Schlagwort: Hamburg
sexuelle Gesundheit in Berlin 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln (akt.)
Berlin ist die gemessen an der Einwohnerzahl größte Stadt Deutschlands. Zudem hat Berlin schon immer besonders auch eine hohe Anziehungskraft für Bevölkerungsgruppen gehabt, die u.a. auch einer hohen Gefahr ausgesetzt sind, sich mit HIV zu infizieren (wie z.B. drogengebrauchende Menschen oder Schwule).
Schon aus diesen beiden Gründen ist es wenig überraschend, dass Berlin die Stadt mit der höchsten Zahl an HIV-positiven Einwohnern im Bundesvergleich ist.
Allein in Berlin leben etwa 10.400 der insgesamt ca. 59.000 deutschen HIV-Positiven – was heißt, dass ca. 18 % der Positiven Deutschlands in Berlin leben. Der Bevölkerungsanteil Berlins ( 3,4 Mio. Einwohner) an der gesamten BRD (82,3 Mio.) beträgt 4,1 %. Selbst wenn man einen ‚Großstadt-Faktor‘ in Ansatz bringt, ist der Anteil der Positiven, die in der Hauptstadt leben, als sehr hoch (wesentlich höher als nach Bevölkerungsanteil zu erwarten) zu bezeichnen. Dass Berlin Lebensqualität und Attraktivität gerade auch für Menschen mit HIV hat, findet sicherlich auch in diesen Zahlen Ausdruck.
Diese Zahlen zeigen zugleich, dass die absoluten Zahlen und ihre Entwicklung in den letzten Jahren nur bedingt aussagefähig für einen Städtevergleich sind. Aussagefähiger für Entwicklungen sind relative Zahlen, die z.B. Anhaltspunkte dafür geben, welche Bevölkerungsanteile sich jeweils mit HIV infiziert haben.
Genau dies leistet die Inzidenz. Die Inzidenz gibt an, bei wie vielen Menschen pro 100.000 Einwohner innerhalb eines Jahres in einer Stadt neu HIV (bzw. eine andere Infektionskrankheit) diagnostiziert wurde.
Vergleicht man die gemeldeten HIV-Fälle bei MSM in der Form der Inzidenzen, sieht das Bild ganz anders aus: die Grafik (nebenstehend) verdeutlicht, dass die HIV-Inzidenz unter MSM in Berlin im Jahr 2005 einen Scheitelpunkt erreicht hat und seitdem dort verharrt bzw. leicht sinkt, 2007 jedoch wieder ansteigt. Die Inzidenz in Hamburg steigt in den vergangenen Jahren kontinuierlich an und hat 2006 beinahe Berliner Niveau erreicht. Die Inzidenz in Köln hingegen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich über dem Berliner Niveau und zudem von 2004 bis 2006 deutlich angestiegen.
Bei den gemeldeten Hepatitis-C-Fällen bei Männern zeigt sich ein anderes Bild. Die Hepatitis-C-Inzidenz bei Männern ist in Hamburg auf sehr niedrigem Niveau annähernd konstant. Die Inzidenz für Berlin scheint 2004 einen Scheitelpunkt erreicht zu haben, sinkt seitdem leicht. Die Inzidenz für Köln hingegen pendelt stark und ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen (wegen des sehr hohen Wertes für Köln im Jahr 2001 Darstellung erst ab 2002). Daten ausschließlich für MSM sind leider nicht abrufbar.
Ein wiederum leicht anderes Bild bietet die Zahl der gemeldeten Syphilis-Fälle bei MSM. In Hamburg hat die Syphilis-Inzidenz bei MSM 2003 einen Scheitelpunkt erreicht und sinkt seitdem bis 2006 leicht, um 2007 erneut anzusteigen. Berlin verharrt seit 2003 auf annähernd gleich hohem Niveau mit deutlich sinkenden Werten für 2007. Die Syphilis-Inzidenz für MSM in Köln hingegen hat den Berliner Wert seit dem Jahr 2003 übertroffen und verharrt auf hohem Niveau, mit für 2007 ebenfalls sinkenden Werten.
Insgesamt zeichnen die Zahlen zu den Inzidenzen von HIV-Neudiagnosen bei MSM, gemeldeten Hepatitis-C-Fällen bei Männern und Syphilis-Fällen bei MSM ein vielfältiges Bild.
Eine Aussage lässt sich jedoch sicher treffen: wäre Berlin der ‚Sündenpfuhl‘, als der es gerne von interessierter Seite deklariert wird, wäre zu vermuten dass diese Zahlen anders aussehen. Um die sexuelle Gesundheit von MSM scheint es in Berlin zumindest im Vergleich mit Hamburg und Köln nicht so schlecht bestellt zu sein. Sicher ist vieles verbesserungsfähig – ‚Bad Bareback‘ jedoch muss offensichtlich woanders liegen …
Quelle aller Daten: Robert Koch-Institut: Datenabfrage SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 04.02.2008
Update 04.02.2008: Aktualisierung auf Stand der Datenabfrage 04.02.2008
Dieser Artikel ist Teil der Serie „Sexuelle Gesundheit in Berlin“:
Intro
Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen
Stadt Land Fluss
Deutschland ist föderalistisch strukturiert, im Gegensatz zu anderen Staaten wie z.B. (immer noch, wenn auch nachlassend) Frankreich. Das hat einige Vorteile, auch für den schwulen Mann.
Der kann von CSD zu CSD durch die Republik reisen, oder von Starkbierfest über Karneval zu Oktoberfest. Ein schwul-lesbisches Stadt-Land-Fluss sozusagen.
Und die Szenen jeder Stadt können sich bzw. ihre Stadt irgendwie für ‚die größte‘ halten, ihren speziellen Lokalpatriotismus pflegen, der zu den kuriosesten Blüten führt.
Manche Blüte erweist sich allerdings bei genauerem Hinsehen an der einen oder anderen Stelle als reichlich welk, könnte eine Auffrischung vertragen.
Viele Kölner Schwule halten ihre Stadt ja für den Nabel (oder den ‚geilsten Arsch‘) der Welt, nicht für Provinz. Ein großer Teil der Berliner Homoszenen lächelt da sicher milde oder amüsiert und denkt sich, na Berlin ist der Nabel der (schwulen) Welt, klar doch. Und Hamburg mokiert sich wahrscheinlich wieder, malt Schreckgespenster an die Wand, es werde benachteiligt, zu unrecht natürlich. Den Süden des Landes haben wir bisher ganz übergangen, und den Osten, den mittleren Südwesten und und und …
Allerdings, in einer Kategorie kann Köln in meinen Augen ganz klar punkten, und muss Berlin sich mit einem der hinteren Plätze bescheiden:
Was das schwule Saunaleben angeht – ganz klar Köln 5 Punkte, Berlin hingegen weit abgeschlagen…
Köln kann gleich mit vier Saunen aufwarten, davon mindestens zwei, die auch international mithalten können, der Phoenix und dem Badehaus. Die Phoenix zudem mit beispielhafter Umsetzung von Safer-Sex befördernden Konzepten – Kondome überall (nicht nur an der Theke, sondern dort wo benötigt) gratis erhältlich, und selbstverständlich auch Gel. Dazu noch eine Sauna (Vulkan), die sich auf das eher reifere Publikum spezialisiert hat und auf ihre Weise auch einen ganz eigenen Charme haben soll.
Hamburg dann irgendwie im Mittelfeld, mit immerhin zwei Saunen, eine davon auch mit überregionalem Format – zwar vermisse ich (ach, die Jugend) irgendwie ja immer noch ‚CU‘ oder ‚Pool‘, aber auch der Drache hat ja einiges Feuer …
Berlin hingegen? Saunen, die ihre besten Jahre längst hinter sich haben, in die kaum investiert wird, oder mit muffigem Personal. Eine wagt einen Neubeginn, über den auch eher zwiespältiges zu hören ist. Keine kann von Größe, Ausstattung und Präventionsaktivitäten her mit dem Kölner Standard mithalten. Insgesamt – an einem Schlechtwetter-Wochenende kann man auffällig viele schwule Berliner in einer Sauna in Leipzig treffen. Das sagt eigentlich genug über die Qualität des Berliner Saunalebens …
In Sachen ‚geilster Arsch der Welt‘ also in dieser Kategorie neidlose fünf Punkte für Köln … und Berlin stellt sich in die Ecke und schämt sich …
Nebenbei, bei dieser schwulen Nabelschau -wer hat die größte wichtigste bedeutendste schönste Homoszene des Landes- fällt mir wieder einmal ein, wie sieht das eigentlich bei Lesben aus, und bei Transgenders? Gibt es da auch einen derart kuriosen Wettbewerb? Einen Lokalpatriotismus à la ‚wir haben aber die geilste Lesbenszene‘???
Überhaupt, früher in meiner Kindheit gab’s diese klasse Sendung im Fernsehen (nein, nicht ‚Einer wird gewinnen‘ …), diesen von Camillo Felgen moderierten Städtewettbewerb namens ‚Spiel ohne Grenzen‘. Wäre es nicht an der Zeit, diese Show wiederzubeleben und die Homos der vermeintlichen Zentren dieses Landes auf einander los zu lassen? Über die Disziplinen wird man sich ja sicher einigen können … und als Namen schlage ich ‚Schwul ohne Grenzen‘ vor (und melde mal gleich Titelschutz an 😉 )
Blusige Hamburger
Mein Artikel über Hamburg und seinen Wettlauf mit Berlin hat mir ein schönes Ergebnis beschert – ein neues Wort.
Queerbeet kommentierte u.a., die Hamburger Szene sei „blusig“. Eine hübsche Formulierung, die mich gleich begeisterte und Assoziationen auslöste.
Noch schöner fast war die auf Nachfrage folgende Erklärung „Gehe mal durch die Lange Reihe wenn das Ledertreffen ist. Da sitzen auch ganze Kerle (oder solche, die es vorgeben, ein ganzer Kerl zu sein) vor dem Gnosa unter der Markise und gucken wie die Anderen gucken.“
DAS ist also „blusig“. Na – da mach ich doch gleich mal meinen Gedankenkoffer auf, schnapp mir dieses „blusig“ und werd’s bei nächstbester Gelegenheit auf seine Verwendbarkeit in Berlin prüfen. Ein Ort dazu wird mir sicher noch einfallen …
… oder hat jemand Vorschläge?