Bundestag: Anhörung zu Cannabis als Medizin im Gesundheitsausschuss

Der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags befasste sich am 9. Mai 2012 mit der Frage des Einsatzes von Cannabis als Medizin. Basis war ein Antrag von Abgeordneten und Fraktion der Grünen, Hürden beim Zugang zu Cannabis-Medikamenten abzubauen. Während Patienten und Ärzte den Antrag unterstützten, lehnte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Vorschläge zur leichteren Kostenerstattung solcher Medikamente in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch hingegen ab.

Mehrere Sachverständige betonten auf die schwierige Rechtssituation von Patienten, die auf Cannabis basierende Medikamente benötigten. Zudem bleibe vielen Patienten wegen der erheblichen Kosten für eine Behandlung selbst mit Ausnahmegenehmigung des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BFArM) nichts anderes übrig, als Cannabis illegal zu besorgen.

Cannabis oder aus Cannabis hergestellte Medikamente werden u.a. in der Krebsbehandlung eingesetzt zur Schmerzlinderung und Bekämpfung von Übelkeit. Cannabis hat auch appetitanregende Wirkung, deswegen wurde es lange Zeit auch bei Aids-bedingtem Wasting eingesetzt.

Deutscher Bundestag / hib 09.05.2012: Kontroverse um Grünen-Vorstoß zu Cannabis-Medikamenten
Deutscher Bundestag / Antrag Die Grünen: Zugang zu medizinischem Cannabis für alle betroffenen Patientinnen und Patienten ermöglichen (Drucksache 17/6127, pdf)

Privatisierung der Arzneimittel-Zulassung vorerst gescheitert

Nach Plänen der Bundesregierung müsste sich längst die Medikamentenzulassung in Privatisierung befinden. Doch die Pläne sind gescheitert – vorerst.

Für die Zulassung von Medikamenten in Deutschland sowie deren Nutzen- und Risiken-Bewertung ist bisher ein Bundesinstitut zuständig, das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Bei zentralisierten europäischen Zulassungsverfahren, die über die europäische Arzneimittelagentur EMA abgewickelt werden, vertritt das BfArM dort die Interessen der Bundesrepublik.

Doch die Bundesregierung plante auf Vorschlag von Bundesgesundheitsminsterin Schmidt (SPD), das BfArM zu privatisieren. Aus dem BfArM sollte die DAMA werden – die Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukte-Agentur. Diese Privatisierung sollte vor allem auch aus finanziellen Gründen erfolgen. Die DAMA sollte sich überwiegend aus Gebühren finanzieren – Gebühren für die Zulassung von Medikamenten und Medizinprodukten. Gebühren, die die Hersteller der Arzneimittel und Medizinprodukte entrichten sollten. Damit wäre die Agentur genau von denjenigen finanziert worden, deren Produkte sie kontrollieren und überwachen soll.

Diese Pläne stießen schon bald auf massive Proteste.

Nun hat die Bundesregierung beschlossen, die Pläne nicht weiter zu verfolgen. Die Politiker der Koalitions-Fraktionen konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Weg verständigen.
Zulassung und Überwachung von Arzneimittel sollen damit in Deutschland derzeit unverändert bleiben.

Infos:
Pressemitteilung ‚BAG Selbsthilfe fürchtet um Sicherheit der Patienten‘

Medikamenten- Zulassung in Privatisierung

Die Privatisierung schreitet munter voran, auch in Deutschland. Nun hat es die Arzneimittel-Sicherheit erwischt – sie soll privat organisiert werden, unter (Mit-)Aufsicht und Finanzierung der Pharmaindustrie.

Für die Zulassung von Medikamenten in Deutschland sowie deren Nutzen- und Risiken-Bewertung war bisher ein Bundesinstitut zuständig, das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Bei zentralisierten Zulassungsverfahren über die europäische Arzneimittelagentur EMA vertritt das BfArM die Interessen der Bundesrepublik.
Mit einem neuen Gesetz soll jetzt das BfArM in die DAMA (Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukte-Agentur) umgewandelt werden. Die Umstellung begründet das Gesundheitsministerium in seiner Pressemitteilung u.a. damit, das ein „effektives … Zulassungsmanagement geschaffen werden“ solle.

Das BfArM wie auch die neue DAMA sind zuständig für die Arzneimittelsicherheit in Deutschland. Wem wird dieses „effektive Zulassungsmanagement“ zugute kommen? Kritiker befürchten, der Pharmaindustrie, die nun auf schnellere Bearbeitung ihrer Zulassungsanträge hoffen kann. Eine gründliche Prüfung von Arzneimitteln vor deren Zulassung hat ihre guten Gründe – besonders seit dem Contergan-Skandal in den 1960er Jahren. Wird hier Gründlichkeit einer unter wirtschaftlichen Aspekten definierten „Effizienz“ geopfert? Einer Effizienz, deren Risiken dann der Patient trägt (der nicht ausreichend getestete, analysierte und kontrollierte Medikamente bekommen könnte)?

Doch es kommt noch dicker:
Der HIV-Report weist in seiner jüngsten Ausgabe auf weitere erstaunliche Punkte des Gesetzentwurfs hin. So soll zukünftig die DAMA weitestgehend selbständig agieren, das Gesundheitsministerium ist außer in akuten Notlagen nicht mehr weisungsbefugt und hat auch keine Fachaufsicht mehr. Der Verwaltungsrat der DAMA wird besetzt – unter anderem mit Vertretern der Pharmaindustrie, die vom Wirtschaftsminister berufen werden sollen.

Das heißt: für die Arzneimittel-Sicherheit in Deutschland ist zukünftig eine Agentur zuständig, auf die das fachlich verantwortliche Ministerium fast keinen Zugriff mehr hat – wohl aber die Industrie, deren Produkte genau diese Agentur überwachen soll.

Das beste aber: die DAM soll sich zukünftig ausschließlich selbst finanzieren, über Gebühren, die sie erhebt – eben u.a. für die Bearbeitung der Arzneimittel-Zulassung. Das bedeutet, die Agentur, die Arzneimittel zulässt, wird gesteuert und finanziert genau von denen, deren Produkte sie eigentlich überwachen soll.

Irgendwie fühle ich mich auffällig an das Bild von dem Bock und dem Gärtner erinnert …
Wieder ein Parade-Beispiel, wie der Staat hoheitliche Aufgaben (hier die Arzneimittel-Sicherheit) privatisiert.

Der bisher hohe Stand der Arzneimittel-Sicherheit in Deutschland (seit Contergan gab es keinen von Zulassungsbehörden zu verantwortenden Arzneimittel-Skandal mehr) wird hier potenziell unnötig gefährdet. Die Risiken, die hier eingegangen werden, tragen Patienten, die Effizienzgewinne hingegen die Pharmaindustrie.

Bisher ist das Vorhaben der Umwandlung des BfArM in die DAMA nur ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Die Zustimmung im Bundestag gilt jedoch als sicher – so dass letztlich nur hilft, den öffentlichen Druck gegen dieses Gesetz zu erhöhen, und zu hoffen, dass der Bundespräsident (wieder einmal) wegen verfassungsrechtlicher Bedenken die Gesetzesausfertigung nicht unterzeichnet.

Nachtrag 06.03.2007: der Gesetzentwurf zur Errichtung der DAMA findet sich hier