Unglaublich: Richter erklärt Sex mit Kondom zum kriminellen Akt
Ein 17-jähriger Vorarlberger ist am Montagnachmittag am Landesgericht Feldkirch zu drei Monaten bedingter Haft verurteilt worden … Zwischen dem 17-jährigen Vorarlberger und dem 16-jährigen Mädchen kam es im Herbst vergangenen Jahres zum ungeschützten Oralverkehr … „Auch wenn ein Kondom verwendet worden wäre, würde dies nichts an der Strafbarkeit ändern“, erklärte der Richter. Ein Ansteckungsrisiko bestehe nämlich auch bei Verwendung von Präservativen, so Kraft abschließend.
http://vorarlberg.orf.at/news/stories/2523707/
Die vom Gesundheitsministerium und den staatlich finanzierten Aids-Hilfen propagierten Safer Sex Regeln beinhalten
- die Verwendung eines Kondoms bei Vaginal- und Oralverkehr und
- das Vermeiden einer Ejakulation in den Mund bei Oralverkehr
(vgl. bspw.http://v006282.vhost-vweb-02.sil.at/alles-uber-hivaids/wie-kann-ich-mich-schutzen/).
Der Oberste Gerichtshof hat dementsprechend bereits 1997 klargestellt, dass Sex (mit Hiv-Positiven) bei Verwendung von Kondomen nicht strafbar ist (25.11.1997, 11 Os 171/97).
Bei Oralverkehr verlangen die Safer Sex Regeln nicht einmal ein Kondom sondern bloß die Vermeidung einer Ejakulation in den Mund. Davon dass eine solche in dem o.a. Fall stattgefunden habe oder das von der Staatsanwaltschaft auch nur behauptet wurde, findet sich in dem Medienbericht nichts. Auch in Kärnten wurde 1999 ein Hiv-positiver Mann für Oralsex ohne Kondom verurteilt (LG Klagenfurt 19.07.1999, 13 EVr 70/99 – Kärntner Oralsex-Fall). Erst nach jahrelangem Kampf gab das Oberlandesgericht seinem Wiederaufnahmeantrag statt und hob das diesbezügliche Urteil auf (27.03.2003, 11 Bs 105/03) (http://www.rklambda.at/news_safersex.htm).
In dem nunmehrigen Fall scheint auch nicht thematisiert worden zu sein, ob der Jugendliche überhaupt infektiös war. Die heutigen Hiv-Therapien bewirken nämlich in den meisten Fällen, dass die Betroffenen nicht mehr infektiös sind (vgl. http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/J/J_05015/fname_183319.pdf; http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_04941/fname_188059.pdf).
UNAIDS und die EU-Grundrechteagentur fordern seit Jahren vehement die Beendigung derartiger Strafverfolgung und Verurteilungen. Kriminalpolizei und Strafrichter sollen – gerade im Interesse einer wirksamen Aids- Prävention und der Volksgesundheit – nur bei absichtlicher Ansteckung einschreiten (http://data.unaids.org/pub/basedocument/2008/20080731_jc1513_policy_criminalization_en.pdf; http://194.30.12.221/fraWebsite/attachmentsAIDS_2010_FRA_factsheet.pdf).
Seit 13. Februar 2012 wirbt im Internet die – anläßlich der von der norwegischen Regierung und UNAIDS organisierten „High Level Policy Consultation on the Science and Law of the Criminalisation of HIV Non-disclosure, Exposure and Transmission“ verabschiedete – „Oslo Declaration On Hiv Criminalisation“ [‚Die Deklaration von Oslo über die Kriminalisierung von HIV‚; d.Hg.] für Unterstützung gegen die Kriminalisierung von (nicht absichtlicher) Hiv-Übertragung (http://www.hivjustice.net/oslo/).
Dr. Helmut Graupner
Co-Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS)
www.graupner.at, www.oegs.or.at
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siehe auch:
thinkoutsideyourbox.net 06.03.2012: Kriminalisierung HIV-Positiver: Verurteilung wegen Oralsex trotz Einhaltung Safer Sex Regeln
queer.de 07.03.2012: „Vorsätzliche Gefährdung“ – Österreich: HIV-Positiver wegen Oralsex bestraft
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@ Carsten:
Zustimmung – und das wäre bereits mindestens das zweite aktuelle Thema (neben den HIV-Zwangstests http://www.ondamaris.de/?p=30082 und diesbezüglichen Forderungen der ö-Polizeigewerkschaft http://www.ondamaris.de/?p=30235 ), das die Communities im eigenen Interesse im DÖAK aufgreifen sollten …
das einzige was mir einfällt – was man tun könnte, wäre eine spontane act up aktion, vor dem gericht in vorarlberg aufzulaufen mit plakaten und mit info der medien das eine aktion stattfinden wird und dermaßen die trommeln rühren (im wahrsten sinn des wortes) das richter und staatsanwaltschaft meinen der tag des jüngsten gericht ist angebrochen . . . oder act up ruft eine pressekonferenz ein wo dieses thema äußerst provokativ und angressiv dargestellt wird . . . . .
ich erinnere da an eine Veranstaltung vom 14.6.96 in der Weißenburg zu dem thema „Aktuelle Therapiestandards und Alternativen bei HIV und AIDS“ mit oswald weber und rüdiger von anhalt. http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=act+up+rainbow+nr+25&source=web&cd=1&ved=0CDQQFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.hiv-therapie.org%2F1996_RAINBOW_NR_25.pdf&ei=tzlWT5-nH8rdtAb5ubHwBg&usg=AFQjCNE_l_iSzBAVDz80C9vJszj-8MSXpA&sig2=i7I6Ft0ZAGWOV55sRZNPhg . .
doch diesmal muß sie zu solch einem statement eines richter provokativ und aggressiv sein. anders wachen solche schnarchnasen nicht auf . . .
der richter ist echt ein depp. das muss ein thema für den kommenden döak in innsbruck werden. ich hoffe, die community nimmt das auf den zettel.
Und wieder ein Richter, der sein persönliches Wissen und seine Privatansichten zum Maß aller Dinge macht.
Wie wäre es gegen den Richter und den Staatsanwalt eine Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung im Amt zu Stellen? Da könnte doch die AIDS-HILFE in Österreich klarstellen, das Menschen mit HIV nicht Freiwild auf dem Markt der Gerichtsbarkeit sind.
Richter Othmar Kraft
vol.at/hiv-positiver-wegen-oralverkehr-verurteilt/3186895