Europa: Register für klinische Studien geht online

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat am 22. März 2011 ihr öffentliches Verzeichnis klinischer Studien online gestellt, das ‚EU Clinical Trials Register‘.

Erstmals werden in der Europäischen Union Informationen zu klinischen Studien frei online zugänglich zu Arzneimittel, die in den 27 Mitgliedsstaaten der EU sowie Island, Liechtenstein und Norwegen zugelassen sind. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA (European Medicines Agency) stellte am 22. März 2011 ein entsprechendes Register online, das „EU Clinical Trials Register“.

Das Register (derzeit nur auf englisch) basiert auf Informationen aus der EudraCT-Datenbank der EU, deren Daten von den nationalen Arzneimittelbehörden eingepflegt werden.

Das neue Register ist Bestandteil des Projekts EudraPharm der Europäischen Union, einer Datenbank für alle in der Human- oder Veterinärmedizin eingesetzten Arzneimittel, die in der Europäischen Union (EU) und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zugelassen sind (Internetseite in allen Mitgliedssprachen).

.

weitere Informationen:
EU Clinical Trials Register
EudraPharm
EudraCT Community Clinical Trial System
EMA 22.03.2011: EU Clinical Trials Register goes live – Public online register gives access to information on clinical trials
.

Europäische Arzneimittel-Behörde: Zerit® nur als letzte Alternative nutzen

Der NRTI d4T (auch: Stavudin, Handelsname Zerit®) soll aufgrund seiner Toxität nur in antiretroviralen Therapien eingesetzt werden, wenn keine anderen Alternativen bestehen. Dies teilte die europäische Arzneimittelbehörde EMA mit.

Vom 14. bis 17. Februar 2011 traf sich in London das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP), das Gremium der EMA, das für den Einsatz am Menschen bestimmter Arzneimittel zuständig ist. Das Komitee beschäftigte sich mit einer Vielzahl von Substanzen – unter anderem auch mit dem Aids-Medikament Stavudin (d4T, Handelsname Zerit®).

Das Komitee äußerte angesichts der Nebenwirkungen von Stavudin die Empfehlung, die therapeutische Indikation für die Substanz einzuschränken. Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern solle der Einsatz von Stavudin so kurz wie möglich andauern und nur dann, wenn keine anderen therapeutischen Alternativen bestehen.

In einer Pressemitteilung der EMA heißt es zu Stavudin:

„Restrictions on use of Zerit
The Committee recommended that in view of the side effects seen with Zerit (stavudine), from Bristol-Myers Squibb Pharma EEIG, the therapeutic indications should be restricted. The Committee recommended that, for both adults and children, the medicine should be used for as short a time as possible and only when there are no appropriate alternatives.
Zerit is used in combination with other antiviral medicines to treat adults and children who are infected with human immunodeficiency virus (HIV).“

Stavudin ist seit vielen Jahren als Medikament gegen HIV zugelassen. Die Substanz kann zahlreiche potentiell gravierende Nebenwirkungen haben, u.a. Laktatazidose, periphere Neuropathien und Lipoatrophie.

Stavudin wird schon seit einigen Jahren in Europa und den USA nur noch selten eingesetzt. Die EMA empfahl einem Bericht von aidsmap zufolge, alle Patienten, die derzeit noch Stavudin nehmen, zu untersuchen und zum nächstmöglichen Zeitpunkt auf eine andere Therapie umzustellen.

.

weitere Informationen:
European medicines Agency 18.02.2011: Meeting highlights from the Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) 14-17 February 2011
aidsmap 21.02.2011: European Medicines Agency: d4T to be used only in last resort
.

Privatisierung der Arzneimittel-Zulassung vorerst gescheitert

Nach Plänen der Bundesregierung müsste sich längst die Medikamentenzulassung in Privatisierung befinden. Doch die Pläne sind gescheitert – vorerst.

Für die Zulassung von Medikamenten in Deutschland sowie deren Nutzen- und Risiken-Bewertung ist bisher ein Bundesinstitut zuständig, das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Bei zentralisierten europäischen Zulassungsverfahren, die über die europäische Arzneimittelagentur EMA abgewickelt werden, vertritt das BfArM dort die Interessen der Bundesrepublik.

Doch die Bundesregierung plante auf Vorschlag von Bundesgesundheitsminsterin Schmidt (SPD), das BfArM zu privatisieren. Aus dem BfArM sollte die DAMA werden – die Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukte-Agentur. Diese Privatisierung sollte vor allem auch aus finanziellen Gründen erfolgen. Die DAMA sollte sich überwiegend aus Gebühren finanzieren – Gebühren für die Zulassung von Medikamenten und Medizinprodukten. Gebühren, die die Hersteller der Arzneimittel und Medizinprodukte entrichten sollten. Damit wäre die Agentur genau von denjenigen finanziert worden, deren Produkte sie kontrollieren und überwachen soll.

Diese Pläne stießen schon bald auf massive Proteste.

Nun hat die Bundesregierung beschlossen, die Pläne nicht weiter zu verfolgen. Die Politiker der Koalitions-Fraktionen konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Weg verständigen.
Zulassung und Überwachung von Arzneimittel sollen damit in Deutschland derzeit unverändert bleiben.

Infos:
Pressemitteilung ‚BAG Selbsthilfe fürchtet um Sicherheit der Patienten‘

Medikamenten- Zulassung in Privatisierung

Die Privatisierung schreitet munter voran, auch in Deutschland. Nun hat es die Arzneimittel-Sicherheit erwischt – sie soll privat organisiert werden, unter (Mit-)Aufsicht und Finanzierung der Pharmaindustrie.

Für die Zulassung von Medikamenten in Deutschland sowie deren Nutzen- und Risiken-Bewertung war bisher ein Bundesinstitut zuständig, das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Bei zentralisierten Zulassungsverfahren über die europäische Arzneimittelagentur EMA vertritt das BfArM die Interessen der Bundesrepublik.
Mit einem neuen Gesetz soll jetzt das BfArM in die DAMA (Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukte-Agentur) umgewandelt werden. Die Umstellung begründet das Gesundheitsministerium in seiner Pressemitteilung u.a. damit, das ein „effektives … Zulassungsmanagement geschaffen werden“ solle.

Das BfArM wie auch die neue DAMA sind zuständig für die Arzneimittelsicherheit in Deutschland. Wem wird dieses „effektive Zulassungsmanagement“ zugute kommen? Kritiker befürchten, der Pharmaindustrie, die nun auf schnellere Bearbeitung ihrer Zulassungsanträge hoffen kann. Eine gründliche Prüfung von Arzneimitteln vor deren Zulassung hat ihre guten Gründe – besonders seit dem Contergan-Skandal in den 1960er Jahren. Wird hier Gründlichkeit einer unter wirtschaftlichen Aspekten definierten „Effizienz“ geopfert? Einer Effizienz, deren Risiken dann der Patient trägt (der nicht ausreichend getestete, analysierte und kontrollierte Medikamente bekommen könnte)?

Doch es kommt noch dicker:
Der HIV-Report weist in seiner jüngsten Ausgabe auf weitere erstaunliche Punkte des Gesetzentwurfs hin. So soll zukünftig die DAMA weitestgehend selbständig agieren, das Gesundheitsministerium ist außer in akuten Notlagen nicht mehr weisungsbefugt und hat auch keine Fachaufsicht mehr. Der Verwaltungsrat der DAMA wird besetzt – unter anderem mit Vertretern der Pharmaindustrie, die vom Wirtschaftsminister berufen werden sollen.

Das heißt: für die Arzneimittel-Sicherheit in Deutschland ist zukünftig eine Agentur zuständig, auf die das fachlich verantwortliche Ministerium fast keinen Zugriff mehr hat – wohl aber die Industrie, deren Produkte genau diese Agentur überwachen soll.

Das beste aber: die DAM soll sich zukünftig ausschließlich selbst finanzieren, über Gebühren, die sie erhebt – eben u.a. für die Bearbeitung der Arzneimittel-Zulassung. Das bedeutet, die Agentur, die Arzneimittel zulässt, wird gesteuert und finanziert genau von denen, deren Produkte sie eigentlich überwachen soll.

Irgendwie fühle ich mich auffällig an das Bild von dem Bock und dem Gärtner erinnert …
Wieder ein Parade-Beispiel, wie der Staat hoheitliche Aufgaben (hier die Arzneimittel-Sicherheit) privatisiert.

Der bisher hohe Stand der Arzneimittel-Sicherheit in Deutschland (seit Contergan gab es keinen von Zulassungsbehörden zu verantwortenden Arzneimittel-Skandal mehr) wird hier potenziell unnötig gefährdet. Die Risiken, die hier eingegangen werden, tragen Patienten, die Effizienzgewinne hingegen die Pharmaindustrie.

Bisher ist das Vorhaben der Umwandlung des BfArM in die DAMA nur ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Die Zustimmung im Bundestag gilt jedoch als sicher – so dass letztlich nur hilft, den öffentlichen Druck gegen dieses Gesetz zu erhöhen, und zu hoffen, dass der Bundespräsident (wieder einmal) wegen verfassungsrechtlicher Bedenken die Gesetzesausfertigung nicht unterzeichnet.

Nachtrag 06.03.2007: der Gesetzentwurf zur Errichtung der DAMA findet sich hier