Recht auf Information der Öffentlichkeit, oder Recht auf Privat-Sphäre? HIV-Outing durch die Medien – zulässig im ‚höheren Interesse‘? Diese Frage, aufgeworfen durch den Fall der Verhaftung eines Pop-Stars wegen des Verdachts auf HIV-Übertragung sowie die Medien-Berichterstattung darüber, diese Frage wird vorerst ungeklärt bleiben. Die Sängerin zog ihre Anträge zurück, die Verhandlung findet nicht statt.
Steht das Recht der Öffentlichkeit auf Information über dem Recht auf Privatsphäre? Die Verhaftung einer Pop-Sängerin wegen Verdachts auf HIV-Übertragung und die anschließende drastische Medien-Berichterstattung darüber haben die Bedeutung dieser Frage erneut sichtbar gemacht.
Was ist höher zu bewerten? Das Recht der Öffentlichkeit auf Information? Oder das Recht einer (auch prominenten) Person auf Privatsphäre?
Darf man, konkreter dürfen die Medien Details aus dem Privat- und Intimleben einer Person, auch über ihre Gesundheit, eine etwaige HIV-Infektion, groß an die Öffentlichkeit bringen? Ist ein unfreiwilliges HIV-Outing in ‚höherem Interesse‘ (einer ‚informierten Öffentlichkeit‘) zulässig, auch zu Lasten der betreffenden Person?
Mit diesen Fragen sollte sich am 28. Mai 2009 die Pressekammer des Berliner Landgerichts zu beschäftigen haben.
Verhandelt werden sollte über den Einspruch des Axel-Springer-Verlags gegen eine Verfügung des Berliner Landgerichts. Dieses hatte dem Verlag auf Antrag der Anwälte der betreffenden Sängerin untersagt, weiterhin über die Ermittlungen in Zusammenhang mit der Verhaftung einer Popsängerin zu berichten, der HIV-Übertragung vorgeworfen wird.
Sollte – denn die für heute 28.5.2009 angesetzten Verhandlungen finden nicht statt.
Angesetzt waren wegen getrennter Verfügungen zwei Termine, einer zur Berichterstattung über die Ermittlungen wegen schwerer Körperverletzung sowie einer wegen der Berichterstattung über den Grund ihrer Festnahme.
Doch die Sängerin nahm am Mittwoch, 27. Mai überraschend über ihren Anwalt die beiden Anträge auf einstweilige Verfügungen gegen den Axel Springer Verlag zurück. Der Anwalt ebenso wie die betroffene Zeitung wiesen Spekulationen zurück, es sei zwischen beiden Seiten zu einem außergerichtlichen Deal gekommen.
Der Anwalt der Sängerin gab „strategischer Gründe“ für den Rückzieher an. Zuvor hatte er gegenüber der Presse geäußert, „wir arbeiten im Hintergrund“.
Ein Vertreter von Springer zeigte sich erfreut – der Verlag sehe sich in seiner Überzeugung bestätigt. Ein öffentliches Interesse an einer Berichterstattung über den Fall sei unbestreitbar. Den vollen Namen der verhafteten Sängerin hätten Staatsanwalt und Polizei mitgeteilt.
Der hessische Justizminister, der wegen der Umstände der Verhaftung und des Verhaltens der Staatsanwaltschaft unter Druck geraten war, hatte sich bereits Ende April öffentlich hinter die Staatsanwaltschaft gestellt. Die Kritik sei unbegründet, in diesem Fall gehe das Recht der Öffentlichkeit vor.
Die Frage, wie weit darf das Recht der Öffentlichkeit auf Information ausgelegt werden, wie weit darf in die Privatsphäre eingegriffen werden bleibt damit vorerst unbeantwortet.
Letztlich geht es dabei (auch) um die Frage, ob die Medien ein Recht auf ein unfreiwilliges HIV-Outing haben – oder eben nicht. Eine wichtige Frage, an deren Beantwortung großes Interesse bestanden hätte.
Der überraschende Rückzug ist eine weitere erstaunliche Facette im Fall der wegen des Verdachts auf HIV-Übertragung verhafteten Sängerin.
Über die Verhandlung vor der Berliner Pressekammer wollte in ein Gastbeitrag Adam F. berichten. Adam hatte auf meine Suche nach einem Berichterstatter über die Verhandlung reagiert hat und sich bereit erklärt, zum Prozess zu gehen und zu berichten. So hätte er den Lesern von ondamaris (da ich selbst aufgrund anderer Termine nicht kann) einen Bericht aus erster Hand über diese wichtige Verhandlung ermöglicht. Dazu kommt es nun leider nicht – dennoch: auch an dieser Stelle ein besonders herzliches Dankeschön an Adam für sein Engagement!
weitere Informationen:
presseportal 15.04.2009: Einstweilige Verfügung gegen BILD im Fall Xxx Xxxxx
SZ 27.05.2009: No Angel: der Saal bleibt leer
SZ 27.05.2009: Ein Star sagt ab
FAZ 27.05.2009: Verfügung gegen Xxxxs „Brandbrief“
queer.de 28.05.2009: Xxxx Xxxxx geht nicht gegen Springer vor
.
Auf die Frage ob er – ein Anwalt sich auch als „Bürgerrechtsanwalt“ sehe antworte er:
Natürlich. Wenn wir dafür sorgen, dass Persönlichkeitsrechte gewahrt werden,
ist es – finde ich – eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft, das sage ich auch
so pathetisch. Wenn es nicht die Anwälte tun, wer sollte es denn sonst tun?
Aha. ein Bürgerrechtsanwalt der im „Hintergrund“ strategisch wirkt . . . .
Auf die Strategie bin ich aber mal gespannt. Im Verfahren wird sie ja dann zum tragen kommen.
Ich finde das hier eine Möglichkeit verpaßt wurde „Grundsätzliches“ in Bezug zu dem Thema „Wie weit geht – darf Pressefreihet gehen“ abzuklären. Unabhängig davon ob sich der Vorwurf gegen die Sängerin in der Verhandlung nun bestätigt oder nicht – die mediale Sau darf weiterhin durchs Dorf getrieben werden. Und das hat mit der Sache (Den Vorwurf den man der Sängerin zur Last legt) um die es geht nun mal rein gar nichts zu tun. Die Journaille freuts und sieht sich unter dem Aspekt „die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf informiert zu werden“ bestätigt weiterhin „Zwangszuouten“.
„Letztlich geht es dabei (auch) um die Frage, ob die Medien ein Recht auf ein unfreiwilliges HIV-Outing haben – oder eben nicht.
Vielleicht ist es ganz gut so. Nach meinem Dafürhalten ist dieser Fall für die Klärung der aufgeworfenen Fragen denkbar ungeeignet – war doch das Verhalten der ‚Sängerin‘ recht undurchsichtig.
@ Steven:
ja, beim Fall der Sängerin gibt es so einige erstauinliche gegebenheiten, da stimme ich dir zu.
allerdings – in dme verfahren wäre es ja (auch) um das generelle verhältnis zwischen informationsrecht und recht auf privatsphäre gegangen, und zwar im hiv-kontext – das hätte schon spannnend werden können.
besonders aber habe ich mich im vorfeld gefreut, dass sich aus dem kreis der leser jemand gefunden hat, der sich selbst beteiligen, über den prozess schrieben wollte 🙂