang zu -bezahlbaren- Medikamenten in den nicht-Industrie-Staaten massiv erschwert, wenn nicht oft beinahe unmöglich macht. Welche Wege aus der Misere führen könnten, damit beschäftigte sich ein Symposium, das Medico am 10. Mai 2007 in Berlin veranstaltete.

Nur 28% aller HIV-Infizierten weltweit, die einer antiretroviralen Behandlung bedürfen, erhalten tatsächlich Aids-Medikamente – 72% werden obwohl erforderlich nicht behandelt. Diese erschreckend schlechte Versorgung mit Aids-Medikamenten veranschaulichte jüngst erneut ein WHO-Report.

In diesem „kalten Krieg gegen Arme“, wie die taz formulierte, stellen die -durch Patente, Monopol-Preise und fehlenden Wettbewerb verursachten – hohen Medikamenten-Kosten und deren Patentschutz eines der größten Probleme dar.

„Ohne Patente lohnt sich keine kostenaufwändige Forschung für neue Medikamente“, sagen die einen. „Mit teuren Patenten wird die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Medikamenten unmöglich gemacht“, meinen die anderen.

Die einen – die Pharmaindustrie, besonders die forschenden Pharmaunternehmen, und einige ihre Interessen vertretenden Verbände, Politiker, Regierungen. Die anderen – Patientenorganisationen, Aktivisten, Regierungsvertreter der Länder, die wir oft leichtfertig ‚Entwicklungsländer‘ nennen.
Beinahe unversöhnlich scheinen beide Seiten sich oft gegenüber zu stehen, wie erst jüngst wieder im Konflikt um Aids-Medikamente in Brasilien und Thailand.

Gibt es Wege, berechtigten Interessen beider Seiten gerecht zu werden? Oder müssen zukünftig bei der Erforschung von Medikamenten gegen lebensbedrohliche Erkrankungen ganz neue Wege gegangen werden? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich internationale Experten auf der Tagung „Patienten, Patente und Profite“.

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Um die kostspieligen Original-Präparate der Pharma- Konzerne zu vermeiden, liegt für viele Staaten die Rettung in Generika (Nachahmer-Präparaten). Da derzeit noch alle Aids-Medikamente unter Patentschutz sind, bedeutet dies in den meisten Fällen einen Bruch bestehender Patente.

Womit sich die Frage stellt, ob Staaten wie derzeit Brasilien (beim Aids-Medikament Efavirenz) Patentrechte brechen dürfen. Die klare Antwort: ja, sie dürfen, wenn auch nur unter bestimmten Umständen.
Die Regelungen der Welt-Handels-Organisation WTO legen fest, dass ein Ignorieren von Patenten im Notfall zulässig ist. Nach der DOHA-Erklärung von 2001 und den TRIPS-Vereinbarungen von 1994 kann ein Land Zwangslizenzen (compulsory licence) für Produktion oder Import generischer Versionen von Medikamenten erteilen, insbesondere wenn ein gesundheitlicher Notstand vorliegt. Sowohl im Fall von Thailand (Lopinavir) als auch Brasilien (Efavirenz) hat die WHO dies auch ausdrücklich bestätigt.
Verschiedene Zugangsweisen zur Versorgung mit lebensnotwendigen Medikamenten wurden aus Südafrika, Brasilien und Thailand berichtet:

Südafrika
Jonathan Berger (Aids Law Project der Treatment Action Campaign), der erfreulicherweise wie oft auch hier mit einem Short „HIV positive“ sprach, rief noch einmal eindrücklich in Erinnerung, dass es in Südafrika erst mit massivem Druck seitens der Zivilgesellschaft gelang, die eigene Regierung zum Handeln zu bewegen.
Erst in jüngster Zeit wird begonnen, die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Aids-Medikamenten zu verbessern. Dabei stehen jedoch immer wieder auch regulatorische Hemmnisse im Weg – Tenofovir z.B., in den USA bereits seit Jahren als Aids-Medikament verfügbar, wurde in Südafrika erst vor zwei Wochen zugelassen.

Brasilien
Einen anderen Weg ist seit vielen Jahren Brasilien gegangen. Das Land wird international für erfolgreiche Präventionsbemühungen wie auch hohe Behandlungs- Standards gelobt.
Eloan Pinheiro (frühere Direktorin der staatlichen Pharma-Produktion) berichtete, dass das Land eine eigene staatliche Generika-Produktion aufgebaut hat, die sich als wesentliches Werkzeuge erwies, die Monopole der Pharmakonzerne aufzubrechen. Die jährlichen Kosten für die Behandlung eines HIV-Positiven konnten von über 10.000 US-$ auf 300$ gesenkt werden. Inzwischen werden beinahe 200.000 Positive im Land antiretroviral behandelt. Erreicht hat das Land dies auch dadurch, dass mit der Möglichkeit eigener Generika-Produktion die Pharmakonzerne von massiven Preissenkungen ‚überzeugt‘ werden konnten.

Dass auch diese Politik endlich ist, zeigt die jüngste Entwicklung. Die Ausgaben, die die brasilianische Regierung für importierte Aids-Medikamente hat, steigen gravierend an, die Bereitschaft der Pharmaindustrie zu deutlichen Preis-Zugeständnissen ist nachlassend. Das Druckmittel einer eigenen Produktionsmöglichkeit begann stumpf zu werden. Am 4. Mai schließlich erteilte die brasilianische Regierung die erste ‚compulsory licence‘, die die Herstellung und den Import generischer Versionen erlaubt.

Hintergrund der brasilianischen Politik, so Pinheiro, sei die feste Überzeugung, dass eine für jeden verfügbare wirksame Aids-Therapie (möglichst unentgeltlich von der Regierung) ein unabdingbares Menschenrecht sei.
Pinheiro zog den Schluss, dass Strukturen zur Produktion eigener Medikamente in den weniger entwickelten Staaten erforderlich sind. Sie schlug vor, Pilotanlagen für alle Aids-Medikamente zu entwickeln, und dieses Knowhow dann unentgeltlich allen relevanten Staaten zur Verfügung zu stellen.

Thailand
Thailand hat seit Ende 2006 bereits drei ‚compulsory licences‘ erteilt, ist hier einen Schritt weiter als Brasilien – sah sich aber insbesondere nach dem jüngsten Schritt auch massiven Protesten und Interventionen nicht nur der betroffenen Pharmakonzerne, sondern auch der Politik (bes. US-Regierung) ausgesetzt.
Suwit Wibulpolprasert (Chefberater Gesundheits- Ökonomie im thailändischen Ministerium für öffentliche Gesundheit) berichtete, dass etwa 100.000 Thais eine first-line-Therapie erhalten. Über 10.000 Thais würden eine second-line-Therapie benötigen, jedoch nur 15% erhielten sie. Trotz massiver Ausweitung des Gesundheits-Budgets (von 278 Mio. Baht 2002 auf 3.473 Mio. Baht 2007) könne keine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Aids-Medikamenten erreicht werden – das Haupt-Problem seien die absurd hohen Medikamenten-Kosten.
Trotz enorm langer Verhandlungen mit dem Pharma- Konzernen seien keine akzeptablen Preise angeboten worden. Aus diesem Grund sei man dazu übergegangen, ab Ende 2006 ‚compulsory licences‘ zu erteilen. Seitdem befinde man sich im offenen Konflikt mit der Pharma- Industrie.

Suwit wies nochmals darauf hin, dass es gelingen müsse, neben dem Markt ‚hohe Gewinnmarge bei niedrigem Umsatz‘ (der insbesondere für Industriestaaten tauge) auch einen Markt ’niedrige Marge bei hohem Umsatz‘ zu etablieren. Zwangslizenzen seien nicht der einzige Weg, das Problem zu lösen. Letztlich kam auch er zu dem Schluss, dass keiner der Pharmakonzerne, mit denen verhandelt wurde, an einer Lizenz-Lösung für den lokalen Markt interessiert war. Um so wichtiger sei nun insbesondere auch für sein Land internationale Unterstützung, um dem Druck von Pharmakonzernen und Politikern standhalten zu können.

Patente auf Medikamente, monopolartige Preise – dies ist nicht die einzige Möglichkeit, Substanzen zu entwickeln, und vielleicht auch nicht die beste. Darüber mehr morgen in Teil 2 des Berichts über die Konferenz „Patienten, Patente und Profite“.

9 Gedanken zu „Patienten, Patente und Profite“

  1. Immerhin schon ein erster Schritt, dass darüber überhaupt diskutiert wird. Und wenn ich mich nicht irre, dann habe ich auch irgendwo eine Meldung gelesen, dass die ersten Pharmaproduzenten für arme Länder ihre Preise reduzieren.

    Schönen Start in das Wochenende!

    LG Evi

  2. @ trick_17:
    ja, die repsie reduzieren sie – aber dann liegen sie immer nich weit über dem, was die ärmsten staaten der welt aufbrungen können. das problem sind vielleicht die patente an sich …
    lg ulli

  3. Hi ulli,

    ich denke ebenfalls dass Patente das eigentliche Problem sind, denn Patente gibt es nicht nur bei Medikamenten, sondern z. B. u.a. bei Saatgut (Monsanto), damit wird durch die Kontrolle der Konzerne die Welternährung gefährdet, was die Situation der Entwicklungsländer noch mehr verschlimmert. Mangelernährung und AIDS – eine tödliche Spirale,

    lg Kalle

  4. @ kalle: da hast du recht – die patente sind das problem – mehr dazu im zweoten teil…
    lg ulli

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