Brasilien: … faca com camisinha

„Mach was du willst, aber mach es mit Kondom“ – so lautet das Motto einer neuen Aids-Präventionskampagne in Brasilien.

brasilien_machwasduwillst.jpg
(c) Foto: Ministério da Saúde, Brasilien

„Mach was du willst, aber mach es mit Kondom“ – mit dieser Kampagne wendet sich das brasilianische Gesundheitsministerium an Männer die Sex mit Männern haben (MSM) sowie an Transvestiten. Insbesondere junge Männer zwischen 13 und 19 Jahren sollen erreicht werden – hier liegen die HIV-Infektionsraten besonders hoch.

Klaus Hart berichtet in seinem Blog ‚Brasilientexte‘ über die neue Präventionskampagne und insbesondere auch über die Situation zwischen boomender Homo-Szene und gleichzeitig grassierender Homophobie.

“Bei Morden an Schwulen liegt Brasilien weiterhin an der Spitze“, zitiert Hart einen brasilianischen Schwulenaktivisten, „durchschnittlich jeden zweiten Tag wird einer umgebracht, keine andere Minderheit wird so abgewertet, so diskriminiert. Wir leben noch in einer heterosexistischen Gesellschaft, Änderungen sind nur auf sehr lange Frist vorstellbar.“
Jede Veränderung der Situation, jede Aids-Prävention müsse auch eine Bekämpfung der Homosexuellenfeindlichkeit in Brasilien beinhalten, so Toni Reis, Präsident der Brasilianischen Assoziation der Gays, Lesben, Bisexuellen, Transvestiten und Transsexuellen(ABGLT).

Die Aids-Politik Brasiliens gilt international als beispielhaft.
Brasilien geht u.a. seit vielen Jahren auch spannende Wege in der Versorgung der HIV-Infizierten des Landes mit Medikamenten (siehe „Patienten, Patente und Profite„). Eine eigene Generika-Produktion wurde aufgebaut. Generische Versionen wichtiger Aids-Medikamente werden im Land hergestellt. Mit der realen Möglichkeit der Produktion von Generika wurden Pharmakonzerne zu Preis-Zugeständnissen gebracht. Inzwischen konnte ein sehr hoher Versorgungs- und Behandlungsstandard erreicht werden. Mehrere hunderttausend brasilianische HIV-Positive werden erfolgreich antiretroviral behandelt.

Gute Therapie – auch eine Frage der Kosten?

Auch in das deutscher Gesundheitswesen zieht mehr und mehr der Gedanke der Wirtschaftlichkeit ein. Mag auch die Mehrzahl der Patienten noch denken, sie bekäme das an Therapien und Medikamenten, was medizinisch erforderlich und sinnvoll ist – die Kosten der Maßnahmen spielen längst eine bedeutende Rolle.

Am leichtesten wird dies für jeden Patienten sichtbar in der Apotheke. Sofern mehrerer Hersteller ein Präparat anbieten, sind Arzt und Apotheker gehalten, eine kostengünstige Version zu verordnen bzw. abzugeben. Meist geht es hier jedoch um kleinere Beträge – die Kosten der Medikamente, die bereits als Generika vorliegen, sind oftmals wesentlich niedriger als die neuer Präparate.

Neue Medikamenten, die noch dem Patentschutz unterliegen, haben oftmals einen deutlich höheren Preis. Und verursachen damit Kosten, die die Budgets der Krankenversicherungen erheblich belasten.>

In der Folge zieht auch hier immer mehr der Gedanke an die Kosten ein: in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht ein Wirtschaftlichkeits-Gebot. Ein wesentlicher Hebel, dieses Gebot umzusetzen, wird zukünftig das IQWiG sein.
Dieses Institut soll medizinische Behandlungen und Arzneimittel auf ihre Nutzen beurteilen. Seit Kurzem ist es auch Aufgabe des IQWiG zu prüfen, ob die Preise für ein Arzneimittel in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen.

In der Praxis könnte dies zukünftig dazu führen, dass Patienten (zumindest zu Lasten ihrer Krankenkasse) manche Medikamente nicht mehr verschrieben bekommen können, da deren Preis als unangemessen im Verhältnis zum Nutzen betrachtet wird.

Wohin diese Entwicklungen führen können, zeigt Großbritannien. Dort spielen die Behandlungskosten schon heute eine größere Rolle auch in konkreten Therapie-Entscheidungen.
Bereits 2005 erwähnten die HIV-Behandlungs-Richtlinien der britischen BHIVA die Medikamenten-Kosten als einen Entscheidungsfaktor, den der Arzt zu berücksichtigen habe. Als Entscheidungshilfe enthielt die 2005-Richtlinie zudem erstmals eine Tabelle mit den Kosten der einzelnen Aids-Medikamente. Die 2006er Richtlinie setzt diese Tendenz fort, dort heißt es eindeutig „die Kosten der Therapie sollten [neben Wirksamkeit, Compliance und Verträglichkeit, d.Verf.] ebenfalls berücksichtigt werden“.

In der Realität führt dies, so vermutet aids treatment update 1), dazu, dass manche Präparate HIV-Patienten häufig verordnet werden, obwohl sie höhere oder gravierendere Nebenwirkungen, teils auch limitierte Wirksamkeit haben – weil sie kostengünstiger als Alternativ-Präparate sind.

Wie gesagt, noch ist dies Realität in Großbritannien, nicht in Deutschland. Aber das Beispiel zeigt, wohin der Zug fährt, und welche Entwicklungen auch uns bevor stehen könnten …

1) vgl. „cost matters“ im Artikel „an uncertain future“, als pdf hier

PS: ‚uncertain future‘ – die Gesundheitsreform hat für die Zukunft noch weitere Überraschungen bereit – eines der Stichworte heisst „Therapietreue“ – doch dazu später mehr …

Gesundheit statt Gold

Patente scheinen heute mehr dazu zu dienen, Profite zu sichern, als Patienten zu versorgen. Und doch – es gibt Alternativen zum Patent-System, zeigte das Medico- Symposium am 10. Mai 2007 in Berlin auf.

Nach Golde drängt
am Golde hängt doch alles!
Ach, wir Armen!
(Gretchen im Faust)

Das Goethe-Zitat (mit dem attac- und Weed-Vertreter Wahl sein Statement begann), könnte auch das Motto des gesamten medico-Symposiums sein – vor allem der Nachsatz „ach, wir Armen!“ dürfte manchem Vertreter von sog. ‚Entwicklungsländern‘ leicht über die Lippen kommen, wenn er an die Folgen von Patenten auf Medikamente denkt (wie der erste Teil der Veranstaltung zeigte).
Medico02Patente sind ein vergleichsweise neues Konzept, vor allem die Idee, immaterielle ‚Güter‘ zu patentieren (um sie künstlich zu verknappen). So wurde in Deutschland der Patentschutz auf Wirksubstanzen erst 1968 eingeführt.
Einst wirkten sie als Belohnung für Erfinder und Erfindungsgeist – heute, in Zeiten zunehmender Globalisierung, sind Patente längst zu einem strategischen Instrument zur Sicherung ökonomischer Interessen geworden. Sie dienen ’nicht mehr dem Nutzen der Gesellschaft, sondern dem privaten Profit Weniger‘, wie der attac-Vertreter betonte.

MdB Dr. Wolfgang Wodarg (selbst Mediziner) zeigte die Folgen eindrücklich an einem Beispiel auf. Die Rendite (Ergebnis vor Steuern) vieler Wirtschaftsbereiche bewegt sich im Bereich um 4% (Banken 4,1%, EDV 4,1%, Öl 4,72%). Die Rendite der 37 Unternehmen im VfA (dem Verband forschender Arzneimittel-Hersteller) hingegen belief sich auf 14,62%, und die der 14 größten Pharmahersteller sogar auf 15,66%! (Fortune 14/2003, Global500)
Die Pharmaindustrie, gestützt auf ihren jahrelangen Patentschutz und monopolartige Preise, erzielt übermäßige Renditen, die zudem von den Sozialversicherungen aufgebracht werden müssen, so Wodarg.

Mögen reiche Industriestaaten die hohen Medikamenten- Kosten, die hinter diesen absurden Pharma-Renditen stehen, noch aufbringen können, nicht nur für die ärmsten Staaten der Welt sind sie die reine Katastrophe. Die Folgen, die dies für die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten hat, lassen sich eindrücklich an Staaten wie Thailand und Brasilien aufzeigen.

Wenn jedoch Patente zunehmend zum Werkzeug privatisierter Renditen geworden sind und einer effizienten Förderung der öffentlichen Gesundheit im Weg stehen, drängt sich umso mehr die Frage nach Alternativen auf.

Zunächst betonte Wodarg die Notwendigkeit einer parlamentarischen Kontrolle des Europäischen Patentamts (die heute nicht gegeben ist). Eine neu einzuführende Patent-Folgenabschätzung, wie sie Thailand schon erfolgreich handhabt, könnte -verbunden mit dem Recht einer etwaigen Rückholbarkeit von Patenten- Auswüchse gerade bei lebensbedrohlichen Erkrankungen vermeiden helfen.

Dennoch bleibt das -auch von Wodarg selbst benannte- grundsätzliche Problem bestehen, das in den Patenten selbst und der aus ihnen resultierenden Einschränkung der Verfügbarkeit von Medikamenten liegt. Zugespitzt: ‚Wie viele Tote nimmt man (z.B. durch verzögerte Medikamenten-Verfügbarkeit) bewusst in Kauf?‘

Die Absurdität dieser Frage macht deutlich, dass die Frage der Medikamenten-Forschung und -Entwicklung nicht länger allein den Kräften des freien Marktes überlassen werden darf. Andere Konzepte zum Umgang mit geistigem Eigentum, Alternativem zum Patent sind erforderlich.

Ein Schritt, der derzeit bereits erprobt wird, sind ‚public private partnerships‘ (PPP) und ‚product development parnerships‘ (PDP). Nicoletta Dentico berichtet von einer Partnerschaft der ‚Drugs for Neglected Diseases Initiative‘ mit einem Pharmakonzern, die kürzlich dazu führte, dass ein neues Malaria-Medikament ohne Patent verfügbar wurde
Allerdings sind solche ‚Partnerships‘ oftmals mit einem Makel konfrontiert. Eine funktionierende Partnerschaft würde zwei gleich starke und gleichberechtigte Partner voraussetzen – eine Konstellation, die mit der Pharmaindustrie wohl oftmals schwierig sein dürfte. Zudem sind die derzeit im Gesundheitsbereich aktiven PPPs (wie z.B. auch die Aids-Impfstoff-Initiative IAVI) alle mit einem weiteren Problem konfrontiert, der Abhängigkeit von wenigen Geldgebern (meist als dominantem Geldgeber sogar nur von der Bill & Melinda Gates Stiftung). PPPs können also nur ein, und ein eher mit Vorsicht zu betrachtender Schritt sein.

Eine weiter reichende, sehr spannende Idee stellte Jerome Reichman vor: Gesundheits- Forschung als öffentliches Gut. Gerade für essentielle Gesundheits- Fragen wie Aids oder Malaria könnte so eine bedarfsgerechte und an den Interessen der Patienten orientierte Gesundheits- Forschung erreicht werden. Dies würde auch eine grundlegende Neuausrichtung der Arzneimittelforschung ermöglichen, die eine echte Balance findet zwischen den Gesundheitsbedürfnissen der Menschen und den für die pharmakologische Forschung und Entwicklung eingesetzten Geldern.

Patente haben inzwischen massive negative Folgen für die öffentliche Gesundheit, die Versorgung der Weltbevölkerung mit Medikamenten. Doch es gibt Alternativen. Diese ernsthaft in Erwägung zu ziehen, in konkreten Anwendungen zu testen und zu etablieren wird eine der Herausforderungen der nächsten Zukunft sein.
Zu wünsche wäre, dass auch der G8-Gipfel in Heiligendamm dies berücksichtigt, wenn über gerade von ‚Entwicklungsländern‘ befürchtete noch strengere Patentregelungen diskutiert wird.
Denn wenn nichts unternommen wird, die Forschung nach neuen Medikamenten weiterhin einzig Pharma- und Patent- gestützt stattfindet, dann, so meint medico, „werden künftig eher Arzneimittel für Katzen entwickelt als Impfstoffe gegen HIV/Aids“.

Patienten, Patente und Profite

Am medizinischen Fortschritt der Aids-Forschung haben Positive in den Entwicklungsländern nur wenig teilhaben können. Eines der Haupt-Probleme ist der Patentschutz der Medikamente, der einen Zugang zu -bezahlbaren- Medikamenten in den nicht-Industrie-Staaten massiv erschwert, wenn nicht oft beinahe unmöglich macht. Welche Wege aus der Misere führen könnten, damit beschäftigte sich ein Symposium, das Medico am 10. Mai 2007 in Berlin veranstaltete.

Nur 28% aller HIV-Infizierten weltweit, die einer antiretroviralen Behandlung bedürfen, erhalten tatsächlich Aids-Medikamente – 72% werden obwohl erforderlich nicht behandelt. Diese erschreckend schlechte Versorgung mit Aids-Medikamenten veranschaulichte jüngst erneut ein WHO-Report.

In diesem „kalten Krieg gegen Arme“, wie die taz formulierte, stellen die -durch Patente, Monopol-Preise und fehlenden Wettbewerb verursachten – hohen Medikamenten-Kosten und deren Patentschutz eines der größten Probleme dar.

„Ohne Patente lohnt sich keine kostenaufwändige Forschung für neue Medikamente“, sagen die einen. „Mit teuren Patenten wird die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Medikamenten unmöglich gemacht“, meinen die anderen.

Die einen – die Pharmaindustrie, besonders die forschenden Pharmaunternehmen, und einige ihre Interessen vertretenden Verbände, Politiker, Regierungen. Die anderen – Patientenorganisationen, Aktivisten, Regierungsvertreter der Länder, die wir oft leichtfertig ‚Entwicklungsländer‘ nennen.
Beinahe unversöhnlich scheinen beide Seiten sich oft gegenüber zu stehen, wie erst jüngst wieder im Konflikt um Aids-Medikamente in Brasilien und Thailand.

Gibt es Wege, berechtigten Interessen beider Seiten gerecht zu werden? Oder müssen zukünftig bei der Erforschung von Medikamenten gegen lebensbedrohliche Erkrankungen ganz neue Wege gegangen werden? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich internationale Experten auf der Tagung „Patienten, Patente und Profite“.

Medico02
Um die kostspieligen Original-Präparate der Pharma- Konzerne zu vermeiden, liegt für viele Staaten die Rettung in Generika (Nachahmer-Präparaten). Da derzeit noch alle Aids-Medikamente unter Patentschutz sind, bedeutet dies in den meisten Fällen einen Bruch bestehender Patente.

Womit sich die Frage stellt, ob Staaten wie derzeit Brasilien (beim Aids-Medikament Efavirenz) Patentrechte brechen dürfen. Die klare Antwort: ja, sie dürfen, wenn auch nur unter bestimmten Umständen.
Die Regelungen der Welt-Handels-Organisation WTO legen fest, dass ein Ignorieren von Patenten im Notfall zulässig ist. Nach der DOHA-Erklärung von 2001 und den TRIPS-Vereinbarungen von 1994 kann ein Land Zwangslizenzen (compulsory licence) für Produktion oder Import generischer Versionen von Medikamenten erteilen, insbesondere wenn ein gesundheitlicher Notstand vorliegt. Sowohl im Fall von Thailand (Lopinavir) als auch Brasilien (Efavirenz) hat die WHO dies auch ausdrücklich bestätigt.
Verschiedene Zugangsweisen zur Versorgung mit lebensnotwendigen Medikamenten wurden aus Südafrika, Brasilien und Thailand berichtet:

Südafrika
Jonathan Berger (Aids Law Project der Treatment Action Campaign), der erfreulicherweise wie oft auch hier mit einem Short „HIV positive“ sprach, rief noch einmal eindrücklich in Erinnerung, dass es in Südafrika erst mit massivem Druck seitens der Zivilgesellschaft gelang, die eigene Regierung zum Handeln zu bewegen.
Erst in jüngster Zeit wird begonnen, die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Aids-Medikamenten zu verbessern. Dabei stehen jedoch immer wieder auch regulatorische Hemmnisse im Weg – Tenofovir z.B., in den USA bereits seit Jahren als Aids-Medikament verfügbar, wurde in Südafrika erst vor zwei Wochen zugelassen.

Brasilien
Einen anderen Weg ist seit vielen Jahren Brasilien gegangen. Das Land wird international für erfolgreiche Präventionsbemühungen wie auch hohe Behandlungs- Standards gelobt.
Eloan Pinheiro (frühere Direktorin der staatlichen Pharma-Produktion) berichtete, dass das Land eine eigene staatliche Generika-Produktion aufgebaut hat, die sich als wesentliches Werkzeuge erwies, die Monopole der Pharmakonzerne aufzubrechen. Die jährlichen Kosten für die Behandlung eines HIV-Positiven konnten von über 10.000 US-$ auf 300$ gesenkt werden. Inzwischen werden beinahe 200.000 Positive im Land antiretroviral behandelt. Erreicht hat das Land dies auch dadurch, dass mit der Möglichkeit eigener Generika-Produktion die Pharmakonzerne von massiven Preissenkungen ‚überzeugt‘ werden konnten.

Dass auch diese Politik endlich ist, zeigt die jüngste Entwicklung. Die Ausgaben, die die brasilianische Regierung für importierte Aids-Medikamente hat, steigen gravierend an, die Bereitschaft der Pharmaindustrie zu deutlichen Preis-Zugeständnissen ist nachlassend. Das Druckmittel einer eigenen Produktionsmöglichkeit begann stumpf zu werden. Am 4. Mai schließlich erteilte die brasilianische Regierung die erste ‚compulsory licence‘, die die Herstellung und den Import generischer Versionen erlaubt.

Hintergrund der brasilianischen Politik, so Pinheiro, sei die feste Überzeugung, dass eine für jeden verfügbare wirksame Aids-Therapie (möglichst unentgeltlich von der Regierung) ein unabdingbares Menschenrecht sei.
Pinheiro zog den Schluss, dass Strukturen zur Produktion eigener Medikamente in den weniger entwickelten Staaten erforderlich sind. Sie schlug vor, Pilotanlagen für alle Aids-Medikamente zu entwickeln, und dieses Knowhow dann unentgeltlich allen relevanten Staaten zur Verfügung zu stellen.

Thailand
Thailand hat seit Ende 2006 bereits drei ‚compulsory licences‘ erteilt, ist hier einen Schritt weiter als Brasilien – sah sich aber insbesondere nach dem jüngsten Schritt auch massiven Protesten und Interventionen nicht nur der betroffenen Pharmakonzerne, sondern auch der Politik (bes. US-Regierung) ausgesetzt.
Suwit Wibulpolprasert (Chefberater Gesundheits- Ökonomie im thailändischen Ministerium für öffentliche Gesundheit) berichtete, dass etwa 100.000 Thais eine first-line-Therapie erhalten. Über 10.000 Thais würden eine second-line-Therapie benötigen, jedoch nur 15% erhielten sie. Trotz massiver Ausweitung des Gesundheits-Budgets (von 278 Mio. Baht 2002 auf 3.473 Mio. Baht 2007) könne keine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Aids-Medikamenten erreicht werden – das Haupt-Problem seien die absurd hohen Medikamenten-Kosten.
Trotz enorm langer Verhandlungen mit dem Pharma- Konzernen seien keine akzeptablen Preise angeboten worden. Aus diesem Grund sei man dazu übergegangen, ab Ende 2006 ‚compulsory licences‘ zu erteilen. Seitdem befinde man sich im offenen Konflikt mit der Pharma- Industrie.

Suwit wies nochmals darauf hin, dass es gelingen müsse, neben dem Markt ‚hohe Gewinnmarge bei niedrigem Umsatz‘ (der insbesondere für Industriestaaten tauge) auch einen Markt ’niedrige Marge bei hohem Umsatz‘ zu etablieren. Zwangslizenzen seien nicht der einzige Weg, das Problem zu lösen. Letztlich kam auch er zu dem Schluss, dass keiner der Pharmakonzerne, mit denen verhandelt wurde, an einer Lizenz-Lösung für den lokalen Markt interessiert war. Um so wichtiger sei nun insbesondere auch für sein Land internationale Unterstützung, um dem Druck von Pharmakonzernen und Politikern standhalten zu können.

Patente auf Medikamente, monopolartige Preise – dies ist nicht die einzige Möglichkeit, Substanzen zu entwickeln, und vielleicht auch nicht die beste. Darüber mehr morgen in Teil 2 des Berichts über die Konferenz „Patienten, Patente und Profite“.